Im Normalfall geht man aus einem ganz bestimmten Grund in ein Therapie. Bei mir zum Beispiel Depression. Und ich hatte ein ganz klares Ziel vor Augen, ich wollte wieder so sein, wie ich "normalerweise" bin.Widow hat geschrieben:Ich sehe aber persönlich bei mir durchaus eine 'Gefahr', ein aufkeimendes Bedürfnis dahingehend, das, was ich früher (im Wesentlichen) allein tat, jetzt in Begleitung tue, nämlich mich auszuleuchten, künftig gar nicht mehr allein tun zu wollen (weil ich's ja ohnehin nicht so gut 'kann'
Ein Problem kann sein, das man keine vollkommen klares Ziel definiert und dieses ausdifferenziert in einer Therapie. Denn dann kann man ja wirklich bis in alle Ewigkeiten Therapie machen. Bei wem läuft schon immer alles perfekt und wer ist schon immer vollkommen reflektiert? Niemand. Wenn man da eine bestimmte Form der Perfektion erwartet (die man nie erreicht da unmenschlich) hat man das Gefühl immer weiter Therapien zu brauchen.
Irgendwann hatte sich mein depressiver Fokus wieder in Normalposition verschoben. Das hätte ich wohl ohne Therapie wohl nicht so schnell geschafft, da ich meinen verschoben Fokus mit der allgemeingültigen Realität "verwechselt" habe und nicht mehr in der Lage war, meine Perspektive zu erweitern - aufgrund von bestimmten "Denkgewohnheiten", die sich im Laufe meines Lebens (durch Sozialisation, Interaktionen etc.) eingeschliffen hatten. Man kann reflektiert sein, aber sich trotzdem in verschiedenen Zonen des Denkens aufhalten. Und manche Bereiche sind eben nicht besonders gut geeignet, um ein glückliches Leben zu führen.
Ich habe deutlich gemerkt als ich die Realität wieder mit ihren positiven und negativen Ausprägung (gleichberechtigt) erfassen konnte und der Fokus eben nicht mehr einseitig auf dem Negativen lag. Da war für mich klar, dass das Therapieziel erreicht und die Therapie beendet ist. Allerdings hatte ich trotzdem noch dieses Bedürfnis nach Therapie eine Zeitlang. Aber es war letztendlich kein Bedürfnis nach Therapie im eigentlichen Sinne (Heilung), sondern nach 100%iger Akzeptanz und 100%iger Aufmerksamkeit für die eigene Person (alles andere wären vorgeschobene Gründen gewesen mit denen ich mich selbst getäuscht hätte). Also diese Art von Akzeptanz und Aufmerksamkeit, die man von seiner idealen Über"mutter" bekommen würde. Aber dafür wollte ich nicht in eine Therapie gehen. Dann setzte bei mir eine bestimmte Form der "Angst" ein, die vielleicht in diesen Thread passt. Ich glaube, sie schützt einen eben auch vor einer bestimmten Form der "Abhängigkeit", die nicht gut wäre. Zumindest war das bei mir so. Ich hatte ein ganz starke innere Abwehr dagegen empfunden. Weil ich ganz persönlich für mich als Rückschritt in meiner Entwicklung empfunden hätte, die für mich nicht gut ist. Ich hätte die Werkzeuge, die ich für das Leben besitze in die Hände eines anderen Menschen gelegt. Ich wollte sie aber lieber selbst behalten und üben damit umzugehen. Weil ich davon ausgehe, dass ich nur so ein glückliches Leben führen kann.
Manchmal (in einigen bestimmten Fällen) denke ich , dass die Therapie zu einer "Ersatzreligion" wird, bzw. das sie die selbe Funktion erfüllt: Nämlich Verantwortung abgeben für sich, nicht wirklich erwachsen werden wollen, sich immer nach einer übergeordneten, gütigen Instanz sehnen. Und damit meine ich nicht, die Fälle in denen aufgrund von Veränderungen oder nicht passende vorrangegangene Therapieversuche wirklich eine neue Therapie notwendig wird.
Aber auch das würde ich nicht abwerten. Denn es scheint wohl ein einfach ein grundsätzlicher Mechansimus der menschlichen Psyche zu sein irgendwo Halt, Entlastung u. ä. zu suchen. Sonst hätten sich Religionen etc. nicht in der Weise entwickeln können.
Nur habe ich einfach andere "Ersatzreligionen", die ich als besser geeignet für mich finde ...