Was denkt ihr über eine/n Co-TäterIn/MitwisserIn?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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candle.
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Beitrag So., 16.12.2012, 19:07

Ich sage ja, dass es hier nicht einfach ist das Thema auseinanderzunehmen, weil es sich eigentlich schon um zwei Themen handelt. Vielleicht bist du tatsächlich gar nicht so ein wütender Mensch, aber deine Freundin hat dich halt überrollt.

Leider muß ich sagen, dass ich auch einige Freundinnen habe, die immer wieder über ihre Eltern rumquaken, aber einfach gar nichts unternehmen und sogar dort noch Urlaub machen, obwohl die Menschen so schrecklich sind. Da fällt mir dann nichts mehr zu ein und finde ich dann auch unfair. Bis zu einem gewissen Grad darf und muß man eben auch Fehlerhaftigkeit bei Eltern akzeptieren, denn wir sind leider selber nicht frei davon und bekommen genetisch auch einige Eigenschaften mit auf den Weg.

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peppermint patty
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Beitrag So., 16.12.2012, 19:32

candle. hat geschrieben:. Vielleicht bist du tatsächlich gar nicht so ein wütender Mensch, aber deine Freundin hat dich halt überrollt.
Ja, und deswegen interessiert es mich auch so, wie sich Opfer gegenüber ihren Tätern fühlen, weil ich BISHER diese Fähigkeit noch nicht habe. Und irgendwie sehe ich es als Qualität an dies zu können. Und von meiner Ex-Freundin weiss ich, dass sie Wut empfindet, auch wenn sie diese nicht an ihre Eltern richtet.
candle. hat geschrieben:Leider muß ich sagen, dass ich auch einige Freundinnen habe, die immer wieder über ihre Eltern rumquaken,
Bis zu einem gewissen Grad darf und muß man eben auch Fehlerhaftigkeit bei Eltern akzeptieren, denn wir sind leider selber nicht frei davon und bekommen genetisch auch einige Eigenschaften mit auf den Weg.
Liebe candle, da hast Du recht, ich mag dieses Genöle an den Eltern auch nicht, und dann wieder so tun als sei alles in Ordnung, und nebenbei auch noch nen Urlaub oder nen Babysitter mitnehmen...
Ne, dass ist nicht schön. Aber das ist nur mEn "nur" ein mieser Charakterzug, hat aber nichts mit dem zu tun was Opfer machen wenn sie "auf heile Welt spielen" machen, denn da scheint es echt Hass zu geben, denn sie dann halt irgendwo ablassen...

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candle.
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Beitrag So., 16.12.2012, 19:37

Übertragen tun wir nunmal leider den ganzen Tag ganz unbewußt. Das muß man dann demjenigen klarmachen, wenn das ständig passiert.

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peppermint patty
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Beitrag So., 16.12.2012, 19:40

Für den Fall, dass Du meine Ex meinst, dass habe ich und auch ihre Thera getan. Nur ICH habe keine Konsequenzen gezogen.

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candle.
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Beitrag So., 16.12.2012, 19:52

Nun bleibt halt deine Mutter oder euer Verhältnis. Woan lag es denn, dass du ihre Entschuldigung nicht annehmen konntest? Wie kam es denn dazu? Ich finde eine Entschuldigung schon sehr viel, vorausgesetzt sie ist ehrlich gemeint.

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peppermint patty
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Beitrag So., 16.12.2012, 20:09

Hi candle,

ich war mega erstaunt über diese Entschuldigung. Aber stell Dir vor, Du fühlst Dich gar nicht verletzt oder das dir irgend etwas angetan wurde (obwohl dies wirklich geschehen ist) und plötzlich entschuldigt sich jemand bei Dir. Ich wusste nichts damit anzufangen, ich habe gedacht, okay meine Schwester hat sie einer Gehirnwäsche unterzogen bzw. sie manipuliert.

Die Entschuldigung ist gar nicht das Problem, ganz im Gegenteil, wenn meine Mutter ihre Fehler eingesehen hat, ist dies eine großartige Sache. ICH bin/habe das Problem, denn da ich gar kein Problem "fühlen kann", ist doch nichts schlimmes geschehen. Und solange ich das nicht kann GIBT es kein Problem. Also ich bin es die ein Problem hat...

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candle.
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Beitrag So., 16.12.2012, 20:15

Naja, es unterliegt ja auch deiner Bewertung. Ich kenne das eben auch so, dass meine Geschwister es gar nicht so schlimm finden was so abgegangen ist. Den Hauptteil habe ich als Älteste eben abbekommen. Vielleicht nimmst du das für dich genau richtig wahr und deine Schwester anders. Selbst unter Geschwistern gibt es unterschiedliche Behandlungen und Wahrnehmungen. Da muß jeder für sich selber etwas draus machen.

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peppermint patty
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Beitrag So., 16.12.2012, 20:29

Unterschiedlich haben wir es tatsächlich wahrgenommen. Meine Geschwister haben Wut empfunden (mittlerweile weiss ich das dies zurecht war/ist), aber um es mal ganz krass zu sagen dem Tod am nähesten gestanden (durch den MB) habe ich. ich will es einfach nur nicht wahrhaben, und das ist eben MEIN Problem. ICH bin eine Verleumderin... nicht Wahrhabenwollenderin... etc...

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candle.
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Beitrag So., 16.12.2012, 20:37

Das tut mir Leid!

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Helferlein
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Beitrag Mi., 02.01.2013, 01:23

Lässt sich das wirklich pauschal sagen?

Es gibt so viele Schicksale, so viele Umstände und Gesamtsituationen. Ich meine, mir nie eine Aussage darüber erlauben zu wollen, wann eine Mutter versagt hat. Was ist "versagen" überhaupt? Das nicht ohne Hilfe überwinden Können der Vergangenheit? Ist das dann nicht genau das, das manche von uns sich erlauben, sogar mit Hilfe?

Ich will damit nicht sagen, dass ein sich Sehen als Opfer falsch ist. Es düfte sogar sehr wichtig und auch richtig sein. Daraus aber abzuleiten, etwas Bestimtes nie dulden zu können oder wollen oder auch nur in der Lage zu sein, seine Kinder vor vergleichbaren Situationen schützen zu können, halte ich für trügerisch.

Auch halte ich Ansichten à la "MittäterInnen sind auch Kriminelle" zwar für juristisch gut möglich haltbar, trotzdem denke ich, dass das zu einfach gedacht ist. Wo fängt die Grenze an, und wo hört sie auf, bei oder ab der man sagen kann: ab hier zählt die eigene Biographie nicht mehr, ab hier kann nur noch der theoretisch ausgereifte, erwachsene Mensch gesehen werden, so, wie es ihm möglich gewesen _wäre_, sich in dieser Gesellschaft zu entwickeln?
Man kann weiterhin mit solchen "Subjekten" umgehen, wenn man das denn kann, weil - wahrscheinlich, weil alles erklärbar ist, und das und auch: das dadurch menschlich ist. Und weil viele viele Verbundenheiten an all das geknüpft sind, die einem dann vielleicht wichtiger sind als das eigene Wohlergehen, wenn auch temporär. Und weil es x Umstände gibt, die dazu (vermeintlich, aber tief empfunden) "zwingen".

Es begeht wahrscheinlich, ich kann aber auch gut irren, nicht jeder Mensch ein Vergehen, der ein solches nicht verhindert. Es gibt einige Gründe, ein Vergehen nicht verhindern zu wollen - und vor allem zu können.

Ich sehe wohl, dass es eine sichere Grundlage bietet, kategorisch zu sein und kategorisch abzulehnen ab dem Punkt, den man jeweils für sich ausmacht.
Ich frage mich zusätzlich, ob das wirklich etwas ist, an dem man nach dem Ausruhen auch mit innerer Ruhe weiterhin festhalten kann.

Ich denke, dass die Vorstellung von der Mutter in unseren gesellschaftlichen Breitengraden an sich schon viel dahingehend begünstigt, genau dieser nicht entsprechen zu können. Denn nein, die Mutterliebe ist nicht etwas naturgegeben zu vorhanden Seiendes, und nein, eine Mutter ist auch kein Übermensch ohne eigene Biographie, nur weil sie Mutter geworden ist. Und nein, es kann (leider ganz offensichtlich) nicht gesagt werden, dass ein Eltenteil dies oder jenes nie tun oder unterlassen würde. Ich meine das ganz grundsätzlich und allgemein.

Ich sehe die Gefahr der Umkehr der Opfer in TäterInnen - ich möchte betonen, dass nicht der, der nichts tun kann, aufgrund persönlicher und situativer Unzulänglichkeiten die TäterIn ist, sondern der oder die, die sich die Grenzüberschreitung an sich erlaubt.

Und auch das bedeutet nicht, dass ich es gutheiße, zuzusehen, nichts zu sagen, zu erdulden, wie es auch immer läuft. Aber es bedeutet doch, innezuhalten und "zurechtzurücken", wohin welche Verantwortung im Kern gehört. Zur TäterIn, und der Rest, und das Umfeld, tun was geht. Das, was ihnen möglich ist.

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Krang2
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Beitrag Di., 31.03.2015, 08:07

Ihr schert da ziemlich schwarz-weiß alles über einen Kamm. Mitwisser ist nicht gleich Co-Täter und dies ist nicht gleich kriminell. Erstens sind nicht alle Straftaten anzeigepflichtig, und zweitens sind Angehörige überhaupt nicht zur Anzeige verpflichtet (selbst bei Mord). Bei vielen Tatbeständen ist abzuwägen, inwieweit man sich einmischt und welche möglichen Folgen das – auch für einen selbst – hätte. Falsche Anschuldigungen und Verdächtigungen sind übrigens heutzutage auch schon ein Problem und führen oft genug zu Racheaktionen. Ich würde als Erstes das offene, direkte Gespräch suchen, um einen Verdacht zu erhärten oder zu relativieren.

Desweiteren spricht kaja dann abwertend von Subjekten, so als seien sie damit allgemein minderwertig und keines weiteren Umganges mehr würdig. Wenn du so konsequent bist, wie du behauptest, wäre nach deiner strengen Definition auch jemand so ein Verbrechersubjekt, der nichts gegen marodierende Jugendliche unternimmt. Oder bezieht sich deine Meinung nur auf „schweren Kindesmißbrauch“? Falls ja, solltest du das unmißverständlich formulieren.
Den Satz „Wer ein Verbrechen nicht verhindert....“, finde ich überzogen. Deutsche Politiker und Interessenvertreter begehen jeden Tag Verbrechen, unter denen nicht zuletzt unsere Kinder leiden, und kaum jemand versucht das zu verhindern, auch aus Egoismus und Selbstschutz. Sind dann also 99% der Deutschen somit selbst Verbrecher, weil sie diese Verbrechen nicht verhindern?
Schließlich noch meine Frage: Was ändert deine Einstellung, wie viele Verbrechen in der Zukunft verhindert sie? Eine Mutter, die ihre Kinder nicht schützen kann, ist offensichtlich überfordert und hat nicht selten selbst psychische Probleme. Sie braucht Unterstützung, auch in Form von Strafanzeige gegen die tatsächlichen Täter, die sie nicht allein stoppen kann, aber weitere Vorwürfe ohne konkrete Hilfe bringen gar nichts. Übrigens auch den Kindern nicht.

Damit komme ich zu
@peppermint patty – du schreibst, daß du dich fragst, wie die Wut auf den Täter verarbeitet wird. Das ist wohl bei jedem anders und vom Verhältnis zum Täter und der Art und Schwere des Mißbrauchs abhängig. Wenn ich in mich gehe, empfinde ich in erster Linie Wut auf die Gesellschaft! Das Verhalten des Täters und auch das meiner Eltern ist für mich im Nachhinein emotional schlüssig und nachvollziehbar, aber das Verhalten der restlichen Un-Beteiligten, sprich Lehrer, andere Eltern, Behörden usw. ist für mich einfach nur heuchlerisch und feige gewesen. Da ist ein Unwillen, sich wirklich damit auseinanderzusetzen. Überhaupt wird lieber über die Täter als über die Opfer geredet, da ist alles so schön schwarz-weiß zu sehen und man kann sich profilieren. Eine Strafanzeige fällt auch leichter als dem Opfer wirklich zu helfen, zu überlegen, wie es „danach“ eigentlich weitergeht. Eine psychologische Betreuung finde ich wichtig, die bekam ich bis heute nicht.

Ich finde es etwas verwirrend, von körperlichem Mißbrauch anstelle von körperlicher Mißhandlung zu sprechen. „Mißbrauch“ bedeutet für mich nicht das Auslassen von Gewalt, sondern das „unsachgemäße Benutzen = Miß-brauch“ des Kindes für meist sexuelle Zwecke. Außerdem finde ich, daß damit zwei verschiedene Taten auf eine Stufe gestellt werden, die auch sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Psyche und Entwicklung des Opfers haben. Ich selbst wurde von meinen Eltern öfter mal geschlagen, das war damals akzeptierter und üblicher als heute, und ich wurde einmal von anderen mißbraucht. Ich kann nur sagen, daß mich dieser einmalige Mißbrauch mehr kaputtgemacht hat, als mich jegliche Schläge jemals beeinflußt hätten, und auch psychologische Untersuchungen ergeben, daß sexueller Mißbrauch insbesondere von Kindern schwerwiegender und zerstörerischer ist als bloße Mißhandlungen. Ich mag mit dieser Differenzierung allein dastehen, aber ich vertrete diese Meinung hier offen und absichtlich. Damit will ich die zerstörerische Wirkung von Demütigungen, Schlägen und einem Leben in Angst nicht kleinreden, aber die Qualität eines sexuellen Mißbrauchs ist noch einmal eine andere, die Demütigung und Entwürdigung nicht mehr zu überbieten.

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Tupsy71
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Beitrag Di., 31.03.2015, 20:48

Mh stimme da Krang2 zu. Ich glaub auch, dass es eine Unterscheidung zwischen Misshandlungen und Missbrauch gibt. Dann gibts noch den psychischen Terror bzw. Misshandlung. Doch viele haben alles erlebt. Und ja, der sex. mb war für mich glaub ich auch am Schlimmsten. Ich kämpfe zumindest noch damit.
Was die Frage der Threaderöffnerin betrifft: Ich finde, dass man auf jeden Fall eingreifen muss, wenn man mitbekommt, dass das Kind mb oder eben schwer misshandelt wird. Wenn man nichts tut, ist man Mittäterin(meine Meinung halt)

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peppermint patty
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Beitrag Mi., 01.04.2015, 10:08

Ich kenne auch alle Formen von MB. Für mich ist allerdings ein entscheidendes Kriterium WER die Täter waren (rein gefühlsmäßig). Ob innerhalb des familiären Kontextes oder außerhalb. Bei mir war der Täter des sMB jemand außerhalb der Familie (keine Bezugsperson) - insofern niemand, der mir hätte Schutz gewähren müssen.
Sehr schlimm (vor allem der extreme Ekel und die Demütigung die ich heute noch empfinde) aber vom Gefühl her ganz anders als durch eine Bezugsperson. Schwer zu erklären. Während die anderen Sachen durch Bezugspersonen geschehen sind.

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Krang2
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Beitrag Mi., 01.04.2015, 10:18

@Tupsy71,
diejenigen, die eingreifen müßten, sind meiner Meinung nach v.a. Lehrer, Erzieher, Freunde, Verwandte, Trainer, Ärzte usw., also Leute aus dem sozialen Umfeld, die mitbekommen, daß etwas nicht stimmt, aber sich vornehm mit Hilfe und Nachfragen zurückhalten. Das ist ja das Schlimme, ich verurteile das Verhalten der Täter und Mittäter, aber ich verstehe sie wenigstens, ich verstehe auch die charakterschwachen Mütter, die ihre Kinder nicht schützen können, weil sie nicht einmal sich selbst schützen und abgrenzen können, oft selbst psychisch gestört sind (so wie meine Mutter z.B.). Aber ich verstehe alle diese "Unbeteiligten" nicht, die so tun, als wäre da nichts. Das Kind hat gefälligst auch weiterzufunktionieren. Nachbarn werden bestenfalls eine Anzeige wegen Ruhestörung machen. Wenn es sich nicht verschweigen läßt, dann werden die "Mitwisser" einen unangenehmen Vorgang möglichst rasch ans Jugendamt oder Psychologen weiterleiten, damit sie selbst ihre Schuldigkeit getan haben, aber sich nicht "überarbeiten" oder gar Verantwortung übernehmen. In meinem Falle noch nicht einmal das. Wenn aber niemand mit dem Opfer redet und alles aufarbeitet und richtigstellt, dann muß es all das mit sich allein ausmachen, und das kann doch bei einem kleinen Kind nicht funktionieren. Ich habe das Gefühl, daß zwar alle das Thema angeblich so wichtig nehmen, aber wirklich darüber sprechen, so wie es ist, oder dem Opfer wirklich zu helfen, das will gar keiner. Es will sich gar keiner anhören, wie sich das Opfer fühlt, es hat sich so zu fühlen, wie es dem Klischee entspricht, alles andere ist unerwünscht. Die meisten, die nicht nur oberflächlich auf solche Themen eingehen, sind andere Betroffene. Das ist doch traurig. Für mich ist das kein Verbrechen, aber einfach nur Feigheit, die Angst, sich mit solchen Problemen auseinander zu setzen. Auch da gibt es noch einmal einen Qualitätsunterschied zwischen Mißhandlung und Mißbrauch: Über Letzteres zu sprechen bzw. einen guten Gesprächspartner zu finden ist meist noch schwieriger. Das ist den meisten zu unangenehm. Ich frage mich warum, wenn es doch so ein wichtiges Thema ist. Vermutlich muß man deshalb zum Psychologen, weil sonst niemand überhaupt gewillt ist, einem zuzuhören, ich meine wirklich zuzuhören. Und dann auch die notwendigen Schritte einzuleiten und das Kind/den Jugendlichen dabei zu begleiten. Ist das Angst? Wovor, etwas falsches zu machen? Aber das Kind allein zu lassen ist doch auf jeden Fall falsch.

Ich verstehe das nicht, denn wenn ein Kind weint, weil ihm ein anderes das Spielzeug weggenommen hat, dann gibt es doch auch genug Erwachsene, die ihm zuhören, es trösten, ihm alles erklären und sagen, was es tun kann, und es nötigenfalls auch emotional einige Zeit zu betreuen. Wenn das bei einer vergleichsweisen Bagatelle der Fall ist, warum finden sich die hilfsbereiten Erwachsenen dann nicht bei so dramatischen Vorfällen wie Mißbrauch? Wovor haben sie Angst? Ich glaube, daß ein Großteil der befremdlichen und seltsamen Gefühle, die die Opfer später empfinden und die so gar nicht zu den erwartbaren Gefühlen passen wollen, auch an falschen Signalen und Reaktionen der Umwelt liegen. Was mich kaputt gemacht hat, das war nicht der Mißbrauch, das war das Danach. Wenn die Umwelt komisch reagiert, dann reagieren auch die eigenen Gefühle komisch, dann stellt man sein eigenes gesundes Empfinden infrage, vor allem als Kind. Ich habe lange Zeit nicht einmal bewußt wahrgenommen, daß das damals keine Begatelle war. Aber die Wut, die man nicht bewußt spürt, die ist trotzdem da, und das ist das Gefährliche. Sie wird sich entweder selbstzerstörerisch gegen einen wenden oder sich andere Wege suchen, so daß man verwundert ist und gar keinen Zusammenhang zum eigentlichen Auslöser sieht. So lange das nicht aufgearbeitet ist, wird man niemals Frieden finden und weder sich noch anderen wirklich verzeihen können.
Es steht doch nicht immer gleich die Frage im Raum, ob man die Polizei einschaltet, sondern es reicht doch oft, etwas ins Rollen zu bringen, indem man mit einem der Involvierten direkt spricht und nachhakt. Und wenn man diese Mutter, die weiß, daß es falsch ist, aber allein nichts dagegen tut, dazu bringt, sich Hilfe zu holen und doch etwas zu tun, dann ist das schon ein großer Schritt.

Also in einem Satz zusammengefaßt meine Antwort auf die Eingangsfrage: Mittäter sind meist psychisch gestört und
Mitwisser feige, und ich weiß nicht warum, ob aus Angst oder Bequemlichkeit oder...?

@peppermint patty, da stimme ich dir vollkommen zu. Durch Bezugspersonen so etwas erfahren zu müssen ist drastisch formuliert Verrat an der biologischen Aufgabe von Eltern. Fehlendes Eingreifen/Beschützen ist "nur" das Im-Stich-lassen.


kaja
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Beitrag Mi., 01.04.2015, 11:23

@Krang

Ja meine Aussage zeigt meine persönliche Wertung dieses Personenkreises. Dazu stehe ich auch.
After all this time ? Always.

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