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Do., 21.07.2016, 09:40
[quote="Mondin"](Teil III)...
Was aber geschieht mit einem Kind, so es seiner Kindheit beraubt wird? Wenn seine Selbstvergessenheit bestraft und dieses kleine, so schutzlose, da völlig arglose Wesen, für Zwecke missbraucht wird, die es nicht nachzuvollziehen weiß? Wenn ihm Regeln aufgezwängt werden, die es nicht versteht und Dinge, die wehtun? Wenn es schon früh die Erfahrung macht, nicht willkommen zu sein und nicht liebenswert? Wenn ihm sture Funktion abverlangt wird in permanenter Überforderung, die es verzweifelt zu erfüllen sucht, in seiner naturgegebenen Hoffnung auf etwas Zuwendung und Wärme? Und es doch immer wieder nur erfährt, dass es nie genug ist – es nie gut genug ist um endlich, endlich sich glücklich irgendwo einkuscheln zu dürfen, wo es sich in liebevoller Umarmung wiederfindet?
Wenn ein Kind nicht Kind sein darf, so bedeutet dies im Grunde, dass es um all diese wunderbaren Erfahrungen betrogen wird, die es, geleitet von seiner kindlichen Neugier und naturgegebenen Sehnsucht nach Leben, in wundervollster Selbstvergessenheit und damit Intensität, würde erleben können. Sein ganze Potential ist darauf ausgelegt, sich in dieser frühen Phase seines Seins, an der Fülle des Daseins zu erfreuen und, quasi nebenbei, viele wichtige Dinge für sein späteres Leben zu erlernen. Es ist wie ein weißes, unbeschriebenes Blatt, welches das Leben einladen soll, seine ersten liebevoll-spielerischen Kringel und Zeilen darauf zu malen. Es ist voller Phantasie und beseelt von einer Logik, die alles mit neuen Kreationen zu erklären vermag, die diesem schier unerschöpflichen Quell an Lebenslust und Entdeckergeist entspringen. Seine Welt ist voller Wunder und Geheimnisse, die es mit großen Augen und tastenden Händen zu erfassen versucht.
Und es wird sich der Mittel bedienen, die ihm zur Verfügung stehen, wenn etwas schief läuft. Seiner ureigenen Logik folgend, wird es sich dorthin flüchten, wo es sich sicher fühlt vor dem, was es da so unerwartet betrügt und angreift, zwingt und verängstigt. Es wird sich dorthin wenden, wo alles gut ist und wo der Quell dieses Guten entspringt, seiner Phantasie in seiner Innenwelt. Und je extremer es von außen sich bedrängt sieht, umso tiefer wird es sich zurückziehen, dorthin, wo es die letzte sichere Bastion meint wahrnehmen zu können, in sich. Jede Enttäuschung oder Ablehnung, jede Verletzung wird es weiter hineintreiben in eine Welt, wo es alleine ist mit sich und seiner Phantasie, die ihm die Welt entwirft, die es sie sich eigentlich gewünscht und auch verdient hätte. Denn es weiß instinktiv, dass es noch etwas anderes geben muss, als diese Hölle, in der es sich unvermittelt wiederfand.
Es ist keineswegs erhebend, mit weit über dreißig, fast vierzig Jahren (Anmerkung: Aus dieser Zeit stammt dieser Text, heute bin ich 46), irgendwann festzustellen, dass man im Grunde seines Wesens ein verängstigtes und verletztes Kind ist, das sich dem Leben verweigert. So viel lieber würde man sich als Respektsperson erleben. Als smart, überlegen und lebenserfahren. Jedoch nicht als Kleinkind, gefangen in Ohnmacht, Trauer, Wut, Schmerz, Trotz und Angst. Es fiel mir schwer, verdammt schwer, diesen Brocken zu schlucken. Als ich ihn dann allerdings so halbwegs unten hatte, wurde ich mir zunehmend gewahr, dass es in diesem Falle nicht um ein Entweder/Oder ging, sondern durchaus ein Sowohl als Auch vorhanden war, bzw. ist. Denn exakt durch diese nie gestillte Sehnsucht, die daraus entstehenden Kämpfe, war ich zwar einerseits dieses Kind geblieben, verbarrikadiert im Innen, aber ebenso war ich diese Person, die all dies überlebte, überstand und meisterte und somit war ich ohnmächtig und mächtig zugleich. War hilflos und dennoch kampferprobt. War klein und eingemauert aber auch erfahren und befreit jeglicher Konventionen.
Unter dem Gesichtspunkt des inneren Kindes jedoch, ist vollkommen klar, warum jeder Fall in das Loch, es etwas schwerer zu machen scheint, einen neuen Anlauf zu nehmen.
Dabei ist die Lösung so simpel wie schwierig: Das Kind muss integriert und damit erwachsen werden (dürfen).
LG Mondin
Ich musste so weinen als ich das las.
Ich musste über 30 werden bis ich verstand. Bis ich ernsthaft und vom Herzen verstand.und trotzdem gibt es Anteile in mir die zurück zu diesen Menschen wollen die sie misshandelt und missbraucht haben. Trotzdem rennen diese Anteile in mir immer noch dieser nicht vorhanden Liebe der "Eltern " hinterher. Sie werden niemals um ihreswillen geliebt sondern nur dann wenn sie so funktionieren wie es die anderen haben wollen .
Hoffe ich habe nicht allzustark dazwischen gefunkt.
LG