Freundschaft nach Therapie möglich?

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Sa., 28.01.2012, 18:13

Besteht das Leben nur aus Verlust?
Wieso nur Verlust? Bevor der Verlust kommt, kommt ja erst mal die Hilfe, die Nähe und die Geborgenheit. Aber am Ende, ja, da kommt der Verlust - wie im 'richtigen' Leben auch. Das Leben besteht auch (nicht 'nur') aus Abschieden, Trennungen, Verlust, Kummer und Tod. Die Kunst ist nur, damit so umzugehen, dass man das Wissen um den nahenden Verlust ertragen kann, ohne zu verzweifeln.

Und je nachdem, was der Patient für eine 'Baustelle' hat, ist es eben besonders wichtig, das auch zu thematisieren. Wenn jemand, wie die TE, ein Problem mit Abschieden hat, finde ich es nicht besonders gelungen, ihr in Aussicht zu stellen, dass der Abschied vom Therapeuten nicht sein müsse - denn damit hätte man ja die Chance vertan, das Leben (in seiner Kurzform: die Therapie) genießen zu können, obwohl der Abschied irgendwann kommt. Die Lösung für erwachsene Menschen sieht nicht so aus, dass der Therapeut ihnen versichert: "Ich bin für dich da, bis einer von uns beiden tot umfällt (am besten noch darüber hinaus )", sondern die Lösung ist, dem Patienten dabei zu helfen, dass am Ende die Erkenntnis steht: "Es wird einen Abschied geben, aber ich kann damit umgehen", denn das sollte doch wohl ein Ziel einer jeden Therapie sein.

Im übrigen müsste man noch mal unterscheiden zwischen Freundschaft und Kontakt. Regelmäßige Kontakte alle paar Monate würde ich gar nicht mal unbedingt ausschließen, wenn es sich so ergibt. Aber Freundschaft bedeutet ja, dass beide Partner sich für einander interessieren, dass also auch der Andere irgendwann mal zum Telefon greift, um zu fragen, wie es geht oder ob man ein Bier trinken möchte usw. Und natürlich bedeutet Freundschaft auch, für einander da zu sein - aber nicht als Einbahnstraße im Sinne eines Vaters oder einer Mutter. Wenn man nach der Therapie immer noch nicht so weit ist, ohne diesen Ersatz-Vater / Mutter auszukommen, dann dürfte etwas schief gelaufen sein...

'Nächstenliebe' ist doch etwas anderes, meine ich: Damit dürfte nicht gemeint sein, dass ein Therapeut als Messias für alle seine Schäfchen bis an sein Lebensende da sein soll, um hier und da mal ein paar Mal übers Köpfchen zu streicheln. Ansonsten müsste jeder Busfahrer seine Passagiere gratis befördern, weil er sie ja so liebt.

Nächstenliebe bedeutet m.E. eher, dass man seine Mitmenschen achtet. Aber die Achtung kann sich auch darin zeigen, zu vermitteln und zu wissen, wann eine Beziehung zuende ist.

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kleinerfuchs
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Beiträge: 5

Beitrag Sa., 28.01.2012, 18:39

in einigen Punkten gebe ich dir recht. Nehmen wir einfach mal an, dass der Mensch der so auf seinen Therapeuten/in fixiert ist sonst keine ältere Bezugsperson hat. Wäre da die Sehnsucht nicht relativ gut nachvollziehbar und verständlich? In meinem Fall trifft das zu. Kinder die in Therapie das erste Mal Schutz und Verständnis erfahren haben es um einiges schwerer als ein Erwachsener sich von diesem Menschen zu trennen. Ich hätte es nicht verkraftet stehen gelassen zu werden. Vielleicht ist dann etwas falsch gelaufen bei mir. Entwickelt nicht auch ein Therapeut/in eine Bindung zu seinem Klienten? Ich denke schon, dass es in Einzelfällen vorkommen kann, dass dieser nur schwer loslassen kann von einem bestimmten Klienten. Es ist doch menschlich einen anderen Menschen lieb zu gewinnen! Von der jetzt genannten Situation ausgehend finde ich es mehr als normal, wenn ein Kontakt bestehen bleibt. Freundschaft ist vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt. Ich führe ja schließlich auch keine Freundschaft, sondern pflege einen lockeren Kontakt.

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