Hallo viciente,
wahrscheinlich habe ich mich nicht so ganz klar ausgedrückt, warum (für mich) eine diagnose schon sehr wichtig ist. Elena schrieb einiges, was ich auch so sehe:
elana hat geschrieben:Für mich schließt das Wissen- und Verstehenwollen durch die Diagnosestellung nicht aus, dass ich selbst bestimme, ob und inwiefern ich mich verändern will. … Was ich nicht wiedererkenne, kann ich auch nicht integrieren. Das bleibt dann eben außen vor und unbearbeitet.
elana hat geschrieben:Trotzdem besteht für mich jetzt - im Gegensatz zu vorher, wo ich die Diagnose nicht kannte, die Möglichkeit, etwas zu ändern, wenn ich das will. Diese freie Wahl hatte ich vorher nicht, weil ich keine anderen Optionen kannte. Ich steckte zu sehr in meinen unbewussten Mustern drin. Jetzt aber erkenne ich sie und kann sie bewusst an meine Wünsche anpassen, die aber nicht unbedingt den Vorstellungen meines Theras entsprechen müssen
elana hat geschrieben:Für mich ist es fundamental wichtig, mich selbst zu verstehen, weil ich nur einen eingeschränkten Zugang zu meinen Gefühlen habe und wirklich nicht weiß, warum ich so ticke, wie ich ticke. Da brauche ich schon herangetragenes Wissen von außen, um aus meiner Betriebsblindheit rauszukommen. Ich verstehe jetzt auch schon viel mehr. Und das ist sehr befreiend.
viciente hat geschrieben:ja WR .. das gibt (gefühlte) "sicherheit" - von aussen; ich betrachte einiges dabei nur eben - ohne anspruch auf "wahrheit" einfach nur kritisch.
Ja, es stimmt, eine –gefühlte – Sicherheit brauche ich (absolute gibt es natürlich nicht), vor allem in der Therapie, um mich meinen Baustellen nähern zu können. Wenn die nicht da ist, wäre es leichtsinnig, sich den Baustellen zu nähern, einfach aus Angst, gewisse Situationen wieder zu erleben. Das hat aber vordergründig jetzt nichts mit dem Thema Diagnose zu tun.
viciente hat geschrieben: - und wenn sie nicht exakt stimmen sollten - was bei diesen themen sehr schnell passieren kann - dann kann das auch sehr schaden.
Ja, klar, das sehe ich auch so, kann wirklich schnell passieren. Auch, dass sich jemand in seiner Diagnose „suhlt“, darin wohl fühlt, damit alles erklärt („bin halt so“, kann nichts für mein Handeln), oder die Diagnose zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird.
viciente hat geschrieben:ich seh eben den (therapie)schwerpunkt darin, selbst dabei schon möglichst unterstützend zu wirken .. selbstbestimmt die eigenen definition dafür zu finden wo man individuell und mit allen facetten steht, als in eine schublade vorgefertigter diagnosen gepresst zu werden, auf deren basis man dann "arbeitet".
Ja, dass sehe ich auch. Ich empfinde es aber als einen Unterschied, ob ein Thera sagt, „die haben xy“, so wie Deckel drauf, von außen; oder ob er sagt, „ich sehen bei Ihnen dieses oder jenes“, ist dann eher „Diskussionsgrundlage“. Aber: ich habe ja schließlich nicht Psychologie studiert, der Thera hat also ein Wissensvorsprung in diesem Gebiet. Und gerade wenn ich ja in diesem Punkt „Betriebsblind“ bin und keinen irgendwie gearteten Input von außen bekomme, wie soll ich dann bitte schön alleine auf irgendeine „Diagnose“ kommen?
viciente hat geschrieben: und insofern bin ich halt eher sehr bei deiner therapeutin, obwohl (oder eher sogar deshalb) sie es dir dadurch nicht "leicht" gemacht hat.
„Nicht leicht gemacht“ gemacht ist gut. Durch ihr Verhalten (keinerlei Infos mitzuteilen, nicht mal ansatzweise, auch auf konkrete Fragen keine Antworten zu bekommen) führte sie mir Täterverhalten vor, ich war sofort wieder in einer Schiene von damals: Auf meine Fragen bekam ich keine Antworten, hörte wieder „und wenn du schon nicht selbst darauf kommst, dann …“ -> Schuld lag bei mir; Tabuisierung.
viciente hat geschrieben:.. also nicht durch die (verallgemeinerte) diagnose die richtung vorgeben, sondern gemeinsam individuell abgestimmt erst auch die "richtung" erarbeiten.
Die Diagnose gibt nicht die Richtung vor, sondern den Startpunkt. Die Richtung ergibt sich durch Start- und Zieltpunkt (da, wo man hin will).
Und die Diagnose muss zusammen mit dem Thera geklärt werden und nicht so, dass er sagt, sie haben xy, Deckel drauf, ab in die Schublade. Meine Diagnose steht so auch nicht komplett im ICD10.
viciente hat geschrieben:ich freunde mich einfach nicht mit schubladendenken und einer art fremdbestimmtheit ab .. weil ich den wesentlichsten kern der unterstützung in der selbstfindung sehe, da ich allen u.a. zutraue grundsätzlich alles mitzuhaben, das sie für ihr leben brauchen.
Da sind wir uns durchaus einig.
Noch etwas ist mir wichtig zu sagen zum Thema Schublade. Bei mir kam an, dass du meintest, dass meine Thera mir damals nichts sagte, um mich selbst auf meine „Diagnose“ kommen zu lassen (was ich nicht konnte, z.B. mangels Wissen, Betriebsblindheit, …), um mich nicht in eine vorgefertigte Schublade zu stecken.
Wer sagt denn, dass die Thera mich nicht selbst in eine Schublade gesteckt hat??? Es war dann nur versteckt, hat sehr, sehr lange gedauert, bis mein Wissen erweitert war und meine Betriebsblindheit reduziert war, bis ich es selber erkannte. Machte dann Therapeutenwechsel nötig.