Sollte man Medikamente nicht nur in krassen Ausnahmesituationen nehmen?

Erfahrungsaustausch zur Begleitmedikation zur Psychotherapie (Psychopharmaka und pflanzliche Mittel). Achtung: dient nicht zur gegenseitigen Medikamentenberatung, die ausschließlich Fachärzten vorbehalten ist. Derartige Beiträge werden aus dem Forum entfernt.
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Broken Wing
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 15:42

@ Candy: Tut mir leid, ich weiß wie sich eine Major Depression anfühlt. Und ich kenne auch andere, die das tun. Aber ich kenne leider niemanden, der major depressiv war und durch Medikamente es nun nicht mehr ist. Nach der Einnahme gibt es etwa nach 2-3 Wochen ein Hoch, weils halt der Arzt gesagt hat, dass es nach 2-3 Wochen besser wird. Plazebo eben. Und es wird ja auch so, also Körperlich meine ich. Aber nur durch den Rückgang der Nebenwirkungen. Hauptwirkung habe ich noch keine beobachten können, leider.
Das lässt sich paar Monate halten, dann fällt die Stimmung wieder und es muss "neu eingestellt" werden, was auf gut Deutsch einfach nur bedeutet, weiter auf Zeit zu spielen und dem Wundermittel Plazebo Zündstoff zu geben.

Die gleiche Wirkung lässt sich auch mit Psychotherapie erreichen, weil halt beides Plazebo. Aber negative Langzeitfolgen bei guter Psychotherapie sind nicht vorhanden, während sie bei Psychopharmaka nicht erforscht sind, es aber Anhaltspunkte dafür gibt, auch, dass Medikamentenkonsumenten häufiger und schwerere depressive Episoden erleiden. Also 1:0 für Psychotherapie.
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Candykills
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 15:49

@Broken Wing

Ich nehme 2 Antidepressiva und 1 Neuroleptikum: meine Psychose ist gestoppt, meine Depressionen sind von Major zu mittelschwere Depressionen aufgestiegen. Ich bin nicht frei von Depressionen, aber mein Leben ist mit Medikamenten schon deutlich anders, ich bin stabil. Psychotherapie hat bei mir NICHT ausgereicht, meine Therapeutin hat uns nicht stabil bekommen, egal wie sehr sie und wir uns bemühten stabiler zu werden. Die jetzige Stabilität haben wir eindeutig den Medikamenten zu verdanken. Vielleicht hattest du aber auch schlichtweg keine Major Depression...denn die Medikamente helfen generell nur bei sehr schweren Depressionen.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)


Eremit
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 15:51

Broken Wing hat geschrieben:[…] Nach der Einnahme gibt es etwa nach 2-3 Wochen ein Hoch, weils halt der Arzt gesagt hat, dass es nach 2-3 Wochen besser wird. Plazebo eben. […]
Das ist dann aber keine Major Depression.

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Schnuckmuck
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 16:21

Genau so wenig, wie man Schicksale gegenüberstellen kann, wer wohl das ärgste erlitten hat, kann man abwägen, wer Medikamente nehmen dürfte und wer nicht.

Zum Glück kann das jeder für sich entscheiden. Und wer da den harten Weg geht um sich oder sonst wem etwas zu beweisen oder warum auch immer, der solle das tun. Aber nicht mit der Arroganz sich über andere zu stellen oder sie zu bewerten.

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saffiatou
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 16:37

Schnuckmuck hat geschrieben:Zum Glück kann das jeder für sich entscheiden. Und wer da den harten Weg geht um sich oder sonst wem etwas zu beweisen oder warum auch immer, der solle das tun. Aber nicht mit der Arroganz sich über andere zu stellen oder sie zu bewerten.
Danke!
Alienia hat geschrieben:Ich sehe, dass Medikamente heute einfach viel zu leichtfertig verschrieben werden.
Dass da selbst Ärzte viel zu unkritisch sind.
Und Pharmafirmen eine etwas zu große Macht besitzen. Was aber einfach gernerell einfach ein Problem des Kapitalismus ist.
erstens:
Wieviele Ärzte kennst Du? und wenn Du meinst, dieser Erfahrungen bei Deinen Ärzten gemacht hast, gilt das nicht automatisch für alle anderen Ärzte. Ich schätze Du hast keine medizinsche Ausbildung, wie kommst Du dann zu der Einschätzung, daß Medis zu schnell verschrieben werden? Was ist zu schnell? Was ist zuviel?

zweitens
Vermischt Du nun Kapitalismus und Macht und Medikamente, das passt doch nicht!

Ein Betrieb muss wirtchaftlich geführt werden, damit er ein Produkt (hier Medis) entwickeln kann, woher soll das Geld denn herkommen, wenn nicht aus Gewinnen?
Klar, ist das nicht Altruismus, daß die Medis entwickelt werden, es soll Gewinne geben, aber was ist so falsch daran?

drittens:
Kapitalismus hat nichts mit der Wirkung der Medis zu tun, in meinen Augen.
Alienia hat geschrieben:Ich finde meine Sichtweise nicht einseitig
erkennst Du nicht wie einseitig Deine Sichtweise ist?
Alienia hat geschrieben:Schon bei ganz normalen Liebeskummer oder ähnlichem, werden heute sofort Antidepressiva verschrieben
Wie willst Du entscheiden, ob es nur Liebeskummer, oder der Patient auf dem Wege in eine Depression war??? Bist Du Psychiaterin?
Alienia hat geschrieben:Klar gibt es Extremfälle für die, diese Medikamente wichtig sind.
Das sind aber aus meiner Sicht so ca. höchstens 20% der Menschen mit psychischen Krankheiten. Es werden aber 100% der Menschen mit psychischen Krankheiten irgendwelche Medikamente empfohlen. Immer.
Auch das ist Unsinn! Ich höre immer wieder von Ärzten, die möchten daß der Patient so lange wie möglich ohne Medis auskommt. Schon kurios, wie Du zu Deinen Einsichten gelangst.

Saffia
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power
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 16:54

Hallo zusammen,

ich möchte mich hier auch mal einklinken. War nun längere Zeit abwesend, aber lese schon seit geraumer Zeit wieder mit.

Was eigentlich ist eine krasse Ausnahmesituation? Wie/Wer definiert das? Befindet sich nur jemand, welcher am Rande eines Suizids oder eines fremdschädigenden Verhaltens in einer so genannten Ausnahmesituation oder zählen da auch Personen dazu, welche durch eine schwere Depression u/o Angststörung in die Berufsunfähigkeit fallen könnten? Was ist mit einer Mutter, die sich um Kinder kümmern muss? Da ist die Liste endlos lang...

Ich denke, jede/r definiert für sich selber, was und wieviel er an Hilfe braucht. Ich würde liebend gern nur mit Psychotherapie auskommen,leider geht das nicht. Ich nehme meine Medis nicht gerne, wohlwissend, dass ich das Glück habe, dass meines sehr gut wirkt und das schon lange (es war das 1. das ich bekommen habe und das ganze OHNE Nebenwirkungen!).

Ich stelle eigentlich den Anspruch an mich (resultiert wahrscheinlich aufgrund meiner zwänglich-perfektionistischen Persönlichkeit) es irgendwann ohne Medis zu schaffen. Bisher muss ich aber trotz Medis (meist nur Rückfallprophylaxe) sehr hart an mir arbeiten, dass ich nicht wieder abrutsche. Gerade wenn äußere Stressoren hinzukommen (wie diesen Sommer, da gab es 2 Todesfälle!) rutsche ich wieder langsam ab. Aber nie mehr so stark wie mit Medis. Ich beginne nun wieder eine Psychotherapie, mittlerweile die 3, weil ich denke, dass ich noch viel an mir arbeiten kann. Dennoch muss ich mir bewusst sein, dass ich a) die Veranlagung zu Depressionen, Zwängen und Angststörungen habe, 2.) ich eine ängstlich-zwänglich-eher depressiv veranlagte Persönlichkeit bin und 3.) viele Traumata erlitten habe. Ob es in meinem Fall irgendwann funktioniert, dass es ohne Medis geht, wird sich weisen. I

Ich finde es anmaßend, wenn Personen behaupten, dass og. Krankheiten reine Befindlichkeitsstörungen sind und quasi mit ein bisschen Lebensumstellung und Gesprächstherapie aka positivem Denken zu behandeln geschweige denn zu heilen sind. Denn, so schließe ich mich den Vorredner an, jemand der noch nie wirlich am Rande eines Suizid stand aufgrund absoluter Verzweiflung, würde keine Thread mit diesem Titel erstellen. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur das Glück, sehr gute Ärzte und Psychotherapeuten gefunden zu haben, die in Zusammenarbeit mit mir (und letzten Endes meiner Entscheidung) mich auf diesem oftmals sehr harten Weg zu einem leidlosen Leben begleiten.

LG power
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Broken Wing
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 16:55

Vielleicht, vielleicht. Die Symptome sprechen eindeutig für eine Major Depression. Mit einer mittleren verbringt man nicht die meiste Zeit im Bett und verpasst viele Lebensjahre.

Gerade der Rückfall spricht für eine Major, da eine mittlere depressive Episode ja in der Plazebo-Phase überwunden wäre.

@ Eremit: Wieso? Sind etwa Menschen mit Major Depression Plazebo-Nonresponder?
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Eremit
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 17:45

Zumindest jene diagnostizierten Fälle, die mir bekannt sind, zeichnen sich durch völlige Therapieresistenz aus. Egal, wer was wann sagt oder tut, das Weltbild des schwer Depressiven ist perfekt in sich geschlossen, unerschütterlich, der Patient ist auch durch Logik nicht mehr erreichbar. Die Verabreichung von Psychopharmaka erfolgt üblicherweise gegen den Willen des Patienten nach Einlieferung in die Psychiatrie, da der Patient nicht mehr allein überlebensfähig ist (weil z.B. die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme zum Erliegen kommt und/oder die Hygiene auf lebensbedrohliche Art und Weise vernachlässigt wird [Einnässen und Einkoten im Bett, Wundliegen], ganz zu schweigen von Suizidversuchen).

Heißt natürlich nicht, dass so alle Fälle einer Major Depression aussehen (müssen), ich habe nur geschildert, wie sie sich bei jenen Fällen, die mir persönlich bekannt sind, gezeigt hat. Nicht, dass mittelschwere Depressionen nicht auch gefährlich wären (rein statistisch scheinen solche Patienten interessanterweise wesentlich häufiger Suizidversuche zu unternehmen).

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Sarana
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Beitrag Mo., 03.10.2016, 18:56

Eremit hat geschrieben:Nicht, dass mittelschwere Depressionen nicht auch gefährlich wären (rein statistisch scheinen solche Patienten interessanterweise wesentlich häufiger Suizidversuche zu unternehmen).
Kein Wunder. Wer nicht mal mehr isst, trinkt, oder Wundliegen vermeidet hat halt nicht mehr die Kraft um groß was zu unternehmen.

Zum Thema: Alienia, deine Meinung finde ich nicht aus der Luft gegriffen. Aber nicht nur ich, wie du siehst, finde sie weit übertrieben. Du schreibst in ein Forum für psychisch Kranke, in dem wohl die meisten der User auch Psychopharmaka nehmen, dass es ja wohl völlig bescheuert sei, die zu nehmen (pointiert gesagt), ist doch eigentlich nur in "krassen Ausnahmesituationen" nötig, aber schon mal gar nicht auf Dauer. Wundert es dich, dass Menschen, die du aufgrund ihrer Medikamenteneinnahme fast schon auf eine niedrigere Stufe als dich stellst da ziemlich angepisst reagieren?
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Beitrag Di., 04.10.2016, 00:24

Es ist vor allem auch nicht wahr, dass immer und von jedem Psychopharmaka verschrieben werden. Mein Hausarzt hat mich direkt zu einer Psychiaterin geschickt, er würde sowas nicht verschreiben. Ich habe damals von der Psychiaterin trotz Suizidgedanken keine bekommen, angeblich wegen Wechselwirkungen wegen meiner körperlichen Erkrankung, aber irgendwelche anderen Medis wären durchaus möglich gewesen. Ich finde eher, dass psychische Erkrankungen häufig unterschätzt werden, teilweise auch von den Psychiatern oder Therapeuten selbst.

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Inga
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Beitrag Di., 04.10.2016, 08:36

Ich kann mich hier auch als Beispiel zur Verfügung stellen: Ich habe etwa ein Jahr lang Neuroleptika genommen, die gegen meine Zwangsgedanken geholfen und meine Stimmungsschwankungen reduziert haben. Seit ca. drei Jahren nehme ich keine regelmässige Medikation mehr (nur noch Notfallmedi, alle paar Monate mal eine Dosis). Bei mir haben die Neuroleptika effektiv geholfen.
Liebe Aliena, Du hast in Deinem ersten Beitrag geschrieben
Oder gibt es tatsächlich Menschen die nach LÄNGERER Medikamenteneinnahme DANACH wirklich klar gekomen sind?
Hab ich noch nie gehört.
Jetzt hast Du zumindest von einer solchen Person gehört.
Hat das irgendeinen Einfluss auf Deine Meinung?

LG,
Inga

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delmasystems
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Beiträge: 71

Beitrag Di., 04.10.2016, 13:32

Ich denke Medikamente können bei einer psychischen Erkrankung sehr gut helfen. Wer schreibt ist nicht notwendig etc. dürfte noch nie in der Situation gewesen sein, wo es ihm so wirklich schlecht geht. Ohne Medikamente ist es auch oft gar nicht mögliche Psychotherapie zu machen und sich zu verändern. Ich nehme selbst welche und sehe diese als Hilfe an, habe mich trotzdem in der Therapie weiter entwickelt. Werde sie auch weiter nehmen, weil so schlecht wie vorher soll es mir nie mehr gehen. Es war lang genug.

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Alienia
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Beitrag Mi., 05.10.2016, 22:32

Irgendjemand hatte gefragt, wie viel Ärzte ich kenne. Ein paar. Vielleicht ein Handvoll.

Aber während einer "Klinikkarriere" habe ich bestimmte an die 100 Patienten getroffen. Insgesam.
Und ich fand es schockierend, dass eine große Mehrzahl die Verantwortung für sich selbst an Ärzte, Medikamente, Klinikpersonal oder sonst wen abgibt.
Und das JEDER ohne irgendeinen Ausnahme Medikamente verschrieben bekommt. Jeder. Am ersten Tag in der Klinik nach einem 5 Minutengespräch mit de Arzt.
Und kaum einer der dort war, war dort zum ersten Mal.

Das man z. B. auch Psychotherapie machen kann, wird noch nicht mal angesprochen. Man wird einfach entlassen und auf die Straße gestellt (wenn die Krankenkasse nicht mehr bezahlt). Da ist überhaupt gar kein Interesse da, dass man ohne Medikamente klar kommt.

Das wird einem ja auch immer wieder suggeriert: Wenn es Ihnen schlecht geht, kommen Sie in die Klinik.
Aber ernsthaft, es wurde kein einziges Wort darüber verloren, dass man Psychotherapie machen könnte oder welche andere Wege es gäbe.

Und ich war in verschiedenen Kliniken und habe auch mit verschiedenen Leuten kommuniziert, die in anderen Kliniken waren. Und es war immer das gleiche. Ich halte dieses Vorgehen nicht für ein Einzelfall.
Ich denke, dass das ernsthaftes Interesse besteht, den Fokus so einseitig auf Medikamente und Klinik zu legen.

Es wird auch nicht ausreichend geprüft, ob vielleicht organisch irgendwas vorliegt.
Und so züchtet sich die Klinik, die eigenen Patiente, die wirklich glauben, sie bräuchten die Medikamente.
Und genauo läuft es draußen ambulant bei den Psychiatern. Das weiß ich aus eigener Erfahrung und von anderen.
Es wird immer so getan als würden die Medikamente tatsächlich dauerhaft irgendwas bringen.


Und ich habe ja auch geschrieben, dass Medikamente in Ausnahmefällen verschrieben werden können. Klar. Das habe ich ja auch nie abgestritten.

Kommt mir eher so vor, als wärt ihr hier von der einseitigen Propaganda auch ein bisschen zu krass beeinflusst.
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Sarana
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Beitrag Mi., 05.10.2016, 23:19

Gut, das sind deine Erfahrungen. Die sind krass, und ich denke, die meisten hier (ich auch) werden sie dir glauben.

Es gibt halt auch Menschen mit anderen Erfahrungen, und anstatt das zu akzeptieren sind wir für dich von einer "Propaganda" beeinflusst.

Möchtest du mit uns über Wege reden, an der Situation etwas zu ändern, möchtest du wenigstens bei ein paar in einem Internetforum angemeldeten Menschen ein Bewusstsein für die Problematik wecken? Es wirkt eher so, als ob du dir Luft machen möchtest, ohne Rücksicht auf das, was als Antwort kommt.

Ich kenne solche Fälle auch. Patienten, die mal eben Neuroleptika kriegen, weil sie nicht so gut einschlafen können, eine Menge Druck auf mich, doch Medis zu nehmen, Uneinigkeit zwischen verschiedenen Ärzten und abrupte Änderungen... Aber ich habe auch erlebt, wie Ärzte sich sehr bemüht haben, absurd hohe Medikationen (kann man das so sagen?) runterzufahren, auch gegen den Widerstand der Patientin, auch bei mir versuchte man das Opipramol abzusetzen. Da ich die Panik daraufhin wieder bedeutend stärker wurde, nehm ichs immer noch.

Dieses Forum ist übrigens weit davon entfernt, den Durchschnitt der psychisch Erkrankten wiederzuspiegeln.
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Beitrag Mi., 05.10.2016, 23:23

Meine Beobachtung ist die, dass Alienias Beschreibungen eher auf Ärzte zutreffen, die hauptberuflich in Psychiatrien, psychiatrischen Ambulanzen, Reha-Anstalten und Gefängnissen arbeiten, während Ärzte außerhalb solcher Einrichtungen eher dazu tendieren, sparsamer mit der Verschreibung von Psychopharmaka umgehen und auch andere Präparate verschreiben als in solchen Einrichtungen.

Ein weiterer Punkt ist der Unterschied zwischen Allgemeinmedizinern und Psychiatern. Allgemeinmediziner verschreiben z.B. erschreckend häufig ganz salopp bei den kleinsten Problemen Benzodiazepine, während Psychiater (sofern sie nicht hauptberuflich in einer der genannten Einrichtungen arbeiten) davon deutlich Abstand nehmen.

Auch gibt es starke Unterschiede zwischen Ärzten am Land und in der Stadt, erst recht zwischen verschiedenen Ländern.
Alienia hat geschrieben:Und ich fand es schockierend, dass eine große Mehrzahl die Verantwortung für sich selbst an Ärzte, Medikamente, Klinikpersonal oder sonst wen abgibt.
Und das JEDER ohne irgendeinen Ausnahme Medikamente verschrieben bekommt. Jeder. Am ersten Tag in der Klinik nach einem 5 Minutengespräch mit de Arzt.
Das trifft aber auch auf andere Bereiche zu, nicht nur den psychiatrischen, was begründet ist im Arzt- bzw. Heiler-Mythos (wie man auch gut an Heilpraktikern sehen kann). Auch persönliche Verzweiflung macht angreifbar, und die Kliniken sind in erster Linie gefüllt mit verzweifelten Menschen.
Alienia hat geschrieben:[…] Da ist überhaupt gar kein Interesse da, dass man ohne Medikamente klar kommt.
Was allerdings auch daran liegt, dass viele Psychiatriepatienten zweifellos niemals ohne Präparate klarkommen werden, weil es sich bei Psychiatriepatienten im Regelfall um absolute Härtefälle handelt, nicht selten um solche, die selbst mit Präparaten niemals klarkommen werden.
Alienia hat geschrieben:Kommt mir eher so vor, als wärt ihr hier von der einseitigen Propaganda auch ein bisschen zu krass beeinflusst.
Ich habe nicht erst einen Psychiater kennen gelernt, der ebenso Kritik an Missständen geübt hat, wozu auch die inflationäre Verschreibung von kontraindizierten Präparaten gehören, davon gibt es gar nicht so wenige.

Ich habe allerdings auch schon eine Menge Psychiatriepatienten kennen gelernt, die maßlos übertrieben haben mit ihren Erfahrungsberichten (sowohl negativ- als auch positiv), die alles bzw. alle über einen Kamm geschert haben …

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