Hype um psychische Krankeiten - Über-Diagnosen?

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 05:34

@ Nico
Ja die gibt es, aber niemand kann gezwungen werden bei diesen Arbeitgebern zu arbeiten.
Da stimme ich dir zu. Aber ich kann auch die Argumentation meiner Freundinnen verstehen. Wenn man 55 Jahre alt ist, dann ist es nicht mehr so leicht einen anderen Arbeitgeber zu finden oder sich umschulen zu lassen. Eine hat es ja geschafft zu wechseln. Sie hatte das Glück bei der Stadt zu arbeiten und sich versetzen zu lassen. Die andere hat Angst um ihre Rente, Angst die nächsten 10 Jahre vor Harz 4 leben zu müssen. Ich denke, wenn sie eine Alternative hätte, würde sie nicht zögern dort zu kündigen.
Bei mir war es wiederum genau umgekehrt, als ich in meinem Betrieb die Überstunden abgeschafft habe, haben sich die AN aufgeregt und wollten unbedingt weiterhin welche machen.
Solche Fälle gibt es mit Gewissheit auch. Für mich jedoch sind die Gesamtstatistiken von Interesse, denen zufolge die Zahl der Frührentner aufgrund psychischer Erkrankungen steigt, die Fehltage aufgrund von Burnout zunehmen, immer mehr Kinder beim Therapeuten landen oder/und Medikamente verabreicht bekommen, ...
Irgendetwas muss sich geändert haben, so dass die Zahl der psychisch Kranken steigt.
Und da ist für mich die Frage: Einseits klar, wer eine Depression hat hat eine Depression, egal wodurch diese zustande gekommen ist. Anderseits frage ich mich jedoch, ob die Depression, die mit "psychische Erkrankung" etikettiert wird, in Wahrheit eine ganz normale menschliche Stress-Reaktion auf Überforderung ist und damit Normale zu psychisch Kranken gemacht werden.
Nur wenn man Reaktionen (auch normale) des Menschen mit "psychische Erkrankung" etikettiert besteht ein Anspruch auf eine psychotherapeutische Behandlung. Und da stellt sich mir die Frage, inweit Psychotherapie heutzutage noch ihre eigentliche Aufgabe hat, nämlich psychische Erkrankungen zu behandeln und inwieweit Psychotherapie heutzutage dazu benutzt wird, Menschen funktionstüchtig zu machen, so dass sie den ständig wachsenden Anforderungen unserer Gesellschaft gerecht werden, notfalls mit Medikamenten - so wie auch in dem Link beschrieben: "Es würden also soziale Probleme in medizinische umgewandelt." Wenn Menschen aufgrund der Arbeitssituation krank werden, dann ist der Arbeitsgeber gefordert etwas zu ändern und nicht der Psychotherapeut. Ich denke, dass die Zahl der Menschen, die beim Therapeuten landen, weiterhin steigen wird, solang die Ursache nicht beseitigt wird.

@ Candle

Ich finde den Link leider nicht mehr. Kann auch sein, dass ich das im Fernsehen gehört habe. Bin mir da gerade bzgl. der Quelle unsicher.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Nico
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 05:55

Nun reduziert wird die Ursache für diese Probleme halt mit Vorliebe auf Stress in der Arbeit.
Freizeitstress, Beziehungsstress ( noch nie gab es soviele alleinerziehende Mütter und Singles, ..), Konsumwahn etc.etc. werden nicht erwähnt.
Schau mir ist es ja wurscht, soll sich doch jeder seine eigene Theorie zusammenzimmern wenn es ihm hilft, mir kommt halt vor, dass sich dadurch auch viele von jeder Selbstverantwortung freiwaschen wollen und alles auf die pöhse pöhse Arbeit schieben.
Andererseits kauft die Masse dort wo es am billigsten ist und wo herrscht am meisten Druck ? Na dort wo billig produziert und verkauft wird, also ist auch das wieder hausgemacht.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 06:35

@ Nico
mir kommt halt vor, dass sich dadurch auch viele von jeder Selbstverantwortung freiwaschen wollen und alles auf die pöhse pöhse Arbeit schieben
Ja, so ganz Unrecht haste nicht. Wenn ich an meine beiden Freundinnen denke, ... beiden fehlt die Fähigkeit sich durchzusetzen.
Ich habe mir die Frage auch schon oft gestellt, ob Menschen überhaupt noch lernen, sich selbst zu helfen, Probleme zu lösen, ...
Schau mir ist es ja wurscht, soll sich doch jeder seine eigene Theorie zusammenzimmern wenn es ihm hilft
Du, mach dir da keinen Kopf. Deine Sichtweise ist meinerseits herzlich willkommen. Wenn wir alle einer Meinung wären, dann wäre so eine Diskussion öde, dann könnte ich mich auch wieder schlafen legen . Es sind doch gerade die unterschiedlichen Blickwinkel, Betrachtungsweisen und Perspektiven, die zur Lösung eines Problems führen.
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Nico
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 07:20

Ich kannte einen jungen Mann ( damals war ich noch selbst jung ) der hatte damals das was man heute Burnout nennt und dem wurde damals als " Übung" auferlegt er müsse sich pro Tag eine Stunde ruhig hinsetzen oder hinlegen und absolut nichts tun. Der konnte/kannte das nämlich überhaupt nicht.
Ich kann das stundenlang.

Aber was hilft es, wenn diese Menschen auch zu nicht unerheblichen Teilen selbst Verursacher ihres Problems sind, sind diese dennoch psychisch arm dran und es muss ihnen irgendwie geholfen werden.
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Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 08:13

@ Nico,

ich kann das auch sehr gut. Stundenlang da sitzen oder liegen und nichts tuen.
Aber wir beide sind da wohl eine Ausnahme:

Lieber leiden als sinnieren
http://taz.de/Studie-uebers-Nachdenken/!141757/
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Broken Wing
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 08:24

@ Nico: Ich habe eher den Verdacht, dass vielen hier nicht schmeckt, mit Plazebos behandelt zu werden.
Andere weigern sich und ihnen geht es gleich gut oder schlecht, nur eben ohne Therapie.

Was bitte ist Verantwortung abschieben, wenn man Therapie und Medikamente für unwirksam hält und daraus Konsequenzen zieht?
Hier und da mal Reden schadet nicht. Der einzige Grund, warum ich dann zu einem Profi gehe ist, um die Geduld meiner Mitmenschen nicht überzustrapazieren.
Aber meistens hilft auch ein gutes Essen oder Likeur (angeblich, habe ich aber nicht probiert).

@ JennyDoe: Was war zuerst da? Henne oder Ei? Wenn ich durchsetzungsfähig wäre, Verantwortung für mich übernehmen könnte ohne Ende, weshalb dann in Therapie gehen? Solche Leute wären was für die Klinik, könnte man sagen. Aber außer dass man dort keine Verantwortung übernehmen muss, wird man intensiver mit dem gleich unwirksamen Mist behandelt und kommt auch nicht weiter. Der Erfolg? Suizidneigung nach einer Entlassung ist generell erhöht. Toll.

Übrigens wäre es in dem meisten Fällen nicht ratsam, ein nüchternes Bild von sich zu haben. Ein Bisschen Grandiositätsgefühl und andere machen lassen gehört dazu.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 08:34

@ Noch Mal Nico,

ich war vor ein paar Wochen auf ner Fortbildung. Ging zwar um Demenz, aber etwas fand ich sehr interessant. Wir wurden aufgefordert mal auszuprobieren alles ganz langsam zu machen, ganz langsame Bewegungen auszuführen, ... um uns in Demenzkranke hineinversetzen zu können. Ich habe das schon vor der Fortbildung sehr oft gemacht. Das entspant mich total. Aber der Veranstalter meinte, dass die meisten Menschen bei einer solchen Übungen wahnsinnig werden würden und total unruhig.

@ Broken Wing
Was war zuerst da? Henne oder Ei?
Gute Frage!
Aber außer dass man dort keine Verantwortung übernehmen muss
Ebenfalls guter Einwand, ... ein Gedanke, den ich auch schon oft hatte: Zum Therapeuten gehen und Verantwortung abgeben? Möglich.
Andererseits könnte man einwenden, dass Menschen, die Verantwortung übernehmen können und sich selber helfen können, nicht zum Therapeuten gehen würden und dort nur die landen, die Verantwortung abgeben. Auch möglich.
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Nico
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 08:45

@Broken Wing

Unter Verantwortung abschieben meinte ich, dass manche Menschen halt lieber den Job, die Umwelt oder wasweißichwasalles verantwortlich machen, statt den eigenen Lebenswandel einmal zu hinterfragen und zu überdenken.

Ich z.B. habe eine Firma mit rund 40 Beschäftigten, wenn ich das jemanden erzähle heisste es entweder A.) Aha ein Gstopfter oder B.) Oje dieser Stress und diese Verantwortung

Naja über A kann man diskutieren aber B trifft auf mich überhaupt nicht zu.
Ich habe mir einige sehr gut ausgebildete absolut vertrauenswürdige Mitarbeiter aufgebaut die ich ordentlich bezahle und auf die ich mich 100%ig verlassen kann. Natürlich habe ich für alles die ENdverantwortung aber damit kann ich gut leben. Dafür hab ich keinen Stress und mache auch einmal unter der Woche eine Bergtour oder ähnliches.
Ich könnte natürlich auch alles alleine machen, 12 - 16 Stunden arbeiten, dann hätte ich echt Stress und wäre halt noch ein bisserl mehr A weil ich mir das Geld für die Mitarbeiter ersparen würde.

Stimmt schon, die meisten Unternehmer haben Stress und sind überarbeitet, aber das liegt daran dass sie niemandem vertrauen können, glauben alles selbst machen zu müssen und sehr auf Prestige aus sind. Dann haben sie halt ein Appartement am Arlberg und eine Yacht an der Adria aber auch einen 12 - 16 Stunden Tag, Stress und Burnout.
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candle.
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 14:40

Jenny Doe hat geschrieben: Für mich jedoch sind die Gesamtstatistiken von Interesse, denen zufolge die Zahl der Frührentner aufgrund psychischer Erkrankungen steigt,
Ich weiß nicht, ob ich mich hier jetzt gut ausdrücken kann, also bitte ich um Nachsicht. Klar steigen psychische Erkrankungen an, aber wenn ich jetzt mal so aus dem Bauch heraus mit meiner Lebenserfahrung antworte: Früher gab es Kriegsversehrte, die ja in Deutschland quasi "aussterben". Die Medizin ist soweit fortgeschritten, dass man chirurgisch schon viel tun kann um praktisch wieder gesund zu sein. Oder als Beispiel meine entfernte Schilddrüse. Ein ganzes Organ fehlt, aber ich bin damit gesund. Eine Tablette fängt das dann ab. Was bliebe denn jetzt noch, wenn die Seele jetzt nicht erkranken könnte? Also grob gesagt sehe ich das nur als Verschiebung der Krankheitsbilder.
Die Frage ist dann wie man dem gesundheitlich am Arbeitsplatz entgegen kommen kann?
die Fehltage aufgrund von Burnout zunehmen, immer mehr Kinder beim Therapeuten landen oder/und Medikamente verabreicht bekommen, ...
Ja, das ist vermutlich auch eine sehr komplexe Angelegenheit, die sich nun so entwickelt hat. Und ich denke, Ansätze werden schon erbracht das zu ändern, wenn wir mal das Thema Elternzeiten/ Kindergartenplätze et cetera pp. beobachten. In meiner Zeit verdiente ein Mann noch genug um eine Familie zu versorgen, heute geht das nicht mehr, abgesehen davon, dass Frauen inzwischen ja auch viel mehr wollen. Kinderbetreuung war da also mehr gewährleistet. Das liegt dann aber schon eher an den Eltern, wenn sie ihre Kinder nun vermehrt zum Psychologen schleppen.
Gut, das Thema kann man nun noch sehr weit auswalzen. Und nun? Die Uhren kann man schwer zurückdrehen.
Und da ist für mich die Frage: Einseits klar, wer eine Depression hat hat eine Depression, egal wodurch diese zustande gekommen ist. Anderseits frage ich mich jedoch, ob die Depression, die mit "psychische Erkrankung" etikettiert wird, in Wahrheit eine ganz normale menschliche Stress-Reaktion auf Überforderung ist und damit Normale zu psychisch Kranken gemacht werden.
Ich vertraue da schon den Fachleuten, dass sie das erkennen können.
Ich denke, dass die Zahl der Menschen, die beim Therapeuten landen, weiterhin steigen wird, solang die Ursache nicht beseitigt wird.
Ich finde das jetzt auch etwas komisch. Da kämpfen langsam prominente Menschen um Anerkennung der Depression als Krankheit, während wir das dann doch wieder in Zweifel ziehen. Hm.

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Broken Wing
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 14:54

@ Nico: Alles viel zu Wischi Waschi. Es gibt Menschen, die Verantwortung abgeben. Es gibt andere, die schlicht nicht anders können. Das ist nichts Neues.
Wichtig ist, dass echte Notleidende nicht als Kneifer oder Drückeberger abgetan werden. Und die finden sich überwiegend in den sozialen Berufen.

Zum Rest deines Beitrags muss man sich ohnehin nicht äußern, sondern kann es bei einer herzlichen Gratulation belassen.
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Nico
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Beitrag Fr., 20.03.2015, 15:01

Stimmt, ist nix neues nur seit es halt den Namen Burnout dafür gibt, explodiert die Beachtung, gegeben hat es das schon immer.
Darum halte ich auch nix vom " es wird immer schlimmer" gelabere.
Wenn sich früher einer am Heuboden aufgehängt hat, habens gsagt der hat durchgedreht aus pasta.
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 21.03.2015, 05:07

@ Candle
Ich finde das jetzt auch etwas komisch. Da kämpfen langsam prominente Menschen um Anerkennung der Depression als Krankheit, während wir das dann doch wieder in Zweifel ziehen.
Ich denke, dass es schwer ist etwas, was selbstverständlich eine Krankheit ist, auch als Krankheit zu akzeptieren,
- wenn es gleichzeitig zu zahlreichen Fehldiagnosen kommt, wie bei z.B. ADHS
- wenn die Schwelle, was psychisch krank ist und was nicht, stetig herabgesetzt wird, wie z.B., dass man jetzt schon nach drei Wochen trauern die Depressionsdiagnose verpasst bekommt.
- inzwischen nahezu jeder mit einer psychischen Diagnose rumläuft. Wenn nahezu jeder beim Therapeuten sitzt, dann kann man psychische Erkrankungen nicht mehr als "Abweichung von einer Norm" ansehen, sondern nur noch als etwas, was normal ist, was jeder hat. Das macht es schwer tatsächliche psychische Erkrankungen noch ernst zu nehmen.
Das macht tatsächlich existierende Erkrankungen nicht gerade glaubwürdig. Da wird der Eindruck vermittelt, dass doch alles nur eine Modeerscheinung ist. Und das finde ich für jene, die tatsächlich krank sind, fatal. Deshalb liegt mir etwas daran auseinanderzupuzzeln, was tatsächlich psychisch krank ist und der Behandlung durch einen Therapeuten bedarf, und was nicht.
Also grob gesagt sehe ich das nur als Verschiebung der Krankheitsbilder.


Teils teils.
Burnout gab es in der Tat auch früher schon. Nur da hieß es anders. Der Unterschied zu früher ist jedoch, dass Menschen heutzutage inflationär unter Burnout leiden. Wird die Diagnose Burout heute häufiger gestellt als früher, weil man heute genauer hinguckt? Oder wird sie heute häufiger gestellt, weil immer mehr Menschen daran erkranken?
Dann gibt es aber auch neue Störungen, die es früher nicht gab. Handelt es sich bei diesen Störungen um Störungen, die neu entstanden sind oder um Störungen, die man erst jetzt durch genaues Hingucken entdeckt hat?
Zuguterletzt gibt es auch eine ganze Reihe von Störungen, die einst inflationär vergeben wurde, die aber dann plötzlich wieder aus dem DSM verschwanden. Was ist mit ihnen? Waren sie nur eine Modeerscheinung oder konnte die Ursache erfolgreich beseitigt werden, so dass heute keiner mehr drunter leidet?
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Nico
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Beitrag Sa., 21.03.2015, 06:33

Natürlich werden sich Störungsbilder mit der Zeit verändern denn die Einflüsse ändern sich ja ebenfalls.
Wenn man sich auf neue bzw. jetzt häufiger auftretende Störungen einschießt, sollte man halt auch mit gleichem Elan nach mittlerweile nahezu verschwundenen Störungen suchen, die gibt es nämlich sicher auch.
Allerdings passt das halt nicht in die " es wird alles immer schlimmer" Weltanschauung.

PS: Wo ist den Brokens " Sauerstoff - Satz " hingekommen ?
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candle.
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Beitrag Sa., 21.03.2015, 17:14

@ Jenny Doe
Jenny Doe hat geschrieben: Ich denke, dass es schwer ist etwas, was selbstverständlich eine Krankheit ist, auch als Krankheit zu akzeptieren,
- wenn es gleichzeitig zu zahlreichen Fehldiagnosen kommt, wie bei z.B. ADHS
Das weiß zumindest ich nicht. Hier geht es ja auch um den Hype und nicht um fehlerhafte Diagnosen.
- wenn die Schwelle, was psychisch krank ist und was nicht, stetig herabgesetzt wird, wie z.B., dass man jetzt schon nach drei Wochen trauern die Depressionsdiagnose verpasst bekommt.
Irgendwo hatte ich das mal unter dem ICD gelesen, finde das aber nicht wieder. Aber meiner Meinung nach ist der Diagnosekatalog lediglich erweitert/ verfeinert worden, so dass man durchaus mehr präzisieren und zuordnen kann, was ich grundsätzlich gut finde. Ich weiß selbst noch wie es früher war als man nur schrieb "Verdacht auf...". Das fand ich sehr unbefriedigend. Und selber habe ich festgestellt, dass die Diagnose keinesfalls bestehen blieb, was ja logisch ist, wenn man Therapie macht. Und Patienten möchten ja auch gerne ihre "Krankheit" benennen, kenne ich von mir auch. Das scheint mir mit einer Diagnose dann doch einfacher.

Ich würde es also nicht als ein "verpaßt bekommen" bewerten, denn irgendwie muß Behandlung ja nun mal mit einer Diagnose gerechtfertigt werden.
- inzwischen nahezu jeder mit einer psychischen Diagnose rumläuft.
Das kann ich nicht bestätigen. Seit ich selber psychische Probleme habe, verändert sich natürlich ein wenig das Umfeld- zwangsweise, so dass ich damit sehr viel mehr in Berührung gekommen bin. Vorher war das gar nicht so.
Wenn nahezu jeder beim Therapeuten sitzt, dann kann man psychische Erkrankungen nicht mehr als "Abweichung von einer Norm" ansehen, sondern nur noch als etwas, was normal ist, was jeder hat. Das macht es schwer tatsächliche psychische Erkrankungen noch ernst zu nehmen.
Das sehe ich nicht so!
Das macht tatsächlich existierende Erkrankungen nicht gerade glaubwürdig. Da wird der Eindruck vermittelt, dass doch alles nur eine Modeerscheinung ist. Und das finde ich für jene, die tatsächlich krank sind, fatal.
Es kommt wohl darauf an wer du glaubst das nicht ernst zu nehmen. (Komplizierter Satz )
Deshalb liegt mir etwas daran auseinanderzupuzzeln, was tatsächlich psychisch krank ist und der Behandlung durch einen Therapeuten bedarf, und was nicht.
Gut, und dann?
Burnout gab es in der Tat auch früher schon. Nur da hieß es anders. Der Unterschied zu früher ist jedoch, dass Menschen heutzutage inflationär unter Burnout leiden. Wird die Diagnose Burout heute häufiger gestellt als früher, weil man heute genauer hinguckt? Oder wird sie heute häufiger gestellt, weil immer mehr Menschen daran erkranken?
Ja, ich kenne von früher das Erschöpfungssyndrom. Und nun fragst du ja die Eingangsfrage.
Ob man genauer hinschaut? Ich denke, dass diese Diagnose gerne mal schnell verwendet wird ersatzweise für Verdachtsdiagnosen, die es ja heute nicht mehr gibt. Bei längerem Verlauf wird sich das aber schnell ändern. vermute ich mal- weil a) das Burn out "geheilt" ist oder b) sich wirklich eine psychische Erkrankung herauskristallisiert. Der Faktor Zeit spielt da meiner Ansicht nach dann eine Rolle.
Dann gibt es aber auch neue Störungen, die es früher nicht gab. Handelt es sich bei diesen Störungen um Störungen, die neu entstanden sind oder um Störungen, die man erst jetzt durch genaues Hingucken entdeckt hat?
Da würde ich eher als in der Medizin auch um mehr "Hingucken" reden, denn meiner Meinung nach verändert sich der Mensch an sich gar nicht mit seinen Verhaltensweisen.
Zuguterletzt gibt es auch eine ganze Reihe von Störungen, die einst inflationär vergeben wurde, die aber dann plötzlich wieder aus dem DSM verschwanden. Was ist mit ihnen? Waren sie nur eine Modeerscheinung oder konnte die Ursache erfolgreich beseitigt werden, so dass heute keiner mehr drunter leidet?
Naja, wenn wir mal "Borderline" nehmen, was meiner Meinung nach auch sehr lange sehr inflationär verwendet wurde, ist meiner Meinung nach die Änderung ein Stigma wieder zu nehmen. Das wäre dann auch wieder zum Schutz von Arbeitnehmern, die Gefahr laufen könnten mit diesem Stempel nicht mehr in Arbeit zu kommen. Das ist nämlich auch eine wichtige Betrachtungsweise. Weg ist die Diagnose damit ja nicht wirklich, sie ist im Katalog nur anders ausgewiesen.

Ich habe jetzt meine Punkte verkürzt, sonst käme ich hinter den Fragen nicht hinterher.

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Blaubaum
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Beitrag Sa., 21.03.2015, 23:43

Nico hat geschrieben:...sollte man halt auch mit gleichem Elan nach mittlerweile nahezu verschwundenen Störungen suchen, die gibt es nämlich sicher auch.
klar, scheint's zu geben...wie wär's mit der klassischen hysterie, bei der sich frauen (immer frauen!) wie bei einem epileptischen grand-mal-anfall auf den boden warfen und heftig mit dem unterleib zuckten, freilich ohne sich dabei zu verletzen, ohne zungenbiss, ohne schaum vor'm mund...hab ich noch nie gesehen, kenne auch keinen, der das schon gesehen hat...ist also wohl ausgestorben.
Allerdings passt das halt nicht in die " es wird alles immer schlimmer" Weltanschauung.
gar nichts wird schlimmer! wir werden nur sensibler und achtsamer und finden für vieles, was früher nicht normal sein musste, um dennoch irgendwie reinzupassen in die welt, worte und begriffe: adolf hitler als mehr-als-halb-psychotischer borderliner, herrmann göring als dissozialer, drogenabhängiger narzisst...früher war der tag heller, die nacht dunkler, und wenn krieg war, dann war halt krieg...der dorftrottel saß neben dem bürgermeister abends beim bier, und niemand verspürte den drang, dem einen eine minderbegabung mit rezeptiver und expressiver sprachstörung und dem anderen eine zwangsstörung (muss immer an der kneipentür 10 mal laut und deutlich "aha!" rufen, damit er sich wohl fühlt, aber keinen stört's) anzudichten...der bürgermeister konnte auch mit 10 "aha!"s an der kneipentür ein grosses dorf von 120 seelen regieren und der dorftrottel konnte gut heu wenden und den trecker reparieren.

früher durfte man einen an der waffel haben!...obwohl es früher begriffe wie individualität, selbstfindung, selbstverwirklichung, selbstausbeutung (warum machen wir das heute selbst? wozu sind dann die anderen noch da?) ebenso wenig oder ebenso selten gab wie singlehaushalte...ein paradoxon.

heute jagen wir von einem ""wer bin ich (eigentlich), wie bin ich (jetzt mal wirklich und in echt), was will ich (tatsächlich und nicht nur gedacht und so gaanz für mich)" - seminar zum nächsten und werden uns gleichzeitig immer ähnlicher...weltweit.

wir meinen, gesellschaftlichen zwangsjacken zu entfliehen, treiben was wann wo wie und mit wem wir es wollen (wenn wir denn könnten, sogar in echt, aber...virtuell ist ja auch ganz schön), aber INDIVIDUEN? sind wir immer weniger.

anstatt weiter wird die jacke immer enger...bald reden alle nur noch englisch, rauchen nicht, machen yoga (oder das, was davon übrig ist), unsere autos fahren selbstentscheidend (und, wenn big brother es so will, in die selbe richtung, oder auch gar nicht mehr)...unsere produktionsprozesse brauchen UNS als handelnde und entscheidende wesen immer weniger, und unsere konsumprozesse fragen uns bald auch nicht mehr, ob wir grad hunger haben oder nicht...subtile duftstoffe machen's möglich, glutamat treibt's rein.

wir funktionieren mehr, (er)leben aber weniger...kartoffelchips schmecken wie ein steak, steaks wie kartoffelchips...klar, dass uns dabei alles, was nicht in die norm passt, mehr auffällt als es uns früher aufgefallen ist...wer z.b. keine jeans trägt (sondern etwas anderes! ), leidet offenbar an pathologischer jeanslosigkeit oder er ist schlichtweg bösartig (ICD10 F99.1)...
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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