Meine 'Geschichte'

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 20:18

Hallo Ihr Lieben!
Ich habe natürlich überlegt, den Therapeuten bei der Kammer zu melden. Aber die innere Kleine in mir klammert sich nach wie vor an die Hoffnung dass ein bisschen etwas Gutes übrig bleibt... Meine "neue" Therapeutin grenzt sich ganz klar ab, aber sie hat mir auch klar gemacht, dass es diese Grenze nicht nur für sie gibt, sondern auch als Schutz für mich. Mittlerweile fühle ich mich sehr von diesen Grenzen "gehalten". Dass mein "alter" Therapeut so wenig professionell war ist deswegen umso schlimmer, weil ich schwerst traumatisiert bin. Ich wurde lange missbraucht, innerhalb der Familie, und mit dem Wissen meiner Eltern. Ich weiß, dass ich permanent auf der Suche nach einem Papa und einer Mama bin und habe das meinem Therapeuten auch gesagt. Trotzdem ist das passiert was eben passiert ist. Er hat mich eine gewissen Zeit behandelt, wie seine Tochter. Er hat mir ein superschönes Kuschelbärchen geschenkt, er hat mir Kassetten besprochen, mir ein Kissen geschenkt, Bücher von sich geliehen usw. Das Alles, damit ich ihn immer um mich habe. Das Ende hat dann so ausgesehen, dass er mir am Samstag am Telefon noch ganz fest versprochen hat, mich nie alleine zu lassen und am Dienstag darauf hat er die Therapie beendet...
Leben ist das was passiert während du andere Pläne machst....

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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 20:22

Es ist okay heissundkalt wenn Du mich solche Dinge fragst. Ich habe ja den Thread eröffnet, weil ich darüber reden wollte...ich merke, dass es mir gut tut, darüber zu schreiben. Das "Halten" begann in einer Sitzung, in der ich über den Missbrauch geredet habe. Es war dann so, als ob in mir eine Mauer zusammenfällt...ich war eine einzige offene Wunde und er war der einzige Verband den es dafür gab. Die Beziehung zu meinem Mann war zwischenzeitlich sehr distanziert, aber ich wollte ihn nie verlassen oder so. Natürlich wusste er nicht, was in der Therapie passiert ist...Darüber haben wir erst in den letzten Monaten gesprochen (Gott sei Dank). Mittlerweile stehen wir uns wieder sehr nahe.
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Hamna
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 20:47

Leider schon... eigentlich ist ein privater Kontakt zum Therapeutin nie so ganz "legal" möglich... auch wenn es der Ex-Therapeut ist... also korrigiert mich, wenn ich falsch informiert bin....
Ja, hier möchte ich dich gern korrigieren: nach der vorgeschriebenen Abstinenzzeit (je nach Bundesland 0 - 4 Jahre) nach beendeter Therapie ist ein privater Kontakt vollkommen in Ordnung, wenn von beiden Seiten gewünscht.

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lamedia
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 20:59

Rilke, das stimmt nicht ganz
Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass man nur bestimmte Wartezeiten abwarten müsse, und dann sei "alles" möglich:
"Das Abstinenzgebot gilt auch für die Zeit nach Beendigung der Psychotherapie, solange noch eine Behandlungsnotwendigkeit oder eine Abhängigkeitsbeziehung des Patienten zum Psychotherapeuten gegeben ist."
(PT-Kammer Bremen, Berufsethik)
D.h. wenn nach zwei Jahren immer noch Behandlungsnotwendigkeit/
Abhängigkeit besteht, besteht das Abstinenzgebot.

"Berlin" sagt dazu Folgendes:
Auch nach Beendigung einer Behandlung bleibt das strukturelle Gefälle der Beziehung in der Regel bestehen. Daher kann die Aufnahme einer sexuellen Beziehung zu einem ehemaligen Klienten eine nachträgliche neurotische Wunscherfüllung sein, die pathogen wirkt und daher einen Verstoß gegen die berufsethischen Verpflichtungen des Psychotherapeuten darstellt. Es ist sicher nur im Einzelfall zu beurteilen. Allgemeingültige Zeiträume oder Krite-
rien festzulegen erschien uns nicht sinnvoll.
(PT-Kammer Berlin, Berufsethischer KOmmentar zur therapeutischen und posttherapeutischen Abstinenz)

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Hamna
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 21:26

Stimmt lamedia, aber in Niedersachsen geht man z. B. davon aus, dass nach abgeschlossener Therapie keine Abhängigkeit oder Behandlungsbedarf mehr bestehen kann (weil unlogisch) und irgendwelche Ge- oder Verbote einen unverhältnismäßigen Einschnitt in die Freiheit und Selbstbestimmung von Therapeut und ehem. Patient seien.

Das macht eben tatsächlich jedes Bundesland anders. BaWü z. B. hat vier Jahre Abstinenzzeit, wenn ich mich recht erinnere.

Ich frage mich auch, wer wohl die potenzielle Abhängigkeit beurteilen will. Fraglich ist das doch eh nur, wenn es zu einer Beschwerde käme, und da ist die Beweisführung wohl mehr als schwierig - letztendlich alles nur Bürokraten-Gesabbel.


Sorry für das OT, jotbe

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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 21:36

Naja, wie auch immer die Abstinenzregelung nach der Therapie ist, Tatsache ist doch, dass mein Therapeut während der Therapie nicht abstinent war. Und das hat mir extrem geschadet....
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lamedia
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 21:44

"Bürokratengesabbel" würde ich nicht sagen, es hat schon einen Sinn, den Schutz vor Mißbrauch und Retraumatisierung. Oft genug gerät man ja mit völlig unbewußten Dynamiken in retraumatisierende Situationen - ja, es erscheint einem sogar erstrebenswert, mißbräuchliche Beziehungen einzugehen.
Ich frage mich auch, wer wohl die potenzielle Abhängigkeit beurteilen will. Fraglich ist das doch eh nur, wenn es zu einer Beschwerde käme, und da ist die Beweisführung wohl mehr als schwierig
Hm, wenn der Therapeut es nicht bemerkt, dass da noch eine Abhängigkeit besteht (und häufig scheint er es nicht einmal in der Therapie zu bemerken, bzw. zu spät), dann kann man nur hoffen, dass die potentiell abhängige Klientin nicht zu Schaden kommt. (Nur dann gibt es auch keinen Kläger...)

Aber es ist ja hier jotbes Thread. Ich will nur nicht, dass das mit der ominösen "Wartezeit" Hoffnungen bei anderen weckt, dass privater Kontakt zum Ex-Therapeuten in jedem Fall unproblematisch wäre, wenn man nur irgendwelche Paragraphen befolgt..

Jotbe, ich hatte aber den Eindruck, dass Du nicht wirklich solche Ideen hattest, oder?
Darf ich Dir auch noch eine Frage stellen? (Falls zu intim, sorry!) Hattest Du während der "Beziehung" auch das Gefühl, dass Du Deinem Therapeuten etwas "gibst", dass Du ihn z.B. tröstest?

Mir tut es so leid, dass Dir das widerfahren ist! Gerade vor Deinem Hintergrund. Ich bin aber (wie alle hier) froh, dass Du jetzt eine so abgegrenzte Therapeutin hast und hoffe, dass Du diesen Schock zusammen mit ihr verarbeiten kannst!

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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 21:49

Ja, ich hatte tatsächlich oft das Gefühl, auch ihm etwas zu geben. Er hat mir das auch immer wieder bestätigt. Er hat gesagt, dass wir uns viel gegeben haben und dass das für immer bleiben wird.
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lamedia
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 21:53

Wie stehst Du denn heute zu dieser Aussage?

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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 22:10

Naja, das ist eine so schwammige Aussage, die trifft wohl auf jede Therapie irgendwie zu, oder? Ich "gebe" meiner neuen Thera ja auch etwas, z. B. mein Vertrauen oder so...Keine Ahnung, sicher hat auch er mir was gegeben und ich ihm, aber eine "Entschuldigung" für sein Verhalten ist das nicht.
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heissundkalt
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 22:20

" Er hat mir das auch immer wieder bestätigt. Er hat gesagt, dass wir uns viel gegeben haben und dass das für immer bleiben wird." *kopfschüttel*

Du konntest zu deinem Mann eine Beziehung eingehen, trotz der vorherigen Missbrauchserfahtungen. Aber anscheinend fandest du keinen hält bei, sonst hättest du ihn nicht so verzweifelt von deinem Thera gebraucht. Wie kam es dass du zwar eine (sexuelle) Bezieung eingehen aber dennoch nicht vertrauen könntest?
Du könntest die Fürsorge des Therapeuten anscheinend bedingungslos annehmen.
Warum von ihm? Und nicht von deinem Mann oder jemand anderem?
Hattest du je das Gefühl diese Zuneigung anzunehmen wäre verboten, ungesund für dich und falsch? Ich frage mich das, da ich persönlich so reagieren würde. Ich glaube er war wohl sehr manipulativ und hat völlig den sinn einer Therapie verdreht.... Zu sagen ihr könntet EINANDER viel geben....
Hat er dir von seinem Privatleben erzählt?
Ich frage mich wie es beginnt... Hast du gelegen oder gesessen... Kam er plörtluch zu dir rüber und hat dich gehalten? Hast du darum gebeten?
Und hat er die Abstinenzregel je erwähnt?
Je mehr ich mir das vorstelle desto mehr habe ich das Gefühl das wäre ein Filmdrehbuch...:-/

Ja, diese Abstinenzregel ist dehnbar... Ich denke wenn nach der Therapie Wein loser freundschaftlicher Kontakt besteht schadet das keinem. Aber auch dann nur wenn kein Therapiebedarf mehr besteht. Nur wer kann objektiv darüber entscheiden? Schwierig.Sexueller Kontakt ist immer bedenklich.
WER ZUHÖRT KANN VERSTEHEN

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jotbe
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 23:33

Wenn es ein Film wäre, dann ein Horrorfilm. Ich habe ihn geliebt wie einen Papa und dann hat sich da so Vieles vermischt. In den Sitzungen sind wir beide auf seiner Couch gesessen. Er hat mir von seiner Kindheit erzählt...und auch von seiner Ehe. Das ist wirklich alles genau so passiert. Es tut viel zu sehr weh als dass ich mir auch nur ein Fünkchen würde ausdenken können!
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lamedia
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 23:43

Doch, ich kann es nachvollziehen - und ich wäre früher auch gefährdet gewesen. Deshalb hatte ich auch nach dem "Geben" gefragt. Ich hatte solche Tendenzen, in tendentiell mißbräuchlichen Situationen etwas zu "geben" und das dann für eine gesunde Liebe zu halten.
Letztlich war es ja dann eine Rollenvertauschung, jotbe, Du bist zu seiner Therapeutin, Vertrauten geworden, zu seiner "Komplizin" und hast erst durch diesen abrupten, ich finde feigen!, Abschied erfahren, wie gefährlich und schädlich diese Nähe war.

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heissundkalt
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Beitrag So., 05.02.2012, 00:05

Ja.... Feige ...und ich gebe lamedia absolut recht...
Ich habe übrigens nicht gedacht, dass du dir irgendwas ausdenkst... So war es nicht gemeint... Es ist nur so absurd.
Aber wie ging es los... Habt ihr etwa von beginn an beide auf der Couch nebeneinander gesessen? Schon das wäre ja seltsam... Und wenn es spätwr kam... Er muss doch bewusst entschieden haben, dass er aufsteht und sich zu dir setzt... Je mehr ich höre desto weniger habe ich das Gefühl dass ein Therapeut in so was "reinrutschen" kann... Und ich glaube langsam auch, dass viel mehr Narzissmus und Bedürftigkeit bei ihm vorhanden war als ich vorher dachte...

Ich persönlich würde ihn anzeigen.
WER ZUHÖRT KANN VERSTEHEN

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Eos
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Beitrag So., 05.02.2012, 11:14

Liebe jotbe,

das macht mich alles so wütend und traurig, was Dir da passiert ist!
Deine Therapeutin handelt total richtig. Du scheinst dort gut aufgehoben, und das beruhigt mich etwas.

Es ist mir ein Rätsel, wie ein Therapeut auf die Idee kommen kann, dem Patienten seine Lebensgeschichte zu erzählen und die Rollen damit umzudrehen, was für eine starke Bedürftigkeit da dahintersteckt! Das hätte er von sich aus erkennen müssen und eine Heilbehandlung aufsuchen.

Aber mag sein, dass er noch dachte, er schenkt Dir wer weiß was Tolles.

Schön jedenfalls, dass Du Deinem Mann wieder näher sein kannst.

Ich weiß nicht, ob Dir das hilft, oder ob Du möglicherweise schon weiter bist mit der Verarbeitung als ich bei meiner Geschichte. Aber ich versuche ganz klar zu trennen: was war positiv, was negativ. Das Positive darf positiv bleiben, mit allen Facetten. Das Negative ist ganz klar abzulehnen. Als wenn der Mensch aus zwei Teilen bestanden hätte und man zweierlei Beziehung zu ihm hatte. So kann man das Gute bewahren und trotz allem das Schlimme mit den einhergehenden Schmerzen verarbeiten.

Mir geht es auch so wie lamedia es beschreibt, ich spüre schnell die Bedürftigkeit des anderen und will etwas geben. Das wird mir erst jetzt richtig bewußt, dass man dadurch gefährdeter zu sein scheint. Aber wahrscheinlich auch, wenn man mit einer sehr berührenden Lebensgeschichte auf einen mitfühlenden aber sein Handwerk nicht beherrschenden Therapeuten stößt.

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