Hallo Nagetier,
da fängt's grad an in dir zu arbeiten, hm? Ich finde auch, es klingt ganz gut, was da gestern passiert ist; vielleicht bröckelt deine Mauer langsam. Dein Gedicht finde ich sehr schön, aber es macht mich auch betroffen. Du hast echt jede Menge Sch*** hinter dir und wohl noch einiges an Weg vor dir, um das aufzuarbeiten. Was dein Ordnungsproblem betrifft, seh ich das aber auch positiv: Da stecken viele Möglichkeiten drin, den Schlüssel dazu quasi "so ganz nebenbei" zu finden. Mir ist nämlich gestern wieder eingefallen, dass sich meine Spinnen- bzw. Insektenangst im Laufe der Therapie ziemlich verringert hat, ohne dass wir da aber je explizit dran rumtherapiert hätten. M.E. war es ein Nebeneffekt der Bearbeitung der Themen "Ohnmacht" und "Hilflosigkeit" - ich fühle mich den Viechern inzwischen längst nicht mehr so ausgeliefert wie früher. Vielleicht musst ja auch du "nur" dein Schlüsselthema finden, um quasi über einen Umweg an dieses Aufräumproblem ranzukommen?
(Und ich vielleicht auch? )
Gestern ist mir auch noch was anderes eingefallen, was mich eher frustriert. Letztes Jahr hab ich's mal über mehrere Monate geschafft, regelmäßig (so alle 2-3 Tage) meinen Abwasch zu erledigen. Anfangs noch mit der üblichen Ich-fang-nochmal-neu-an-Euphorie, dann mit etwas Mühe, zuletzt aber über Wochen hinweg ganz selbstverständlich. Und das hat mich echt glücklich gemacht, weil das so der Idealzustand ist, den ich mir vorstelle. Es war über diesen Zeitraum hinweg wirklich
Routine. Tja, und dann hatte ich mal wieder eine etwas größere Krise und schaffte es nicht, diese Routine trotz meiner Null-Bock-ich-verkriech-mich-Stimmung aufrecht zu erhalten Alles wieder futsch, und ich kann nicht gerade behaupten, dass mich das ermutigt, es wieder und wieder zu versuchen. Ich dachte damals noch darüber nach, dass man gerade in schlechten Zeiten ja Alltagsstruktur und -routine braucht, um darin Halt zu finden, aber eben: ich
dachte Ich hab keine Ahnung, wie ich dem künftig vorbeugen könnte *seufz*
Nagetier hat geschrieben:Es ist ja durchaus der Wunsch da, nach einer Beziehung rsp. Nähe. Ich denke, das ist auch bei dir so. Aber von einer Beziehung bin ich Meilenweit entfernt oder ich rede mir das ein.
Jo, so ähnlich sieht's bei mir auch aus ...
Nagetier hat geschrieben:Nach langen Gesprächen sind wir (Therapeutin und ich) darauf gestossen, dass ich wohl versuche Dissozationen zu verhindern. Diese treten auf, wenn ich nichts zu tun habe oder eben diese Leerelosigkeit fühle. Ich sehe aber das aber nicht als auffüllen, sondern eher als "Ich könnte ja immer was aufräumen" und gerate somit nie (selten) in diese Leere. Natürlich ist das Schwachsinn, weis ich selber
Schwachsinnig find ich das überhaupt nicht, im Gegenteil. Finde das absolut einleuchtend und auch positiv: Du hast dir einen funktionierenden Selbstschutz aufgebaut! Das zu würdigen bedeutet auch anzuerkennen, dass deine Seele einen solchen Schutz
braucht, und dass das Aufräumproblem eigentlich gar kein Problem, sondern eine Stütze ist. Die du womöglich dann nicht mehr brauchen wirst, wenn du die Gründe fürs Dissoziieren aufgearbeitet hast. So gesehen hätte das Nicht-Aufräumen viel weniger etwas Vernachlässigendes, wie es auf den ersten Blick ja wirken mag, sondern im Gegenteil etwas sehr Fürsorgliches. Aber sorry, da bin ich eindeutig schon wieder beim Verpsychologisieren Ganz ohne wirst du m.E. aber nicht auskommen, wenn du das Problem dauerhaft lösen willst.
Nagetier hat geschrieben:"Ich könnte ja immer was aufräumen" und gerate somit nie (selten) in diese Leere.
Das ist auch für mich ein sehr interessanter Ansatz. Ich erinnere mich grad sehr gut an das Gefühl der Leere, wenn meine Wohnung mal picobello aussieht. Immer stell(t)e ich mir dann die Frage: "Na toll, und was mach ich jetzt?". Dabei könnte ich ja gut auch das tun, was ich sonst mache, was mit Aufräumen gar nix zu tun hat. Aber das ist mir dann meistens zu fad, hmmm ... Ok, darüber werd ich mal intensiver nachdenken, das scheint mir ein sehr wichtiger Aspekt zu sein.
Nagetier hat geschrieben:Hängt ihr an irgendwas? Gibt es Gegenstände, die für euch einen sentimentalen Wert haben?
Hm ja, da bin ich komisch. Es gibt ne Menge Dinge, an denen ich hänge, aber ich gehe mit ihnen nicht besonders umsichtig und wertschätzend um. Bücher, meine Lieblingsklamotten, Briefe, Fotos - das landet, so sehr ich die Sachen liebe, oft trotzdem alles auf dem Boden. Ich weiß nicht, mir fehlt irgendwie ein Gefühl dafür oder Bedürfnis danach, sorgsam zu sein; das bin ich eigentlich nur bei Sachen, die nicht mir gehören (z.B. von Freunden geliehene Bücher). Weiß auch nicht
Was mir spontan zu dem von dir Beschriebenen einfällt: Man hängt ja nicht einfach nur passiv an Sachen, sondern sich auch aktiv
an sie. Vllt. hast du Angst davor, weil du die Erfahrung gemacht hast (hast du?), dass Gutes nicht von Dauer ist, einem weggenommen werden kann und wird? *wild spekulier*
Nagetier hat geschrieben:Grundsätzlich habe ich viele kreative Ideen doch ich denke ich habe kein Talent diese irgendwie zu manifestieren. Ausserdem getraue ich mich nicht. Ich finde das was ich produziere hald hässlich, wüst, nicht sehenswert und schon gar nicht gut.
Boah, na das kommt mir vielleicht bekannt vor ... Kreative Ideen habe ich en masse, aber die Umsetzung passiert dann meistens total kopflastig, so dass ich entweder gar nix zustande bringe oder es mir nicht gefällt, weil mir einfach ein wirklicher Bezug zu mir, zu meinen Gefühlen fehlt. Oder ich schaffe etwas "Perfektes", was aber oft ebenfalls ein schales Gefühl hinterlässt.
Nagetier hat geschrieben:Will ihr auch nicht zur Last fallen und denke auch ich hab so eine "Führsorge" gar nicht verdient.
Hast du wohl!!!
April 8th hat geschrieben:Ach ja, ihr werdet es nicht glauben, aber morgen früh kommt der Heizungsablesemann. Ich saß eben echt laut lachend vorm Laptop, thorn.
Wie war's denn? Ich fand es beim vorletzten Mal absolut grässlich, als der Typ da war. Hab mich plötzlich in meiner eigenen Wohnung wie in der Falle gefühlt oder fast ein bisschen, naja, wie vergewaltigt, weil der gewissermaßen durch mein Privatestes getrampelt ist. Ich wollte nur, dass der geht, geht,
geht. Fand ich irgendwie bezeichnend, auch wenn ich nicht genau weiß, wofür. Letztes Jahr war's dann zum Glück halb so wild.
Liebe Grüße an alle,
thorn