Beim Essen Bewusstsein abschalten

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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SoundOfSilence
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 14:35

Willst du es nicht ändern? Oder hast Du so oft gehört "Du musst nur wollen", dass Du jetzt glaubst, weil es nicht klappt willst du in Wahrheit nicht?

Enttäuscht sein weil man etwas nicht will macht so viel Sinn wie der Satz: ich will das aber wollen...
Hat mir mein Thera mal um die Ohren gehauen als Beweis dafür, dass ich xxy gerade NICHT will (sonst müsste ich es ja nicht wollen wollen...)

Also, woher kommt die Enttäuschung? Ist es wirklich Deine? Oder willst Du eigentlich besser essen, schaffst es aber nicht?
Hello darkness, my old friend...

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SoundOfSilence
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 14:46

Ach und übrigens: keiner hier bricht beim essen bewusstlos zusammen am Tisch - wenn Du mit Essen deine Gedanken UND Gefühle unterdrückt, dann ist es ein Essen mit/um das Bewusstsein auf Sparflamme...
Wenn bei dir JEDE Mahlzeit problematisch ist, dann sicherlich, weil du Habituiert hast, also eine Gewohnheit entwickelt hast. Und vielleicht ja auch, weil jede Mahlzeit an sich Gefühle auslöst (oder Erinnerungen?) die du dann gleich "wegfressen" musst... Nur ne Idee...
LG
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sonnenschein1511
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 15:37

Hallo du,

ja,schwierige frage.wenn mir jemand ein gesundes Essverhalten schenkt,liebend gern.

es ist habituiert.ja,jeden Abend seit 10Jahren ohne Ausnahme,außer in d ersten beiden Klinikaufenthalten...ist es dann nicht aussichtslos?ohne nochmal in e Klinik zu gehen und mich so umzukoordinieren ?naja,nach den Aufenthalten war ich nach e paar tagen wieder drin.und ja,daher ist jede Mahlzeit allein schon im Vorfeld in einem kopf e fa...eine andere Vorstellung passt da nicht rein.und auch e Abend ohne fa passt kaum in d Vorstellung.wenn ich das so schreibe..tut sehr weh,wohin ich mich darein Manövriert hab..ich Schaff das nie?!!

Bulimie ist anstrengend.allein,denke ich an heute Abend.ich will nicht fressen und kotzen,aber ich werde es trotzdem tun,wie immer.ich glaub nicht dran,es je zu schaffen.und ja klar,meine Mutter hat immer gesagt,ich.muss nur wollen,dann geht alles.ich hab mein "nicht-wollen" jetzt so interpretiert,dass das trotz gegenüber meiner Mutter ist.aber der Gedanke,dass ch denke,ich will nicht,weil ich s nicht kann.so rum habe ich noch nicht gedacht.ich muss es doch können,so heute Abend.ich mach was zu Essen,setz mich ins Wz zum Freund und hole mir nichts mehr...bleib auf d Couch kleben und lass mich so kontrollieren...gut,der Gedanke gefällt mir gar nicht...aber mit ihm sprechen kann ich nicht und werde dann wohl die ganze Zeit ans Essen denken und es so attraktiv machen...quäle mich dann bis 22Uhr und mach gute Miene und arbeite vllt noch an meiner Studie (Uni),wo dann eh nichts klappt,weil ich mich vor lauter GedankenWirrwarr nicht konzentrieren kann.wäre wenigstens jemand anderes da als mein Freund,der nichts bin all dem weiß oder eben einfuhlsam ist...

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SoundOfSilence
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 17:26

Hi!
Naja, da ist vielleicht der Unterschied zwischen einem ungesunden Essverhalten, wenn man im Büro Gummibärchen nascht statt Banane zu essen, einem gestörten Essverhalten, wenn man oft unter Gefühlen leidet und diese mit Essen "weg" macht und einer ausgewachsenen Ess-störung, wenn jedes Essen zum Problem wird. Der Sekretärin hilft eine bewusste Veränderung ihres Verhaltens, sie nimmt sich jetzt morgens Obst mit und motiviert vom Lob der Kolleginnen gewöhnt sie sich ein gesundes Essen an. Im zweiten Fall hilft die Bearbeitung der eigentlichen Probleme auf Gefühlsebene und das Verhalten lässt sich dann (irgendwann hoffentlich, sicher auch nicht ganz von selbst) ändern. Bei einer Ess-störung muss beides gleichzeitig erfolgen, mühsames Umlernen, sich selber etwas verbieten, sich motivieren - UND parallel muss ja an die eigentlichen Ursachen ran... Denn: du bringst dich mit jedem Tag in Lebensgefahr!! Ich kann sagen: ok, ich lebe ungesund und bin zu dick, aber ob ich jetzt abnehme oder in 5 Jahren ist (fast) egal. Eine Magersüchtige oder jemand mit BMI 40 hat diese 5 Jahre nicht. Und jemand, der jeden Tag ko.tzt setzt sich enormen Risiken aus.
Ich weiß, dass das ganz schwer ist. Du hast Sucht-druck und denkst: nimm mir den Druck, dann brauche ich die Sucht nicht. Logisch. Aber: solange du durch die Sucht den Druck abbaust kann kein Therapeut sehen, wo der eigentliche herkommt und Du nicht lernen wo der eigentlich hin soll. So r um funktioniert das nicht, es geht nicht ohne (liebevolles!) Verbot... Und ein gesundes Essverhalten kann dir keiner schenken- und selbst wenn: durch deine Grundprobleme würdest du es ja in kürzester Zeit wieder versauen...
Den Rest schreib ich in deinem Thread. Das trifft hier sonst nicht mehr das Thema...
LG
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schneeweiß
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Beitrag So., 02.08.2015, 19:53

Ich muss eure Gedanken hier noch für mich sortieren.

Ich wollte nur schnell schreiben, dass mich das sehr anspricht und einige Sätze im Speziellen so formuliert sind, dass sie von mir sein könnten.. (@ Bergkristall: du hast geschrieben, wenn ich das nun richtig wiedergebe, dass du dann am nächsten Morgen isst, bevor sich dein Bewusstsein einschalten kann - genauso!! kenne ich das seit Jahrzehnten).

LG, schneeweiß

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Bergkristall
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Beitrag Mo., 03.08.2015, 06:17

Ich bin leider kein Stück weiter gekommen. Das geht so tief. Ich habe in der langen Therapie wirklich ganz viel gelernt, aber dieses letzte Stück habe ich nicht in den Griff bekommen. Gerade heute früh habe ich mir vorgenommen noch einmal damit anzufangen. Es ist ein verdammter Automatismus. Dieser Reflex ist schneller als mein ich. Essen ist Wohlbefinden und wenn mein Wohlbefinden beeinträchtigt ist, esse ich. Und wenn ich esse, esse ich "Verbotenes" und weil ich Verbotenes esse, muss ich mein Bewusstsein abschalten, ergo dabei fernsehen oder lesen.

Wie oft habe ich mir schon "gesundes" Essen gekauft. Und fast jedes Mal landet es im Müll. Es ist eine ganz große Überwindung für mich Obst oder Gemüse zu essen. Ich zwinge es mir manchmal rein, aus reinen Vernunftgründen. Aber mit Genuss hat das absolut nichts zu tun. Egal, in welcher Form ich diese Dinge zubereite.

Und es kostet unglaublich viel Kraft. Die letzten Wochen war ich so überfordert, beruflich und familiär, ich ging auf dem Zahnfleisch. Da war natürlich überhaupt kein Raum für die Arbeit am Essverhalten.

Ab heute will ich es noch einmal versuchen. Zum wievielten Mal kann ich gar nicht mehr sagen. Ich bin sehr traurig darüber, dass das so schwer für mich ist. Essen sollte doch eigentlich das Normalste und Natürlichste auf der Welt sein und nicht so ein Riesenproblem.

Liebe Grüße
Bergkristall

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schneeweiß
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Beitrag Mo., 03.08.2015, 14:39

Hm, aber ist das dann wirklich ein Genuss?

Also so wie ich das bei dir lese (und interpretiere) - bezüglich Bewusstsein ausschalten / Bewusstsein ist ausgeschaltet..Das kenne ich sehr gut auch von mir.

Bist du dir über deine Hintergründe, im Übermaß zu essen/Nahrungsmittel rein zu stopfen (können verschiedenste sein) bewusst?

Wenn ich kurz von mir erzählen darf (weil es für mich persönlich äußerst wichtig war/ist, das erkannt zu haben und zu erkennen :

Ich esse (tlw. Auch schon präventiv), um gewisse emotionale Zustände nicht aushalten zu müssen. Diese treten dann mit 99%iger Wahrscheinlichkeit nicht auf und auch wenn diese "Methode" nur kurzfristig greift, hat sie mich doch in der Vergangenheit gerettet.
Das Erbrechen (mittlerweile nicht mehr jedes Mal) ist nicht Mittel zum Zweck (um wieder essen zu können), sondern um weitere unaushaltbare Emotionen abbauen zu können.

Und leider greife ich dann auch präventiv zum Essen, weil wenn mich alles überrollt (emotional), ist es schon zu spät.

Aber mit Genuss hat es bei mir nichts zu tun. Diese Art des in mich rein Stopfens.
Das kann ich (mittlerweile) dann erleben, wenn es mir hin und wieder gelingt, genau das zu essen, was mir wirklich schmeckt. Und das hat einen Bruchteil der Kalorien und ist richtig gesund. Der Körper weiß im Grunde, was ihm gut tut.

Fühlst du dich dann wohlig und geborgen, wenn du so viel Essen in dir hast?

Alles Liebe, schneeweiß

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Bergkristall
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Beitrag Di., 04.08.2015, 06:53

Mir ist schon klar, woher das kommt. Essen kann bei mir jedes Gefühl in Wohlbefinden transformieren.

Ich will Dich damit nicht verletzen, aber ich wäre froh, ich könnte dieses Essen danach wieder loswerden. Ich hätte damit kein Problem.

Und was mir schmeckt, ist definitiv ungesund.

Essen ist auch mein Krückstock. Vieles hätte ich in den vergangenen Wochen nicht geschafft, ohne dieses kaputte Essverhalten. Essen trägt mich weit über meine Grenzen. 2 Apfeltaschen (700 Kalorien), süß und ungesund, 2 Stunden später 1 Tafel Schokolade (560 Kalorien), abends Gummibärchen für 600 Kalorien und schon ist kaum noch Platz für "Normales" Essen.

Und genau dieses kaputte Essverhalten gibt mir die Kraft zu schaffen, was ich schaffen muss.

Zumindest ist wieder Bewusstsein da. Das war die letzten Wochen weg. Immerhin ein Lichtblick.

Grüßlen
Bergkristall

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Chancen
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Beitrag Di., 04.08.2015, 08:55

Hallo Bergkristall!

Bergkristall hat geschrieben:Essen trägt mich weit über meine Grenzen.
Ist das denn gut, wenn du (weit) über deine Grenzen gehst?
Bergkristall hat geschrieben:Essen kann bei mir jedes Gefühl in Wohlbefinden transformieren.
Ist es denn gut, wenn jedes (berechtigte) Gefühl in Wohlbefinden transformiert wird?


Mir kommt das Bild von einem kleinen Mädchen, das von allen Seiten schikaniert wird. Da es sich nicht anders zu helfen weiss, isst es Gummibärchen und Schokolade. So kann es die Schikanen aushalten und über seine Grenzen gehen (=sich aufopfern).

Die erwachsene Frau, die jetzt endlich die Kraft hätte, sich zu wehren und sich nicht mehr schikanieren zu lassen und sich nicht mehr für Andere aufopfern muss, um die lebenserhaltende Zuwendung/Liebe zu erhalten, die es als Erwachsene nicht mehr in der Form (der Abhängigkeit) nötig hat, was macht sie?

Anstatt ihre Grenzen abzustecken und sich selbst in ihrem Gefühlsreichtum (auch die negativen Gefühle) kennenlernen und annehmen lernen versucht, wählt den Weg des Kindes (Essen), um sich weiterhin aufopfern zu können und keine Verantwortung für ihre Grenzen übernehmen muss, da das Essen ja eh die negativen Gefühle in Wohlbefinden transformiert und sie weit über ihre Grenzen (!!) trägt.
Bergkristall hat geschrieben:Und genau dieses kaputte Essverhalten gibt mir die Kraft zu schaffen, was ich schaffen muss.
Was musst du schaffen?

Warum musst du es schaffen?

Um welchen Preis?
Um jeden Preis?


Ich habe die Befürchtung, dass deine negativen Gefühle aus einem berechtigten Grund da sind. Wenn du sie mit Essen verstopfst, dann können sie dir nicht helfen. Sie werden auf andere Weise versuchen, sich zu melden und dir das zu sagen, was sie dir ursprünglich sagen wollen: "Es ist zuviel" "Ich kann nicht mehr" "Ich brauche Pause, Abstand, Hilfe" "Ich will nicht mehr"

Kannst du auf Reha gehen? Kur?

Kannst du dir eine Auszeit nehmen?

Oder erst wenn du völlig am Ende bist? Mit Magengeschwür und Schmerzen? Oder mit noch Schlimmerem, das dich bewegungs- und handlungsunfähig macht?

Viele Leute geben nicht auf. Wollen einfach nicht aufgeben, bis sie von ihrem Körper durch schlimme Schmerzen oder Ähnliches dazu gezwungen werden.

Dann relativiert sich dieses "ich muss es schaffen". Dann geht nämlich gar nix mehr.

Warum auf diesen Punkt warten?

Chancen

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Bergkristall
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Beitrag Di., 04.08.2015, 09:34

Chancen, ich danke Dir für Deine schlauen und wahren Worte.

Mich würde interessieren:

Was machst Du, wenn Du im Job doppelt und dreifach Leistung bringen musst, weil Krankheits- bzw. Urlaubsvertretung zu leisten ist.

Was machst Du, wenn Deine geliebte Familie hoffnungslos überlastet ist und Deine Unterstützung braucht.

Ich sehe keinen anderen Weg, als weit über meine Grenzen zu gehen.

Allerdings bin ich in dieser Hinsicht auch ziemlich kaputt und sehe vielleicht gar nicht, dass es Alternativen gibt.

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schneeweiß
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Beitrag Di., 04.08.2015, 10:59

Hallo liebe Bergkristall!

Ich hab es jetzt so verstanden, dass der Zweck des Essens bei dir ein bisschen ein anderer ist, als bei mir.
Bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege..

Ich lese es so, dass das Essen sozusagen für dich eine Regeneration bedeutet, wenn du, wie so oft, über deine Grenzen gegangen bist - ob im beruflichen oder im privaten Bereich.

Und ohne diese essentielle übermäßige Zufuhr über die Nahrung, wärst du nicht in der Lage, das so durchzustehen, wie du das in der Vergangenheit getan hast und tust.

Wie war das früher.. In deiner Kindheit..? Wie hat da dein Essverhalten ausgesehen? Wie wurde es dir von deinen Eltern vorgelebt? (nur falls du erzählen magst selbstverständlich).. Und entschuldige bitte, wenn du das bereits geschrieben hast..

Kannst du dich erinnern, wann es begonnen hat, dass du auf diese Art und Weise angefangen hast, über deine Grenzen zu gehen und dies mit Hilfe von Essen auszuhalten?

Hast du Menschen um dich herum, mit denen du darüber sprichst/sprechen kannst? (auch außerhalb der Therapie / in deinem Alltag)?

Vielleicht magst du ein paar Gedanken über die eine oder andere Frage festhalten, wenn nicht, ist das selbstverständlich auch völlig in Ordnung (eh klar.. )

LG, schneeweiß

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Chancen
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Beitrag Di., 04.08.2015, 11:53

Bergkristall hat geschrieben:Mich würde interessieren:

Was machst Du, wenn Du im Job doppelt und dreifach Leistung bringen musst, weil Krankheits- bzw. Urlaubsvertretung zu leisten ist.

Was machst Du, wenn Deine geliebte Familie hoffnungslos überlastet ist und Deine Unterstützung braucht.
Fragst du, was ich mache (heute) oder was ich gemacht habe früher?

Als ich im Job doppelt und dreifach die Leistung erbringen musste, da hab' ich's gemacht. Hab' nicht mehr geschlafen, hab' nicht mehr gegessen, und hab alles getan, um weiterhin zu funktionieren. Hab nicht auf meine Grenzen geachtet (auf Kosten meiner Gesundheit; das war mir damals aber nicht so wichtig) und hab brav weiterhin funktioniert.

Als meine Familie Probleme hatte und ich dachte, dass ich funktionieren müsse, da hab' ich funktioniert. Innerlich bin ich kaputt gegangen, aber nach außen hin, hab' ich funktioniert und alles gegeben.

Ich hatte (wie du) Bewältigungsstrategien. Essen (zum Teil), aber auch andere, die nicht gut für mich waren. Destruktive Beziehungen.

Jahrelang dachte ich, meine Probleme seien die Bewältigungsstrategien, also: wenn erst mal das Essen gut funktioniert, wenn erst mal die Beziehung gut funktioniert, dann...

Erst nach dem kompletten Zusammenbruch vor einigen Jahren, hab ich gemerkt, dass meine eigentlichen Probleme woanders lagen und dass ich jahrelang am falschen Rädchen drehen wollte. Ich wollte am Rädchen drehen, wo die Probleme offensichtlich wurden, nicht am Rädchen, das erst für die Probleme sorgte. Das war mir zu heiss, damals.

Das Problem ist, dass wenn erst mal der komplette Zusammenbruch da ist (und wenn man nix an seiner Lebensweise ändert, dann kommt er garantiert. Vielleicht nicht dieses Jahr, aber nächstes oder übernächstes.), dann ist soviel kaputt (im Körper; Nerven etc.), dass man den (gesunden) Normalzustand wahrscheinlich nie mehr erreichen kann.

Ich kenne zig Leute, die Ähnliches erlebt haben, und wo dann "plötzlich" eine Autoimmun-Erkrankung da war und nix mehr ging.

Die Welt ging trotzdem weiter. Für die Arbeitgeber und die Kollegen und auch für die Familie.


Ich weiß, dass es oft so aussieht, als MÜSSE man einfach funktionieren und weitermachen. Aber dieses MÜSSEN relativiert sich, wenn man in einem Gesundheitszustand landet, der es einem körperlich unmöglich macht, seinen "Pflichten" nachzukommen.

Heute bin ich sensibler auf die Warnhinweise meines Körpers. Und ich weiß, dass er sich meldet, wenn ich an meine Grenzen gehe. Natürlich, als gelerntes artiges Mädchen, gehe ich noch immer regelmäßig drüber. Aber nicht mehr so weit und vor allem nicht mehr so lange.

Ich weiß, dass es mein Tod wäre. Gesundheitlich und emotional.

Und das ist es mir heute nicht mehr wert.

Wer das nicht versteht und mich dafür kritisiert, dass ich mich nicht mehr für Andere kaputt mache, der darf sich gerne zurückziehen.

Chancen

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Bergkristall
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Beitrag Mi., 05.08.2015, 10:23

Schneeweiß und Chancen, danke für Eure schlauen Worte. Es hilft, andere Ansichten zu lesen, denn ich stecke so tief drin, dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen kann.


[Ich weiß, dass es oft so aussieht, als MÜSSE man einfach funktionieren und weitermachen.

Natürlich, als gelerntes artiges Mädchen, gehe ich noch immer regelmäßig drüber. Aber nicht mehr so weit und vor allem nicht mehr so lange.

Ich weiß, dass es mein Tod wäre. Gesundheitlich und emotional.

Und das ist es mir heute nicht mehr wert.

Chancen[/quote]

Ich finde das genial. Dein Wissen und die Kraft, das auch tatsächlich durchzuziehen.

Wie kannst Du es aushalten, wenn Menschen, die Du über alles liebt, Deine Hilfe brauchen, da nicht zu helfen?

Und mal angenommen, Du bist bis ganz runter auf die Knochen erschöpft. Schaffst Du es dann noch, Dir etwas Gutes zu tun? Woher nimmst Du dann die Kraft für Dich zu sorgen, wenn Du eigentlich keine Kraft mehr hast? Was machst Du dann konkret, um wieder zu Kräften zu kommen?

Meine Fragen hören sich vielleicht ziemlich doof an, aber ich bin wirklich an dem Punkt, wo ich vor lauter Erschöpfung nicht mehr -für mich- klar denken und handeln kann.

Ich habe heute früh festgestellt, dass sich meine Bedürfnisse auf essen und schlafen reduzieren. Genau in dieser Reihenfolge. Ich will essen, viele, viele Süßigkeiten und danach getröstet und mit viel Süße in meinem Bauch schlafen.

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Chancen
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Beitrag Mi., 05.08.2015, 18:12

Bergkristall hat geschrieben:Ich finde das genial. Dein Wissen und die Kraft, das auch tatsächlich durchzuziehen.

Wie kannst Du es aushalten, wenn Menschen, die Du über alles liebt, Deine Hilfe brauchen, da nicht zu helfen?
Ich konnte es nicht aushalten, aber dann ist mein eigener Zustand so schlimm geworden, dass ich nichts mehr tun konnte. Und vor diesem Zustand hab' ich so einen Respekt (Angst), dass ich heute "stopp, ich kann nicht mehr" sage, bevor es zu spät ist.

Wenn man helfen will, dann geht das nur dann, wenn man die Ressourcen dazu hat.

Du kennst doch bestimmt das Bild von den beiden Ertrinkenden. Ein Ertrinkender kann einen anderen Ertrinkenden nicht retten.

Wenn ich selbst am Absaufen bin, dann bin ich (bald) keine Hilfe mehr für irgendjemanden.
Ich muss zuerst sehen, dass ich Land gewinne (= Gesundheit, Kraft, Energie, Nerven, Entspannung) und dann kann ich erst richtig helfen.

Wem nützt es, wenn ich mich erst kaputt mache, und dann selbst Hilfe brauche?

Vielleicht meinem Gewissen, weil ich dann wenigstens sagen kann: "Ich habe ALLES gegeben".
Aber in Wahrheit kann man das auch schon sagen, bevor der Zusammenbruch da ist. Man kann sagen: "Ich kann nicht mehr" solange man noch steht. Man muss nicht warten, bis man sprichwörtlich am Boden liegt.

Wenn deine Familie so von dir abhängig ist, dass sie nur mit deiner Hilfe überleben können, dann haben sie spätestens dann ein Problem, wenn du zwangsläufig (weil dein Körper streikt) am Ende bist und nicht mehr helfen kannst.

Ob dieser Zeitpunkt jetzt eintritt (weil du sagst: "ich kann nicht mehr") oder in 14 Monaten (wenn du tatsächlich nicht mehr kannst) macht einen großen Unterschied. Denn jetzt bist du noch handlungsfähig und kannst dich schneller wieder regenerieren. In 14 Monaten ist es vielleicht zu spät.

Ob sie jetzt damit umgehen lernen müssen, dass du nicht mehr ALLES machen kannst oder in ein paar Monaten - wo ist der Unterschied?
Bergkristall hat geschrieben:Und mal angenommen, Du bist bis ganz runter auf die Knochen erschöpft. Schaffst Du es dann noch, Dir etwas Gutes zu tun? Woher nimmst Du dann die Kraft für Dich zu sorgen, wenn Du eigentlich keine Kraft mehr hast? Was machst Du dann konkret, um wieder zu Kräften zu kommen?
Nein. Wenn ich bis auf die Knochen erschöpft bin, dann schaffe ich es ganz sicher nicht, mir was Gutes zu tun. Und darum versuche ich es nicht soweit kommen zu lassen. Nicht mehr.

Wenn ich allerdings wieder in einen solchen Zustand eintreten würde, dann würde ich alles stehen und liegen lassen, und mich sofort für einen mehrwöchigen/monatigen Reha-Aufenthalt anmelden.

Was mache ich, um wieder zu Kräften zu kommen?

Vor allem: zuerst alle Verpflichtigungen liegen lassen. Sagen: ich kann nicht mehr.

Und dann:

MBSR, Jin Shin Jyutsu, Yoga, Therapie, Qi Gong.
Bergkristall hat geschrieben:Ich habe heute früh festgestellt, dass sich meine Bedürfnisse auf essen und schlafen reduzieren. Genau in dieser Reihenfolge. Ich will essen, viele, viele Süßigkeiten und danach getröstet und mit viel Süße in meinem Bauch schlafen.
Das ist für mich schon sooo die Alarmstufe. Das wird schnell zum Teufelskreis. Wenn der Körper keine guten Nährstoffe bekommt, dann wird alles noch schlimmer. Müdigkeit, Kraftlosigkeit, ev. Schmerzen, Verspannungen etc...

Gibt es denn keine Möglichkeit für dich, die Verantwortung abzugeben und zu sagen: "Leute, es tut mir leid. Ich habe alles gegeben. Ich kann nicht mehr" und dich in Reha zu begeben?

In Reha, wo sie für dich kochen, wo sie dir Gutes tun. Wo sie dir zeigen, wie man sich selbst Gutes tut.

Wo du keine Verantwortung hast, sondern dich mal ein paar Wochen/Monate fallen lassen und wieder zu dir kommen kannst?

Chancen

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Bergkristall
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Beitrag Do., 06.08.2015, 07:01

ich bin so dankbar, hier mit Euch über dieses Thema geschrieben zu haben. Chancen, vielen Dank für Deine Worte.

Ich war so blind für mich selbst, ich sah nur noch Arbeit und Familie, mich selbst habe ich vollkommen verloren. Es war dieser verdammte Überforderungstrigger. Er katapultiert mich direkt zurück in meine Kindheitshölle, in der ich für alles und alle geschuftet habe. Mich gibt es dann nicht mehr. Ich wurde damals so lange geschlagen, bis kein Widerstand mehr in mir drin war ("ich schlag dich tot"), das hat funktioniert. Zwar hat mich die Therapie wiederbelebt, aber in ganz schlimmen Stresssituationen bin ich dann wieder dieses Kind.

Deshalb bin ich so dankbar für hier. Seit gestern bin ich wieder einigermaßen ich selbst. Jetzt ist Wiedergutmachung angesagt

Soll ich der Essstörung dankbar sein? Soll ich sie verfluchen? Sie ist beides. Fluch und Segen.

Ich werde versuchen, wieder daran zu arbeiten. Erst wieder zu Kräften kommen, hoffen, dass ich das nächste Mal nicht in den Trigger reinrutsche und versuchen ein Bewusstsein für essen zu bekommen (schon beim Gedanken daran dreht sich eine Panikkugel in meinem Bauch)

Kann eine Angst vor dem Essen haben? Ja, sie kann.

Liebe Grüße
Bergkristall

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