Nebenwirkungen, oder Wirkungen neben der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 06:35

Guten Morgen Lockenkopf,

wie kommst Du darauf, dass Übertragung nur dann stattfindet, wenn sich ein Therapeut künstlich verhält? Übertragung kommt tagtäglich in jeder Beziehung vor, ob nun zu Nicht-Therapeuten, hier im Forum bei anderen Usern, ... Verhaltenstherapeuten oder Analytiker.
Gerade dadurch, dass sich ein Therapeut so gibt wie er tatsächlich ist, kann Übertragung und Abhängigkeit resultieren. Der Unterschied zu künstlichen Therapeuten ist, dass die Abhängigkeit nicht etwas entspringt, was man sich "zusammenfantasiert" hat, sondern aufgrund der Echtheit des Therapeuten, aufgrund der Tatsache, dass man den Therapeuten kennenlernt, wie er in der Realität ist.
Zudem wenden auch Verhaltenstherapeuten Methoden an, die ein Abhängigkeitsrisiko mit sich bringen, wie z.B. den Klienten loben und Empathie.
Und zuguter Letzt gilt auch hier, dass es DEN Verhaltenstherapeuten nicht gibt. Ich habe im Lauf meiner Therapiekarriere auch Verhaltenstherapeuten kennengelernt, die genauso künstlich und unecht waren wie Ananlytiker (die ihrerseits auch nicht alle gleich verhalten. Es gibt auch Analytiker, die sich echt verhalten und nicht künstlich).
Zuletzt geändert von Jenny Doe am Fr., 20.05.2016, 06:47, insgesamt 1-mal geändert.
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stern
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 06:42

Bediente Klischees oder Einzelerfahrung? Die Tiefenpsychologie fördert nicht in jedem Fall Übertragungen oder Abhängigkeiten. Das Gerücht scheint aber hartnäckig am Leben gehalten zu werden. Das hängt wohl insbes. auch von der Problematik ab (wenn jemand vernünftig arbeitet und nicht nur mal gelernte, evtl. gar veraltete Vorgehensweise, bei allen Patienten anlegt). Der Therapeut, der in meinem Fall mit Abstand am wenigsten greifbar war, ist ein Verhaltenstherapeut gewesen. Nur kann man das doch nicht generalisieren à la kennste einen, kennste alle. Scheint aber beliebt zu sein.
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isabe
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 07:47

JennyDoe hat geschrieben:Der Unterschied zu künstlichen Therapeuten
Hoppla!
Was ist denn ein künstlicher Therapeut? Das hört sich ja schrecklich an. Ich kann mir zwar vorstellen, wie du das meinst, es ist nur das falsche Wort. Das Gegenteil von natürlich ist hier vielleicht nicht künstlich, sondern sich nicht selbst offenbarend. Das, was solch ein Therapeut sagt, ist nicht künstlch. Er sagt halt nur nicht alles, was er denkt oder fühlt. Aber sein Denken und Fühlen ist alles andere als künstlich, sondern so ziemlich das Echteste, was überhaupt vorstellbar ist. Die sagen das nur nicht immer, weil der Patient selbst darauf kommen soll und weil das nachhaltiger hilft als eine vorgekaute Intervention.

Ich hab es so erlebt, dass wenig gesagt wurde, aber wenn etwas gesagt wurde, dann saß es meistens genau an der richtigen Stelle und war genau so dosiert, dass ich damit arbeiten konnte, ohne überfordert oder aber gelangweilt zu sein. Ist ganz spannend, welche Wirkung sparsam und gezielt eingesetzte Interventionen haben können. Das ist dann zwar nicht natürlich, wie das im Gespräch der Fall wäre, aber vielleicht wirksamer? Wenn du jeden Tag Schokolade isst, dann ist sie weniger wertvoll, als wenn du sie nur selten isst, und ich finde schon: Eine gut gemachte Intervention ist wie eine teure Praline, die nicht stopft und nicht süchtig macht, sondern die du einfach im Mund zergehen lassen kannst, ohne gierig zu werden und ohne dich hinterher fett zu fühlen. Ist vielleicht echt eine Kunst: der schweigsame Psychoanalytiker als Meisterchocolatier.


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 07:54

Hallo isabe
Ich kann mir zwar vorstellen, wie du das meinst, es ist nur das falsche Wort.
Ich übernahm das Wort "künstlich" aus dem Posting von Lockenkopf, auf das sich meine Antwort bezog. Lockenkopf brachte "künstlich" mit "Alltagssprache", "Übertragungen", "Abhängigkeiten" in Verbindung. Darauf bezog ich mich, mehr meinte ich damit nicht.
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Lockenkopf
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 21:26

Wenn ein Pat. abhängig wird, dadurch das der Therapeut sich als Mensch mit seiner Persönlichkeit zeigt, der eine natürliche Alltagskomunikation pflegt und die den Pat. lobt, dann liegt das ja wohl nicht an der Methode. Denn dieser Pat. kann durch jede X-beliebige Alltagsbeziehung ebenfalls abhängig werden. Es ist somit eine persönliches Problem des Pat. und hat nichts mit der Psychotherapie zutun, ist somit auch keine Nebenwirkung der Psychotherapie.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Lockenkopf
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 21:32

Jenny Doe hat geschrieben:Hallo isabe
Ich kann mir zwar vorstellen, wie du das meinst, es ist nur das falsche Wort.
Ich übernahm das Wort "künstlich" aus dem Posting von Lockenkopf, auf das sich meine Antwort bezog. Lockenkopf brachte "künstlich" mit "Alltagssprache", "Übertragungen", "Abhängigkeiten" in Verbindung. Darauf bezog ich mich, mehr meinte ich damit nicht.
Mit künstlich meines ich dieses:

Die Therapiestunde stellt Ihnen einen Raum zur Verfügung, in dem Sie sich unter geschützten Bedingungen (feste und regelmäßige Termine, Schweigepflicht) entfalten und sich dabei insbesondere Ihrem inneren Erleben zuwenden können: Gedanken, Erinnerungen, Träume, Phantasien Körperempfindungen, Einfälle (z.B. zum Raum, in dem Sie sich befinden und zum Erleben des Verhaltens der/des Psychotherapeutin/en). Hilfreich ist es, diese so auszusprechen, wie Sie Ihnen in den Sinn kommen, ohne Sie zuvor (beispielsweise auf logische Widersprüche oder beschämende Gefühle) zu untersuchen und zu 'zensieren'. Der Dialog ist deshalb wenig strukturiert (im Sinne der Vorgabe konkreter Themen oder Fragen meinerseits) und entspricht nicht dem üblichen Alltags-Dialog wischen zwei Menschen. Er widmet sich der Erforschung Ihrer Innenwelt, weshalb ich mich mit Bewertungen, Vor- und Ratschlägen, der Suche nach äußeren Lösungen oder theoretischen Erklärungen (etwa zum medizinischen Hintergrund der Erkrankung) zurückhalte. Vielmehr geht es um eine Begleitung bei diesem Prozeß und Hinweise auf versteckte Bedeutungen und Zusammenhänge. http://www.thorwart-online.de/Seite_Psychotherapie.htm

Diese Art Psychotherapie fördert ganz bewust Übertragungen und Abhängigkeit des Pat., auch bei Menschen welche im Alltag nicht zu Abhängigkeit neigen.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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mondlicht
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Beitrag Fr., 20.05.2016, 21:56

isabe hat geschrieben: Er sagt halt nur nicht alles, was er denkt oder fühlt. Aber sein Denken und Fühlen ist alles andere als künstlich, sondern so ziemlich das Echteste, was überhaupt vorstellbar ist. Die sagen das nur nicht immer, weil der Patient selbst darauf kommen soll und weil das nachhaltiger hilft als eine vorgekaute Intervention.
Ein wichtiger Unterschied zwischen therapeutischer Beziehung und nicht-therapeutischer Beziehung ist, dass in der Therapie der Patient im Mittelpunkt steht. Kein Therapeut sagt, was er/sie fühlt oder denkt, es sei denn, das ist im therapeutischem Interesse. Er/ sie hält sich als Person und mit eigenen Bedürfnissen und Gefühlen grundsätzlich heraus, anderenfalls wäre es eben keine Therapie. Unabhängig von der Methode und unabhängig von den Herangehensweisen der verschiedenen Therapeuten.
Ich denke, dass diese relative Intransparenz des therapeutischen Gegenübers grundsätzlich ein Abhängigkeitspotential birgt. Insbesondere wenn Übertragungen und Beziehungsdynamik gewünscht sind. Wenn der Charakter der Arbeitsbeziehung stets im Vordergrund steht, schätze ich die Gefahr von Abhängigkeit und Übertragung als geringer ein.


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 07:39

Hallo Lockenkopf
Der Dialog ist deshalb wenig strukturiert (im Sinne der Vorgabe konkreter Themen oder Fragen meinerseits) und entspricht nicht dem üblichen Alltags-Dialog wischen zwei Menschen.
Das trifft auch auf die Verhaltenstherapie zu. In dieser findet auch nicht der übliche Alltags-Dialog statt, sondern Psychotherapie in der Sprache der Verhaltenstherapeuten und mit methodischem Vorgehen, das für die Verhaltenstherapie üblich ist. In der Analyse hörst du Wörter wie "Übertragung", "Verdrängung", "Projektion", .... In der Verhaltenstherapie begegenen dir Wörter wie "Konditionierung", "Verstärkung", "Konfrontation", ...
Diese Art Psychotherapie fördert ganz bewust Übertragungen und Abhängigkeit des Pat., auch bei Menschen welche im Alltag nicht zu Abhängigkeit neigen.
Das schließt jedoch nicht aus, dass es auch in der Verhaltenstherapie durch Methoden wie z.B. "Loben, um Verhaltensweisen aufzubauen und zu verstärken" oder Empathiebekundungen, ... zu Abhängigkeiten kommen kann. Auch ein "Stadtbummel" mit dem Verhaltenstherapeuten im Sinne einer Angstkonfrontationstherapie kann zu einem Abhängkeitsgefühl führen, da man einem Verhaltenstherapeuten bei einem "Stadtbummel" anders nah kommt als wenn man ihm im Sessel gegenübersitzt. Jedes Therapieverfahren und therapeutische Methode birgt die Gefahr der Abhängigkeit. Deshalb wird geraten, den Klienten vor Therapiebeginn und vor Anwendung von Methoden aufzuklären über Risken und Nebenwirkung.

Hallo Stern
Bediente Klischees oder Einzelerfahrung?
Ja, ich denke das ist das Problem, das nicht aus eigener Erfahrung argumentiert wird, sondern nur auf der Basis dessen, was (ein einziger Analytiker auf seiner Homepage beschreibt) angelesen wird.
Die Tiefenpsychologie fördert nicht in jedem Fall Übertragungen oder Abhängigkeiten.
Ich würde hier gerne einen Thread von einer Userin verlinken, in der sie beschreibt, wie ihre Analytikerin nicht nach dem "Ich mache meinen Klienten bewusst abhängig" Prinzip arbeitet, sondern nach dem Prinzip der Autonomie, Selbsthilfe, ... Aber ich finde des Link nicht.
Will sagen: Nicht jeder Analytiker fördert bewusst die Abhängigkeit des Klienten. Es gibt auch Analytiker, die die Autonomie des Klienten fördern. Es gibt eben nicht DIE Analyse. Es ist nicht "Diese Art von Psychotherapie, die ganz ganz bewust Übertragungen und Abhängigkeit des Patienten fördert", sondern es ist der einzelne Psychoanalytiker, der dieses Ziel verfolgt. Andere Analytiker arbeiten anders und wirken ganz bewusst einer Abhängigkeit entgegen.
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isabe
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 08:04

JennyDoe hat geschrieben:Es gibt auch Analytiker, die die Autonomie des Klienten fördern. Es gibt eben nicht DIE Analyse
Allerdings! Abhängigkeit deshalb, weil zunächst mal eine Beziehung aufgebaut werden muss. Der Therapeut muss wichtig werden für den Patienten, das schon. Bei mir ging es immer darum, autonom zu werden und autonome Entscheidungen zu treffen, auch mal "gegen" die Analyse, wenn ich beispielsweise (selten) mal Stunden abgesagt habe, weil etwas anderes wichtiger war. Da hat er gesagt, dass das zwar nicht so ist, wie von Freud vorgesehen, dass meine Autonomie aber wichtiger sei, weil es bei mir halt darum ging, mich aus unguten Abhängigkeiten loszulösen und überhaupt aktiv im Leben zu werden und zu handeln. Er hat das ausdrücklich gelobt, wenn ich mich selbst abgegrenzt habe und unabhängig von ihm etwas entschieden habe.

Das kommt sicher auf das Krankheitsbild an, das der Patient mitbringt. Für jemanden, der aus einer erstickenden Elternbeziehung und einer demütigenden Paarbeziehung kommt, ist es wohl wenig sinnvoll, ihn in die nächste Abhängigkeit zu stecken. Da ist es besser, wenn gelernt wird, dass Beziehungen auch funktionieren, wenn beide "Partner" ihr eigenes Leben führen. Das kann man auch in einer Analyse machen. Analyse heißt ja nicht in erster Linie "Abhängigkeit", sondern "Aufdecken". Dazu muss der Therapeut aber nicht zum alleinigen Lebensretter werden, jedenfalls nicht dauerhaft. Dass es immer Übertragungen, Wünsche und Verstrickungen gibt, ist klar. Aber der Analytiker muss nicht der Oberguru werden. Ist schon wichtig, dass der Patient dabei nicht vergisst, dass er erwachsen ist.

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stern
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 08:15

PT (jeder Art) ist bereits defnitionsgemäß kein Alltags-Dialog, sondern eine Psychotherapie... bzw. sie ist genauso auf einzelne Aspekte fokussiert wie ein Behördengang, eine Arztbehandlung, usw. Das heißt aber immer noch nicht zwangsläufig, dass Übertragungen oder Abhängigkeiten gefördert werden. Hier kommt es wirklich darauf an. Förderung der Selbstbeobachtung (für manche Patienten sinnvoll, andere machen das hingegen vielleicht eh schon zu exzessiv) heißt keinesfalls automatisch Förderung von Übertragung/Abhängigkeiten. Es wäre sogar ein Behandlungsfehler, wenn eine Therapeut nur Abhängigkeit/Regression unterstützt und nicht auch die Autonomie. Dieser Auftrag findet sich i.d.R. schon explizit in der Berufsordnung wieder - für alle Psychotherapeuten. Jede Psychotherapiemethode zeichnet sich heutzutage durch die Existenz einer Mehr- bis Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten aus - sofern sie der Therapeut auch praktiziert. Über die VT gibt es ebenfalls manchmal krude Vorstellungen. Eine stärkere Abhängigkeit kann z.B. auch durch die Frequenz beeinflusst sein... allerdings ist das keineswegs immer erwünscht.
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Broken Wing
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 09:52

@ Isabe: Bei mir wäre die Analyse zB schon vorbei, wenn mir gesagt würde, dass irgendetwas von Freud nicht vorgesehen sei - und man nun gnädigerweise davon abweiche.
Wenn ich an Freuds Meinung Interesse gehabt hätte, hätte ich meine Therapie wohl bei ihm angefangen. Habe ich aber nicht, weil Freud nicht automatisch zu Freude führt. Im Gegenteil. Er war ja ziemlich freudlos und ließ sich im Alter auch noch einschläfern. Auch um die anderen Größen der PA steht es nicht gut: Adler konnte nicht fliegen, das weiß man. Nach der Kinderzahl vögelte Freud wesentlich besser und über seine Sehleistung ist mir nichts bekannt, ich gehe aber nicht vom Allerbesten aus. Jung war am Ende auch alt und starb. Und ob bei Frankl wirklich alles so frank war?
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 09:57

Broken Wing hat geschrieben:Bei mir wäre die Analyse zB schon vorbei, wenn mir gesagt würde, dass irgendetwas von Freud nicht vorgesehen sei
Ich habe schon mal von dir gelesen, dass deine Analyse eigentlich immer davon bedroht ist, vorbei zu sein, insofern zählt das nicht als Argument.

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Beitrag Sa., 21.05.2016, 11:16

@ Isabe: Warum denn nicht? Bei mir sind Therapien auch schnell vorüber gewesen.

Die Zeit ist so schon zu knapp. Da bleibt ohnehin keine Zeit, um sich über Freud und seine Meinung auszulassen, davon abgesehen kann er sich nun nicht mehr zu meinem Fall äußern. Wenn meine Thera mit Freud ankäme, müsste sie mir erst mal erklären, ob mich Freud als Pat. akzeptiert hätte. Vermutlich nicht. Mit meiner schmalen Geldbörse wäre ich ihm und seiner Großfamilie nicht neurotisch genug.
Am Ende bleibt jede Therapie höchstpersönlich. Und heutige Analysen sind ohnehin kaum Freud, was er gesagt haben soll ist daher höchstens sekundär.
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Lockenkopf
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Beitrag Sa., 21.05.2016, 11:50

Der Dialog ist deshalb wenig strukturiert (im Sinne der Vorgabe konkreter Themen oder Fragen meinerseits) und entspricht nicht dem üblichen Alltags-Dialog wischen zwei Menschen.
Das trifft auch auf die Verhaltenstherapie zu. In dieser findet auch nicht der übliche Alltags-Dialog statt, sondern Psychotherapie in der Sprache der Verhaltenstherapeuten und mit methodischem Vorgehen, das für die Verhaltenstherapie üblich ist. In der Analyse hörst du Wörter wie "Übertragung", "Verdrängung", "Projektion", .... In der Verhaltenstherapie begegenen dir Wörter wie "Konditionierung", "Verstärkung", "Konfrontation", ...
Diese Art Psychotherapie fördert ganz bewust Übertragungen und Abhängigkeit des Pat., auch bei Menschen welche im Alltag nicht zu Abhängigkeit neigen.
Ich kenne beide Therapiemethode aus eigener Erfahrung.

Ein klassisch arbeitender Tiefenpsychologe antwortet nicht auf Fragen.
Ein Verhaltenstherapeut antwortet auf Fragen.

Ein klassisch arbeitender Tiefenpsychologe erklärt rein garnichts. Der Pat. darf alles selber klären.
Ein Verhaltenstherapeut erklärt Zusammenhänge.

Ein klassisch arbeitender Tiefgenpsychologe spricht oftmals nicht mal in vollständigen Sätzen. Mit einem klassisch arbeitenden Tiefenpsychologen ist kein Dialog möglich.
Verhaltenstherapeuten unterhalten sich ganz normal mit ihren Pat.

Ein Verhaltenstherapeut benutzt Worte wie Konditionierung , Verstärkung , Konfrontation.
Die Worte Übertragung, Verdrängung, Projektion werden in einer klassischen tiefenpsychologischen Psychotherapie vom Therapeuten nicht in den Mund genommen. Der Pat. erfährt/erlebt ihre Bedeutung in der Psychotherapie und darf die Zusammenhänge für sich klären.


Das schließt jedoch nicht aus, dass es auch in der Verhaltenstherapie durch Methoden wie z.B. "Loben, um Verhaltensweisen aufzubauen und zu verstärken" oder Empathiebekundungen, ... zu Abhängigkeiten kommen kann. Auch ein "Stadtbummel" mit dem Verhaltenstherapeuten im Sinne einer Angstkonfrontationstherapie kann zu einem Abhängkeitsgefühl führen, da man einem Verhaltenstherapeuten bei einem "Stadtbummel" anders nah kommt als wenn man ihm im Sessel gegenübersitzt. Jedes Therapieverfahren und therapeutische Methode birgt die Gefahr der Abhängigkeit. Deshalb wird geraten, den Klienten vor Therapiebeginn und vor Anwendung von Methoden aufzuklären über Risken und Nebenwirkung.

Ein Pat. der durch diese Kontakte Abhängigkeiten entwickelt, würde zu einem anderen Menschen ohne Therapeutischen Hintergrund in ähnlicher Situation ebenfalls Abhängigkeiten entwickeln. Die Abhängigkeit ist somit Problem des Pat. und nicht der Methode. Das diese Problem vom Verhaltenstherapeuten berücksichtigt werden muss ist klar.

Die Tiefenpsychologie fördert nicht in jedem Fall Übertragungen oder Abhängigkeiten.

Ich würde hier gerne einen Thread von einer Userin verlinken, in der sie beschreibt, wie ihre Analytikerin nicht nach dem "Ich mache meinen Klienten bewusst abhängig" Prinzip arbeitet, sondern nach dem Prinzip der Autonomie, Selbsthilfe, ... Aber ich finde des Link nicht.
Will sagen: Nicht jeder Analytiker fördert bewusst die Abhängigkeit des Klienten. Es gibt auch Analytiker, die die Autonomie des Klienten fördern. Es gibt eben nicht DIE Analyse. Es ist nicht "Diese Art von Psychotherapie, die ganz ganz bewust Übertragungen und Abhängigkeit des Patienten fördert", sondern es ist der einzelne Psychoanalytiker, der dieses Ziel verfolgt. Andere Analytiker arbeiten anders und wirken ganz bewusst einer Abhängigkeit entgegen.
[/quote][

Klassische Tiefenpsychologie oder klassische Analytische Psychotherapie heißt in der Fachsprache Standartverfahren.
Und richtig, nicht jeder Analytiker fördert bei jedem Pat. Abhängigkeit und Übertragungen.
Ein Anaytiker oder Tiefenpsychologe kann auch modifiziert (= störungsangepasst) arbeiten.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Beitrag Sa., 21.05.2016, 12:13

@ Lockenkopf: Korrekt. Ich höre die Fachbegriffe auch nie. Auf Fragen gibt es auch keine Antworten oder nur ausweichende, was bei mir Explosionsstoff bietet. Das bekommt man ja mit und stellt das Fragen ein, aber manchmal will ich konkret etwas wissen. Die Antwort kommt dann auch, aber nicht prompt und langsam, ich werde sozusagen zu dieser Antwort manipuliert. Das regt mich schön langsam auf, ich bin ja nicht doof, um sowas nicht mitzukriegen.
Das ist wohl, was du darunter verstehst, dass es der Patient selbst klären dürfte. Ist ja nicht so, dass er das nicht vor der Therapie versucht hätte und draufgekommen ist, es nicht zu schaffen. Selbst war der Pat. dazu nicht fähig und fing eine Therapie an. Warum sollte er jetzt dazu fähig sein, nur weil eine zweite Person dabei ist? Das dürfte den Analytikern wohl auch bekannt sein.
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