Prestige - wenn Vorlieben Täuschungen sind

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Broken Wing
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 08:45

Ich finde ja, dass man nicht mal weiß, was im eigenen Kopf vorgeht und habe nicht das Gefühl, dass sich Isabe ausnimmt.

Und ich sags gerne zum hundertsten Male, auch wenn wieder unreflektiert behauptet wird, man wäre da ganz anders: Es gibt Dinge, die ich für mein Wohlbefinden tue. Dazu gehört ein gutes Essen zB. Oder gute Musik u.u. Aber dann gibt es Sachen, von denen ich nicht unmittelbar etwas habe, jedenfalls wenn man nur den optischen Teil berücksichtigt. Und trotzdem spielt auch dieser eine Rolle.

Jemand mit Glasaugen hat auch nichts davon und trotzdem kann man denjenigen voll verstehen, der nicht mit leeren Augenhöhlen rumlaufen kann, oder?
Oder bei Verbrennungsopfern, wo das noch elementarer wird und es darum geht, der Person nicht nur eine Haut, sondern auch eine ansehnliche zu verpassen. Kleidung ist auch sowas wie eine Haut.

Zu Hause höre ich klassische Musik in Joggingshosen oder im Pyjama. Im Konzertsaal selbstverständlich nicht, obwohl nichts dagegen spräche, so auch dort aufzuschlagen.

Wenn die Optik schon bei mir so eine Rolle spielt, dürfte es nicht sehr verwunderlich sein, dass sie mir auch bei anderen wichtig ist. Ich würde keinen Freund akzeptieren, mit dem andere nur im Dunkeln schlafen könnten. Allein schon deshalb, weil er meistens nicht nur hässlich wäre, sondern auch noch andere Probleme im Schlepptau hätte.
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hawi
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 09:06

Broken Wing hat geschrieben:@ Hawi: Es ging wohl darum, dass ich mich nicht bloß auf die verbleibenden verlasse. Ich achte darauf, mich nicht zum Affen zu machen, herzeigbare Freunde und einen ansehnlichen Partner zu haben.
Eher laufe ich allein oder mit einem Hund rum als mit einem Übriggebliebenen, es sei denn er heißt Einstein. Ist halt wie beim Kleiderkauf: Da kaufe ich auch nicht den letzten Fetzen, sondern spare auf etwas Besseres.
Broken,

ich knüpf da mal an, ohne mich allein aufs Zitat zu beschränken.
Von dir, von anderen, schon so einiges, das ich nicht nur lesenswert finde, das mich selbst auch „neu“ nachdenken lässt.
Zunächst, gestern, ich war schon ziemlich mit den fünf Sinnen beschäftigt. Also mit dem Instrumentarium, das es Mensch ermöglicht, Äußerlichkeiten wahrzunehmen.

Teil zwei, Vorlieben, Prestige u.ä.? Dazu fiel mir vor allem was in Richtung allgemeiner Anschauung ein, Prägung, etwas, das der einzelne zwar individuell für sich hat, lebt, das aber sehr von der Gemeinschaft abhängt, in der er sich befindet.

Nach dem, was hier seit gestern neu geschrieben wurde?
Vieles für mich zur Verknüpfung dieser beiden Teile. Dazu, wie der einzelne einerseits wahrnimmt, andererseits aus seiner Wahrnehmung Schlüsse für sich zieht, daraus u.a. eigene Vorlieben ableitet, sich aber auch zumindest oberflächlich anpasst, einfügt, das wie auch immer achtet, beachtet, was hier vor allem unter „Prestige“ läuft.

Modellhaft: Wie umfänglich auch immer, jeder nimmt ständig zig Äußerlichkeiten wahr. Hat er sie wahrgenommen? Alles, das durch den Filter kam, Daten/Informationen, die wie auch immer verarbeitet, gespeichert werden. Zu Innerlichkeit werden. Und die wiederum beeinflusst wie auch immer, die individuelle Äußerlichkeit, sprich, wie wir uns geben, welche Vorlieben, Abneigungen wir leben, etc., nicht alles, aber vieles Reaktion fußend auf Signalen, Impulsen, die äußere Einflüsse in uns auslösten.

Allein das Zitat?
Ich knapse dran! Warum? Weil ich es lese, aufnehme, mit meinem „System“ abgleiche, nach Entsprechungen suche, Vergleichen. Bleibt aber sehr bruchstückhaft.
Ja, zum Affen mach ich mich selbst auch höchst ungern. Aber das scheint mir doch arg verschieden. Mein Affe und dein Affe, sehr fraglich, ob die noch zur selber Art gehören. Wenn doch, dann …..?
Gut möglich, dass mir manches nur nicht bewusst ist. Grad nicht in Sachen „herzeigbar“ , „Übriggebliebenen“,
„letzten Fetzen“. Ja alles was Richtung „Prestige“. Bei mir, für mich? Sehr viel auf jeden Fall ichbezogen, mich vor meinen eigenen Augen nicht zum Affen zu machen. Viele, viele eigene Äußerungen, Äußerlichkeiten, die sich daran ausrichten. Egal ob es Kleidung, Gebaren, Kommunikation, das auch immer ist, vor allem muss es erst mal mir selbst genügen. Diesen Maßstäben, die ich natürlich nicht nur ganz allein entwickelt habe, die aber nach und nach das eigene Maßstäbewirrwarr ausmachen. Das durchaus recht angepasst, aber …..? Im Ergebnis schon etwas ziemlich eigenes. Schwer zu beschreiben, aber wenn 100 von der sprichwörtlichen Brücke springen (wollen)? Mir nah dann auf jeden Fall, überhaupt auf die Idee zu kommen, es handele sich womöglich um einen Brückensprung. Die Idee, Ahnung, die Widerworte hervorbringt. Während ich noch reflektiere, ob so ein Sprung einer ist, sein muss, gut, schlecht ist, obs nicht auch ganz anders geht, sind womöglich schon tausende gesprungen. Geht aber auch mal anders rum. Kommt mein eigenes „System“ dazu, etwas zu tun, zu machen, was andern komisch vorkommt, abwegig? Das bedenke ich zwar mit, aber es hält mich nicht ab, auch jenseits der Menge was zu tun, wovon ich überzeugt bin.
Da zusammen ergibt durchaus wiederum so was wie Prestige, scheint mir.

Aber grad zwischenmenschlich, bezogen auf andere? Meine Selektion? Ich steig da nicht wirklich durch.
Bin, in Gegensätzen gedacht, beides, wohl nicht bezogen auf eine Art von Äußerlichkeit, aber bin ich nun anspruchsvoll oder genügsam, wählerisch oder gar nicht wählerisch? Meist komm ich zu beidem.
Kann schon mal sein, ich nehm den letzten Fetzen, weils für mich was besseres ist. So in etwa.

Vielleicht auch noch zur „Blindheit“, aber nur so als Überlegung, recht spekulativ, allzu viel Erfahrung mit Menschen, die dies Handicap haben, hab ich nicht. Welch reale Probleme da wichtig, hinderlich für mich werden könnten, keine Ahnung.
Aber …., viel größere Distanz, viel schneller auf Abstand geh ich zu sprichwörtlicher Blindheit, nicht zu realer.
Für die sprichwörtliche hab ich jedenfalls zig Schubläden, auch nicht wenige, die sehr schnell in Richtung „hässlich“, „unattraktiv“ gehen.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
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luftikus
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 09:42

isabe hat geschrieben: Mir persönlich ist das ein bisschen zu einfach zu sagen: "Ich mag, was ich mag" - .
Hm, ja aber warum sollte das zu einfach gesagt sein? Ich glaube schon, dass es Vorlieben gibt, die einfach in einem drin stecken und mehr oder weniger angeboren sind. Einige andere Vorlieben hat man erworben (über Kontakt mit seinen Mitmenschen), und wieder andere betreibt man vermutlich wirklich aus Zwecken der Imagepflege.

Ich persönlich habe aber ganz sicher einige Vorlieben, die tief in mir verankert sind, und die unabhängig davon in mir existieren, ob jemand von ihnen weiß, oder ob andere Leute sie gut finden oder nicht.

Beispiel: klassische Musik. Meine starke Neigung zu klassischer Musik ist mir nicht anerzogen oder vorgelebt eworden (meine Eltern interessierten sich kaum dafür), aber als ich zum ersten Mal damit konfrontiert war (im Musikunterricht), da war ich sofort wie gebannt und elektrisiert. Es war ein Gefühl, als ob ich mich verliebt hätte.

Klar kann man das Hören klassischer Musik auch zur Imagepflege gebrauchen, aber auch hier ist es so ähnlich wie mit dem Reisen: es ist mir egal, ob jemand meine musikalischen Vorlieben kennt oder nicht. Ich höre die Musik, weil sie mir gut tut, weil ich sie spannend und aufregend finde, weil mich die Klänge faszinieren. Als Imagepflege verwende ich meine Musikvorliebe kaum,
- weil ich die Musik meistens allein höre
- weil ich meistens keine teuren CDs kaufe, sondern die Musik aus der Bibliothek ausleihe
- weil ich nur selten in prestigeträchtige Konzerte gehe, sondern lieber Studentenkonzerte an der Musikhochschule , alternative Opernproduktionen (z.B. studentisch) oder Konzerte und Theater in kleineren Städten besuche als in die Staatsoper zu gehen
- weil ich mich auch sonst nicht in elitären Klassikzirkeln bewege
- weil ich mich kaum für Klassik-Stars interessiere. Es ist mir egal, ob die Netrebko singt, oder eine andere Sängerin, solange mir das Stück und die Darbietung gefällt.

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Broken Wing
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 10:00

@ Hawi: Die Sprichwörtliche ist aber nicht so unabhängig zu betrachten wie die reale. Schon der Bildung wegen.
Bis vor etwa 200 Jahren war Allgemeinbildung für Blinde inexistent. Sprichwörter sind aber wesentlich älter, von daher hatte das durchaus einen realen Hintergrund. Und bitte nicht damit kommen, dass das für andere Bevölkerungsschichten auch nicht anders war. Weiß ich. Aber es ist ein großer Unterschied, ob jemand den Regenbogen von Kindesbeinen an sieht oder dies erklärt werden müsste, derjenige jedoch aus Scham auch noch versteckt wird.

Und heute? Vieles ist besser geworden, mit einem Megagroßen Aber, das ich hier an der Stelle nicht ausführen möchte. Zu tun gibt es jedenfalls 'ne Menge.
Die Sprichwörtliche Blind- oder Blödheit ist jedenfalls unmittelbar mit der Realität verknüpft, das sich zum Glück immer mehr in unseren Breiten ändert.

Zum Thema: Auch da würde ich die Trennung nicht so stark vollziehen zw. für mich oder für die anderen. Man verinnerlicht die Anforderungen ja und empfindet sie als aus sich heraus kommend. Dies äußert sich dann auch in einem Wohlgefühl, Gerechtigkeitsempfinden usw.
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mio
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 10:46

luftikus hat geschrieben:aus Zwecken der Imagepflege.
Wobei auch hier die Frage wäre: Mache ich es zum "Selbstausdruck" (also weil ich mich damit idetifiziere) oder aber um es sozusagen "richtig" zu machen. Und wenn es nur darum geht, es "richtig" zu machen, dann ist es eben eine Täuschung, da ich dann ja was mache, was ich gar nicht mag, weil es dem anderen gefällt oder gefallen könnte. Da stimme ich zu. Nur dient eben nicht alles, was sozusagen "Image" ist, dazu, sich selbst aufzuwerten oder aber jemandem gefallen zu wollen. Dieser Rückschluss kommt für meine Begriffe nicht hin.

Mich persönlich würde sowas nerven, ich hätte da keine Lust zu. Und ich sehe auch keine Notwendigkeit dafür. Allen kann ich es eh nicht Recht machen und so es keine tatsächliche Notwendigkeit (wie zB. eine bestimmte "Kleiderordnung" im Job) dafür gibt, mich anzupassen, tue ich das auch nicht. Wozu? Es ist doch besser, wenn ich mir Ausdruck verleihe, denn dann werde ich auch eher auf Menschen treffen, die wirklich mit mir was anfangen können und nicht nur mit meiner "Fassade" oder irgendeinem "Trugbild".


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Beitrag Mi., 03.08.2016, 17:19

luftikus:
Erst mal allgemein: Wenn wir wirklich die Dinge "einfach so" schätzten, dann könnten alle Leute, die in der Werbebranche arbeiten, einpacken. Es werden also bestimmte Bedürfnisse geweckt. Wenn einer ein Getränk verkaufen will, dann redet er dem Kunden natürlich erstens ein, dass dieser Durst hat; aber er redet ihm eben auch ein, dass mit dem Kauf des bestimmten Getränkes etwas verknüpft ist, was nur DIESES Getränk bieten kann - das fängt ja schon beim Mineralwasser an, das nicht besser ist als das Leitungswasser.

Rational werden viele Menschen das sogar wissen - und dennoch geben sie einen Haufen Geld für Mineralwasser aus, und sie schleppen es die Treppen hoch: ein Hauch von Frankreich oder Spanien, von Fitness oder Heilung. SCHMECKEN (-> die Sinne) tut Wasser mehr oder weniger immer ähnlich.

Wegen der klassischen Musik:
Man könnte sich aber - wenn man will - die Frage stellen, WOHER diese Vorliebe kommt. Ich vermute, dass sogar in diesem Bereich die Bedeutung der Sozialisation sehr groß ist. Also, nicht nur die Frage: "Hattest du Instrumentalunterricht?", sondern auch die Frage, wie man bei euch zu Hause "darüber" geredet hat und OB ihr überhaupt darüber geredet habt; aber auch die Frage, welches Instrument mehr Prestige hat (das Klavier ist ja, vielleicht noch neben der Geige - ein MUSS für das Bildungsbürgertum, während man mit dem Schlagzeug eher andere "Werte" verbindet und so fort). Vielleicht kommt jemand auch aus einer Familie, in der klassische Musik verpönt war, und möchte sich davon abheben.

Und am Ende kann es sein, dass man sich selbst sagt: "Ich finde das schön", obwohl es vielleicht eher so ist: "Ich verbinde damit etwas". Ohne Zweifel hat klassische Musik ein hohes Prestige. Ich gehe also davon aus, dass ein nicht unerheblicher Teil der Konzertbesucher mit dieser Musik verbindet: "Ich mache jetzt auf Kultur". Das ist nicht wertend gemeint (es gibt wohl nichts Langweiligeres, als die Menschen zu bewerten); vielmehr fände ich es spannend, sein Bewusstsein zu erweitern für solche Fragen.

Mir ist noch eingefallen, dass z.B. viele "Pilgerer" ja nicht aus religiösen Motiven pilgern, sondern weil sie sich selbst finden wollen (ähnlich wie beim Aufenthalt im Kloster). Ich finde das sehr reizvoll, aber gleichzeitig auch erschütternd: dass man so weit gehen muss, um bei sich selbst, der wir uns ja pausenlos begleiten, anzukommen.

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Broken Wing
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 17:34

isabe hat geschrieben:Ja, Broken Wing, so meine ich das: dass es um die Frag geht: "Kann ich mit dem Anderen (Menschen / Gegenstand / Erfahrung) gewinnen oder verlieren - bei Anderen?"
Naja weißt du, ich suche mir den Beschreiber ja aus, manchmal finde ich es witzig, wie sich in einer Menge zwei Leute finden, wo sich nachträglich fundamentale Gemeinsamkeiten und ähnliche Lebensverläufe herausstellen. Manchmal frage ich mich, ob es sowas wie interpheromonelle Kommunikation gibt, wo der potenzielle Freund einem den Familiären Hintergrunt erschnüffelt.

Jedenfalls entscheide ich am Ende, wie mir etwas beschrieben wird, also was ich hören möchte.

isabe hat geschrieben:Und ja, mondin, natürlich meine ich das WIRKLICH, natürlich nicht IMMER auf JEDES INDIVIDUUM bezogen, aber natürlich gibt es dieses Phänomen, dass Prestige u.U. mehr zählt als eigene Neigungen, die vollkommen unabhängig davon wären.
Es gibt das Phänomen wohl bei jedem und wer mir einen Bären aufbinden will, kann es versuchen. Ob es gelingt, ist eine andere Frage. Interessant ist nicht, ob es das gibt, das wird wohl kaum bezweifelt werden können, so brav wie sich die Leute an ihre soziale Schicht anpassen. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass andere das schräg finden könnten, dass ich die Dinge auch nach optischen Gesichtspunkten bewerte.
isabe hat geschrieben:Es wäre mir lieb, wenn man darauf nicht antworten würde: "Du irrst dich. Das gibt es nicht, denn bei MIR ist es anders"
Ist ja auch völlig überflüssig, so eine nichtssagende Antwort. Ich ziehe mich so an, weil ich mich darin wohlfühle - das zeugt eher von Unreflektiertheit. Erinnert mich an die Antwort von rauchern, dass Zigaretten gut schmeckten. So ein Bullshit. Zigaretten schmecken nach heißen Abgasen.


isabe hat geschrieben:Ich habe mal in einer Studie gelesen (Quelle inzwischen nicht mehr ermittelbar), dass Eltern es vorziehen, wenn ihre Kinder mit geistig Behinderten spielen, als wenn sie mit Lernbehinderten spielen. Also, systematisch und aus Prinzip: weil es sich wie eine "gute Tat" anfühlt, sich mit jemandem zu beschäftigen, der geistig behindert ist. Bei Lernbehinderten "lohnt" sich der "Aufwand" nicht, denn man sieht nicht die gute Tat; man sieht nur, dass da zwei Kinder spielen, von denen der eine vielleicht etwas anstrengender ist als der andere.
Kann ich mir lebhaft vorstellen. Wozu der Aufwand, wenns eh keiner sieht? Dann besser gleich mit einem Lerngesunden
spielen. ;-)
isabe hat geschrieben:In Bezug auf die Blindheit möchte ich noch anführen, dass es ja noch andere Parameter gibt, die jemanden im Vorfeld "ins Abseits" befördern können; Übergewicht zählt z.B. auch dazu... Ebenso die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung (stell dir vor, du seiest nicht nur blind, sondern auch noch eine schwarze lesbische Jüdin).
Grausame Vorstellung. Pu, ich habs echt gut getroffen mit der vergleichsweise harmlosen Erblindung ;-)
isabe hat geschrieben:Wenn du jetzt allerdings berücksichtigst, dass es ja Menschen gibt, die Mitgliedern von sog. Randgruppen extra viele Bonuspunkte geben, dann kannst du "aufholen" - allerdings um den Preis, dass man dich ja nicht als Mensch schätzt, sondern vor allem deshalb, weil man selbst davon profitiert, sich mit dir zu zeigen.
Solange ich für voll genommen werde, ist das in Ordnung. Wichtig ist aber, dass mein Können betont wird, meine Fähigkeiten, von mir aus aufgrund meines Andersseins. Sowas gibt es zum Glück, wenn auch seltener. Die mit ihren Helfersyndromen können s bitte bei dementen Altersheimpatienten versuchen.
isabe hat geschrieben:Ich glaube eben nicht daran, dass der Mensch grundsätzlich frei davon ist. Es hängt natürlich AUCH vom Individuum ab, von seiner Biographie, vom Glück, von der jeweiligen Situation usw. - was hat der Mensch nötig? Was gibt er vor zu brauchen, was steckt hinter diesem Vorgeben - und wie sieht es wirklich IM Menschen selbst aus? Würde er auf einer einsamen Insel dieselben Dinge bevorzugen?
Ganz klar würde ich das nicht. Ich würde da schon mal eine Gesellschaft errichten, wenn natürlich möglich, ohne Trinkgeldkonvention ;-)
Aber klar. Eine Einsame Insel ist wieder etwas ganz anderes.

PS @ Mondin: Dieses Parfum werd ich mir mal gönnen. Klingt gut.
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 17:43

Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass andere das schräg finden könnten, dass ich die Dinge auch nach optischen Gesichtspunkten bewerte. -- Quelle: viewtopic.php?f=7&p=880568#p880568
Na ja, "schräg" finde ich das schon, aber nicht "schlimm schräg", sondern "schräg schräg". Wobei das entscheidende Wort dabei für mich das "optisch" ist. Ich finde es vollkommen normal und banal, dass wir alle nach unbewussten Kriterien auswählen - krass finde ich lediglich, das leugnen zu wollen. Und ich hätte nicht gedacht, dass für jemanden, der nicht sieht, das, was er sehen würde, wenn er sehen könnte, bedeutsam ist. Das ist dann sozusagen erleuchtend, sich das mal vor Augen (tolles Wortspiel...) zu führen, DASS es tatsächlich so läuft. Natürlich nicht nur bei dir, sondern bei uns allen (ggf. mit den bereits erwähnten Einschränkungen)

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Mondin
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Beitrag Mi., 03.08.2016, 21:49

Ist ja auch völlig überflüssig, so eine nichtssagende Antwort. Ich ziehe mich so an, weil ich mich darin wohlfühle - das zeugt eher von Unreflektiertheit. Erinnert mich an die Antwort von rauchern, dass Zigaretten gut schmeckten. So ein Bullshit. Zigaretten schmecken nach heißen Abgasen.
Ich denke, man muss sich nicht zu jedem Killefit unendliche Gedanken machen. Man kann Dinge auch kaputtdenken. Ich bin lieber an manchen Stellen unreflektiert und genieße das Leben und mein Sein, anstatt nun endlos darüber nachzudenken warum ich es genieße. Vielleicht bin ich einfach auch partiell gerne blöd, da lässt sich das Leben tatsächlich etwas besser leben.

Einem Raucher schmeckt es, weil er süchtig ist. Aber man kann zu anderen nun einmal nur so ehrlich sein, wie man es zu sich selbst ist.

LG
Mondin

PS:
PS @ Mondin: Dieses Parfum werd ich mir mal gönnen. Klingt gut.
Link hast Du ja nun, sag mir mal, wie es Dir gefällt, ja?


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Beitrag Do., 04.08.2016, 07:05

Mondin:
Es gibt einen Satz (vielleicht auch mehrere, aber dieser eine ist es besonders), auf den ich allergisch reagiere: "Man muss nicht immer... " und dann weiter: "...alles kaputtdenken". Damit beurteilst du ja das Denken anderer Menschen. Und zwar nicht nur den Inhalt des Gedachten, denn über den Inhalt kannst du selbstverständlich urteilen; der kann dir gefallen, oder du magst ihm widersprechen usw.

Aber du beurteilst die Tatsache, DASS jemand denkt, zu viel denkt. Es gibt kein "zu viel Denken", denn derjenige, der denkt, der kann das ja selbst entscheiden, ob er davon profitiert oder nicht. Du beurteilst nun für mich oder Andere, die ähnlich denken, dass das Denken nicht gut sei. Vermutlich würdest du das Denken nicht grundsätzlich ablehnen, denn dann würdest du riskieren, dass man dich für oberflächlich hält. Also lautet dein Motto in dieser Hinsicht sozusagen: "Du sollst nicht darüber nachdenken, worüber ich selbst nicht nachdenken will", und das ist doch komisch.

Die Menschen sind ja - zumindest in unserer Region - frei darin zu denken, wie sie das für angemessen halten. Du machst aus einer scheinbaren Erlaubnis ("man muss nicht immer...") ein Verbot ( = "man darf nicht immer"), denn dass man nicht MUSS, das weiß ich wohl selbst; davon kannst du mal ausgehen. Aber logischerweise lasse ich mir weder von dir noch von anderen Menschen verbieten, über etwas nachzudenken, worüber ich nachdenken möchte.

Da ich nicht die Absicht habe, aus meinen Gedanken eine Massenbewegung zu machen, ertrage ich es gut, wenn Menschen, die damit nichts anfangen können, sich aus derartigen Gedankenspielen heraushalten.

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luftikus
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Beitrag Do., 04.08.2016, 07:52

isabe hat geschrieben:l
Wegen der klassischen Musik:
Man könnte sich aber - wenn man will - die Frage stellen, WOHER diese Vorliebe kommt. Ich vermute, dass sogar in diesem Bereich die Bedeutung der Sozialisation sehr groß ist. Also, nicht nur die Frage: "Hattest du Instrumentalunterricht?", sondern auch die Frage, wie man bei euch zu Hause "darüber" geredet hat und OB ihr überhaupt darüber geredet habt; aber auch die Frage, welches Instrument mehr Prestige hat (das Klavier ist ja, vielleicht noch neben der Geige - ein MUSS für das Bildungsbürgertum, während man mit dem Schlagzeug eher andere "Werte" verbindet und so fort). Vielleicht kommt jemand auch aus einer Familie, in der klassische Musik verpönt war, und möchte sich davon abheben.
.
In meiner Familie wurde überhaupt nicht darüber geredet. Einfach deshalb, weil klassische Musik bei uns keine Bedeutung hatte. Deshalb wusste ich zunächst auch gar nicht, dass es diese Art von Musik überhaupt gibt. Doch als ich zufälligerweise mal im Fernsehen über eine Konzertübertragung gestolpert bin, war ich sofort wie gebannt.

Mir scheint, du kannst dir irgendwie nicht so recht vorstellen, dass es wirklich Bedürfnisse und Neigungen gibt, die aus dem eigenen Inneren kommen. Aber ich denke dennoch, dass es das gibt (wie gesagt, es gibt mehrere Arten von Bedürfnissen, einige sind von außen beeinflußbar, andere nicht). Was die Werbung betrifft: sie funktioniert ja nur zum Teil, sonst hätten viele Leute ja nicht Bedürfnisse nach Dingen, die nicht oder kaum beworben werden. Oder hast du schon mal Fernsehwerbung für einen chilenischen Cabernet Sauvignon, spanischen Manchego-Käse, Oliven, etc. gesehen? Und dennoch gibt es Menschen, die das gern essen oder trinken. Einfach, weil man entdeckt hat, dass es einem schmeckt.


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Beitrag Do., 04.08.2016, 08:02

luftikus hat geschrieben: Mir scheint, du kannst dir irgendwie nicht so recht vorstellen, dass es wirklich Bedürfnisse und Neigungen gibt, die aus dem eigenen Inneren kommen
Doch, ich kann mir das schon vorstellen. Aber ich frage mich, wie man das differenzieren kann: was von einem selbst kommt und was uns anerzogen wurde. Und ob wir letztlich das sind, was uns anerzogen wurde. Also, vermutlich sind wir eine Mischung aus allem, aber für mich persönlich ist es spannend zu überlegen: "Mag ich das jetzt, weil es aus meinem Inneren kommt (und woher kommt mein Inneres?)? Oder mag ich es, weil ich mein Inneres gar nicht kenne und weil ich mein Inneres deshalb mit Dingen füllen möchte, die von außen kommen?"
Oder hast du schon mal Fernsehwerbung für einen chilenischen Cabernet Sauvignon, spanischen Manchego-Käse, Oliven, etc. gesehen? Und dennoch gibt es Menschen, die das gern essen oder trinken. Einfach, weil man entdeckt hat, dass es einem schmeckt.
Eben NICHT. Weil das ja sozusagen "elitäre" Produkte sind, die man üblicherweise nur als Insider kauft - und so soll es ja auch sein. Und wenn ich dann im spanischen Delikatessenladen einkaufen gehe, dann fühle auch ich mich - womöglich? - wie ein Insider, wie einer, der es nicht nötig hat, seinen Käse bei Lidl zu kaufen. Die Welt ist eigentlich voll von diesen Distinktionsmerkmalen; wir sollen sie natürlich nur nicht so wahrnehmen, denn wir wollen ja nicht ausdrücken, DASS wir uns für besser halten, wenn wir den besseren Käse aufen. Es soll ja alles ganz natürlich aussehen, eben so, dass man denken könnte, dass wir den Käse ausschließlich deshalb im Delikatessenladen kaufen, weil er dort besser schmeckt (und das tut er übrigens tatsächlich... ).

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luftikus
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Beitrag Do., 04.08.2016, 08:30

isabe hat geschrieben:nn fühle auch ich mich - womöglich? - wie ein Insider, wie einer, der es nicht nötig hat, seinen Käse bei Lidl zu kaufen.
Den Manchego-Käse gibt es soweit ich weiß auch beim Lidl zu kaufen... Ebenso wie den chilenischen Wein... Im übrigen: was soll die Distinktion eigentlich nützen, wenn ich die Sachen nur bei mir zuhause esse und trinke, ohne dass es jemand mitbekommt? Tue ich es nicht vielleicht doch deswegen, weil es mir einfach schmeckt?

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candle.
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Beitrag Do., 04.08.2016, 08:34

isabe hat geschrieben: Doch, ich kann mir das schon vorstellen. Aber ich frage mich, wie man das differenzieren kann: was von einem selbst kommt und was uns anerzogen wurde. Und ob wir letztlich das sind, was uns anerzogen wurde. Also, vermutlich sind wir eine Mischung aus allem, aber für mich persönlich ist es spannend zu überlegen: "Mag ich das jetzt, weil es aus meinem Inneren kommt (und woher kommt mein Inneres?)? Oder mag ich es, weil ich mein Inneres gar nicht kenne und weil ich mein Inneres deshalb mit Dingen füllen möchte, die von außen kommen?"
Diese Frage habe ich mir in meinem absoluten Tief auch schon gestellt, inzwischen ist es aber wieder sehr klar, dass es von mir kommt.

Und luftikus' Beispiel. Ja, das kommt bei mir durch Trial und Error vor, dass ich (selten) mal neugierig bin auf andere Weine. Ich glaube, eine Weile waren Weine aus Süd Afrika voll "in", die ich auch mal probiert habe, aber eben nicht begeistert war.

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isabe
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Beitrag Do., 04.08.2016, 08:42

luftikus:
Natürlich kann niemand für einen anderen Menschen beurteilen, warum der nun bestimmte Vorlieben hat. Ich würde ja nicht sagen: "Luftikus mag eigentlich keinen Manchego-Käse; der isst den nur, damit er sich wichtig fühlt". Also, jetzt abgesehen von dir und mir persönlich und unserem Verhältnis zum Käse: Selbst wenn man bestimmte Sachen nur zu Hause isst, dann kann es ja sein, dass man damit ein bestimmtes Selbstbild verbindet, alles natürlich mehr oder weniger unbewusst; sonst wäre ja der Witz weg. Dass man sich wirklich besser fühlt, aber eben nicht verdauungsmäßig, sondern rein mental - das wäre dann ein Placebo-Effekt. Ehrlich gesagt, stellt sich für mich nicht die Frage, OB das so ist, sondern nur die Frage, wie groß das Ausmaß der Selbsttäuschung ist. Und daran anschließend: Wäre das so schlimm? Also, wenn ich mir lange genug einrede, dass ich eine zarte Figur habe und mich dann auch irgendwie zart fühle, ist das nicht für mich dasselbe, als wenn ich wirklich eine zarte Figur hätte? Und dann wieder in Bezug das Sehen oder das Nicht-Sehen: Was wäre, wenn es die Kategorie "zart" für Menschen gar nicht gäbe? Oder wenn wir alle Wasser aus Flaschen mit demselben Design trinken müssten? Worin drückt sich die Individualität eines Menschen aus?

Ich weiß schon, dass die therapeutisch korrekte Antwort lautet: "Wir sind eine Mischung aus allem". Aber das empfinde ich als höchst unbefriedigend. Als ob etwas sehr Wichtiges dabei fehlt.

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