Kann man eine gespaltene Persönlichkeit noch im Erwachsenenalter entwickeln?

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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Siren
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Beitrag Di., 13.12.2016, 21:41

Hallo Möbius,

ich fühle mich geehrt und: Danke!

LG
Siren
Ich wäre gerne nett.

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Mira*
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Beitrag Mi., 14.12.2016, 18:20

Jenny Doe hat geschrieben: Wenn ich extremem Stress oder Überforderung ausgesetzt bin, dann entsteht in meinem Gehirn eine Art Blockade, so als würden alle Verbindungen in meinem Gehirn abbrechen. Ich habe dann keinen Zugang mehr zu meinen Gefühlen, meinen Erinnerungen, meinen Gedanken, ... kurz: zu meiner Identität.
Das, was ich in diesen Zuständen nicht mehr als "Ich" wahrnehmen kann, kann ich auch nicht kontrollieren und steuern. Es fühlt sich an wie "das bin ich nicht, das ist eine andere Person". Besonders schwierig wird es, wenn "die andere Person" auch noch so ganz anders ist als ich.
Kann dies leider auch nur unterschreiben


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 16.12.2016, 08:58

Hallo Siren,

heute früh fiel mir ein, dass vor einiger Zeit mal ein Fallbericht veröffentlicht wurde, der in die Richtung der von dir beschriebenen Problematik geht, zwar krasser als bei Dir, doch der Bericht zeigt, welche Folgen Stress haben kann, auch im Erwachsenenalter:

Wie im Film: Erwachsene Frau wacht plötzlich als Teenager auf
http://www.brigitte.de/gesund/gesundhei ... 93858.html

32-Jährige wacht auf und glaubt, sie sei ein Teenager
http://www.focus.de/panorama/welt/ausse ... 55277.html

Seltene Form der Amnesie: 32-Jährige denkt, sie sei 15
http://www.news.de/gesundheit/855596683 ... eenager/1/
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Siren
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Beitrag Fr., 16.12.2016, 11:04

Hallo Jenny,

mein Gott, was es nicht alles gibt!

So schlimm ist es ja zum Glück bei mir nicht. Inzwischen hatte ich auch wieder Therapie und mein Thera hat mich wieder fest an der Hand. Das hilft schon sehr. Und ansonsten hat er die wunderbare Eigenschaft, Dinge ganz gelassen zu hinzunehmen wie sie gerade sind, ohne zu dramatisieren, und die Dinge dann für mich nutzbar zu machen. Schön.
Ich wäre gerne nett.

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Möbius
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Beitrag So., 18.12.2016, 15:40

Freud's Traumatologie basiert auf dem Gedanken eines "Reizschutzes": es gibt eine psychische Instanz, die verhindert, daß überstarke Reize unser Bewußtsein erreichen können. Und "überstark" ist ein Reiz, der in seiner Quantität oder Qualität für unser Bewußtsein unerträglich ist, buchstäblich das Bewußtsein zu "sprengen" droht. "Bewußtsein" - das ist ein fragiler Zustand, den wir normalerweise ja auch nicht einmal für 24 h aufrecht zu erhalten vermögen. Dieser Reizschutz wird im wesentlichen von den "Abwehrmechanismen" wahrgenommen und ein ganz prominenter Abwehrmechanismus ist die Dissoziation, die Abspaltung einzelner Teile von Wahrnehmungen. Ich habe selbst hier mal in unglaublich kluger Weise erklärt, wie man sich Dissoziation vorzustellen hat. Diese Erlebnisse der "Depersonalisierung" oder "Derealisierung" (oder so) sind mir durchaus nicht fremd, nur treten sie bei mir nur sehr selten und sehr kurzzeitig auf. Es hat ein jeder ja so seine Lieblings-Wehwechen ... Ich vermute, diese Zustände sind solche, in denen die Dissoziation am weitesten getrieben wird, das Bewußtsein nur noch über eine dünne Nabelschnur der "unpersönlichen Umweltwahrnehmung" mit der Welt verbunden bleibt. Immerhin bleibt man aber auch in diesem Zustand noch im basalen Umfange handlungsfähig - die nächste Stufe wäre dann wohl die Ohnmacht, wie man sie aus alten Filmen kennt, wo es meist die angeblich so nervenschwachen Frauen sind, die Reihenweise bei Stressituationen in Ohnmacht fallen: für das Bewußtsein wird einfach der Not-Aus-Schalter gedrückt. Das kann sehr unangenehm sein, wenn wir zB gerade auf dem Fahrrad sitzen, ein Auto oder ein Flugzeug steuern. Sowas kann übrigens auch durch eine Freudsche Fehlleistung herbeigeführt werden: der frisch ernannte Reichskanzler Prinz Max v. Baden nahm eine Überdosis Schlafmittel, als ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe, mit deren Abwicklung er betraut worden war, Ende 1918 gewahr geworden war - und setzte somit sein Bewußtsein für rund 30 h ausser Betrieb.Suizidabsicht kann ausgeschlossen werden - Max v. Baden war psychisch eigentlich recht stabil und hat seinen Job danach ja auch ganz gut hingekriegt.

Ich selbst habe übrigens beim letzten Wiederleben des nunmehr 3. Mißbrauchs-Traumas so eine kurzzeitige Derealisiation erlebt - "Ist das Ding da vor meinem Gesicht wirklich meine Hand?" und ähnlich reagiert, wie Max v. Baden: ich habe ein starkes Sedativum genommen und mich ins Bettchen verkrümmelt.

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Kaonashi
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 02:41

Siren hat geschrieben:Genau dieses "Doppelleben" in der Phantasie habe ich auch immer geführt. Ich bin als Kind wie als Erwachsene mühelos durch meinen reinen Willen in "meine" Welt gegangen und habe dort gelebt. -- Quelle: viewtopic.php?f=16&t=38204&start=15
Bedeutet das, ihr hattet eine Fantasiewelt, und habt als ihr selbst in dieser Fantasiewelt gehandelt und Dinge erlebt?

Ich frage, weil ich früher auch eine Fantasiewelt hatte, aber da habe ich mir Geschichten über andere ausgedacht. Begonnen hat es mit Filmfiguren, für die ich mir Erlebnisse ausdachte. Die Geschichten waren ziemlich stereotyp, so etwa das gleiche Thema in 1000 Varianten, hat aber dennoch Stoff gegeben für viele Jahre von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Dann hörte es irgendwann auf. Die Geschichten habe ich mir fast täglich abends vor dem Einschlafen ausgedacht, manchmal, wenn es sehr spannend war, auch tagsüber.

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Siren
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 06:53

Hallo Kaonashi,

ich kann natürlich nur für mich sprechen.

Ich war selbst Bestandteil dieser Phantasiewelt. (Es tut mir körperlich weh, Phantasie mit F zu schreiben. Man sehe mir meinen Altersstarrsinn nach.)
Als Kind war diese Welt oft inspiriert von Büchern, die ich las. Ich habe oft monatelang in derselben Welt mit denselben Beteiligten gelebt und hatte dort auch meine Rolle, jedoch habe ich auch mich selbst zu einer anderen Person phantasiert.
Als Erwachsene waren es eher umgestaltete reale Beziehungen. Auch hier habe ich mich in jemanden phantasiert, den man mögen kann.
Ich wäre gerne nett.

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Möbius
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 10:29

@ Siren

Dir wird nochmals die Ehre einer persönlichen Ansprache von mir zuteil - dank unserer (mutmaßlichen) gemeinsamen Diagnose: der schizoiden Störung. Ich anempfehle:

Das "Erinnerungsbuch" von C.G. Jung - "Gedanken, Träume und Erinnerungen von C.G. Jung" hrsg. von Anelia Jaffé. Jung war selbst schizoid - seine Phantasiewelt war religös geprägt, sein Vater war evangelischer Pfarrer gewesen. Das "Erinnerungsbuch", wie es meist genannt wird, gibt auch eine gute Einführung in seine "Psychoanalytische Psychologie".

Dann: Arno Schmidt. Dieser Großschriftsteller der untergegangenen BRD war wie kaum ein anderer Romancier von der Psychoanalyse geprägt gewesen, die er au fond studiert zu haben scheint. Sein Frühwerk ist großenteils in der Form fiktiver Erinnerungen geschrieben, die im Leser selbst, wenn der Funke überspringt, ein "Mit-Erleben" dieser Erinnerungen ermöglichen, ein "Zuende denken und fühlen" des Geschriebenen in seiner eigenen "Welt im Kopf". Wie das alles technisch funktioniert und wie man sich das vorzustellen hat, das hat A.S. in seinen Werkstattexten "Berechnungen I,II" sehr präzise beschrieben. Diese sind ausser in den voluminösen Gesamtausgaben der Arno-Schmidt-Stiftung nur noch in dem Bändchen "Rosen & Porree" enthalten, das nicht mehr verlegt ist, aber zB über ZVAB wohlfeil erhältlich.

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Siren
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 15:36

Hallo Möbius,

ich danke Dir für Deine Empfehlungen und die erneute Ehre .

Ich lese Dich gerne, hier und auch in anderen Threads. Deine Ausführungen finde ich spannend. Auch die von Dir empfohlenen Bücher interessieren mich. Dennoch werde ich sie nicht lesen.
Ich weiß gar nicht, ob ich das ausreichend erklären kann, weil es mehr eine Intuition ist, die mich davon abhält:

Mein größter Wunsch ist es, gesund zu werden. Ich vermeide es grundsätzlich, mich allzu sehr mit der Theorie der Psychotherapie auseinanderzusetzen . Zum einen weil ich eine "Psychiatrisierung" fürchte; ich befürchte, ich könnte zuvieles finden, was scheinbar auf mich passt, obwohl es vielleicht je nach Ausprägungsgrad normal und nicht pathologisch ist. Das würde mich immer weiter in das Selbstverständnis einer psychisch Kranken treiben. Mein Wunsch ist es jedoch, den Weg in die andere Richtung zu gehen, Richtung Gesundheit. Zum anderen möchte ich nicht weiter "verkopfen". Denken und theoretisches Begreifen waren immer meine Stärke; so stark, dass sie mein fehlendes Fühlen bis in mein mittleres Lebensalter so gut kompensieren konnten, dass ich ein normales, unauffälliges Leben führen konnte. Was ich nun seit gut zwei Jahren lerne, ist Fühlen, Wahrnehmen, dass da noch etwas ist, Verstehen, was es ist und warum es da ist, und mich davon leiten lassen, damit es mir besser geht. Mich mit diesen und anderen Büchern zu befassen, wäre altes Verhalten. Sicherlich wäre ich gut in der Lage, mir zügig ein derartiges Fachwissen anzueignen, dass ich Vorträge halten könnte. Es würde mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung aber nicht vorwärts bringen. Ich möchte mich zum ersten Mal in meinem Leben "dumm" halten, nicht durch theoretisches Wissen die Kontrolle bewahren. Ich möchte mich stattdessen in meiner Krankheit der Führung durch meine Gefühle und durch meinen Therapeuten anvertrauen.

Hinzu kommt, dass die Phantasiewelt ja nun bereits hinter mir liegt. Ich möchte nicht, dass sie nun auch noch im Nachgang durch intensive Analyse meine Energien weiter bindet, sondern möchte die freigesetzte Energie in etwas Zukunftsorientiertes investieren. Ich habe inzwischen z.B. wieder mehr Kraft für meine geliebten Hobbys, die mir wiederum neue Kraft zurückgeben und ausgleichend auf mich wirken. Darauf möchte ich mich konzentrieren.

Ich habe keinen blassen Schimmer, ob jemand mich versteht, ob Du mich verstehst, ob ich ausdrücken konnte, was mich antreibt. Ich hoffe es.

Liebe Grüße
Siren
Ich wäre gerne nett.

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Möbius
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 19:23

@ Siren

Zunächst vorab: ich verhalte mich hier sehr unpersönlich, weil persönliche Kontakte, erst recht dann, wenn sie mit einer gewissen gegenseitigen Wertschätzung, Zuneigung verbunden sind, bei mir sehr ernste psychodermatologische Folgen, konkret: die Ausbildung von übelen Abszessen und Narbenwucherungen zeitigen können. Warum das so ist, habe ich versucht, in meinem - geschlossenen - Vorstellungsthread zu skizzieren. Leider gelingt es nicht allen, dieses mein Distanzbedürfnis, das durchaus nicht meinen eigenen Wünschen und Empfindungen entspricht, zu respektieren. Sei also bitte nicht böse, wenn ich diese persönlichen Ansprachen Dir gegenüber sehr knapp gehalten habe und auch nun wieder beenden möchte. In einen "echten" Dialog mit Dir treten kann ich leider nicht.

"Ein jeder Jeck ist anners" sagt man im Rheinland so schön. Dein Verhältnis zu Deiner "inneren Welt" scheint ein gänzlich anderes zu sein, als das Meine. Warum das so ist, brauchen wir nicht zu hinterfragen. Ich will Dich auch keineswegs dazu drängen, in Richtungen zu gehen, die Dich "nicht weiterbringen", eher sogar "kontraindiziert" sein könnten. Nach dem, was Du schreibst, gehst Du auch therapeutisch einen ganz anderen Weg, als ich selbst - und kommst voran auf diesem Weg.

Ich wäre der Letzte, der Dich davon abbringen, meinen "way of schizoidy" zum Alleinseeligmachendem deklarieren wollte.

Ich schreibe vornehmlich zu Themen, die mich, meine Psyche und ihre Krankheiten betreffen und um Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Wenn nebenbei jemandem aus meinen Texten irgendeinen Nutzen ziehen kann, ebenfalls gewisse Orientierungen daraus entnehmen kann und sei es nur durch die Auseinandersetzung damit, dann ist das schön und gut - aber allenfalls ein sekundäres Ziel von mir.

Ich wünsche Dir auch weiterhin gutes Vorankommen auf Deinem Weg !

Gruß
Möbius

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