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So., 15.01.2017, 13:28
Ich möchte mal darauf hinweisen, daß pädophiles Verlangen (wobei ich hier auch die Ephebophilie salopp darunter subsumiere) enorm weit verbreitet ist in diesem unserem Lande. Es gibt, wie fast immer bei solchen Themen, keine exakten, verlässlichen Zahlen. Aber nach den mir bekannten Schätzungen in der aktuellen Literatur muß man damit rechnen, daß jedes 20. - 10. Kind, also 5-10% aller Kinder in diesem Land sexuell mißbraucht werden. Wer's mal etwas genauer wissen will, dem möchte ich dieses Handbuch empfehlen:
... 3794529219
Es ist recht teuer, deswegen besitze es leider selbst nicht - es wurde mir mal von meinem Therpeuten ausgeliehen. Selbst die älteren Vorauflagen werden für mindestens 50 € gehandelt. In wissenschaftlichen Bibliotheken ist es jedoch in aller Regel gut zugänglich.
Wenn 5-10 % aller Kinder sexuell mißbraucht werden, dann muß es, auch wenn man Mehrfachtäterschaft berücksichtigt, etwa in der dieselben Dimension Täter geben - und wohl noch etwas mehr Menschen, die pädophiles Verlangen in sich verspüren, aber ihm nicht nachgeben.
Wir haben es also mit einer hochgradig disfunktionalen sexuellen Deviation zu tun, die in ihrer rein quantitativen Bedeutung sogar noch über die mir bekannten Schätzungen zur Homosexualität (1,5 - 5% der Bevölkerung) hinausreicht, die doch so viel über sich reden macht. Über Pädophilie jedoch wird sogut wie garnicht gesprochen - und wenn, dann nur mit den Ausdrücken der Entrüstung und der Abscheu. Die extreme Rechte geht da wie so oft mit doppelplusungutem Beispiel voran: "Todesstrafe für Kinderf ... er!" Und doch scheint sie damit vielen aus dem Herzen zu sprechen. All diese ganzen Manifeste und Aufrufe, Veröffentlichungen, Volksreden und Demonstrationen zur "entgültigen Ächtung sexueller Gewalt" gehen trotz ihres anerkennenswerten guten Willens in dieselbe falsche Richtung - nämlich in die Richtung der Aufrechterhaltung und Verstärkung dieser Tabus.
Pädophilie gehört zu den strengsten Sexualtabus überhaupt, und wohl viele werden sagen: "Und das ist auch gut so und muß auch so bleiben!" - weil sie, wie ich glaube, nicht wissen, was "Tabu" eigentlich heißt und wie weit die Auswirkungen eines Tabus reichen.
Eine Verbotsnorm, die zu einem Tabu geworden ist, reicht nämlich in ihrer Wirkung weit über ein gewöhnliches Verbot hinaus. Es trifft nicht nur den, der absichtlich, vorsätzlich, oder fahrlässig, im moralphilosophischen oder juristischen Sinne "schuldhaft" gegen das Verbot verstößt, sondern auch denjenigen, der im moralischen und juristischen Sinne völlig schuldlos das Tabu berührt oder verletzt - und das sind zuförderst: die Opfer.
Durch die Tabuisierung einer Verbotsnorm werden auch diejenigen getroffen, die durch die Verbotsnorm eigentlich geschützt werden sollen - in diesem Falle: die mißbrauchten Kinder (und Heranwachsenden).
Wir erleben es immer wieder in den Fällen sexueller Gewalt unter Erwachsenen, daß sich die Opfer selbst Vorwürfe machen, sich schuldig fühlen - teils aufgrund von Schulprojektionen der Täter, teils aber wegen der Wirkungen des allgemeinen Sexualtabus und des allgemeinen Tabus sexueller Gewalt - das können gerade wir in unserem Forum doch immer wieder nachlesen, wie schwer diese Opfer, zumeist Frauen, unter diesen wahrlich irrationalen und psychotischen Schuldgefühlen leiden und damit zu ringen haben. Aber es handelt sich bei denen, die hier davon berichten wenigstens um erwachsene Menschen, die sich artikulieren gelernt haben.
Kindern und Heranwachsenden jedoch fällt diese Artikulation um vieles schwerer - und um so leichter fällt es diesen Schuldgefühlen, ganz tief ins Unbewußte der kindlichen Opfer einzudringen und sie lebenslang zu quälen, bis sie möglicherweise psychotherapeutisch davon befreit werden. Auch das sind Wirkungen des Tabus.
(Fortsetzung folgt)
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Möbius am So., 15.01.2017, 13:31, insgesamt 1-mal geändert.