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Sa., 31.12.2011, 01:14
Hallo CrazyChild,
mich hat dein Thema ganz schön zum Grübeln gebracht.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich schon all diejenigen beneide, die in Notsituationen ihren Therapeuten auch mal eine E-Mail oder SMS schreiben dürfen. Ob ich es auch nützen könnte, weiß ich nicht, weil bei mir immer das schlechte Gewissen durchdrückt und ich Hilfe ohne Gegenleistung nicht wirklich annehmen kann (dafür zahlt ja schließlich meine KK nicht). E-Mail ohne Erwartungen an eine Antwort vielleicht ja, das wäre schön, aber Smsen könnte ich mir, zumindest momentan, nicht vorstellen. Aber ich denke, dass schon allein der Gedanke im Hinterkopf einen beruhigenden Charakter hat. Ich gebe auch zu, dass es mir auch insofern gefallen würde, weil man nicht das Gefühl hat, "nur" ein Geschäftsobjekt zu sein, sondern dass dem Therapeuten auch an einem liegt (was er aber selbstverständlich auch auf andere Art und Weise in der Stunde zeigen kann). Das sind nur meine inneren Wünsche, mit denen ich immer zu kämpfen habe, aber stets im Zwiespalt, weil ich auch nie jemandem zur Last fallen möchte.
Was ich damit sagen möchte: ich würde dich eigentlich beneiden für diese Möglichkeiten und die Art der Beziehung und Zuneigung deiner Therapeutin. Eigentlich. Aber was daraus entstehen kann, ist wirklich erschreckend. Das ist schon weit mehr als Abhängigkeit. Und das hätte ihr von Anfang an bewusst sein müssen. Sie hätte es steuern müssen, aber mir scheint, als hätte sie mehr zugesehen, wie alles seinen Lauf nimmt und ist nun wirklich schlicht und ergreifend überfordert mit der Situation. Das ist traurig, denn du als ihr Patient leidest nun noch mehr darunter, obwohl du ja genau wegen diesem Problem zu ihr gegangen bist. Für dich ist ein Horrirszenario entstanden, dass du mithilfe der Therapie eigentlich nicht mehr erleben wolltest.
Ich hoffe, es tut ihr leid. Diese Suppe, die sie euch beiden eingebrockt hat, sollte sie nun auch auslöffeln, wenn sie etwas von ihrem Job versteht. Ich hoffe, das ist ihr in diesen Tagen auch klar geworden. Und ich wünsche dir, dass sie die nötige Kompetenz und vor allem den Mut und Anstand besitzt, mit dir nun ernsthaft und intensiv an deinem Problem zu arbeiten, denn das ist in den letzten 2 Jahren nicht der Fall gewesen.
Deine Geschichte hat mich echt berührt. Und sie hat mir gezeigt, dass ich eigentlich ganz froh sein kann, dass meine Therapeutin, bei aller Menschlichkeit, sehr auf die nötige Distanz achtet. Ja, mein Wunsch danach ist dennoch geblieben, aber mir ist dadurch zumindest bewusst geworden, dass ich nie in eine Abhängigkeit von ihr geraten möchte. Die Möglichkeit zu haben, mal eine E-Mail zu schreiben, wenn einen etwas sehr bedrückt, bzw. man es einfach nicht in den Stunden ausdrücken kann (damit habe ich leider ein sehr großes Problem), wäre schön. Aber nur dazu und auch nur, wenn ihre Reaktion darauf lediglich in den Sitzungen stattfindet.
Dieses Mittel ist sehr gefährlich für einen Therapeuten und er sollte es wirklich bedacht einsetzen. Aber es ist vielleicht auch eine gute Möglichkeit um zu lernen, sich selbst Grenzen zu setzen. Ich glaube, du bist auf einem guten Weg, wenn du schon versuchst, den außerstündlichen Kontakt auf die E-Mails zu reduzieren, die wirklich nur Notfallcharakter besitzen und keine reinen Lebenszeichenerkundigungen darstellen. Und ich hoffe auch, dass die Situation für euch beide noch nicht zu verfahren ist und ihr beide daraus lernen und damit (endlich!) an deinem Problem arbeiten könnt.
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)