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Mi., 14.09.2016, 08:37
Ich finde den Aspekt mit den "geschickten Fragen" interessant - fast einen eigenen Thread wert!
Man kann wohl davon ausgehen, dass jeder Mensch, wenn er kommuniziert, ein bestimmtes Ziel verfolgt: Einsamkeit vertreiben, Gleichgesinnte kennen lernen, von eigenen Schwierigkeiten ablenken (z.B. durch Lästern), Beruhigung suchen, Anderen helfen, usw. Manchmal wissen wir gar nicht, was wir wirklich wollen. Wir geben vielleicht vor, uns um den Anderen zu kümmern; oder wir geben vor, dass es uns gut gehe und wir nur ein bisschen plaudern wollen usw. Manchmal wissen wir genau: Es ist eigentlich anders; wir wollen es dem Anderen nur nicht zeigen. Und manchmal, wie gesagt, wissen wir selbst nicht, was wir eigentlich - unbewusst - beabsichtigen.
Dass wir alle hin und wieder den Anderen manipulieren, dürfte eine Tatsache sein. Meiner Auffassung nach ist es in Bezug auf Therapie wichtig, seinen eigenen Manipulationsstrategien auf die Schliche zu kommen - denn nur so lernt man sich selbst besser kennen. Wenn ich also schon das Gefühl hätte: "Ich muss geschickt fragen", dann bleibe ich ja im "Manipulationsmodus" und unternehme gar nicht erst den Versuch, mich davon zu befreien. Wichtig wäre daher, bei sich selbst zu gucken: "Was will ich eigentlich wirklich?" Manchmal findet man das nicht alleine heraus; dazu wäre dann der Therapeut da.
Dass man übrigens den Therapeuten "klein macht" bzw. dass der das spürt und das auch als sehr unangenehm empfinden kann, das IST so. Es gibt z.B. Patienten, die regelmäßig Essen für ihn mitbringen, denn er sieht ja so hungrig aus. Und das macht was mit dem; im ungünstigsten Fall löst das Aggressionen aus, weil man sich befreien will und weil einen das - natürlich - an die eigene bevormundende Mutter erinnert.
Ich selbst bringe zwar nie Essen mit, wenn ich mit anderen spreche, aber mir ist irgendwann aufgefalllen, dass ich bei Mails oder in Gesprächen dazu neige, dem Anderen zu sagen: "Sie brauchen nicht zu antworten" - und dass das naütrlich auch eine Manipulationsstrategie ist; denn der Andere braucht meine "Erlaubnis" gar nicht; der HAT die einfach. Indem ich aber sage: "Ich gestehe dir zu, dass du nicht antwortest", suggeriere ich, dass ich derjenige bin, die ihn kontrolliert und der das auch darf. Wenn man sich davon befreit, stellt man tatsächlich fest, dass sich nicht nur der Spielraum des Anderen spürbar vergrößert, sondern dass man selbst plötzlich viel freier ist, Dinge zu sagen oder zu fragen, einfach weil man sicher weiß, dass der Andere in seiner Reaktion völlig frei ist.