@Wandelröschen:
Ich spreche nur für mich, nicht im Namen von "euch/wir". Ich möchte mich explizit in keine dichotome "die die Erfolg für sich verbuchen vs. die, die es nicht für möglich halten" -Spaltung einordnen. Ich versuche gerade auszudrücken, dass ich das eben nicht so dichotom und schwarz/weiß sehe.
Vor zwei Seiten schrieb ich bereits:
Ich habe für mich persönlich zwar schon irgendwie den Eindruck, Erfolg in der Therapie zu haben, sowohl auf objektiv messbarer Ebene, als auch im subjektiven Gefühl her. Dennoch finde ich es im Grunde schwierig, bzw. sehe genau da ein Problem, dass an Therapie, an Seelenarbeit, persönliche Entwicklung die Kategorie Erfolg/Misserfolg angelegt wird. Natürlich gibt es irgendwo objektivierbare Fortschritte (Reduzierung der Symptome, erweiterter persönlicher Handlungsspielraum, dadurch verbesserte Lebensqualität, usw.) oder eben das Ausbleiben solcher Fortschritte. Und da hin- und wieder mal eine Zustandanalyse durchzuführen, sich an dem zu erfreuen, was man bis dato erreicht hat oder Dinge kritisch betrachten, ist sicher auch nötig im Prozess.
Ich schrieb auch:
Für mich wäre das in meinem Fall aber keine völlige Heilung. Völlige Heilung ist für mich ein Ideal, dass ich anstrebe, aber niemals erreichen werde. Und das ist okay, dass kann ich akzeptieren.
Bei mir ist es so, dass ich mich jetzt auf einem Niveau (durchaus auch strukturell gemeint, aber auch was so Alltagsbelasungen und Alltagsfertigkeiten angeht) befinde, dass merklich höher ist, als vor der Therapie. Die Symptome, die mich zur Therapie brachten sind schon lange weg (Depression, Ängste, PTSB).
Trotzdem empfinde ich mich nicht als geheilt.
Für mich ist Heilung in psychischen Belangen ein Idealzustand wie der Weltfrieden oder die vollständige, gelungene Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Sind für mich alles absolut erstrebenswerte Zustände. Ich arbeite daran (jetzt nicht so sehr am Weltfrieden, am anderen schon) OBWOHL mir bewusst ist, dass dieses Ideal, das ich anstrebe zu meinen Lebzeiten und überhaupt nicht erreichbar ist.
Das hat was mit meinem Weltbild zu tun. Ich denke ich habe, maßgeblich durch die Therapie, ein Bild von Welt und Menschen, dass gut genug ist, als dass ich das Schlechte, das Negative, das Unglückliche, das Misslingende sehen kann und die Welt und Menschen und mich immer noch hinreichend okay finde. Und ich möchte das auch nicht aus den Augen verlieren, denn immer wieder die Grenze zwischen dem schon erreichten und dem noch nicht erreichten aufzusuchen ermöglicht erst, weiter voranzuschreiten in den Themen, die mir wichtig sind.
Wie gesagt, vereinfacht gesprochen, wenn mich ein Kollege zwischen Tür und Angel oder eine Freundin um Rat fragt, ob meine Therapie was gebracht hat, ob ich es empfehlen würde, dann würde ich sagen, "Ja, meine Therapie war erfolgreich, (s.o.), ja ich wurde geheilt, bin wieder gesund." Denn das stimmt schon auch, aber es ist einfach verkürzt, nicht vollständig.
Aber wenn ich tiefer einsteige, dann fällt mein Fazit differenzierter aus, dann sehe ich was ich erreicht habe, das ist sehr viel. Ich sehe aber auch, was ich (noch) nicht erreicht habe. Und weiß inszwischen, dass immer wenn ich ein Thema aufgearbeitet habe, ein neues darunter zum vorschein kommt. Ich denke das wird so sein, bis zu meinem letzten Atemzug. Und dann wird es nur aufhören, weil ich eben tot bin und nicht, weil alles geklärt und geheilt ist.
Hinzu kommen die kritischen Lebensereignisse, mit denen viele, die meisten Eben so umgehen müssen und die auch mich nicht verschonen.