Den Kopf frei machen.

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
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Rezna
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Beitrag So., 11.12.2011, 18:52

Ich frage mich auch, inwiefern da doch auch Prägungen durch das Elternhaus mitspielen. Ich denke mir oft, was, wenn meine Eltern, ein Elternteil, oder meinetewegen IRGENDEINE Bezugsperson in meiner Kindheit ein Künstler gewesen wäre, also diesen kreativen Zugang gehabt hätte... und ich daran eine art Rollenbeispiel nach dem Motto: So kann man also AUCH leben. Es gibt Menschen die das hatten, und ich kenne solche, und die tun sich viel leichter damit, diesen "bürgerlichen Weg" nicht zu gehen.
Ich wuchs in einer Beamtenfamilie auf, alle Bekannten, Nachbarn, Verwandten waren entweder Beamte oder Hausfrauen deren maximale Kreativität sich auf das "Burda-Schnittvorlagen-Nachnähen-für Kinderkleidung" beschränkte, mit dem man selbige dann in der Schule in die Mobbingsituation brachte. Es gab faktisch nicht einen einzigen kreativen Menschen, jemanden, der ein kreatives Leben wirklich gelebt hätte. Es gab zwar das ein oder andere kreative Hobby, das wurde aber zumeist völlig zurückgestellt, oft auf Jahrzehnte auf Eis gelegt weil man Kinder brauchte oder Karriere oder ausgedehnten Urlaub, oder ein Ferienhaus in Westösterreich.

Die einzige kreative Person im Universum meiner Kindheit und Jugend war ein Professor auf der Angewandten, den mein Vater aus jugendlichen akademischen Kreisen kannte, der in zwanzig Jahren etwa drei mal zu Besuch kam, Abends, wenn wir ins Bett mussten, und zu dem sie mich dann, als ich mich in Richtung Kunst entwickeln wollten, schickten. Dort saß ich dann in einem eiskalten (von der Architektur her) Haus, bei einem faktisch völlig Fremden, der sich in seinem (elitären) Gehabe nicht von einem Arzt oder Anwalt unterschied und mir von Einstellungen vorfaselte, die im völligen Widerspruch zu allem standen, was sich mir dort darbot. Mir war klar: Das... so wie der lebte und war, das war ICH nicht und wollte ICH nicht sein...

Und ja, sie wäre so einfach. So verlockend. Die "bürgerliche Idylle" bei allem Burnout. Immer wieder ertappe ich mich bei den Gedanken, mir damit den Grabstein des Lebens zu basteln, indem ich mich einfach in den samtenen, nett besticken Leichensarg des "normalen Lebens" lege, sauber, hübsch, sicher, und man weiss wo man liegt. Wieder in einen 40 und mehr Stundenjob gehen der einen die Energie zu eh allem raubt, dafür aber dann in der Lage sein, über das eigene Leben und seine Beschränkungen zu jammern, weil was hätte und wäre man ohne die gesellschaftlichen Zwänge. Nur sehe ich eben jetzt die Chance, den Weg zu gehen, in dem ich nicht in der Midlifecisis bis zu meinem Sterbetag gefangen bin, sondern eben genau DAS mache was ich wollte...

Die Schranken zu knacken aber ist nicht ohne. Ich wusste zwar, als ich noch berufstätig war, dass ich genau damit mal werde kämpfen, dass es die Hölle sein würde, gegen diese Beschränkungen anzugehen... und nun, wo es soweit ist, merke ich, dass ich keine Ahnung hatte, WIE heftig das ist. Vor allem, weil ich genau weiss, dass diese Schranken ja "nur" in meinem Kopf sind. Und das ist auch schwer jemandem zu erklärn, warum man etwas nicht "einfach tut".
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Proserpina
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Beitrag So., 11.12.2011, 20:00

Die Schranken die Du spürst, sind exakt so stark, wie Deine intellektuellen Möglichkeiten. Im Grunde bedingen sie sich gegenseitig. Lässt Du an einem Ende locker, wird sich der Zug im gesamten Knoten etwas lockern. Daher meine Frage zu den Übungen. Hast Du keinerlei Möglichkeit sie auszuführen? Bist Du nie allein oder kannst in die Natur gehen und Dich dort irgendwo hinsetzen? Du wirst diesen Knoten nicht mit Grübeleien lösen, da er genau daraus besteht. Mehr vom Gleichen, macht den Knoten nur immer verschlungener und größer.

....

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Beitrag So., 11.12.2011, 22:56

@Arta: also ich hatte den Zirkusäffchen-Effekt.

Bei meiner allersten Zeichnung ist die Lehrerin durchs ganze Schulhaus gelaufen, hat den Direktor informiert und meine Mutter auch, dass ich eine außergewöhnliche zeichnerische Begabung hatte.

Ähnliches Umfeld wie dir Arta. Ich endetet als Kopist von Goblinstickvorlagen mit Mohnblumen, die ich Akkord malen musste. Machte ich was anderes kam das einem Suizid gleich.

Also entickelte ich so einen Widerstand gegen das Malen, das ich regelrecht Blockaden bekam. Mein Gym-Prof raunzte noch "zwischen Genie und Wahnsinn" und dann wars vorbei, jahrelang nicht gemalt, ärgste Aggressionen wenn ich einen Pinsel in die Hand nahm, bis heute , ich zerstöre Pinsel, Leinwände, etc. das sind richtige Orgien der Zerstörung und immer das gleiche Bild vor meinem geistigen Auge, ich setzte mich hin und muss Mohnblumen und Sonnenblumen nach Vorlage malen... Selbst die totale Freiheit an der Kunstakademie konnte das nicht mehr gut machen... mittlerweile habe ich spielerische Wege gefunden "schlechte" Sachen bewusst zu malen, bewusst schlecht zu sein, sein zu dürfen.

Meine Mutter, mittlerweile 82, ätzt immer noch, wenn sie zufällig ein Foto von mir sieht, das ist abgeschnitten, sie mag das nicht, alles muss immer drauf sein, die Füsse der Kopf, die Hände, alles muss drauf sein...

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Beitrag So., 11.12.2011, 23:51

Proserpina, was für Übungen empfiehlst du.
Es stimmt, zerre ich an der einen Ecke, gibt es auf der anderen einen Gegenzug. Immer wieder eskaliert das, und dann gebiert sich eine Erkenntnis. Naja, zumindest ist es nie völlig sinnlos. Meine Thera hat es nicht umsonst schon Geburtswehen genannt.
Wenn du konkrete Übungen kennst, würde mich das interessieren. Nicht dass ich meine Ideen für unbedingt halte, aber es wäre schade, wenn ich davon nie etwas umsetze, weil ich so etwas wie ein 3-Stooges-Syndrom bezüglich Kreativität habe. Raum für mich... hmmm... muss ich mir wohl suchen.

@sofa-held
Weia. Sowas kanns einem echt austreiben. Aber ja, die Gewaltorigen gegenüber Künstlerbedarf sind mir sehr vertraut. Die Zeichenversuche der letzten Jahre endeten oft damit, dass ich den Bleistift vor Hass so extrem aufgedrückt habe, dass er zerbrach. Durchkritzeln bis das Papier reisst. Deswegen hatte ich auch eine wahnsinnige Angst vor der Maltherapie auf Reha. Und dort saß ich auch wie ein Hirni. In der ersten Einheit stand ich fast zwei Stunden vor dem leeren Blatt, starrte es mit tiefster Verachtung an. Bewunderte irgendwie die Anderen, die so "frank und frei" drauflos malten, ohne Blockade. Aber alles was sie machten verkrampfte mich und ich dachte: Wie kann man beherzt so etwas malen ohne sich völlig idiotisch vorzukommen? Also ich übertrug meine eigene Angst, Einstellung auch auf Andere. Und hasste nur noch. Irgendwann dachte ich: Ich bin hier. Die Zeit ist für nichts anderes da als um zu malen. Hier sind Utensilien. Und dann habe ich in den letzten 5 Minuten wie ein Wahnsinnige zwei Bilder gemacht. So schnell, dass ich darüber nicht nachdenken konnte, ich agierte nur. Den Anderen gefiel, was da raus kam (und mir zuzusehen) ich hasste es. Was auch sonst. Aber ich kämpfte jede einzelne Einheit in der Maltherapie. Ich hasste jede Minute, obgleich es mich zugleich so zum Malen zieht. Es ist schwer, es zu erklären. Aber ich hatte dann ein paar Tage, da hab ich es geschafft, nicht "leisten" zu müssen. Ich stellte mir einen Wecker, stöpselte Musik ein und gab mir pro Zeichnung nur exakt zehn Minuten. Danach musste ich das Blatt weglegen. Um quasi zu trainieren nicht so verkrampft perfektionistisch an die Sache heranzugehen. Das hat auch funktioniert. Allerdings kam einige Tage darauf wieder die übliche Zerstörungswut, ich zerriss die Zeichnungen, verteilte sie im ganzen Zimmer, es sah aus als hätte ein Orkan gewütet. Und seitdem: Nichts mehr.

Das muss aufhören. Irgendwie. Oder sich einfach konstruktiver äußern. Das ist ja eigentlich eine enorme Kraft, eine ordentliche Portion Energie, die da immer verpufft. Es wäre gut wenn ich lernen könnte, sie konstruktiv in die Dinge zu stecken, anstatt in die Zerstörung, Grübelei, Verkrampfung, Hass.

Ich hatte mir vor drei Jahren, als ich die Therapie begann, erhofft, da könnte ich das lösen. Aber alle Zugänge wuchsen schneller zu als sie geöffnet waren. Oder anders: Es ist als baute ich beständig Sandburgen die die Flut wieder wegschwappt. Verschiedene Herangehensweisen, Methoden... aber dieser Wulst ist verdammt mächtig... (Als ich "Wächter der Nacht" sah, die Zauberin die diesen Wirbel über sich hatte, der am Schluß sogar Flugzeuge zum Absturz bringen konnte... da dachte ich: Genau so fühlt sich das bei mir an irgendwie. Ein schwarzer destruktiver Wirbelsturm, und er hat dieselbe Ursache: Ich verfluche mich. Nur gelingt mir (noch) nicht, den Fluch aufzuheben, weil ich offenbar noch nicht herausgefunden habe, WOFÜR ich mich verfluche).
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 00:50

Arta hat geschrieben:Ein schwarzer destruktiver Wirbelsturm, und er hat dieselbe Ursache: Ich verfluche mich.
so, bist du m/ein alter ego, ich raff das grad nicht, auch die Schilderungen mit dem Bleistift eindrücken bis er bricht, die Leinwand zerstören, genauso, anderer Ort, andere Person, selbes Programm: Destruktion.

ich hatte irgendwann vergessen, dass ich mich hasse, alle Welt liebte mich, meien Äußeres, meine Jugend, meine Rebellion, es war ja grad so hipp, heute bin alt und peinlich. Zumindest sehe ich das so.


Proserpina
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 11:36

Arta, ich muss das dann mal tippern und Dir Links raussuchen. Das mache ich im Laufe des Tages, versprochen. Momentan habe ich nicht die Ruhe für längere Postings.

++++

sofa-held,-
heute bin alt und peinlich. Zumindest sehe ich das so.
...darf ich fragen, wie Du darauf kommst?

....

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Rezna
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 13:37

sofa-held hat geschrieben:Zumindest sehe ich das so.
Das ist ja so ein bescheuerter Punkt an dem ich auch stolpere. In der Regel ist das nicht die Sicht der Anderen, sondern die eigene Einschätzung. Ich bin zwar noch ein paar wenige Jährchen jünger, sehe mich aber schon deutlich als "im Leben gescheitert", eben, weil ich bis jetzt zwar brav funktioniert habe, aber nicht das umgesetzt habe, was ich immer schon wollte. Und durch das lange vor mich her schieben, gar wegschieben um "das akzeptierte Leben der Gesellschaft" leben zu können, an einem Punkt bin, an dem ich meine Ziele vielleicht vor lauter Blockaden nicht mehr umsetzen kann. Ich hatte diese Blockaden in jungen Jahren nicht. Der Freund meiner Schwester fragte mich mal, ob ich Comics mache, und es endete irgendwie mit einer Art Wette, von Wegen, das wolle er mal sehen, er glaube es erst wenn er es sehe. Ich setzte mich sofort hin, und machte ein ganzes Comicheft. Ich hatte keine Hemmungen, keine Ängste, ich machte es einfach. Ich hatte nicht einmal Angst davor, zu versagen, oder was blödes, entbehrliches oder schlechtes zu machen. Kurzerhand kopierte ich mehrere Exemplare die ich im winzigen Rahmen in Umlauf brachte. Fertig.
Ich schrieb Gedichte... machte Gedichtbände... einfach so. Weil ich wollte. Ohne Tamtam. Oder schrieb die Kalenderbücher voll, die mein Vater meistens als Werbegeschenk bekam, eine Geschichte nach der Anderen. Damals noch mühsam mit der Hand. Aber auch als ich eine Schreibmaschine zur Verfügung hatte (Computer gab es "bei mir" ja erst ab zwanzig...) tippte ich los... und da konnte man ja viel weniger korrigieren... es war ein schönes Gefühl, am Ende eine Seite aus der Walze zu ziehen und eine ganze Seite verfasst zu haben. Arbeit und Ergebnis lagen so knapp beieinander.

Es ist so, als blicke ich in ein anderes Leben in einem Paralleluniversum. Als wäre ich eine Folie und das andere, mein jüngeres Ich, eine andere Folie. Und diese Folien sind nicht "dasselbe" die eine kann nur noch die Schablone der anderen sein, maximal. Eigentlich... ja... eigentlich könnte sich ja daraus was komplexes Neues ergeben. Ich eine dritte Folie beginnen, aufgelegt auf das "wilde Jugend ich, das einfach machte" das "verkappte Erwachsenen ist, das blockiert war" und aus den Mustern dieser beiden etwas Neues erschafft, ohne deswegen das Jugendiche zu sein, denn das sieht man ja schon durch, oder durch das Erwachsene gehemmt zu sein, denn es ergänzt das Jugendliche um etwa die Facette des professionellen Anspruchs. Hab ja auch dazugelernt, auch wenn ich blockiert war. Die dritte Folie wäre dann wohl die aktuelle, die sich gar nicht mehr neu erfinden müsste, sondern nur noch an den richtigen Stellen Verbindungslinien und Punkte malt, bisschen was Neues... und eigentlich mit weniger Aufwand als ich mir aktuell vorstelle, was "gscheites" hin bekomme.

Denn ja, EIGENTLICH ist ja alles da. Es ist nicht so, als müsste ich etwas her zaubern, das fehlt. Vielleicht sogar das Gegenteil. Vielleicht habe ich durch das ganze aufgesetzte wollen, müssen, sollen... den Druck den ich mir mache, noch ein paar Folien dazwischengeschoben, sodaß keine klaren Strukturen mehr sichtbar sind, nur ein dunkler Wuschel. Würde bedeuten, die unwichtigen Folien raus zu nehmen. Für "andere" Vorlagen. Und das sortieren in: Der kreative Prozess. Die Ausarbeitung. Die Vermakrtung. Drei säuberlich voneinander getrennte Dinge. Nicht wie jetzt, wo immer alles gleichzeitig da ist. Und so ist es aber. Während ich etwas tue geistert bereits die Verbesserung dessen, und die Frage des "und wie steh ich da zu jetzt?" gleiberechtigt im Raum (meinem Kopf). Ich kann wohl, wie mir nun klar wird, offenbar den kreativen Prozess vom Rest nicht (noch nicht) abspalten. Das wäre aber wohl wichtig. Nicht umsonst hat auch in einer Firma jede Abteilung ihre Aufgabe, weil der Designer wohl kaum was zustande brächte, wenn er das Produkt auch noch zeitgleich konstruieren und absetzen müsste. Anderseits ist das aber die Gegenwart bis Zukunft der Welt. Alle machen alles. Von der Planung bis zur Buchhaltung, von der Durchführung bis zum Marketing... ist es oft so, dass das wirklich immer öfter einer alleine macht - immer seltener delegiert wird. (zumindest meine Beobachtung in der Branche... allerdings auch in anderen, durchwegs handwerklichen Branchen... eigentlich braucht man oft nur Websites lokaler Betriebe ansehen...). Aber ja. Auch wenn mans alleine macht, so bleiben es getrennte Prozesse. NACHEINANDER.

Gnarg... umsetzen. Das Umsetzen lernen ist hart. Weil man ja mal dann doch kategorisch zwei Drittel dessen was man vor hat ausmisten muss aus seinem Kopf. Und das praktisch zu tun, das können... ja da hoffe ich jetzt mal auf Praktiken.
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Proserpina
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 18:59

So, liebe Arta, zuerst mal einige Gedanken zu Passagen, die mir in Deinen Postings ins Auge fielen. Ich möchte vorwegschicken, dass ich nichts von alledem was ich jetzt schreibe, in irgendeiner Form angreifend meine (also frage bitte ggf. nach, so Du Dich brüskiert siehst), wobei ich stark davon ausgehe, dass Du mich schon richtig verstehen wirst.

Ich habe zunehmend den Eindruck, dass Du zu einer gewissen Art von Hysterie neigst, wenn Du Dich in Dir selbst verfängst. Das meint konkret, dass ich beim Lesen und Hineinspüren in Deine Zeilen, solch ein seltsames Ahnen habe, von maskierten Gefühlen. Du selbst scheinst das bereits erkannt zu haben, wenn Du postulierst:
Nur gelingt mir (noch) nicht, den Fluch aufzuheben, weil ich offenbar noch nicht herausgefunden habe, WOFÜR ich mich verfluche).
Ich denke, dass dieser dunkle Wirbel den Du beschreibst (welchen ich mit "eine gewisse Art von Hysterie" meine) und der an Deinen Selbsthass (den Fluch) gekoppel zu sein scheint, mit eben diesem einen Verbund bildet, einen Abwehrmechanismus, für etwas das darunter liegt und von dem ich nur vermuten kann, was das sein könnte. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir nun folgende Erklärung anbieten:

Es dürfte Dir bekannt sein, dass Erfahrungen die wir wiederholt machen, sich irgendwann zu Routinen verfestigen können, die dann regelrecht automatisch und unbewusst ablaufen. Einen solchen Mechanismus entdeckte ich eines Tages bei mir, als ich mich zum wiederholten Male fühlte, wie eine Bombe kurz vor der Explosion, mir selbst hilflos ausgeliefert, weil ich es wieder einmal nicht fertigbrachte, mich selbst so zu konditionieren, wie ich mir das rational so einfach vorgestellt hatte.

Mir wurde plötzlich auffällig, dass der Selbsthass und die destruktiven Gedanken ("Ich kann das eh nicht, bin zu blöd, unfähig, nichtsnutzig etc. pp....") in dem Moment auftauchten, als ich merkte, dass da wieder etwas nicht hinhaut und ich begann innerlich zu überdrehen und ich das Gefühl hatte, mein Inneres verwandelt sich in einen reißenden Fluss und trägt mich einfach mit 100.000 Gedanken mit sich fort. Ich bekam nichts mehr zu fassen in mir, stand mir selbst vollkommen hilflos gegenüber. Und dann wurde mir klar, dass ich jedes Gefühl, selbst den Selbsthass und dieses innerliche Überkippen (die Hysterie) besser ertragen konnte, als diese Hilflosigkeit.

Lieber verdammte ich mich in Grund und Boden, beschimpfte mich innerlich in Inbrunst und rotierte hysterisch in mir herum, als mich tatenlos hilflos zu fühlen, was ich schlicht nicht aushalten konnte - lieber wäre ich gestorben. Ich hasste mich dafür, dass mir all mein Intellekt nicht das geringste Bisschen nutzte, wenn ich an mir selbst und diesem Etwas in mir scheiterte, das einfach nicht in der Lage zu sein schien, meine eigenen Vorgaben umzusetzen. Und dann kam mir irgendwann die Idee, dass das daran liegen könnte, dass "mehr vom Gleichen", also mehr Forderung nach Disziplin und Zusammenreißen, mehr Selbsterziehung, mehr Druck, mir nur eines bescheren würde, nämlich den entsprechenden Gegendruck. Und da ich in mir genauso stark bin, wie ich es nun mal bin und kein Teil stärker ist als das Gesamte, kann ich das da in mir nicht besiegen. Ich kann nur lernen, es zu verstehen.

Ich fragte mich, warum ich Hilflosigkeit so schwer aushalten könne und kam damit der Lösung näher. Meine Antwort war: Weil ich zuviel davon schon hatte erfahren müssen und nie gelernt hatte, damit umzugehen. Immer war diese Hilflosigkeit an regelrechte Todesängste gekoppelt gewesen, welche ich als Kind in solchen Situationen durchlitten hatte, die ich jedoch unbewusst wegdrücken musste, um weiter überleben/irgendwie funktionieren zu können. Es war ein Automatismus geworden und der Hass und die Hysterie, maskierten diese uralten Emotionen in mir, die jedesmal getriggert wurden, wenn ich mich hilflos fühlte. Das erklärte dieses (teilweise aggressive) Überkippen (ich habe auch öfter mal Dinge zerstört in solchen Momenten), das ich in der aktuellen Situation als übersteigert empfand, jedoch nun, als ich den Kontext herstellte, zu den alten Narben die getriggert wurden, es in einem neuen (und durchaus angemessenen) Licht erscheinen ließ.

Ich könnte mir vorstellen Arta, dass wenn es mal wieder "mit Dir durchgeht", da etwas sehr Ähnliches bei Dir geschieht.

++++

Zu den Übungen. Hast Du schon einmal meditiert oder mit Imagination und Autosuggestion gearbeitet? Hast Du Erfahrungen mit Autogenem Training oder Progressiver Muskelrelaxation? Ich habe mir nämlich überlegt, dass wenn, wir etwas finden müssen, was Dich erst einmal runterholen kann, in solchen Situationen. Daher versuche ich es jetzt mit Fragen erst einmal ein wenig einzugrenzen, was für Dich in Frage käme.

....

PS: An Denkstörungen im klassischen Sinne glaube ich bei Dir btw. nicht mehr. Bedenke eines, Arta, das Ding da in Deinem Kopf, es ist verdammt schlau. So schlau, dass es sich auch in genialer Weise selbst verrückt machen und alte Wunden deckeln kann. Das was Du da jetzt so oft hasst in Dir, das hat Dir vermutlich einst das Leben gerettet, wenn mich jetzt nicht alles täuscht.

....

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Rezna
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 21:16

Danke Proserpina!!!
Keineswegs fühle ich mich angegriffen, im gegenteil, ich habe das Post mit brennender Neugier gelesen... halb im Sprung vor Spannung, ob da dieser eine Punkt, dieser eine verdammte Punkt kommt, von dem ich weiß dass er da ist, den ich aber noch nicht finden konnte... dieser Wurstel der den Knoten lösen kann.

Und da kam dann diese Erkenntnis.

Ich würde es fast weniger unmittelbar Hilfosigkeit nennen, obwohl es eigentlich in der Konsequenz dann doch wieder das ist. Es ist: Kontrollverlust. Also die Angst davor.

Denn ich frage mich: Dieser Selbsthass, bei aller Wucht und Destruktivität, soll mich vor etwas schützen. So funktioniert die Seele ja eigentlich. Die Störungen oder Blokaden sind Schutzmechanismen, sehr sinnvoll, die aber irgendwann überhand nehmen, oder nicht mehr die aktuell adäquate Lösungsstrategie. Und da dachte ich: Warum mache ich mich selber sofort runter, und zwar "runterer" gehts gar nicht mehr. Niemand von Aussen könnte mich so runter machen. Selbst wenn irgendwelche traumatischen begebenheiten sind (etwa damals das verpatzte Vorstellungsgespräch) bin ich immer noch schneller als alles andere, mache ich mich immer noch ein bisschen mehr runter.
Also: Ich komme jemandem oder etwas zuvor.
Ich möchte einem Angriff zuvor kommen.
Aber warum?
Weil es dann ICH in der Hand habe. Weil ICH dann die Kontrolle darüber habe WER mich fertig macht. Ich bin nicht dem ANDEREN ausgeliefert, sondern nur noch mir selber, und das ist vertraut. Das tut... vielleicht... in einer Vortsellung... weniger weh, ist weniger bedrohlich. Weil ich (zumindest die Illusion habe) dass ich selber bestimme, wie fertig ich mich mache, wie lange, wie intensiv...

Wenn ich mich, aktuelle Fotosituation, also selber total runter mache, dann will ich etwa meinem Umfeld zuvor kommen, das sagen könnte: Arta, du hast es inszenziert, und nun versagst du. Das muss keineswegs passieren, aber ich betrachte es als eine Möglichkeit des Angriffs der kommen KÖNNTE. Und bevor es noch soweit kommt, werfe ich mich in den Staub, hasse mich, damit niemand mich mehr hassen kann als ich, mich niemand mehr runterdrücken kann, denn ich bin schon unten. Ich komme zuvor. Und darin steckt durchaus auch ein gewisser Rehabilitationsgedanke. Quasi: Wenn jemand bereits im Staub liegt, tritt man nicht nach. Oder: Ich mach mich "eh schon selber fertig" also "hab erbarmen" und verschone mich.
Woher das kommt.. brauche ich nicht lange suchen. Klassische Situation. Werde von den Eltern geschlagen. Und künftig ducke ich mich vor meinem Vater weg, obwohl er gar nicht vor hatte, mich diesmal zu schlagen. Ich ducke mich schon vorher weh, quasi "ich weiß, ich will nicht provozieren, ich bin nicht da." was so nicht funktioniert hat (da hat er erst recht zugeschlagen). Also blieb, sich selber mehr antun. Am besten so viel, dass andere zu Rettern werden müssen.

Als heisst es, sich mit dem zu konfrontieren: Was ist das schlimmste was passieren kann, wenn nicht ICH mich in den Staub drücke? Wenn ich mich annehme? Eigentlich bin ich nicht in Gefahr, mehr. Hilflosigkeit. Mich nicht hassen, weil ich was versemmelt habe, oder versemmeln könnte, um damit zu implizieren: Es liegt in meiner Hand. Sondern es annehmen, dass ich manches eben versemmel, und das aber nicht schlimm ist, ich deswegen ALS GANZER MENSCH immer noch ok bin. Und das ist definitv auch so ein Punkt. Denn ich habe ja nur ein Fotoshooting versemmelt, oder ich stocke ja nur an einem Roman, kämpfe mit einem Bild... aber die Agression trifft nicht was ich mache an sich, sondern mich ans komplette Person. Anstatt quasi: Ich, kreative Arta, schaffe dieses Bild nicht. Ich kann es nicht, mir fehlt dazu eben was auch immer. Deswegen bin ich als Arta aber immer noch ein vollwertiger, liebenswerter Mensch - der eben nur etwas nicht kann. Und dass ich etwas nicht kann, ist per se nicht schlimm, man kann alles lernen. Das braucht Geduld und Zeit, aber es ist möglich.

Angst vor Unzulänglichkeit. Angst vielleicht etwas nicht (sofort) zu können. Lieber Hass und damit Kontrolle, die Illusion einer Macht, als die Hilflosigkeit gegenüber einer Sache die ich mir vornehme.
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 21:23

Ich habe tatsächlich schon öfter mit Autosuggestion gearbeitet, habe mit autogenem Training sogar meinen Heuschnupfen "besiegt" (auf ca. 10% seiner ursprünglichen Intensität geschrumpft). Ich muss dazu aber wirklich für mich auch eine glasklare logische Herleitung haben. Schon als Kind habe ich das bei Bauchschmerzen gemacht. Ich habe mir Medizinbücher her genommen, nachgelesen wie der Darm funktioniert, Magen... und mir quasi meine Schmerzen weg gedacht indem ich quasi meinem Darm "Anleitung" gab... schwer zu erklären. Eine eher unguter Erfolg auf anderer Ebene ist, dass ich mich bewusst darauf Konditioniert hatte, nicht zu erbrechen. So gut, dass selbst jetzt, 25 Jahre immer noch anhält, ich mich niemals übergeben kann, egal welche Reize ich ausübe oder was ich zu mir nehme. Das kann mal gefährlich werden. Was ich sagen will. Definitiv funktioniert es, ich muss aber die Mechanismen genau verstehen. "Positiv Denken" in der Form von Affirmationen für den Zweckoptimismus funktioniert nicht nur nicht, sondern geht nach hinten los. Ich kann mir wohl hervorragend einreden, dass es klappt, weil ich das will, aber der Gummibandeffekt ist dann umso fataler.

Das heisst, es geht nun an die "Spurensuche" zu verstehen, welcher Mechanismus nun genau wie funktioniert, um ihn abzulenken oder gar aufzuheben.

Mdidation habe ich oft versucht, wirklich funktioniert hat es aber bisher immer nur aus Zufall. Ja, wenn es... NEU war. Meine erste Medidation in der Schule mit der Lehrerin... da war ich voll drin, obwohl in einer Klasse mit 30 Schülern. Ein andermal war ich völlig in Trance als ich eine Musik im Radio hörte... aber bisher war das nie bewusst reproduzierbar. Weil... rate mal... ich sofort den Anspruch der "optimalen, allumfassenden Supertrance" hatte... und wenn bewusstes Einlassen auf die Medidation nicht funktionierte, wie auch, so verkopft, dann gab ich bald auf. Und eben das- nicht bewusst "gewollt" zu haben, ermöglichte mir die Zustände der zufälligen Medidation, in der ich noch nicht wusste was passieren wird, worauf ich mich einlasse. Was mir nun auch insofern klar ist, da auch das: Das loslassen in der Medidation... ein Kontrollverlust ist, bis zu einem gewissen Grad, mich dem "sein" ausliefern.
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 21:33

Nach nochmaligem Durchlesen kam mir in den Sinn, dass ich vielleicht damit versuche, eine Rettung zu "erpressen". Ich meinem die zutiefst innesteckende Sehnsucht in all dem Hass ist ja die Erlösung davon. Eine, die ich mir selber aber ja nicht gönne, ich bin mit hassen beschäftigt. Und ich muss auch hassen... sonst funktioniert wiederum das mit der Erlösung nicht, auch Geburt oder Rettung.

Ich inszeniere da etwas.

Zugegeben, hab mich kürzlich mit der Transaktionsanalyse befasst und viele Aha-Erlebnisse gehabt... aber immer streife ich diesen einen Punkt nur... Das selbe Bild immer wieder in allen Facetten. Was Reinszeniere ich eigentich? Aufbau, Vernichtung, Aufbau, Vernichtung... oder auch Qual, Erlösung, Qual, Erlösung...

Das hab ich mal gelernt, es hatte mal Sinn. Jetzt nicht mehr, jetzt darf ich mir erlauben, das los zu lassen. Weder muss ich für Erfolg büßen, noch kompromittiere ich jemanden dadurch, dass ich etwas "kann". Und ja, diesen Aspekt habe ich beim Studium der TA herausgefunden.

Ich bin knapp dran. Das spüre ich.
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 21:39

@Arta, mir gefällt dein 3-Folien-Bild sehr gut, ich sehe das ähnlich, dass die wilde Kreativität und Rebellion mit 17 oder auch mit 27 um die erwachsene Facette und Erfahrung von jetzt schon irgendwie ein komplexes und interessantes Bild ergibt. Das klingt auch sehr positiv.
Ich hab nur momentan auch noch so mit den BO-Folgen zu kämpfen, auch körperlich, die ADs machen mich müde, und nach seratonin-induzierter Wohligkeit entsteht oft eine Leere und eine Sammlung aus Dingen, die ich nicht will.

Ich hab jetzt mal bei einem Pappbecher in den Boden ein großes Loch geschitten und musste laut lachen, als ich ihn hingestellt habe. Dieser Becher ist wie ich. Irgendwie zerinnt mir alles, manchmal gelingt mir was, das geht dann wie von selbst, aber das zu selten.

... ich möchte trotzdem nicht mehr in die bürgerliche Existenz zurück. Bahh, heute wieder am AMS.... alleine dafür brauch ich ein paar Tropfen Diazepam zu meinem AD zustätzlich. Ich möchte einfach frei sein. Ich hab dieses System, in dem ich lebe nicht geschaffen. Das haben andere gemacht, die mit der Erschaffung des aktuellen gesellschaftlichen Treibens sich einen Vorteil verschafft haben. Ich hab wenig von dem System und dewegen juckt es mich auch nicht mehr sonderlich. Weder die Schauspielerei beim AMS noch sonst irgendwas.

Ich glaub ich bin jetzt so weit, dass ich mein neues Leben beginnen kann...


PS: also einen Kreativ-Blockade mit Autogsuggestion besiegen, daran glaub ich nicht. Meditation, dich ich selbst lange Zeit intensiv praktiziert, mind. eine Stunde täglich vor der Arbeit, am Abend gelegentlich auch... kann das für mich auch nicht.


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Beitrag Mo., 12.12.2011, 23:23

Arta,-
Du postulierst:
Angst vor Unzulänglichkeit. Angst vielleicht etwas nicht (sofort) zu können. Lieber Hass und damit Kontrolle, die Illusion einer Macht, als die Hilflosigkeit gegenüber einer Sache die ich mir vornehme.
Und ich frage mich: Wer hat Dir das beigebracht? Respektive, wer oder was war es, das Dich dazu brachte es Dir beizubringen? Kannst Du Dich erinnern?

++++

Zu der Sache mit den Übungen. Welches Verhältnis pflegst Du zu Deinem Körper? Entspannt oder eher verspannt? Fühlst Du Dich wohl in/mit Deinem Körper?

....

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Beitrag Di., 13.12.2011, 03:46

@sofa-held
Ja, die BO-Folgen machen mir auch zu schaffen. Vor allem auch wiederum die große Angst davor, wieder hineinzurutschen. Ich denke mir, so ganz wird man nie wieder heilen, die Kerbe ist geschlagen und die Narbe da. Hatte heute auch AMS Termin, und ich merkte wie einerseits die "alten" Ängste hoch schwappten, ich mir aber immer wieder mantraartig sagte: Mir kann nichts passieren. Ich ging hin mit der festen Überzeugung, man wird mich blöd angehen, herablassend behandeln, ungut und (verdeckt) aggressiv mir gegenüber sein. Ich sagte mir im Vorfeld, dass ich das wohl durchaus Fehler mache, sich aber niemand herausnehmen dürfe, schon gar nicht auf dem AMS, mich deswegen unhöflich anzugehen. Denn immerhin ist das keine persönliche Sache zwischen mir und den Beratern. Ich war auf einen Schlagabtausch eingestellt, lese derzeit auch Bücher darüber, wie man mit (verbaler) Aggression umgeht, also schlagfertig kontert. Nicht das einzige Buch das mir derzeit Rüstzeug für das soziale Leben zeigt. Ja, Rüstzeug kommt dem am nächsten. Ich will jede Regung verstehen, sehe es wie eine Rüstung die ich tragen kann, ja eine art Tarnmäntelchen durchaus - auf umgekehrte Weise. Damit niemals, zumindest von Aussen, jemand bösartig gegen mich sein darf. Nicht ungestraft. Dass ich souverän bleibe. Denn dann, ja, dann so denke ich, schaffe ich es auch, mich selber vielleicht nicht mehr hassen zu müssen (um mich zu schützen). Die Kontrolle also auf einer anderen, pragmatischeren Ebene auszuüben. Nämlich ein oder zwei Meter VOR mir und nicht IN mir. Nichtsdestotrotz... vier Stunden auf sein (auch sitzen) und mein Rücken tut weh... ich muss mich hin legen. Jobfit ist das noch lange nicht.
Aber durchaus tu ich mir auch leichter mit dem AMS, weil ich denke: Was können sie mir anhaben? Das allerschlimmste wäre, dass sie mich sperren. Und damit kann ich aktuell gut umgehen. Das ist KEINE Gefahr für mich... zumindest eine deutlich geringere, als ein depperter Job, Chef, Kollege...
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Beitrag Di., 13.12.2011, 03:53

@Proserpina
Mit "beigebracht" meinst du, wer mir beigebracht hat, Hass als Kontrollinstanz zu gebrauchen um Hilflosigkeit zu kaschieren? Ich denke, da waren meine Eltern gute Lehrer, in jeder Hinsicht. Beispielsweise hatten sie eine schwere Zeit durch Umstände die sie selber verschuldet haben, und die ihnen genug Schuldgefühle bereiteten, sich selber zu hassen - nur, dass sie diesen Hass auf uns Kinder übertragen haben, indem sie uns schlugen, tyrannisierten. Von da ging, großteils Parallel, die Kanalisation des Selbsthasses (und damit Selbstverletzung) in den Alkoholismus (väterlicherseits) und Krankheit (bzw. die Erpressung damit mütterlicherseits) einher beziehungsweise über. Meine Mutter hasste sich für ihr/mein Leben, sie hat mich sehr früh bekommen, hatte nie die Gelegenheit wirklich zu entscheiden (sie wollte mich verlieren, hat naive selbsttätige Abtreibungsversuche unternommen). In ihrer Fantasie hätte sie ALLES in der Welt werden und sein können, wenn sie, ja wenn sie nicht Mutter geworden wäre. (Ich bezweifle das, so wie ich sie kenne sucht sie nur sehr gerne Ausreden bei Anderen/Umständen). Den selbsthass den sie litt, übertrug sie auf mich, die sie als irgendwie Teil ihrer selbst sah. Und der Hass den sie auf sich hatte, übertrug sie immer heftiger, je mehr ich in das Alter kam in dem sie schwanger wurde. Als wäre ich der Teil in ihr, den sie nun im Aussen rehabilitieren könnte, indem sie ihm alles zerstört was auch nur ansatzweise dazu führen könnte, ihr Leben zu widerholen. Deswegen habe ich auch solche Schwierigkeiten gehabt, zu Liebe zu kommen und befreite mich dahingehend erst mit 28. Mein Vater liebte meine Mutter wohl abgöttisch, und sah uns Kinder gerne als den Teil der sie von ihm trennte. Als meine Mutter krank wurde und es nach sterben aus sah, gab er uns Kindern die alleinige Schuld daran. Als könnten Kinder an einer Autoimmunerkrankung schuld sein. Ich wette, hätte es eine Methode gegeben, seine Kinder einzuschmelzen um ihr Leben zu retten, er hätte es ohne mit der Wimper zu zucken getan. Die Hilflosigkeit, mit Abtreibungen, Fehlgeburten, Krankheiten umzugehen wurden in hasserfüllte Gewalt umgesetzt, die zugleich die Kontrolle über einen Störfaktor des Lebens - also die Kinder - erobern sollte. Was zynisch klingt bestätigte mein Vater sogar, als ich bereits über 30 war, als er offen und deutlich bedauerte, dass er uns nicht mehr zurechtschlagen könne, um wieder die Kontrolle, die alleinige Macht zu haben, und sich unsere "Widerborstigkeit" nicht geben zu müssen, weil wir zu groß geworden wären. Wären wir neun Jahre alt gewesen, er hätte sich damit die Kontrolle über seine Ehe, und damit sein Leben, zurückerobert, indem er uns geschlagen hätte.

Welches Verhäältnis pflege ich zu meinem Körper.
"Pflegen" ist hier schon so ein Ausdruck der unpassend erscheint. Ich habe jahrelang noch nicht einmal ertragen wollen, eine Frau zu sein, weiblich, weil ich das Weibliche mit der manipulativen, erpresserischen, berechnenden, pseudohilflosen, materiellen (und noch ein paar dutzend unguter Assoziationen) art meiner Mutter verband. Erst spät begriff ich, dass meine Mutter nicht "das Weibliche" oder "die Frau" symbolisierte, ich den Begriff, den Inhalt, für mich definieren konnte. Seitdem kann ich mich zumindest in meinem körperlichen Geschlecht annehmen, die gesellschaftliche Rolle des Geschlechts habe ich nie angenommen. Und sonst? Gewichtsjojo durch Esstörungen, abwechselnd extremst ungesund essen (wochenlang nur von Schoko/Eis) und null Bewegung, und dann wieder nur rohen Salat und jeden Tag stundenlang Sport - egal zu welcher Tages und Nachtzeit, wenn ich erst um Mitternacht nach einem langen Tag heim kam, habe ich besessen auch dann noch Sport gemacht, selbst wenn ich dadurch nur noch 3 Stunden Schlaf ab bekam. Ständiger Wechsel zwischen den Extremen. 20 Kilo zunehmen, 20 Kilo abnehmen, bis zu zweimal im Jahr... Fressanfälle und ebenso tagelanges Hungern, beides als eine Art Protest oder Trotz. Gleichzeitig aber totale Abstinenz was Nikotin, Drogen aller Art, Tabletten... betrifft, nicht mal Kaffe, und jahrleang keinen Tropfen Alk. Ich hatte selbst Gewissensbisse wenn ich zwei mal im Jahr ein Aspirin nahm. Das hat sich sehr geändert. Also auch körperlich sehr ambivalent. Aktuell fühle ich mich absolut, überhauptnicht wohl in meinem Körper. Könnte ich ihn ausziehen, ich täte es wohl. Und ich bin enorm verspannt, mahle Nachts mit dem Gebiss sodass mir tagsüber das Kiefer wehtut, angespannten Nacken sodass ich Kopfschmerzen bekomme, Rückenschmerzen fast täglich...
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

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