Somatic Experiencing

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.

luciabava
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Beitrag Fr., 09.01.2015, 11:50

daisyduck hat geschrieben:@peppermint patty
Kannst du ein bischen genauer erklären was eine neuronale Entladung ist
Ja, das würde mich auch sehr interessieren.
Ich mache ja auch ein körperorientiertes Verfahren bei meiner Therapeutin und finde diesen Bereich auch höchst interessant, aber ich habe große Schwierigkeiten, wenn wir vom Gespräch zu den Übungen wechseln. Meist bin ich nur mit meiner inneren Anspannung beschäftigt und es scheint nicht viel zu passieren. Insgesamt erlebe ich mich aber sehr viel dünnhäutiger ...

Daisyduck, auch wenn es ein wenig offtopic ist, könntest du auch ein wenig erklären, inwiefern Yoga für dich auch Körpertherapie ist?
Ich habe z.B. in den letzten Monaten vermehrt mit schlimmen Angstzuständen zu tun und habe das Gefühl, dass zumindest auch meine Yogapraxis (mindestens 2 x die Woche intensiv 90 Minuten) da etwas hervorholt. Auch hatte ich schonmal, nachdem es mir sowieso schon psychisch schlecht ging, einen Zusammenbruch nach der Yogastunde. Also da scheint über den Körper auch seelisch etwas zu passieren.

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peppermint patty
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Beitrag Fr., 09.01.2015, 11:55

Liebe daisyduck (süßer Nick),

ich versuche es mal zu erklären. Lasse mich aber auch gerne korrigieren.

Also Peter Levine geht davon aus, dass in einem Moment in dem ein Trauma geschieht ein Mensch verschiedenen Möglichkeiten hat zu reagieren: Kämpfen, Flüchten oder Freeze (also Erstarren). Da wir in der Regel die beiden erstgenannten Dinge nicht tun können erstarren wir bei einem Trauma. Die dabei gespeicherte Energie (für den Flucht- oder Kampfimpuls) verharrt im Körper und wird im Nervensystem gespeichert. Sie führt zu energetischen Blockaden wie bspw Verspannungen (der Körper speichert quasi das Trauma). Ich zum Beispiel kann meinen Körper normalerweise nicht spüren, wenn ich nicht ganz explizit darauf achte bei den Übungen in der Stunde. Eine Traumafolge.

Bei einer normalen körperlichen Reaktion verlässt diese Energie den Körper wieder indem er zittert. Peter Levine hat dies sowohl bei Tieren, Klienten als auch bei sich selbst beobachtet. Und wenn man ein traumatisches Erlebnis verarbeitet zittert der Körper während dieser Verarbeitung. Ich fing also in der Stunde unkontrolliert und ziemlich heftig vor allem an Armen, Schultern und Beinen an zu zittern (es ist idR aber wohl nicht so heftig sagte meine Thera) . Das ist nichts Schlimmes - im Gegenteil der Körper verliert traumatische Energie und Blockaden können sich auflösen - aber es kann Angst machen. Viel Angst, denn man hat den Körper nicht mehr unter Kontrolle. Außer kann es sehr anstrengend sein, wenn es heftig abläuft (wie gesagt MUSS aber nicht). Ich war danach sehr müde und hatte bleischwere Beine. Aber es ist etwas GUTES!! Und das hat mich wiederum beruhigt.

Ich weiß jetzt nicht, ob ich es verständlich machen konnte. Wenn nicht frag gerne nach.

Liebe Grüße,
pp

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ENA
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Beitrag Fr., 09.01.2015, 15:44

Finde ich gut erklärt, auch wenn ich nicht weiß, ob das mit dem heftigen Zittern immer sein muss. Ich denke, es gibt noch andere Äußerungen, wie Schwächegefühl, Druckgefühl, Schwindel. ...aber so grundsätzlich stimme ich der Erklärung zu. Das ist auch das, was ich von der Methode weiß. ...und eben auch, dass es ums Spüren geht. Immer nur soviel, wie okay ist. Immer nur soviel, wie man die Kontrolle wieder bekommen und ne Sicherheit hat. Es geht in winzig kleinen Schritten vorwärts und immer ums achtsame Wahrnehmen und Spüren.

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peppermint patty
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Beitrag Fr., 09.01.2015, 16:20

Hallo ENA,

du hast recht es geht ganz viel ums vorsichtige und achtsame Körper spüren lernen, denn traumatisierte Menschen haben dies oft verlernt.

Das mit dem Zittern ist idR nicht so heftig, es gibt auch ganz kleine, ich sage mal Zittereien. Ganz wenig spürbar. So wie ich es verstanden habe geht es dabei darum, dass Hormon (weiß jetzt gerade nicht welches) wieder aus dem Körper zu bekommen - welches in dem Moment der Übererregung des Nervensystems (durch das Trauma welches für den Kampf oder Fluchtimpuls notwendig ist) verstärkt produziert wird, wieder loszuwerden. Das Zittern ist die, ich glaube sogar angeborene natürliche Methode, die wir nur leider ein Stück weit verlernt haben.

So wie ich es in Erinnerung habe, wird die Reaktion von damals zu Ende gebracht, also wird zB "weggelaufen" oder "gekämpft"…. was damals nicht ging. Und spätestens jetzt erkläre ich schlecht.

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ENA
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Beitrag Fr., 09.01.2015, 20:52

Dass das Zittern die natürliche angeborene Methode ist, weiß ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen, aber okay.

Was ich aber weiß und auch nachvollziehen kann, ist, dass es wirklich darum geht, etwas zu lösen, was damals stecken geblieben ist, so wie Du es in dem vorletzten Beitrag beschrieben hast.

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marielou66
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Beitrag Sa., 10.01.2015, 09:07

peppermint patty hat geschrieben:Hallo ENA,

du hast recht es geht ganz viel ums vorsichtige und achtsame Körper spüren lernen, denn traumatisierte Menschen haben dies oft verlernt.

Das mit dem Zittern ist idR nicht so heftig, es gibt auch ganz kleine, ich sage mal Zittereien. Ganz wenig spürbar. So wie ich es verstanden habe geht es dabei darum, dass Hormon (weiß jetzt gerade nicht welches) wieder aus dem Körper zu bekommen - welches in dem Moment der Übererregung des Nervensystems (durch das Trauma welches für den Kampf oder Fluchtimpuls notwendig ist) verstärkt produziert wird, wieder loszuwerden. Das Zittern ist die, ich glaube sogar angeborene natürliche Methode, die wir nur leider ein Stück weit verlernt haben.

So wie ich es in Erinnerung habe, wird die Reaktion von damals zu Ende gebracht, also wird zB "weggelaufen" oder "gekämpft"…. was damals nicht ging. Und spätestens jetzt erkläre ich schlecht.
Hallo, peppermint patty,

ich finde, du hast die Dinge bisher sehr gut erklärt!

LG
marielou66

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daisyduck
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Beitrag Sa., 10.01.2015, 09:58

@lucia
Ich muss eins vorweg schicken ich bekomme Einzelstunden bei einer Yogatherapeutin. Die kann besser auf mich eingehen. Wie genau Yoga auf die Psyche wirkt kann ich nicht sagen aber von meinen Erfahrungen berichten. Ich habe nach dem Yoga auch schon Weinanfälle gekriegt wobei das bei mir als jemand der gerne Gefühle unterdrückt als positiv zu werten ist.
Wenn ich während einer Yogastunde oder beim Üben zu Hause Angstzustände bekomme bleibe ich in der ASANa und lasse währenddessen die Angst kommen und gehen. Das ist nicht leicht ich weiß. aber eine gute Übung. Es ist auch schon vorgekommen das ich während dem Yoga Zitteranfälle bekommen habe. Ich glaube das ist so ähnlich wie das was Peppermint Patty beschrieben hat
Wenn du in einer Gruppe Yoga machst ist das natürlich anderst da kann auf den einzelnen nicht eingegangen werden. Wenn du möchtest können wir uns in einem gesonderten Thread weiter unterhalten.
@Peppermint Patty
Das was du beschreibst klingt für mich plausibel. Berceli beschreibt das bei seinem Neurogenen Zittern ähnlich. ich habe deshalb nachgehakt weil ich auch mit starken Hände
und Körperzittern zu tun habe und ich vermute seit längeren das es Trauma bedingt ist.
Es gab auch schon Situationen in denen ich komplett die Kontrolle über meinen Körper verloren habe und am ganzen Körper gezittert habe, eine sehr beängstigende Erfahrung.
Icch merke auch immer wieder das sich mein Zittern verstärkt wenn verdrängte Erinnerungen an der Schwelle zum Bewusstsein stehen.
Das das Zittern aber auch ein Teil der Lösung meines Problems sein könnte eröffnet mir einen ganz neuen Blickwinkel
Lieben Gruß Dee
.................Peppermint Patty gefällt mir auch sehr gut....Die Peanuts habe ich als Kind sehr gerne geschaut.
@Ena, Marielou
Ihr meint das Hormon Adrenalin. In Schocksituationen wird es ausgeschüttet um Kampf oder Flucht zu ermöglichen im Idealfall wird nach einiger Zeit der Gegenspieler Noradrenalin
der dass reguliert ausgeschüttet. Durch traumatische Erlebnisse wird das Zusammenspiel
dieser Hormone aus dem Gleichgewicht gebracht.
Lieben Gruß Dee

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MissingBonny
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Beitrag Fr., 16.04.2021, 22:04

Hallo,
nachdem die letzten Antworten ja jetzt schon wieder eine Weile her sind wollte ich mal nachfragen, ob jemand in der Zwischenzeit noch Erfahrungen mit SE gemacht hat...
Wie viele Stunden Therapie hattet ihr in diesem Bereich?
Habt ihr parallel/davor/danach noch eine klassische Gesprächstherapie gemacht um traumatische Erinnerungen aufzuarbeiten? Für wen eignet sich diese Therapieform vllt auch so gar nicht?

Viele Grüße

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Forums-Gruftie
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Beiträge: 709

Beitrag Fr., 21.05.2021, 20:59

Hallo MissingBonny,

ich habe keine ganze SE Therapie gemacht, aber Elemente zur Trauma-Verarbeitung aus dem SE in einigen Workshops ausprobiert.

Ich finde sie sehr wirksam und kann sie sehr empfehlen.
Nicht für Schocktrauma sondern generell für Erfahrungen, die überfordernd oder belastend für einen waren.

Ein ganz einfaches Beispiel, das eine Teilnehmerin gebracht hat
(zum Üben in einem Workshop soll man ja auch nicht seine heftigsten Traumata nehmen)
Sie musste in der Schule ein Referat halten und wurde dabei von der Klasse ausgelacht und verspottet.
Obwohl das ewig her ist, hat sie seitdem immer Angst, wenn sie z.B. in der Arbeit eine Präsentation halten soll.
(Total nervös, Herzklopfen, die Stimme versagt ihr fast und sie bringt fast kein Wort raus, Zittern...)

Das SE geht, wie peppermint patty schon gesagt hat, davon aus, dass man in überfordernden Situationen nicht handeln konnte. Instinktiv, weil wir halt immer noch Tiere sind, würden wir kämpfen oder flüchten wollen (fight or flight Reaktion) Konnten das aber nicht.
Und diese angeborene Reaktion holt man nach:

Das heisst, die Teilnehmerin stellt die Szene in der Schule nach mit Gegenständen, wo stand sie, wo war die Tafel etc.
Aber dann lässt man die Szene anders ausgehen, indem die Teilnehmerin die Flucht durchspielt, die damals nicht möglich war. Was wär dein Impuls, was würdest du gern machen?
Und dann sagt die Teilnehmerin: Ich sage der Lehrerin, dass ich das Referat heute nicht halten kann. Oder ich gehe einfach aus der Klasse weg. Wenn man sich wirklich hineinversetzt, sodass man wieder die Gefühle von damals fühlt, fühlt sich das extrem befreiend an. Das muss alles gut angeleitet sein, dann hat das eine erstaunliche Wirkung.
Dann spielt man noch die Kampfvariante durch, das heisst, man wehrt sich. Man fragt dann z.B.: wenn du deine lachenden Klassenkameraden so vor dir siehst, hast du einen Impuls, was du gern machen würdest?

Da kommen dann spontan sehr schnell Sachen wie: Ich würde sie gern anschreien, sie sollen ruhig sein und mir zuhören. Aber durchaus auch: Ich würd denen gern eine reinhauen. Darf alles sein (es wird ja niemandem wirklich wehgetan) dann kann die Teilnehmerin symbolisch in ein Kissen boxen (das wird auch speziell angeleitet durch den Therapeuten, das funktioniert nur, wenn die Teilnehmerin hier wirklich einen echten körperlichen Impuls spürt und den dann ganz langsam ausführt). Es geht darum, dass körperlich die Kampfreaktion durchlaufen werden kann.
Man könnte sagen, dadurch, dass man dieses überfordernde Erlebnis nochmal mit den ganzen emotionalen und körperlichen Reaktionen durchspielt, diesmal aber mit einem guten Ausgang, indem man sich wehren oder flüchten kann, programmiert man die neuronalen Netzwerke im Hirn um.

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