Hallo LiliAn,
LiliAn hat geschrieben:Klar, irgendwann sind meine Eltern tot? Werde ich es dann bereuen, ich weiß nicht. Ich denke nicht.
Genau diese Frage stelle ich mir auch immer und immer wieder, wobei sie sich bei mir eher auf meine Mutter bezieht. Ich fühle ihr gegenüber NICHTS (bilde ich mir ein, meine Thera ist da anderer Meinung) und ich frage mich, was ich wohl fühlen würde wenn sie tot wäre? Ob es mir dann besser gehen würde?
Ich habe in meiner Kindheit keinerlei körperliche Gewalt erleben müssen, bin auch nicht "aktiv" niedergemacht worden, aber emotional total vernachlässigt worden . Ich bin ein sog. Sandwichkind (d.h. in der Mitte von mehreren Kindern geboren worden) und während sich meine Eltern wunderbar um die Grosse und auch um die Kleine gekümmert haben, bin ich komplett nebenher gelaufen. Das führte schon in der frühestens Kindheit dazu, dass meine Eltern zu keinem Zeitpunkt Bezugspersonen für mich waren und ich zu keinem Zeitpunkt Vertrauen zu ihnen hatte. Ich habe von Anfang an Probleme, Sorgen, Nöte in mich reingefressen - zuerst sinngemäss, später wortwörtlich. Körperlichen Kontakt oder verbale Liebesäusserungen hat es nie gegeben.
Mittlerweile ist es so, dass meine Mutter eher eine Fremde für mich ist, die leider seit der Geburt meiner Tochter (= ihr 1.Enkelkind) einen auf "Mutter-Tochter" macht und verlangt dass ich mitmache. Plötzlich interessiert sie sich für mich (oder doch nur fürs Enkelkind?), plötzlich nimmt sie mich in den Arm (verursacht Gänsehaut bei mir !!!), plötzlich verhält sich sich wie eine vermeintlich Vertraute. Ich kann und will da aber nicht mitmachen, für mich kommt das alles 30 Jahre zu spät! Es ist so wiederprüchlich, denn parallel kritisiert sie mich wo es nur geht. Alles mache ich falsch (im Bezug auf meine Tochter), alles weiss sie besser .
Auch ich wohne etwas weiter weg von meinen Eltern und somit bin ich genau da, wo du auch bist:
LiliAn hat geschrieben:Naja, alles in allem führt dazu, dass ich die Besuche bei meinen Eltern schon sehr stark reduziert habe und alles mit "keine Zeit" begründet habe. Ich besuche sie eigentlich nur noch, wenn ich parallel dazu Freunde besuche, die dort in der Nähe wohnen ...
Bei mir sind es keine Freunde die ich besuchen will, sondern die Tatsache dass meine Schwester ebenfalls zu Besuch ist - sie wohnt auch weiter weg. Eigentlich will ich meine Eltern gar nicht besuchen, auch nicht anrufen. Solange Funkstille ist, geht es mir gut. Bei jedem Telefonat bekomme ich Gänehaut und das dringende Gefühl den Kontakt so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Bin ich bei meinen Eltern zu Besuch, verstumme ich von Stunde zu Stunde, was nicht nur an meiner Mutter liegt, sondern an der allgemeinen Stimmung dort. Und das ist auch der Grund wieso ich nicht nur meine Mutter Mutter meide, sondern auch meinen Vater. Die Beiden gehen so unmöglich kindisch und auf unterster Schubalde miteinander um , damit will ich mir mein Wochenende nicht versauen.
Ich befinde mich in einer totalen Zwickmühle, denn ich glaube nicht das Recht zu haben den Kontakt komplett abzubrechen. Darf ich das als Kind? Muss ich meinen Eltern nicht dankbar sein, dass ich durch sie erst auf die Welt gekommen bin? Zur Zeit kann und will ich den Kontakt nicht abbrechen, irgendwas sträubt sich dagegen. Und dann ist da noch die Tatsache, dass ich eine recht kleine Tochter habe und sie aufgrund der Entfernung zu den Großeltern nunmal auf mich angewiesen ist. Breche ich den Kontakt ab, wird auch meine Tochter keinen Kontakt mehr zu den Großeltern haben / haben können. Muss ich mich deswegen schuldig fühlen, falls ich den Kontakt irgendwann doch abbrechen sollte? Und dann gibt es noch einen dritten Grund, wieso ich den Kontakt nicht abbrechen "kann", denn meine Mutter hat bereits eines ihrer Kinder durch einen frühen Tod verloren. Kann ich es ihr nun trotz Allem zumuten, ein weiteres Kind zu "verlieren"? Und das, "nur" weil diesen Kind keinen KOntakt mehr möchte?
Ich finde die Frage ob man als Kind den Kontakt abbrechen darf / sollte, ganz schwer. Ich bin mir ganz unschlüssig was ich will und was gut für mich ist. Ich befinde mich u.a. auch deswegen in Therapie, bin aber noch ziemlich am Anfang. Wir arbeiten gerade erstmal daran rauszufinden ob ich nicht doch Gefühle für meine Mutter habe, egal in welche Richtung diese gehen werden.
Ich kann dir leider keinen Rat geben, möchte dir aber sagen dass du nicht alleine bist mit deinem Problem .
Liebe Grüsse,
abendrot79