Es geht ja auch nicht darum, was der Thera schafft, sondern darum was Du selbst damit anfangen kannst, was Du - für Dich - aus den Stunden mitnehmen und weiter damit arbeiten kannst. Und nicht mehr akut suizidal zu sein, das ist immerhin etwas durchaus Positives und damit eine gute Basis um darauf aufbauen zu können.
isabe, ich hatte das mal für jemanden ausformuliert, das mit den Sorgen. Im Grunde ist das auch nichts anderes als Dein "Trick", denke ich mir. Konsequent angewendet hilft das bei mir aber überaus gut. Hier ist der Text, den ich damals dazu schrieb:
Hier wäre also mein Lösungsvorschlag, der für mich 100% funktioniert, wenn man konsequent ist:
Hör auf daran (an die Sorgen/Ängste) zu denken. Entschließe Dich dazu. Denn das ist wirklich (ja, wirklich) alles was Du dazu tun musst. Du musst aufhören daran zu denken und darüber nach zu grübeln. Dieses Karussell aus "könnte - würde - sollte - hätte" u. ä. m., Du musst die Entscheidung fällen es rigoros zu stoppen. Das wars dann. Nicht mehr, nicht weniger. Das ist das Ende aller irrationalen Ängste und Sorgen. (Wie man das macht, schreibe ich Dir weiter unten, ist nur Training und sonst nichts.)
Ich erzähle Dir also am besten erst einmal, wie ich auf die geschilderte Verfahrensweise gekommen bin. Es muss so anno 1998 gewesen sein, als ich mit meinem Ex-Ehemann endlich den ersten Versuch eines normalen Lebens durchzog. Wir arbeiteten beide Vollzeit für kleines Geld und ich war zusätzlich dauernd krank, in Therapie und im Ganzen ziemlich fertig. Das Schlimmste waren meine Ängste, meine Sorgen, meine dauernde Alarmbereitschaft, die mich nicht zur Ruhe kommen ließen. Ängste und Befürchtungen, die mich am Leben hinderten, die mir so plastische Horrorbilder im Kopf generierten, dass ich, klar wie auf einer 360 Grad Kinoleinwand, alles (was ich mich zu lieben wagte) in Blutlachen liegen sah, hingemordet von all den Typen, die mich all diese Jahre vorher ganz konkret bedroht hatten. Es waren viele Schwerverbrecher dabei gewesen, die mich zum Teil übelst zugerichtet hatten. Einer hatte mir mal eine Waffe in den Oberkiefer gerammt und während ich mich anpinkelte vor Panik, erklärte er mir, dass er mich vorher noch zu foltern gedächte.
Und solcherlei Erlebnisse gab es einige in meinem Leben, weil ich mich in Kreisen bewegt hatte, in denen solche Leute nun einmal anzuteffen sind und sie sich ganz selbstverständlich dieser Methoden bedienen. Mein Gehirn hatte gespeichert, dass diese Welt so ist - so sein kann. Und war in einen Modus ständiger Panik und Wachsamkeit verfallen. Eine ewige Lauerstellung, denn es weigerte sich, vermutlich eine Schutzfunktion, nun auf einmal davon auszugehen, dass diese Welt ein halbwegs sicherer Ort sein könnte. Nein, mein Hirn lebte nach wie vor mitten in der Hölle, wenigstens die Teile, auf die die reine Ratio keinen unmittelbaren Einfluss ausüben konnte. Ich glaube mittlerweile, dass dieses Umschalten in den Daueralarmodus bei jedem Gehirn geschieht, das einem Menschen gehört, dem - warum auch immer - traumatisch klar wird, welch extrem gefährlicher Ort diese Welt sein kann. Das können Kindheitstraumata sein, oder der ständige Kontakt mit Leid und Extremen, oder ein Mordversuch am Eigner des betreffenden Gehirns, eine Vergewaltigung (ich kann meine kaum noch zählen und tue es auch nicht mehr, weil es schlicht nichts bringt, es ist eh nicht mehr zu ändern) oder oder oder....
Und ich glaube, dass auch Dein Gehirn umgeschaltet hat, aus Gründen, die nur Du erahnen kannst. Es ist nicht so extrem, wie bei mir, denke ich. Ich war so beschädigt, ich habe mich über Stunden im Dunkeln ins fensterlose Gästeklo eingeschlossen, weil mir das Tageslicht solche Panik verursachte. Sprich, ich bin völlig durchgeknallt zeitweise, hyperventilierte, musste mich übergeben und sah dabei im Kopf meinen zerstückelten Katzen, meinen damaligen Partner mit zertrümmertem Schädel, die rauchenden Reste unserer Wohnung und und und.... es war Hammer, echt wahr. Ich wollte zeitweise nur noch sterben.
Irgendwann hatte mich das alles so weichgekocht, dass ich an einen Punkt kam, der sich am besten mit einer Metapher beschreiben lässt. Nämlich der, dass ein Mensch solche Schmerzen hat, dass er zum Arzt geht und sagt: "Von mir aus schneiden sie es ab, aber machen sie was!" Und, nun ja, der Arzt, der in diesem Falle ich selbst war, tut ihm den Gefallen und danach ist tatsächlich Ruhe. Gut, ich komme nun nicht mehr in den "Genuss" des Grübelns, weil ich mir den Grübelzahn in jahrelanger Übung so gründlich gezogen habe, dass heute, beginne ich auch nur ansatzweise damit, ein riesiges Stoppschild vor meinem inneren Auge erscheint und ich in einem perfekt antrainierten Automatismus mich etwas Anderem zuwende. Und genau so funktioniert das.
Es begann mit der Erkenntnis, dass, ganz egal wie viel ich auch immer grübeln werde, mich sorgen werde, meine Ängste füttern werde, ich es dennoch nicht verhindern werde können, dass etwas passiert. Im Gegenteil, mich diese Grübelei, die mir mein Leben verleidet, mir darüber hinaus auch noch die Energie raubt, die Dinge zu tun und die Aufmerksamkeit aufzubringen, die tatsächlich etwas mehr Sicherheit in mein Dasein bringen könnten. Allen voran der Umstand, dass man mit weniger Stress auch weniger gefährdet ist einem Herzinfarkt o. ä. zu erliegen. Und so entwickelte ich Stück für Stück eine Strategie die, wird sie konsequent betrieben, selbst solche Mordsflash(back)s wie meine, weitgehend in den Griff bekommen kann und das will wirklich etwas heißen.
Gut, wie funktioniert das konkret?
1. Die Angst/Sorge/Befürchtung taucht auf und man registriert sie.
2. Man versucht tief zu atmen, möglichst ruhig zu bleiben und hinterfragt die Wahrscheinlichkeit eines unmittelbaren Eintritts der Angst, Befürchtung/Sorge.
3. Man klassifiziert sie als konkret korrekt (bei starkem Verkehr auf einer Staße zu stehen ist der Erzeuger einer absolut berechtigten Angst, die in dem Fall ein gesundes Warnsignal darstellt) oder aber als irrational (nein, es wird mir nicht gleich ein Teil Weltraumschrott auf den Kopf fallen, wenigstens ist das sehr unwahrscheinlich) oder als zwar berechtig, jedoch nicht änderbar (ja, es könnte sein, dass man Krebs bekommmt oder einem der Partner wegstirbt und was soll man denn dann machen, was zur Hölle.... <Sorgen- & Grübelkarussell on>).
4. Im Falle einer berechtigten Angst, reagiert man mit Konzentration auf die Situation und schaut, dass man seinen Hintern heil dort herausbekommt. In jedem anderen Fall bedient man sich akribisch und unverzüglich der Methode, dass man, gleich einem Mantra, sich klar macht und vorsagt, dass das entweder irrational oder nicht änderbar ist und sich dabei ein riesiges, signalrotes Stoppschild vorstellt. Sieht man dieses dann vor sich, wendet man sich gedanklich ganz bewusst einer Affirmation, bzw. einem schönen Gedankenbild zu. Im besten Falle, falls das möglich ist, tut man etwas, das einen aktiv ablenken kann. Und immer wenn dieses Karussell sich wieder anwirft, stellt man sich wieder das Stoppschild und die Affirmation vor.
Das Mantra, dessen ich mich seit Jahren bediene, lautet:
Angst (wahlweise Sorge) ist nicht nötig
ich bin stark genug
mein Leben zu meistern
ganz egal was kommt.
Das wiederholt man so lange, bis der Kopf, bis auf dieses Mantra, wirklich leer ist.
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Das Ganze ist in erster Linie Übungssache. Es wird, je öfter man es ausführt, immer mehr zum Automatismus und geht irgendwann in Fleisch und Blut über. Ich sorge mich heute kaum noch und mir tun immer die Leute leid, die sich für nichts und wieder nichts ihr Leben verleiden. Denn selbst wenn ich morgen vom Bus überfahren werde, hatte ich bis dahin dann wenigstens ein schönes Leben, anstatt es mir mit der Angst vor irgendwas verleidet zu haben, das ich dann trotzdem nicht habe verhindern können, ja, was sogar wahrscheinlicher wird, wenn ich ich stets mit dem Kopf bei den Sorgen bin, anstatt auf mein Drumherum zu achten. Vielleicht werde ich mit sorgenfreiem Kopf und damit mehr Konzentration auf das was ist, ja erst gar nicht überfahren.
....tja, im Grunde nicht weiter spektakulär. Die Wirkung hingegen ist es durchaus, wenn man es schafft, das Gehirn darauf zu konditionieren, so dass es reflexhaft mit dem Stoppschild reagiert.