Krimi u. Co

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Hamna
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:34

Widow hat geschrieben: [Oder ist das hier nun vermintes Gelände?]
Ich hoffe, dem ist nicht so, denn ich würde mich hier auch gern äußern. Wenn es hier sowas wie Streit gab, dann hab ich den zum Glück nicht mitbekommen, war aber durch Käthes Ansage doch irgendwie eingeschüchtert und lieber mal ruhig.

Was Axel Milberg / Borowski angeht: der ist mir überhaupt der allerliebste Tatort-Kommissar! (Faber kratzt aber ganz schön an seiner Favoriten-Rolle bei mir ) Aber Axel Milberg überhaupt... egal, in welcher Rolle!
Übrigens: Wie fandet Ihr den den letzten Tatort, den aus [...]Berlin
(Die Charakterisierung habe ich mal absichtlich ausgelassen, damit ich nicht doch unabsichtlich auf eine Mine trete).
Ich fand ihn... durchwachsen. Das Vorgehen der Kommissare erschien mir teilweise zu unrealistisch, der Hindergrund oder das Motiv viel zu kurz angerissen (obwohl doch wirklich brisant), das Umschwenken des Täters aufgrund der Konfrontation mit der Mutter... nicht recht nachvollziehbar, aber willkommen weil wünschenswert. Außerdem tat es mir regelrecht weh, Edgar Selge, den ich sehr mag, in einer solchen Rolle zu sehen. Insgesamt war es sehr "gänsehaut", trotz der von mir so empfundenen Schwächen.

Um das wirklich alles auszudrücken, was ich denke, müsste ich zu weit ausholen. Insgesamt fand ich: zuviel gewollt und davon zuwenig umgesetzt. Schade. Und dennoch...

Ich muss sagen, ich schaue Tatort erst wieder seit kurzem, erst seit wenigen Monaten (die besten in der Zeit: "Borowski und der stille Gast" und "Weil sie böse sind" mit M. Schweighöfer) , früher hab ich ihn regelmäßig gesehen, jetzt auch wieder, dazwischen waren irgendwie ca. 20 Jahre. Da ich aber ja immer irgendwie hardcore bin, wenn mich erstmal irgendwas begeistert, hab ich mich gestern im Net noch ein wenig umgesehen und Folgendes gefunden:

http://www.daserste.de/unterhaltung/kri ... index.html

Somit kam ich heute Abend in den Genuss eines Bremer Tatorts - das Team mag ich auch ausgesprochen gerne, das beruht aber wohl überwiegend auf "Lokalpatriotismus", wenn man's so nennen will, außerdem entdecke ich unter den Statisten und Nebendarstellern immer mal wieder den einen oder anderen Bekannten, so auch heute (was hab' ich gelacht! - trotz des ernsten Themas)

Ich brenne also gerade für den Tatort und kann mir dank der Programm-Vorschau praktisch fast jeden Abend mindestens einen anschauen, yeah!

Ihr werdet hier also noch von mir lesen.

Uih, weitere Beiträge, aber von mir noch nicht gelesen...

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Vincent
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:37

Aber es ging doch darum, dass der kleine Benjamin zu verdursten droht. Da war kein Wasser. Ich hab genau darauf geachtet.

Ja, ein Notarzt fehlte, und vorsichtshalber ein Bestatter.

Ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Hamna
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:42

Widow hat geschrieben:Der kleine Benjamin hatte, als er gefunden wurde (ich habe da übrigens ganz dringend einen Notarzt vermisst als "Realfaktor im Film") hinter seinem Bett im Regal alles: Zig Äpfel, Wasserfläschchen, Süßigkeiten und, was das Kinderherz sonst noch so begehrt.
Siehste, sowas entgeht mir oft! *grummel*

Und das mit dem Notarzt meinte ich unter anderem, außerdem die persönliche Betreuung der Familie durch die ermittelnden Kommissare, so rund um die Uhr bei denen zu Hause.


Widow
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:43

[Gibt es Serien-Psychose bei witwesken Eisbären?! Also ich könnte schwören: Da war hinter dem Bett vom kleinen Benjamin ein ganzes großes Regal voll mit Wasser und Lebensmitteln. - Oder?!]

Hui, Rilke! Profunde Kritik! Merci!
Hast in allem recht: Zu kurz, zu knapp, hier nicht ausgeführt genug, da unausgegoren.

Nur: Was tun in 90 Minuten "öffentlich-rechtlichem"? - Und dafür fand ich diesen Tatort dann doch mutig an allen die Serie betreffenden Erwartungen vorbei erzählt und außerdem mal mit einem politischen Hintergrundthema befasst wie selten. (Denn dass wir alle hier, auch die, die wir keine Bänker sind, billigend in Kauf nehmen, dass um uns herum Millionen von Menschen, auch Kindern sterben, damit wir leben können, das sagt ja normalerweise nie einer im "öffentlich-rechtlichen", und schon gar nicht in so Schmusefaktor-Serien wie dem Tatort.

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Widow
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:46

Mal auf die Schnelle: Geht nur um den vorletzten Satz im link-Text ("Der Junge überstand die Entführung, weil er doch genug Wasser hatte.") http://www.rp-online.de/gesellschaft/gr ... -1.3125805


kaja
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:48

Gibt es Serien-Psychose bei witwesken Eisbären?! Also ich könnte schwören: Da war hinter dem Bett vom kleinen Benjamin ein ganzes großes Regal voll mit Wasser und Lebensmitteln. - Oder?!
Keine Psychose - Das Regal gab es wirklich.

/edit
Und um jeglichen Vermutungen über Halbwissen oder Belehrungen vorzubeugen hier der Beleg:
Die Lebensmittel, die der „gerechte Entführer“ Braun seinem Gefangenen - entgegen der eigenen Aussage - doch reichlich zur Verfügung gestellt hatte, huschen nur ein einziges Mal, wenngleich sehr prominent, durchs Bild.
Quelle: http://www.serienjunkies.de/tatort/revi ... htlos.html
After all this time ? Always.


Vincent
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Beitrag Di., 08.01.2013, 02:58

Tatsache: Da steht Wasser und Allerlei im Regal. Habs mir gerade nochmal in der Mediathek genau angesehen.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Hamna
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Beitrag Di., 08.01.2013, 03:12

Widow hat geschrieben: Was tun in 90 Minuten "öffentlich-rechtlichem"?
Ja, ich weiß. Wollte ich auch erst noch anführen, dass vieles natürlich der knappen Sendezeit zum Opfer fällt. Andererseits, wenn ich da an andere Szenen denke, die man hätte kürzen können...
- Und dafür fand ich diesen Tatort dann doch mutig an allen die Serie betreffenden Erwartungen vorbei erzählt und außerdem mal mit einem politischen Hintergrundthema befasst wie selten.
Mutig, ja, auf jeden Fall. Und die Hervorhebung - sehr treffend ausgedrückt!
Aber - selten? Dann habe ich wohl die letzten 20 Jahre bei meinen vereinzelten Sonntagabend-Ausflügen aufs "Erste" ziemlich Glück gehabt. So selten fand ich das nämlich gar nicht. (Erinnere mich an eine Folge - auch ein Bremer - mit dem Thema Mobilfunk-Masten und deren gesundheitlichen Risiken und hatte noch das unverschämte Glück und Vergnügen, ob der politisch und gesellschaftlich relevanten Thematik, mich mit dem Autor im Live-Chat kurz austauschen zu können. Ein Handy habe ich aber trotzdem - scheíß-Inkonsequenz!)
(Denn dass wir alle hier, auch die, die wir keine Bänker sind, billigend in Kauf nehmen, dass um uns herum Millionen von Menschen, auch Kindern sterben, damit wir leben können, das sagt ja normalerweise nie einer im "öffentlich-rechtlichen", und schon gar nicht in so Schmusefaktor-Serien wie dem Tatort.
Und das eben hätte ich mir noch etwas ausführlicher gewünscht, damit es einen (noch) nachhaltigeren Eindruck macht. Die ganze globale Nahrungsmittel-Politik ist eh schon so zum Kótzen, dass ich mich wundere, wie ich noch essen kann, aber DAS! (Spekulation von Banken auf steigende Lebensmittel-Preise, wie pervers ist das denn?!) war mir eben nicht bewusst, und damit bin ich sicher nicht alleine. Und da Tatort-Zuseher, deiner Meinung nach, einen hohen Schmusefaktor-Anspruch haben, befürchte ich, war diese eine kurze Stellungnahme des Entführers zu kurz. Da hätte ich echt ein bisschen mehr Hintergrund-Info gewünscht, nur ein bisschen - von mir aus auf Kosten der inneren Konflikte seines Sohnes. Nur der Nachdrücklichkeit wegen.

Aber noch was anderes: ich finde, nach so langer Abstinenz, den Tatort kein bisschen schmusig und finde, er hat an Dramaturgie UND (auch politischem) Anspruch in den letzten 20 Jahren gewonnen. Bin ich zu zart besaitet, dass ich das so empfinde? Die ersten Folgen, die ich nach so langer Zeit wieder gesehen habe, und auch diese von gestern, trieben mir manches Mal die Tränen in die Augen, das war früher nicht so. Liegt's an mir? Wenn ich aber andere höre (oder lese), auch User hier, die schreiben, ihnen ist das teilweise zu heftig, dann wohl doch nicht, dann hat wohl auch der Tatort und das Erste sich irgendwie weiterentwickelt. Ich find's gut!


leberblümchen
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Beitrag Di., 08.01.2013, 08:57

Rilke, "Weil sie böse sind" ist auch einer meiner absoluten Lieblings-Tatorte.

Ich fand den Berliner Tatort - ein dreifach 'hoch!' an die Moderation, die meinen Beitrag gelöscht hat! - nicht so wirklich berührend, aber das geht mir, glaub ich, bei allen Berliner Tatorten so. Mir wäre der Felix Stark als Nachbar extrem sympathisch - aber zu mehr reicht es irgendwie nicht: ein netter Junge, aber wodurch genau ist er eigentlich charakterisiert? Seinem Kollegen haftete ja mal das Image des Frauenheldes an, obwohl ich mir das am Sonntag kaum noch vorstellen konnte: Er sah doch relativ alt und blass aus - gut, darf er meinetwegen auch. Aber da bleibt dann halt von den Charakteren nichts mehr übrig. Die authentischste Szene des ganzen Filmes war, als Ritter seinen Kollegen gefragt hat: "Soll ich uns 'ne Pizza warmmachen?" - aber das war es dann auch.

Ich gebe zu, dass ich die ersten Minuten nicht geschaut habe - vielleicht hab ich also was verpasst -, aber: Wieso um alles in der Welt hat Stark bei Ritter geschlafen? Nur weil ihm der Fall so nahegeht? Hallo? Die arbeiten bei der Mordkommission, nicht im Spielwarenladen! Und dann steht er also nach seinem Nickerchen - es sollte wohl rührend sein, dass er noch zugedeckt wurde - plötzlich frisch geduscht auf der Arbeit? Wahnsinnig realistisch. Vermutlich haben die beiden - wie wohl fast alle Tatort-Kommissare - jeweils vom anderen eine Gästezahnbürste im Bad - für die echt harten Fälle!

Und den Auftritt der Mutter fand ich auch nicht überzeugend. DAS hätte mich als Täter nicht umgestimmt, das kann ich schon mal sagen! Redet man so, wenn man Todesängste um sein Kind hat? Sieht man so gestylt aus?

Dass der Junge überleben würde, war ja klar - und natürlich war es auch gut so, ist ja nur ein Film, aber trotzdem... -, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass hierzulande ein stinknormaler Krimi so endet, dass irgendwann eine verdurstete Kinderleiche zu sehen ist... Also, es war die ganze Zeit klar, worauf es hinauslaufen würde: Er würde auspacken. Und so wurden alle möglichen Leute herangekarrt, um an sein Gewissen zu appellieren - sehr ethisch, das!

Für mich war da gar nichts spannend - und den Anspruch hab ich immerhin noch an einen Krimi...

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stern
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Beitrag Di., 08.01.2013, 11:37

Angeregt durch den Thread habe ich auch mal wieder Tatort gesehen... . Zum letzten: Mein Fazit: Schlecht war er nicht... aber leider, finde ich, ist er, was das Tatmotiv betrifft, ist er ins lächerliche abgedriftet. Und was das Motiv ist, war das spannende für mich: Aber bitte: Ein Vater, der mit seinem Unternehmen aufgrund einer Kündigung des Kreditrahmens in Konkurs geht... und ein Kind entführt, dessen Tod er in Kauf nimmt (durch Verdursten)... und Geld erpresst, UM letztlich auf Missstände in der pösen Welt aufmerksam zu machen??? Erschien mir sehr unglaubwürdig, konstruiert (bzw. vielleicht brauche ich in einem Krimi einen Täter der das Pöse verkörpert, und nicht einen Täter der Samariter spielt). Was wohl als Überraschungseffekt gedacht war (das Motiv soll nicht das naheliegende sein: eine Racheaktion wegen Ruin des Unternehmens und Famiilie) wirkte auf mich wie der Abfall des mittelmäßigen Spannungsbogen auf den Punkt "oh nee". Auch die "geläuterte" Mutter: Ich erfülle die Bedingung des Täters bzgl. der 10 Mio.-Spende wirklich, na ja, auch nicht glaubwürdig.
widow hat geschrieben:Und dafür fand ich diesen Tatort dann doch mutig an allen die Serie betreffenden Erwartungen vorbei erzählt und außerdem mal mit einem politischen Hintergrundthema befasst wie selten.
"Befasst" mit dem Welthunger (und der Schuld pöser Banken) fände ich zu stark ausgedrückt. "Vorbei erzählt" passt besser. Auf mich wirkte es wie eine unglaubwürdige, relativ abrupte Wende. Die Spekulationsgeschäfte wurden ja auch nicht nähe ausgeführt, geschweige denn Folgen angedeutet. Und selbst wenn: eine Botschaft wie: Banken sind natürlich immer für alles pöse in der Welt verantwortlich, erschiene mir dann doch etwas trivial-platt... aber sei's drum. Hier kann man ja mit recht sagen: Darum ging es ja auch nicht wirklich.

Was für mich immer ein Plus ist: Kein fließende Blut, Schießerein, Verfolgungsjagden. Was ich auch gerne gesehen habe, war die Reihe "Die Kommisarin"... nicht regelmäßig bzw. gibt auch als Wiederholungen. Mit Elnser und Schweiger. Liegt vielleicht auch daran, dass ich in der Rolle Hannelore Elsner gerne sehe (also weniger wegen Til )... und mir das auch nie soo an die Substanz gingen (was Sendungen für mich faktisch unbrauchbar machen kann, wenn sie mir zu nahe gehen ).
Liebe Grüße
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Tröte
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Beitrag Di., 08.01.2013, 12:59

Tatort ? Schau ich eher selten, eigentlich gar nicht und wenn (ja ich gebe es zu) dann am liebsten Komissarin Lindholm aus Hannover, aber eher deswegen, weil ich Frau Furtwängler so gerne mag
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pandas
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Beitrag Di., 08.01.2013, 14:06

stern hat geschrieben:Angeregt durch den Thread habe ich auch mal wieder Tatort gesehen... . Zum letzten: Mein Fazit: Schlecht war er nicht... aber leider, finde ich, ist er, was das Tatmotiv betrifft, ist er ins lächerliche abgedriftet.
Das finde ich gerade nicht.
Und der Zusammenhang, den der Täter als Motiv für seine Tat erklärt hat, war ja auch ausführlicher dargestellt als: Die pösen Banken sind an allem schuld, auch an hungernden Kindern in anderen Kontinenten. Sondern die Diskrepanz zwischen dem Possesiv-Bestand des Benjamin und dem Possesiv-Bestand der betroffenen Kinder in anderen Kontinenten, die aufgrund von Lebensmittel-Preis-Spekulation einem Leben ausgesetzt sind, das man hierzulande als nicht erträglich empfinden würde, wurde so ja gerade personifiziert und vorstellbar.
Mir ist während des Schauens aber leider entgangen, dass dem Täter eine menschliche Kompente, die das Verbitterungs-Syndrom wieder aufhob, mit dem er zuvor durch den eigenen Sohn charakterisiert wurde, zugefügt wurde: Es gab doch Lebensmittel und Wasser in dem Regal. Ich hatte mehr auf den Zustand des Kindes geachtet, der Junge war ja in einer völligen Angstpose erstarrt, die aber auch psychisch gewesen sein kann.
Ich hätte da ja die Vermutung, dass die Scripter und Regie da unentschlossen waren: Soll der Täter stur gewesen sein oder doch tendenziell Weltverbesserer. Und so der schnelle Schnitt an der entsprechenden End-Stelle ein fahler Kompromiss war.
Die dargestellte Problematik hat reale Bezüge. Die Folgen der steigenden Lebensmittelpreise sind so oder so auch hierzulande beobachtbar: Die Artikel bleiben in den Regalen stehen, viele jammern zu Recht, dass sie nicht wissen, wie sie mit Niedriggehältern und/oder ALG II zurechtkommen sollen, aber die Tafeln haben erhöhten Zulauf an Lebensmitteln (logischerweise).
natürlich sind die Folgen in anderen Kontinenten noch viel grösser. Es geht da auch um Spekulationen an der Agrarbörse, Agrarfonds etc. Zudem werden zwar auch Billiglebensmittel exportiert, zerstören aber die Märkte und Infrastrukturen in anderen Ländern, wodurch die Armut grösser wird, nicht geringer. Man sollte da auch mal den Mut haben, über den territorialen Tellerrand zu blicken. Und genau dies könnte ja bei manchen Zuschauer_innen durch den Tatort angeregt worden sein.

Mich hat beim Schauen ja erstaunt, dass es hier (Zufall, Zufall!) um Gerechtigkeitsvorstellungen ging, die - wie hier obig nachzulesen - in der Historie ausgesprochen different verhandelt wurden.
Wer bestimmt was wem gebührt? - Empfehle nachzudenken über die Variante "Jedem das seine, mir das meiste" von Carl Zuckermayer.
Und über Bildungsgerechtigkeit, Sklaverei und Standesdünkel in anderen Epochen.

Gegenstellungnahme:
Ich habe nie geschrieben, dass ich die Antike zum Erbrechen finde. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass ich die Verwendung von "Jedem das Seine" als Spässchen in einem Internetforum ethisch fragwürdig finde, vor allem da der Spruch den meisten Menschen als über den KZ Buchenwald stehend bekannt sein dürfte. Seitdem ist es so, dass empfohlen wird, sich mit dem Spruch keine Spässchen zu machen: http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/6354#
Die Doppelfolge, um die es ging, hiess "Die Ballade von Cenk und Valerie". Insofern habe ich mich stets auf Plot und Rollenfigur bezogen. Es ist also ungerechtfertigt, mich in polemischer Doppelung darüber zu belehren, mich auf die Rollenfigur zu beziehen, nicht auf den Schauspieler, insbesondere wenn man die entsprechenden Folgen gar nicht selbst gesehen hat.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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stern
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Beitrag Di., 08.01.2013, 15:00

Auf mich wirkte es künstlich-konstruiert. Wie gewollt, aber nicht gekonnt... also die politische bzw. gesellschaftskritische Facette ging für mich total unter. Und das, was (bei mir) war ankam, war an Unauthentizität kaum zu übertreffen. Insofern teile ich auch die Einschätzung von Titus:
Die authentischste Szene des ganzen Filmes war, als Ritter seinen Kollegen gefragt hat: "Soll ich uns 'ne Pizza warmmachen?" - aber das war es dann auch.
Stimmt.

Über weite Teile ging man davon aus, dass die persönliche Beziehung und Rache/Vergeltung zwischen Bankier und Entführer (aufgrund des gekündigten Kredits) eine Rolle spielt... es wurde ja dann auch der ehemalige Rechtsanwalt befragt, die Beziehungen rekonstruiert, usw. Das wäre für mich zumindest glaubwürdig gewesen. Was natürlich nicht dazu passte: Dass er 500 T€ aus dem eben erhaltenen Lösegeld unter Passanten verteilte (von der Story her für meinen Geschmack bereits ab dieser Stelle schräg... aber nun gut). Nachdem der Täter eh recht zeitnah feststand, fanden das die Macher wohl zu langweilig, dass sich auch das Motiv bereits aufdrängte. Also wurde der Entführer (wenn man von dieser Robin-Hood-Aktion absieht) gegen Ende hin zu jemanden, der sich durch eine Kindesentführung und Erpressung als Samariter hervortun wollte/sollte, indem er durch diese Tat auf den Welthunger hinweisen wollte (und das eigene Schicksal und der finanzielle Ruin des Unternehmens, das auch keinen wohltätigen Zweck verfolgte, sollte damit wohl vom Tisch sein).

Davon abgesehen ist es auch nicht so, dass die Medien mit diesem Tatort erstmals auf einen neuen Misstand aufmerksam gemacht haben, den bisher noch niemand bemerkt hätte... einige Banken steigen vielmehr aus bestimmten (Spekukations)Geschäften bereits zunehmend wieder aus. Das näher zu beleuchten versäumte man aber (mein Eindruck)... also ich wage hier an einer aufklärerischen Funktion zu zweifeln. Aber ich habe auch nicht so einen hohen Anspruch an einem Krimi, dass dieser das kontrovers und volkswirtschaftlich schlüssig und differenziert beleuchten muss. Also Gesellschaftskritik mag ein positiver Nebeneffekt und Qualitätsfaktor (für mich) sein. Die Spannung bzw. Psychologie, Motive, Ermittlung ist für mich (wenn ich einen Krimi sehe) zentraler

Betroffener als über Problematiken wie Welthunger wurde ich jedenfalls an der Stelle, dass man=ich Mitgefühl mit einem verdurstenden Kind hatte... man aber machtlos ist, wenn einem Täter (dem alles gleichgültig erscheint) nicht auspackt... und der gar noch zu bewirten ist, wenn er "schreit", dass er Durst hat. Also da wünschte ich mir manchmal, dass Maßnahmen möglich wären wie: Bevor wir das Kind nicht sicher bergen können, bekommen SIE auch keinen Schluck zu trinken und keinen Happen zu essen (so vordergründig zumindest... aus erstem Affekt heraus. Ob ich wirklich in bestimmten Fällen für Folter wäre, weiß ich nicht). Den Weltverbesserer konnte ich hier schlichtweg nicht abkaufen, so dass das auf mich kitschig wirkte. Die Wandlung vom Guten ("ich setze mich durch diese Tat für wohltätige Zwecke ein") zum Bösen ("wie soll ihr Sohn damit leben, Kind eines Mörders zu sein") gelang nicht.

Weiß jemand noch, welchen Geschäftszweck sein früheres Unternehmen verfolgte, also das des Entführers? Ich meine, es war ein Herstellungsbetrieb... aber auch nichts wohltätiges, so dass (für mich) auch insofern nicht direkt Schlüssigkeit gegeben ist, weil er ja von Banken (über Kreditvergabe) profitierte, auch in finanzieller Hinsicht. Bis dann der Kredit fällig gestellt wurde (durch den Vater des entführten Kindes).
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Beitrag Di., 08.01.2013, 15:32

stern hat geschrieben: Über weite Teile ging man davon aus, dass die persönliche Beziehung und Rache/Vergeltung zwischen Bankier und Entführer (aufgrund des gekündigten Kredits) ein Rolle spielt... es wurde ja dann auch der ehemalige Rechtsanwalt befragt, die Beziehungen rekonstruiert, usw. Das wäre für mich zumindest glaubwürdig gewesen.
hallo stern,

ich möchte (aus platzgründen etc.) nicht zuviel von Dir zitieren, aber meines Erachtens war es so gedacht, dass der Täter vielschichtige Motivationen für sein Verbrechen hatte, nicht nur eine, und in gewisser Weise sind die Motivationen auf dem ersten Blick konträr, der Clou war daran, das sie dennoch alle parallel in einem Kopf ablaufen können. Das knüpft auch an die gegenwärtige Moralforschung an und bricht Denkstrukturen auf: Es gibt nicht hier die Gutmenschen und da die Bösmenschen. Dennoch gibt es Veränderungspotential etc.
Wenn man sich einzelne Biografien von Revoluzzern u.ä. anschaut, wird man feststellen, dass persönliches Scheitern und persönliche Kränkungen verbunden sein können mit dem Versuch, im Großen etwas zu verändern - das kann man ja erstmal auch wertungsfrei betrachten.

Plausibel ist die Tat durch diese Motivationskette m.E. auch, da so das große Verbrechen für ihn denkbar wurde, da er durch das persönliche Scheitern nichts mehr selbst zu verlieren hatte. So kann der Weltverbesserer-Wunsch auch daher kommen, dass er seinem Leben einen Sinn geben wollte, denn es durch das persönliche Scheitern verloren hatte. Er hatte ja vollkommen den Anschluss an ein "normales Berufskarriere-Leben" verloren.

Darüber hinaus finde ich es schon auch gut, wenn die Script-Schreiber versuchen, neuartige Motivationsketten und Bezüge zu nutzen und mit konventionellen Kriminalbeständen in Verbindung setzen: Wäre es beim erfolgsloser Mann im mittleren Alter versucht an Geld zu kommen, indem er netten Millionärssohn entführt, Mutter und Vater tief geschockt und ausser Fassung, Polizei versucht alles, um es wieder in Ordnung zu bringen, geblieben, so hätte man das ja schon 1000mal gesehen.

stern hat geschrieben:Davon abgesehen ist es auch nicht so, dass die Medien mit diesem Tatort auf einen neuen Misstand aufmerksam gemacht haben, den bisher noch niemand bemerkt hätte... viele Banken steigen aus bestimmten Spekukationsgeschäften zunehmend wieder aus. Das näher zu beleuchten versäumte man aber.
Nun, wie Du selbst schreibst, geht dies am Anspruch eines Krimis vorbei: In erster Linie ist der tatort Unterhaltung, er nutzt dazu gesellschaftliche Themen, im Nebeneffekt bekommen diese so auch eine höhere Öffentlichkeit. Brandaktuell sind die Themen nicht, aber ich denke schon, dass viele tatort-Zuschauer da nicht so auf dem Laufenden drüber waren, insbesondere wie Lebensmittelpreise mit Spekulationen zusammenhängen (es wurden ja auch Highclass-Wettbörsen dazu benannt). Es ist auch nicht so, dass das allgemein rückläufig ist, es gibt da eher immer mehr neue Variationen. Ich habe da erst im Herbst einen Vortrag zu gehört; ich schaue mal, ob ich da einen Link finde.
Zuletzt geändert von pandas am Di., 08.01.2013, 15:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Di., 08.01.2013, 15:34

stern hat geschrieben:Betroffener als über Problematiken wie Welthunger wurde ich jedenfalls an der Stelle, dass man=ich Mitgefühl mit einem verdurstenden Kind hatte... man aber machtlos ist, wenn einem Täter (dem alles gleichgültig erscheint) nicht auspackt... und der gar noch zu bewirten ist, wenn er "schreit", dass er Durst hat.
Ja, eben, ich habe da auch eine Parabel drinnen gesehen: Die gefühlte Machtlosigkeit, die man als nicht an diesen Spekulationen teilnehmende Europäerin an dem Hungern der Kinder hat, die dies irgendwo auf der Welt in der Weise tun, während eben die Spekulationsakteure sich am reichhaltigen Buffet laben.
stern hat geschrieben: Also da wünschte ich mir manchmal, dass Maßnahmen möglich wären wie: Bevor wir das Kind nicht sicher bergen können, bekommen SIE auch keinen Schluck zu trinken und Happen zu essen (so vordergründig zumindest... aus erstem Affekt heraus zumindest. Ob ich wirklich in bestimmten Fällen für Folter wäre, weiß ich nicht).
Daran habe ich auch gedacht, mich hat das kurzzeitg an diesen Millionärssohn-Kidnapper aus Frankfurt erinnert, der nach seinem Urteil gegen die "Folterandrohung" eines Kommissars klagte (mit Teilerfolg, soweit ich weiss). Aber das wurde schon anderweitig verfilmt und ich glaube, es gab dazu schon einen anderen darauf anspielenden tatort.
stern hat geschrieben: Weiß jemand noch, welchen Geschäftszweck sein früheres Unternehmen verfolgte? Ich meine, es war ein Herstellungsbetrieb... aber auch nichts wohltätiges, so dass (für mich) auch insofern nicht direkt schlüssigkeit gegeben ist, weil er ja durch Banken (über Kreditvergabe) profitierte. Bis dann der Kredit fällig gestellt wurde.
Ich glaube, es ging darum, dass er ein Patent für eine Handy-methode angemeldet hatte; damit und mit dem Bankkredit ein Unternehmen gegründet hat. Es wurde gesagt, der Erfolg des Unternehmens verzögerte sich wegen der allgemeinen Entwicklung. Die Idee war wohl zukunftsfähig, was sich später anderwertig bewies, aber er konnte dennoch den Kredit nicht rechtzeitig decken und die Bank war zu keinem Kompromiss bereit. Es wurde gesagt, dass war alles auch nicht so legitim, es wollte jemand anders mit dem Patent durchstarten. Der Vater hatte doch während des Krimis die Akten dazu gelesen und deshalb einen Nervenzusammenbruch bekommen.
Deshalb kann man das nicht so einfach sehen, dass er ja von "den Banken" profitiert hat, das ist zu schwarz-weiss gedacht.
Es meint ja niemand mit der Kritik an der Unmenschlichkeit von Spekulationsgeschäften etc. dass die Banken im allgemeinen pöse sind, sondern es geht darum, wenn Akteure im Bankwesen ihre "unternehmerischen" Belange als auch persönliche Bedarfe über das Unglück, den Hunger, das Leid anderer Menschen stellen.
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