Unterschied Selbstzahler - Kassenfinanzierung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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lisbeth
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Beitrag Do., 22.12.2016, 11:43

Man kann es auch von der anderen Seite aus betrachten:

Nachdem bei mir klar war, dass die VT von der Krankenkasse nicht mehr verlängert wird, habe ich gemeinsam mit meiner damaligen Therapeutin auch überlegt, wie es weitergehen kann.
Dabei haben wir auch die Möglichkeit erörtert, dass ich selbst zahle. Evtl. in Kombination mit den Quartalsstunden. Hätte ich mir auch leisten können. Das wäre mir meine Gesundheit und Stabilität auch wert gewesen.

Von meiner Therapeutin kam dann aber auch der Einwurf: Es geht aktuell nicht um ein paar Wohlfühl-Stunden mit Lifestyle-Problemen. Sondern dass meine Probleme in ihren Augen definitiv realen Krankheitswert haben. Zudem kam ich aus einer längeren (> 12 Monate) Krankschreibung inkl. Klinikaufenthalt und hatte gerade erst die Wiedereingliederung begonnen. Wir haben lange und ausführlich darüber geredet, was das gefühlsmäßig mit mir macht, wenn die Verantwortung für meine psychische Gesundheit jetzt durch das Selbstzahlen zu meiner "Privatangelegenheit" wird. Weil ich mir auch die ganze Zeit über sehr schwer damit getan habe, mir überhaupt zuzugestehen, dass ich krank bin und nicht arbeitsfähig. Verbunden mit Schuldgefühlen, schlechtem Gewissen und was weiß ich nicht noch alles.
Dass das Selbstzahlen sich für mich wie ein Nachgeben gegenüber diesem Schlechten Gewissen anfühlt.
Und dass ich mir doch auch nochmal überlegen sollte, ob ein Verfahrenswechsel für mich vorstellbar ist damit die Behandlung weiter kassenfinanziert stattfinden kann. Was nervig ist, dass das System so funktioniert und auch seine Grenzen hat, und die Aussicht auf einen Therapeutenwechsel und die Suche war irgendwie auch nicht so toll.

Im Endeffekt lief es dann darauf hinaus, dass ich mich für den Verfahrenswechsel entschieden habe. Ich habe dann aber auch lange gesucht, bis ich jemanden passenden gefunden habe. Und in dieser Übergangszeit habe ich dann die VT-Stunden selbst bezahlt.

Dass das nach 300 h Analyse vielleicht anders aussieht und wahrgenommen wird, und dass es da auch um andere Prozesse geht, liegt auf der Hand. Gleichzeitig kann genauso das Nicht-Selbstzahlen sondern die Inanspruchnahme des "Systems" ein Akt von gesunder Autonomie und Selbstfürsorge sein - ist es jedenfalls aktuell für mich. Da haben gerade auch die Analytiker mMn eine sehr einseitige Betrachtungsweise, was das angeht.
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Sunna
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Beitrag Do., 22.12.2016, 12:14

Für den einen bedeutet es Autonomie, selbst zu zahlen, für den anderen, nicht selbst zu zahlen. Allein daran erkennt man, dass die Frage der Bezahlung sehr wohl zu Unterschieden in der Therapiewahrnehmung führen kann und es etwas ist, worüber man nachdenken sollte, wenn man vor dieser Entscheidung steht. Wenn man dann noch all die weiteren Argumente anschaut, wird es fast schon kompliziert.
Bei mir ist es so, dass ich den Krankheitswert zwar überdeutlich erkenne, ich dennoch anderen nicht auf der Tasche liegen möchte. Wenn ich es könnte, würde ich allein deswegen meine Therapie selbst zahlen. Andererseits auch, weil ich mich dann nicht durch gesetzliche Vorgaben in der Therapiewahl einschränken lassen müsste. Forderungsansprüche an die Therapie würde ich dagegen nur begrenzt haben, weil ich davon ausgehe, dass, wenn die Passung stimmt, sich der Verlauf so oder so produktiv gestaltet. Dass das bei anderen anders aussieht, kann ich trotzdem sehr gut nachvollziehen.

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saffiatou
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Beitrag Do., 22.12.2016, 12:54

Habe meinen Therapeuten in der Zeit nach Auslaufen der Stunden gefragt, ob ich zu den Quartals-Stunden noch eine Stunde selbstfinanzieren darf und er hat gesagt, daß er es nicht möchte, weil es bei mir zuviel Druck aufbaut.

Saffia
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Speechless
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Beitrag Do., 22.12.2016, 12:55

Ähm anderen auf der Tasche liegen? Geht's noch? Eine Therapie ist eine Versicherungs - und keine Sozialleistung. Die Kasse kann ruhig auch mal was zahlen und sich nicht immer nur horrende Beiträge einzahlen lassen.

Es wird teilweise fast so dargestellt als sei Therapie ein Wellnessprogramm. Es scheint eben immer noch das Stigma vorzuherrschen, dass es psychische behandlungsbedürftige Krankheiten gar nicht gibt. Man weiß es eventuell für sich selbst schon, aber gegenüber der Allgemeinheit kann man es nicht rechtfertigen. Bei Krebs würde wahrscheinlich auch niemand seine Kasse anrufen und sagen man würde gerne seine medizinisch anfallenden Kosten privat zahlen.

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lisbeth
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Beitrag Do., 22.12.2016, 13:30

Speechless hat geschrieben: Es wird teilweise fast so dargestellt als sei Therapie ein Wellnessprogramm. Es scheint eben immer noch das Stigma vorzuherrschen, dass es psychische behandlungsbedürftige Krankheiten gar nicht gibt. Man weiß es eventuell für sich selbst schon, aber gegenüber der Allgemeinheit kann man es nicht rechtfertigen. Bei Krebs würde wahrscheinlich auch niemand seine Kasse anrufen und sagen man würde gerne seine medizinisch anfallenden Kosten privat zahlen.
Einerseits ja.

Und andererseits führt eine (kassenfinanzierte) Psychotherapie in der Vergangenheit dazu, dass man keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr abschließen kann (oder nur mit Ausschluss aller F-Diagnosen), dass man eine Verbeamtung vergessen kann, usw.

Wo also auf der einen Seite der Krankheitswert und die Behandlungsbedürftigkeit heruntergespielt oder gar verneint wird, wird es auf der anderen Seite pauschal als Anzeichen gesehen, dass eine längere Krankheitsphase oder gar Frühverrentung quasi vorprogrammiert sind... Schon verrückt, diese Gesellschaft.
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Speechless
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Beitrag Do., 22.12.2016, 13:33

In dem Zusammenhang erschreckend und traurig, wenn man sich das vor Augen hält, ja.


Sunna
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Beitrag Do., 22.12.2016, 13:51

@speechless

Mein Gefühl, der Krankenkasse auf der Tasche zu liegen, ist ein Problem von mir, dass ich mit der Selbstzahlung geschickt umgehen könnte. Ich bin (leider) davon überzeugt, keinen Anspruch auf diese (wie auch auf viele andere) Versicherungsleistung(en) zu haben, obwohl mein Kopf versteht, dass das falsch ist. Die Gründe dafür erahne ich. Über jemand anderen, der einer ähnlichen Position wie ich ist, denke ich überhaupt nicht so. Allerdings nehme ich das "falsche Gefühl" mit in meine Therapie, was nicht unbedingt angenehm ist. Sich davon frei zu kaufen, ist sicherlich auch verkehrt, aber trotzdem denke ich so.


Speechless
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Beitrag Do., 22.12.2016, 14:26

Vllt könnt ihr das ja auch in der Therapie besprechen, dass du es dir wert bist, dass die Kasse für dich zahlt. Wenn du sonst einigermaßen gesund bist macht die Kasse mir dir auf lange Sicht bestimmt immer noch ein dickes Plus

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lisbeth
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Beitrag Do., 22.12.2016, 14:37

Speechless hat geschrieben:Vllt könnt ihr das ja auch in der Therapie besprechen, dass du es dir wert bist, dass die Kasse für dich zahlt.
Würde ich auch vorschlagen. Vor allem wenn der Wunsch selbst zu zahlen so stark von dem Bedürfnis getrieben ist, keine Belastung für andere zu sein, wäre es sicherlich aufschlussreich, sich das mal genauer anzuschauen... Zumal du ja auch selbst sagst, Sunna, dass sich dieses Gefühl ja dann auch *in* deiner Therapie breit macht.
Dann ist das Selbstzahlen ja reine Konfliktvermeidung: Ich gehe mir und meinen inneren Kritikern geschickt aus dem Weg und kann es (auch mir selbst gegenüber) noch als 'gesundes' Autonomie-Bestreben verkaufen... Wobei du ja auch die Ambivalenz darin ganz klar wahrnimmst.
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Beitrag Do., 22.12.2016, 18:52

Speechless hat geschrieben:Bei Krebs würde wahrscheinlich auch niemand seine Kasse anrufen und sagen man würde gerne seine medizinisch anfallenden Kosten privat zahlen.
Es gibt jede Menge gesetzlich Versicherte, die Therapien auch körperlicher Krankheiten aus eigener Tasche bezahlen. Ein nicht unerheblicher Teil meiner Pat. ist Privatzahlen und gesetzlich versichert.
Liebe Grüße
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Speechless
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Beitrag Do., 22.12.2016, 19:08

Genau, du bist aber weder Arzt noch Psychotherapeut. Physiotherapie wird üblicherweise selbst weiter bezahlt, weil die Kasse von vornherein nur ein paar h bezahlt. Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber üblicherweise kostet Phyiso keine 100€ pro h und geht auch nicht 1- mehrere Jahre.

Naja und was ein Krebspatient allein für CT, MRT, Chemo etc. zahlen müsste übersteigt wahrscheinlich den Verdienst der meisten Anwesenden, da brauchen wir nicht drüber zu reden

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Beitrag Do., 22.12.2016, 20:05

Die Menschen welche ihre Therapien selber zahlen, machen das oftmals über die selbe Anzahl, oder sogar noch für mehr Termine als die KK bezahlt.

Und bei schweren Erkrankungen wird Physiotherapie sehr wohl über sehr lange Zeiträume, sogar Jahre bis Jahrzehnte fortlaufend in Anspruch genommen.
Liebe Grüße
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Beitrag Do., 22.12.2016, 20:15

Gerade Krebs-Pat. zahlen sehr viel für ihre Therapien, wenn die KK die Leistung nicht trägt.
Und ja, die Therapien gehen in die Tausende.
Liebe Grüße
Lockenkopf


Speechless
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Beitrag Do., 22.12.2016, 20:27

Naja, wir sind hier nicht in Amerika. Bei Krebs wird meiner Kenntnis nach so gut wie alles außer experimentellen Therapien bezahlt.

Naja gut, dann zahlt die Kasse eben in den meisten Bereichen nicht. Umso mehr sollte man es in Anspruch nehmen, wenn sie es doch mal tut

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Beitrag Do., 22.12.2016, 20:42

Die Kasse bezahlt in den meisten Bereichen, aber nicht allen. Aber sie bezahlt nicht unbedingt so viel oder in dem Ausmaß wie es der Pat. gerne hätte. Und es gibt aber auch durchaus Ärzte die nicht bereit sind, sinnvolle Maßnahmen aus z.B. Budgetgründen zu verordnen.
Und es gibt Pat. welche Therapien wollen, die nicht über die KK laufen.
All das gibt es in psychischen wie im physischen Bereich.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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