Suizidgedanken.. macht Therapie in meiner Lage Sinn?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.

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Widow
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 20:10

Liebe Draußen,

dass Du dieses "Durcharbeiten" gleichfalls enigmatisch findest und dieses Wort durchdeklinieren (um nicht zu sagen: durcharbeiten) magst - also seinen verschiedenen therapeutischen Bedeutungsgehalten (es muss mehrere haben!) auf die Schliche kommen und es in verschiedenen therapeutischen Blickwinkeln bestimmen willst -, das freut mich sehr. Deine Gedanken, Deine Deklinationsversuche sind für mich ebenso hilfreich wie anregend.
En detail:
Du schreibst, es sei so, dass
Draußen hat geschrieben: Erleichterung/Annehmen/Akzeptieren/Loslassen erst dann spürbar werden, wenn ich mit meiner Therapeutin über das Thema gesprochen habe. Immer erst hinterher.
"Immer erst hinterher" - ja, dazu ein uneingeschränktes Ja von mir! Immer erst hinterher (wenn überhaupt). Bei mir bislang nur der erste "Gefühls-Erkenntnisschritt", nämlich die "Erleichterung" (es ist ja eine logische Reihe, die Du da gebildet hast, eine Abfolge - ich finde, sie stimmt). War grad heute so in der Liegung, dass ich ihm das sagte, erstmalig. Mich hat ein Satz zu meinem Familiengefüge von "hinter der Couch" erleichtert (nach der vorigen Liegung).
Hinterher. Immer erst hinterher. (Kommt ja auch von hinter der Couch).
Einmal bislang hatte ich ein kleines Heureka - auch hinterher.
Vielleicht ist das ein "Anfänger"-Phänomen, vielleicht ist unser therapeutisches "absolute beginners-Hirn" noch so mit all den andern Dingen da in diesem Raum beschäftigt, dass es sich erst zeitverzögert durcharbeitet zu den main points? (Frage an die "alten" Kaninchen hier ...)

Dann:
Draußen hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob es für mich einen großen Unterschied macht, ob ich meine Selbstgespräche auf meine Therapeutin ausrichte, oder auf einen aus dem Forum.

Inhaltlich schon: so sind klar umschriebene Probleme (Worte finden für Unaussprechliches oder der Umgang mit schrecklichen Fantasien) für mich hier im Forum sehr gut "durcharbeitbar" (zumindest gewesen). Hier kann ich erfahren, dass ich mit meinen Empfindungen nicht die Einzige bin [...,] und vor allem die verschiedenen Modulationen der Empfindungen bei den anderen erfahren und so meinem (viel zu) eingefahrenes Denken Zugang zu anderen Sichtweisen zu ermöglichen.

In der Therapie (obwohl November immer noch nicht Analyse, verdammt!!!) hingegen verknüpfe ich, stelle Zusammenhänge her. [...] Alte Familienverquickungen, Fehlprägungen oder die Triangulierungen alles, was mehr Raum und mehr Ecken braucht, versuche ich mit ihr zu klären, als nächste Instanz natürlich.
1. Die Differenzierung, hier, im Forum, relativ "klar umschriebene Probleme" diskutieren zu wollen (und dadurch bzw. darüber hinaus auch andere Perspektiven sich zu erschließen), während man in der Therapie "Zusammenhänge herstellt" - die finde ich ziemlich genial. Vor allem, was letzteres anbelangt. Sich durchzuforsten, nach Analogien zu schauen, Zusammenhänge (und Brüche) zu erkennen, das scheint mir tatsächlich in einer Therapie (Analyse?) möglich zu sein.
Um's ein bissl konkreter zu machen: Ich bin jetzt bei Liegung 29 und [habe übrigens für die nächste Woche tatsächlich meine 3 Termine vereinbart ... - terminatorisch?] so langsam wird mir ganz "knotig" (sollte ich Krebswunde wohl nicht sagen), ganz netzig, ganz verknäult zumute. Mir schwant, dämmert, dass das alles ein NOCH komplizierterer Text (textura = Gewebe) sein könnte, als ich schon dachte (fürchtete?).
(Für mich stellt sich [aus wessen, aus welchem Munde?!] nur die Frage, ob ich den zu lesen noch bereit bin.)

2. "Zusammenhänge", "Ecken", "Kanten", Umwege, Wege über die Eisscholle und Wege unter ihr hindurch, Holzwege durch die Savanne, Schleichwege zum Wasserloch ---, das könnte also vielleicht Therapie sein. Und der/die Thera die "nächste [nächsthöhere? Sorry, bei mir war's heut so juristisch - hab' ihn glatt gefragt, ob er in seinem bunten Studienbuch gar ein juristisches Ex-ähemchen vorzuweisen hätte; hatter nich] Instanz". (Die nächste Instanz - shit. Das war 13 1/2 Jahre er. Die mir denk-leib-naheste Instanz, die zweite nach meiner eigenen und auch mitunter die nächsthöhere als meine eigene erstinstanzliche kleine Vernunft.)

3.
Draußen hat geschrieben:(obwohl November immer noch nicht Analyse, verdammt!!!)
Warum?! Willst Du nicht auf die Couch, will sie nicht dahinter, fehlt noch die Bewilligung?! Warum?

Draußen hat geschrieben:
Widow hat geschrieben:Jetzt sitz' ich da. Oder liege manchmal auch da, auf der Couch. Und merke: Ich mag den. [...] (Libidinöse Restruinenkrümel - ick hör euch trapsen.) --- Und ich bin nur dabei, das, [...] handhabbar zu machen. - Das ist das Gegenteil von Übertragung.
Wenn ich deinen Satz sinnerhaltend gekürzt habe (wenn nicht, dann ignorier den Folgetext), dann, liebe Widow, ist das aber sowas von einer Übertragung.
Ich glaube, ich brauche nicht nur Nachhilfe beim "Durcharbeiten", sondern auch bei der "Übertragung" (und bitte, bitte keine Wiki-Links schicken):
Ok: Ich mag den - ja. Da ist also ein (neues) Objekt, das ich mit libidinöser Energie (jedenfalls einer minimalen Restmenge derselben) besetzte (und "libidinöse Energie" ist Lebensenergie [Neugier, z.B. oder ein kleines zärtliches Gefühl von Sympathie oder auch eine objektgerichtete Wut oder auch ein objektbezogenes "Häh-ich-höre-nur-xhsiuiwinriehrdjdieiööüdüeod#äwüp, würde aber gern dieses Extraterrestrisch verstehen"], nicht >nur< sexuelle >Lust<, - falls der Eisbär mal wieder ein bissl >psychoedukativ< werden darf ...).
Und übrigens find' ich das total bekloppt, dass ich diese libidinöse Energie immer noch irgendwo im Fell gespeichert habe. Es schlappert doch eigentlich genug, um da keine Reserven mehr speichern zu können.
Doch: Was ist da nun "Übertragung"? Euch hier mag ich ja (zum Teil, welcher wird nicht verraten) auch, richtig doll! Übertrage ich auf/an (?) Euch? Wenn ja, was?

Draußen hat geschrieben:Ein bisschen Ironie gehört in jede Geschichte
(Solang es noch geht, jedenfalls.)
Draußen hat geschrieben:Genau liebende/beißende Brustsache reizt(e) mich mit meiner Therapeutin, die mit meinen üblen Unterstellungen (eigenerfahrungsextrapoliert) und meinem ausdauernden Vernichtungsängsten, Insuffizienzgefühlen, meinem Schweigstammeln, halben und dann auch noch zurückgenommenen Sätzen, Zurückweisungsunterstellungen und vor allem meinem Unterwerfungswünschen richtig Arbeit hat. Und ich hab richtig was zum "Durcharbeiten". Unmengen unkommunizierbarer Gefühle und Wünsche kochen dann in mir und lenken mich sorgfältig von all dem Vorbereiteten ab, klemmen meine schon gedachten Gedanken weg und zwingen mich so Neues zu schaffen.
Wenn es bei Dir die Brust ist, dann ist es bei Dir die Brust! Gut so! (Bei mir ist's was anderes, nur weiß ich noch nicht, um welchen symbolischen Körperteil es geht, vielleicht um einen Kehlkopf, ein Stimmband oder auch eine Achillessehne) Und wahrhaftig: Du gibst ihr, Deiner Thera, auch einiges zum >Durcharbeiten<! Sie hat sich ja durch nicht nur "Familienverquickungen", "Fehlprägungen" und "Triangulierungen" durchzuarbeiten, sondern eben auch durch ca. tausendunddrei Wunsch-Ängste oder Angst-Wünsche, bevor sie beim
Draußen hat geschrieben: affektflachen Gefühlsflüchtling [Zit. syntaktisch leicht verändert, widow]
drinnen, also bei Dir, liebe Draußen, angekommen ist.
Sie hat sich drauf eingelassen.
Von meiner Scholle aus betrachtet, mehr als zurecht!
Lass' sie sich durcharbeiten zu Dir (aber das schreibt sich hier so schneefallflockig ...)

Was das nun sein soll, das Durcharbeiten, weiß ich immer noch nicht wirklich. - Vielleicht fühle ich es aber langsam ein wenig?

Einen herzlichen Gruß und allen hier ein erträgliches, ein gutes Wochenende wünschend,
Widow

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Draußen
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 22:18

Liebe Widow,

ich freue mich über deine freundliche Aufmerksamkeit und nehme mal deine Vivisektion in Angriff. "Wahrnehmungsabweichungen" sichtbar machen und dann "bearbeiten". Schon schmerzt es, dieses Wort zu schreiben.

Widow hat geschrieben:
Draußen hat geschrieben: Erleichterung/Annehmen/Akzeptieren/Loslassen erst dann spürbar werden, wenn ich mit meiner Therapeutin über das Thema gesprochen habe. Immer erst hinterher.
"Immer erst hinterher" - ja, dazu ein uneingeschränktes Ja von mir! Immer erst hinterher (wenn überhaupt). Bei mir bislang nur der erste "Gefühls-Erkenntnisschritt", nämlich die "Erleichterung" (es ist ja eine logische Reihe, die Du da gebildet hast, eine Abfolge - ich finde, sie stimmt). War grad heute so in der Liegung, dass ich ihm das sagte, erstmalig. Mich hat ein Satz zu meinem Familiengefüge von "hinter der Couch" erleichtert (nach der vorigen Liegung).
Hinterher. Immer erst hinterher. (Kommt ja auch von hinter der Couch).
Einmal bislang hatte ich ein kleines Heureka - auch hinterher.
"Immer erst hinterher" bezieht sich aus meiner Sicht noch mehr auf das "mit der Therapeutin sprechen". Ich will sagen durch das Sprechen entsteht die Wirkung, wie bei einem Medikament (du nimmst es ein, aber erst nach 10 Minuten kannst du es auch spüren). Es geschieht etwas in dieser speziellen Kommunikation und je nach Gemütszustand entwickelt es seine Wirkung früher oder später.

Die dir so logisch und wohlbedacht erschienene Reihenfolge war nur eine Art Synonymaufzählung meinerseits, weil ich mich nicht entscheiden konnte einer dieser Empfindungen (und damit wäre ja auch bewiesen, dass ich selbst welche habe) den Vorzug zu geben. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich sie richtig differenzieren kann, wenn sie mir begenen.

"Annehmen" und "Loslassen" waren für mich lange rote Tücher, so als Wort. Bedeutungsfrei, völlig. Ich konnte die zwar sagen, mir irgendetwas darunter vorstellen konnte ich mir nicht. Viele dieser Therapievokabeln wollen mir nicht gut über die Lippen kommen. Nicht, weil ich sie nicht hätte erklären können, oder weil ich sie nicht verstanden hatte, sondern weil ich keinerlei Vorstellung davon hatte, wie sich ihre Bedeutung anfühlt.

Irgendwann taumelte mir ein gleichgültiges: "War halt so." durch Gemüt, wo ich erwartet hätte, frei zu fallen. Das hat mich fassungslos gemacht. Eine alte Assoziation hatte sich geändert. Ich kann mich wohl noch erinnern, wie ich früher fühlte, aber es ist für mich nicht mehr fühlbar, nur noch ein alter Schatten. Ich kann mich an Tage erinnern, da fiel ich und fiel; ich kann mich daran erinnern, dass ich glaubte, dass keine Minute länger aushalten zu können. Aber heute kann ich es nicht mehr fühlen (oder es mit mir).

Liebe Widow, das nur als ersten Gedanken hier und jetzt dir und allen anderen auch eine gute Nacht wünschend,
draußen (wo auch sonst)


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Widow
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 22:57

Nun, liebe Draußen (jetzt vielleicht schon drinnen, im Bett?),

zumindest was die zeitliche Reihenfolge anbelangt, sind wir uns weiterhin einig:

Man redet (manchmal auch schweigstammelnd - danke für dieses wunderschöne Wort!) mit Thera - und, wenn man Glück (oder manchmal auch Pech?) hat, so stellt sich hinterher irgendwie, seltsamerweise eine eigentümliche Erkenntnis-Emotions-oder-wie auch immer-psychische Wirkung ein. Hinterher. (Bei meinem witwesk verzögerten Hirn meist, wenn überhaupt, erst lange nach der Liegung! Apropos: Erbitte noch Antwort, warum Du - offenbar entgegen Deinem eigenen Wunsch - immer noch nicht liegst!)
Auch ich hatte also die Abfolge: "Gespräch mit Thera - Entwicklung von Gedankengefühl" im Blick, aber offenbar leider mal wieder einen Schreibblock vor der Stirn, habe mich also blöd ausgedrückt.

Zu der Reihenfolge (Du siehst, ich bleibe dabei) des Umgangs mit manchen Worten in der Thera:
Erleichterung - Annehmen - Akzeptieren - Loslassen,
ja: ich bleibe dabei, dass Du da ganz unbewusst eine wunderschöne logisch-emotionale Abfolge, Reihenfolge formuliert hast:
Nach der Liegung kann es geschehen, dass ich erleichtert werde durch manche dort gewechselten (naja, vor allem: gehörten) Worte, die kann ich dann vielleicht annehmen und mit ihnen tauchen gehen, oder sie drehen, wälzen, analysieren (tjahü), bei ihnen bleiben und ihnen nachfühlen etc. Dann kann ich durch sie mit viel Glück (?) akzeptieren, was (in dieser speziellen Damals-Jetzt-Perspektive, diesem zeitdurchdringenden Blick und Auf-der-Couch-Sein) irgendwann mal geschah (in meiner Erinnerung auf der Couch). Und wenn ich noch mehr Glück habe (? Das ist immer so bei theoretischen Konstrukten: Man weiß es ja nie!), dann kann ich das Damals in und aus meinem Jetzt-Hirn loslassen.

Mir schien das jedenfalls eine ziemlich logische therapeutische Kette zu sein ... Aber grau ist alle Theorie.
Und grün bekanntlich des Lebens güldner Baum ...

Außerdem danke, liebe Draußen, für Deine Erinnerung ans Fallen (sie schlug in einem Maße punktgenau auf, das schon wieder kaum auszumessen ist; Du wirst's lesen in des Netzes Weite): Änderung alter Assoziationen, gewesener Gefühle, des eigenen, vergangenen Seins. Passiert ja ständig. Aber manches ist sakrosankt: Es gibt einen Kern des Selbst. Daran will ich weiterhin glauben.

Auf Deine weiteren vivisektorischen Beobachtungen freue ich mich!
Auf bald und nun gut' Nacht,
Widow (was auch sonst?)

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Celice
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 10:00

Widow hat geschrieben:Doch: Was ist da nun "Übertragung"? Euch hier mag ich ja (zum Teil, welcher wird nicht verraten) auch, richtig doll! Übertrage ich auf/an (?) Euch? Wenn ja, was?
Tja. Mal wieder ein laienhafter Erklärungsversuch.. ich glaub wir übertragen immer und ständig, auf alle anderen Menschen hier und dort, übertragen das Innen aufs Außen. Vor längerer Zeit und auch länger vor Beginn meiner Therapie habe ich das irgendwann mal erkannt und es war eine grauenvolle Erkenntnis. Denn wenn alles, was ich in anderen sehe, immer nur ich selbst bin, was ist dann die logische Schlussfolgerung: Ich bin allein. Ganz allein. Doch 'ganz' konnte ich mich dabei keineswegs fühlen, sondern nur noch fragmentiert. Alleine aber dennoch. Schlimme Zeiten waren das und ich bin ihnen noch lange nicht entkommen.

In der Therapie erkenne ich vor allem dann etwas als Übertragung, wenn ich das Gefühl habe: Schon wieder. Es passiert schon wieder. Mein Therapeut begeht die selben seelischen Verbrechen an mir, wie meine Eltern, ich fühle mich von ihm ebenso abgelehnt, ignoriert, unverstanden und allein gelassen wie immer schon. Wenn ich denke, diese Therapie ist eine einzige Retraumatisierung. DAS ist Übertragung. Denn: man sieht nur was man kennt! Ein anderer Patient mit anderer Geschichte würde bestimmte Bemerkungen vielleicht ganz anders oder gar nicht interpretieren, sie würden einfach durch ihn hindurch oder an ihm vorbei fließen, ohne dass er sich daran festhalten, anklammern oder aufhängen muss. Aber ich, mit meiner Geschichte, mit meinen Erfahrungen picke mir selektiv genau das raus, was mich (zB) verletzt. Ich hab aber zudem auch ein Talent, meine Mitmenschen so in meine Pathologie zu verwickeln, dass das passieren MUSS. Wo da jetzt die Abgrenzung zur projektiven Indentifizierung ist, wo die Abgrenzung zur Projektion... das ist mir oftmals auch nicht ganz klar.

In jedem Fall denk ich, man sucht sich schon auch die Menschen, die in den eigenen Strukturen irgendwo andocken können und wiederholt so einen Teil seiner Krankhaftigkeit. Als Heilungsversuch natürlich. Wenn wir uns richtig verlieben ist die Übereinstimmung mit unseren kranken Strukturen am größten, glaube ich. Der Sinn von Therapie ist dann vielleicht, das als solche zu erkennen und weder zu flüchten noch den Analytiker zu erwürgen. Aber ich denke schon, allein die Tatsache, dass ich dort bleibe ist doch schon ein Beweis dafür, dass diese Beziehung pathologisch ist!

Und wie gesagt, wir übertragen immer und überall. Auch gerne zB auf Vorgesetzte. Eine meiner früheren Cheffinnen habe ich glühend geliebt. Sie mich auf irgendeine pervers-perfide Weise auch. Sie sah aus wie meine Mutter. Ein Paar wurden wir nie. Also alles wie zu Hause.

Auf meine Vermieter habe ich zB auch irgendeine fiese Elternübertragung. Sie wohnen bei mir im Haus, bzw. streng genommen wohne ich bei ihnen im Haus. Wenn ich die von meinem Küchenfenster aus im Garten nur sehe, werde ich schon wütend. Die tun mir aber gar nichts. Außer, dass es sie gibt. DAS ist eine Übertragung. Das einzige, was meine Angst vor ihnen im Zaume hält ist die Tatsache, dass sie im Erdgeschoss wohnen und ich unterm Dach. In der symbolisch zu verstehenden Hierarchie also bin ich schon aufgestiegen.

So und hier im Forum übertrage ich auch: Manche User mag ich besonders, manche beneide ich, manche bewundere ich, manche nerven mich. Und natürlich bemerkt man in (und vor allem zwischen) den Zeilen die jeweilige individuelle Haltung, ein Stück Charakter auch. Und natürlich existieren die Anderen (ich kann die Hoffnung ja nicht aufgeben..). Bloß ist dadurch, dass es keine direkte Interaktion gibt und auch die dazugehörigen Regulierungen nicht, die Projektion viel leichter. Aber auch leichter zu erkennen.

Vor einigen Jahren war ich schon mal einige Zeit in einem anderen Forum unterwegs und habe aufgrund der dortigen Erfahrungen hier auch lange nicht geschrieben. Eben weil man sich doch recht leicht verwickelt und ganz viel projiziert. Da kam es schon vor, dass ich mich in andere User verknallt habe - Gefühle die in der realen Begegnung zerplatzten wie Seifenblasen. Da ist mitunter trotzdem dann noch was sehr schönes entstanden. Aber nicht dasselbe, was sich vorher in meinem Kopf abspielte, sondern eben einfach etwas anderes, reales.

geht gleich noch weiter..

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Celice
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 10:04

Draußen hat geschrieben:Letzten Endes habe ich feststellen müssen, dass, egal was ich mir so denke und auf was für Erkenntnisse ich komme, Erleichterung/Annehmen/Akzeptieren/Loslassen erst dann spürbar werden, wenn ich mit meiner Therapeutin über das Thema gesprochen habe. Immer erst hinterher.
Ja, das geht mir im Grunde auch so. Es reicht nicht, ihm das in meinem Kopf zu sagen, es muss auch wahr- und leibhaftig bei ihm ankommen. Sonst bleibe ich darin stecken.

Und was ich natürlich auch kenne ist dieses ewige innere Gespräch. Wobei mir just in der vergangenen Woche auffiel, dass es nicht wirklich ein Dialog mit meinem imaginierten Hintercouchler ist, sondern wenn ich ehrlich bin doch eher ein Monologisieren. Das ist auch erstmal nicht schlecht, zumindest höre ich mich überhaupt mal wieder denken - das war nicht immer so. Aber ich habe schon darüber nachgedacht, ob und warum ich ihn so selten höre. Ob ich ihn nicht besser auch mal zu Wort kommen lassen sollte. Ob ein Einlassen auf ihn vielleicht auch darin besteht, ihn in mich einzulassen. Also Frage an euch:

In euren stillen Selbstgesprächen: Hört ihr eure Theras??? (Also jetzt nicht unbeding akustisch wahrnehmbar, aber doch innerlich in deren - wiederum hineinprojizierten eigenen - Gedanken vernehmbar..)

Und zum Durcharbeiten fällt mir noch ein: wieviel Zeit geht eigentlich dafür drauf, dass WIR die Aussagen des Theras DEUTEN?? Mir geht es nämlich auch so, dass ich den einfach oft nicht verstehe! Was will er mir damit nun wieder sagen, frag ich mich. Stuuuundenlang und immer im Kreis. Und ich komm nicht drauf. Und abgesehen davon, dass ich seine Deutungen zuweilen ziemlich daneben finde, kommt es dann doch vor, dass ich Monate später auf einmal seine Welt und meine Welt zusammenbringe. Und vielleicht ist es das, was man die Integration einer Deutung nennt. Vielleicht ist es das, was Durcharbeiten als Ergebnis haben kann und soll.
Widow hat geschrieben:... Durcharbeiten - also seinen verschiedenen therapeutischen Bedeutungsgehalten (es muss mehrere haben!) ...
Das denk ich auch. Also zumindest zwei dieser Bedeutungsgehalte meine ich, identifiziert zu haben. Da ist glaube ich eben zum einen dieses innere Gespräch und die Auseinandersetzung mit dem Vor- und Hinterher der Stunde (Nach der Stunde ist vor der Stunde.. ), das würde ich mal als 'Arbeiten' bezeichnen. Und 'durch' bin ich dann damit, wenn ich entweder einsam, allein, verlassen und verloren und mutterseelenallein in mein Kissen weine oder: zugeben kann, dass er Recht hatte mit seinen kruden und völlig verfehlten 'Deutungen', seinen vollkommen absurden Einschätzungen von mir.

Achjeh, ich wollte noch so viel anderes schreiben, aber ich brauch erstmal ne Pause..

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Beitrag Sa., 05.11.2011, 10:15

Tolle Erklärung,Cecile.Denke auch,dass Übertragung nur mit einem selbst zu tun haben.Aber nicht nur wer man gerade ist,sondern wer man gern sein würde,was man braucht etc.Bei meiner Thera hab ich gesehen,dass sie mir Dinge gibt,die sehr schön sind und von denen ich nicht mal wusste,dass sie für mich wichtig sind.Ich projeziere viele Erwartungen,Anforderungen und Wünsche auf sie.Das ist wohl die Positivübertragung.Was du beschreibst die Negativübertragung.Die hab ich auch,aber erst seit die positive auch da ist.Wenn meine Thera was sagt oder tut,was nur angehend in die Richtung von meinen Eltern geht,flippe ich sofort aus und es verletzt mich viel mehr als jemand anderes mich verletzen könnte.

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Beitrag Sa., 05.11.2011, 10:19

Cecile:sagst du das denn deinen Thera oder bekommt er solche Retraumatisierungen mit?

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Beitrag Sa., 05.11.2011, 10:46

flowerbomb2 hat geschrieben:Cecile:sagst du das denn deinen Thera oder bekommt er solche Retraumatisierungen mit?
Oh ja, die bekommt er mit. Leider halt: immer erst hinterher! Aber vergangene Woche hat es ordentlich gerappelt und geraucht auf der Couch. Wir arbeiten uns da schön aneinander ab. Und er hat in dem Fall auch mal wieder ziemlich unter mir gelitten, findet es aber gleichzeitig gut, dass ich endlich mal was fühle mit ihm. (Na - danke..) Aber das will er ja. Vielleicht ist er doch ein Masochist im Sadist. Er liebt es, von mir gescholten zu werden..

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Beitrag Sa., 05.11.2011, 11:38

Ja das finde ich auch gut,dass du jetzt fühlst auch in der Stunde

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Beitrag Sa., 05.11.2011, 13:28

Flowerbömbchen hat geschrieben:Denke auch,dass Übertragung nur mit einem selbst zu tun haben.Aber nicht nur wer man gerade ist,sondern wer man gern sein würde,was man braucht etc.Bei meiner Thera hab ich gesehen,dass sie mir Dinge gibt,die sehr schön sind und von denen ich nicht mal wusste,dass sie für mich wichtig sind.Ich projeziere viele Erwartungen,Anforderungen und Wünsche auf sie.
Ja, das natürlich auch. Auch positive Eigenschaften, für die wir jemand anderen irgendwie lieben sind meiner Hoffnung nach eigene Anteile, die wir da hineinprojizieren oder eben in demjenigen sehen, bei uns selbst aber (noch) nicht. Leider für mich auch häufig noch völlig unverstanden, ich weiß nur, dass es so ist. Oft nicht, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Zum Beispiel liebe ich an meinem Hintercouch-Mann seinen ganz feinsinnigen und feingeistigen Humor. Er hat so etwas ganz leises, behutsames, zärtliches. Und vielleicht ist es so, dass auch etwas leises, behutsames in mir ist. Ich suche es noch. Im Moment bin ich noch eher am Granaten zünden.
Widow hat geschrieben:Deiner von hinter der Couch und Du und mein Gemini52-Bewohner von hinter der Couch und ich - wir gäben derzeit ein hübsches Quartett ab. Da könnten Theorien "gezeugt" und "geboren" werden, gäbe man uns für die sechs Schöpfungstage samt Son(nen)tag eine Hütte am Strand (mit 4 Zimmern - Rückzug muss möglich sein!), und vermutlich lieferten wir wieder mal den Beweis für die alte These von der "weiblichen Fruchtbarkeit" ... und da Witwen wachten, wäre alles rein cerebral.
Fruchtbarkeit... cerebral??? Warum fällt mir da als erstes das Wort "Brainfuck" ein?

Immerhin haben wir ja gemeinsam einen bisher in der Literatur nicht beschriebenen Abwehrmechanismus entdeckt. Die sogenannte: Forumisierung. Wir sollten einen Aufsatz darüber schreiben.

Die Vorstellung mit der Hütte gefällt mir natürlich auch. Mein Thera und ich in einer Hütte am Strand.. holla die Waldfee. Ich glaube, auf Deine Wache wären wir da dringend angewiesen. (Im Tiefsten meines Innern traue ich dem Knaben ja nicht über den Weg..)

Apropos Knabe wollte ich noch sagen.. zum Thema erotische Blitze vs. beißende Brust:

Ich glaube, dass das Geschlecht des Menschen hinter der Couch über die ganze Zeit einer so langen Therapie relativ schnurz ist. Dass sich da, egal ob Mann oder Frau, alle Anteile abbilden können und im Idealfall auch werden und du der beißenden Brust in etwas anderer Form durchaus begegnen könntest. Ich hab im Moment glaube ich auf meinen männlichen Thera eine ziemliche Mutterübertragung am Laufen. Ich hoffe aber inständig, dass wir uns, wenn wir uns aus den Wirren der frühen Störung herausgekämpft haben, noch bis zur ödipalen Verstrickung 'durcharbeiten'. Ein bisschen Spaß muss sein. Auch für ihn.

So, jetzt muss ich aber wirklich weg,
gehabt euch wohl und schönen Samstag erstmal,

Celice


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Widow
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 15:28

Herzlichen Dank erst einmal, liebe Celice, liebe Flowerbomb,

für's Mitnachdenken über dieses seltsame Durcharbeiten und Übertragen! - Erneut viele Anregungen hier ...
Celice hat geschrieben:ich glaub wir übertragen immer und ständig, auf alle anderen Menschen hier und dort, übertragen das Innen aufs Außen. Vor längerer Zeit und auch länger vor Beginn meiner Therapie habe ich das irgendwann mal erkannt und es war eine grauenvolle Erkenntnis. Denn wenn alles, was ich in anderen sehe, immer nur ich selbst bin, was ist dann die logische Schlussfolgerung: Ich bin allein. Ganz allein. Doch 'ganz' konnte ich mich dabei keineswegs fühlen, sondern nur noch fragmentiert. Alleine aber dennoch. Schlimme Zeiten waren das und ich bin ihnen noch lange nicht entkommen. [Herv. v. Widow]

Ich habe lange über diesen Übertragungsbegriff nachgedacht - und langsam erinnert er mich wirklich an die Monaden-Theorie von Leibniz, derzufolge es keine Fenster und Türen der Seelen(monade) gibt ... (is' in Wirklichkeit mal wieder ein wenig komplizierter - anyway).
Indes Übertragung heißt doch, dass gemachte Beziehungserfahrungen auf jemanden anderen übertragen werden. - Also eigentlich wärest Du dann nicht 'mit Dir' vollständig allein, sondern mit Dir und jenen Menschen, die Dich via Erfahrungen 'lehrten', was Beziehung ist - schlimmstenfalls nur mit Deiner 'Mutter' (dem Primärobjekt). Doch nun ist die Säuglingsforschung ja nicht mehr ganz so borniert, was die Frage anbelangt, wie lange so ein Kind denn nun dergleichen 'lernen' kann. Nicht allein, dass sie jetzt schon im intrauterinen Raum rumforscht, weil offenbar auch das Ungeborene entsprechende Beziehungserfahrungen macht, nein: Auch dem größeren Kind und gar dem Erwachsenen wird zugebilligt, immer weiter neue Beziehungserfahrungen machen zu können.
Kurzum: Wir sind mit 6 Jahren auch in dieser Hinsicht nicht "fertig".

Dass man jedoch, wenn es bestimmte Ähnlichkeiten gibt (s. Dein Chefinnen-Beispiel oder die Geschichte mit Deinen im selben Haus wohnenden Vermietern), alte Beziehungsmuster hervorkramt und dort ausagiert, anstatt den neuen überhaupt die Chance zu geben, sich zu entwickeln, das scheint mir ein naheliegendes Risiko zu sein.
Das kommt mir ein bisschen so vor wie der hermeneutische Zirkel: Ich nehme einen Roman zur Hand mit einer gewissen Erwartungshaltung (Vorwissen/Vorurteil), geweckt durch den Titel, das Cover und allein schon die Bezeichnung "Roman" (im Gegensatz zum "Tagebuch" z.B.) sowie durch meine bisherigen Leseerfahrungen geprägt. Dann fange ich an zu lesen und bilde währenddessen immer neu Hypothesen über den Fortgang der Handlung oder die Entwicklung der Charaktere etc.. Doch, jedenfalls wenn es ein guter Roman ist und nicht nur klischeebedienende Trivialliteratur [die andere Qualitäten haben kann!]: Der Roman überrascht mich immer wieder, so dass ich meine Erwartungen modifizieren und meine 'Vorurteile' immer neu revidieren muss. Am Schluss kenne ich den Roman und bringe das durch ihn erfahrene Wissen in meinen Vorwissens-Vorrat ein, mit dem ich dann an den nächsten Roman gehe u.s.w.
Celice hat geschrieben:In der Therapie erkenne ich vor allem dann etwas als Übertragung, wenn ich das Gefühl habe: Schon wieder. Es passiert schon wieder. Mein Therapeut begeht die selben seelischen Verbrechen an mir, wie meine Eltern, ich fühle mich von ihm ebenso abgelehnt, ignoriert, unverstanden und allein gelassen wie immer schon. Wenn ich denke, diese Therapie ist eine einzige Retraumatisierung. DAS ist Übertragung.
- Das ist in meinem Verständnis zweierlei: 1. das Bereitstellen, Wiederaufrufen gemachter (und evtl. verdrängter?) Beziehungserfahrungen, um die damit verbundenen Gefühle langsam wieder zugänglich zu machen [meine sind irgendwie unterm Pol-Eis, da müsste noch sehr oft Erinnerung wiederaufgerufen werden ...], was wiederum - alles hübsch lt. Theorie - eine auch emotionale Verarbeitung der Traumata ermöglichen soll. (Motto: Wenn ich oft genug geheult habe wegen Vorfall X, dann bin ich irgendwann am Ende der Tränen und Vorfall X ist abgehakt?). 2. ist das tatsächlich "Übertragung": Dein Thera stellt sich als Projektionsfläche zur Verfügung, damit Du jene schmerzhaften frühen Beziehungserfahrungen darauf übertragen kannst, um Punkt 1 zu ermöglichen - oder so ähnlich ... (Wo da die Grenze zu Projektion und projektiver Identifizierung sein soll, ist mir auch nicht klar).

Celice hat geschrieben:In jedem Fall denk ich, man sucht sich schon auch die Menschen, die in den eigenen Strukturen irgendwo andocken können und wiederholt so einen Teil seiner Krankhaftigkeit. Als Heilungsversuch natürlich. Wenn wir uns richtig verlieben ist die Übereinstimmung mit unseren kranken Strukturen am größten, glaube ich. Der Sinn von Therapie ist dann vielleicht, das als solche zu erkennen und weder zu flüchten noch den Analytiker zu erwürgen. Aber ich denke schon, allein die Tatsache, dass ich dort bleibe ist doch schon ein Beweis dafür, dass diese Beziehung pathologisch ist!
Positiv formuliert: Man sucht sich für nähere Beziehungen die Menschen, die in den eigenen Strukturen irgendwo andocken können und wiederholt so einen Teil seiner Salutogenese und bleibt dennoch offen (wie die Romanleserin oben) für andere, korrigierende oder erweiternde, für neue Erfahrungen ..., nein?
[Zum Verlieben und zur gelebten Liebe habe ich nun eine ziemlich andere Auffassung, die ich hier aber wohl nicht auszuführen brauche ("beweisen", dass es auch so geht, kann ich es ohnehin nicht mehr - wenn fast 14 Liebesjahre - mit manchem Streit, ja, wie denn nicht?! - nicht zählen sollten).]
Diesen positiven Aspekt beschreibst Du später ja selbst:
Celice hat geschrieben:Auch positive Eigenschaften, für die wir jemand anderen irgendwie lieben sind meiner Hoffnung nach eigene Anteile, die wir da hineinprojizieren oder eben in demjenigen sehen, bei uns selbst aber (noch) nicht. Leider für mich auch häufig noch völlig unverstanden, ich weiß nur, dass es so ist. Oft nicht, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Zum Beispiel liebe ich an meinem Hintercouch-Mann seinen ganz feinsinnigen und feingeistigen Humor. Er hat so etwas ganz leises, behutsames, zärtliches. Und vielleicht ist es so, dass auch etwas leises, behutsames in mir ist. Ich suche es noch. Im Moment bin ich noch eher am Granaten zünden.


Ich wünsche Dir, es bald finden zu können (dass Du es in ihm siehst, will mir ein Zeichen dafür sein, dass Du ganz dicht dran bist ...)!
Celice hat geschrieben:So und hier im Forum übertrage ich auch: Manche User mag ich besonders, manche beneide ich, manche bewundere ich, manche nerven mich. Und natürlich bemerkt man in (und vor allem zwischen) den Zeilen die jeweilige individuelle Haltung, ein Stück Charakter auch. Und natürlich existieren die Anderen (ich kann die Hoffnung ja nicht aufgeben..). Bloß ist dadurch, dass es keine direkte Interaktion gibt und auch die dazugehörigen Regulierungen nicht, die Projektion viel leichter. Aber auch leichter zu erkennen.

Zustimmung, wenn auch eben auf der Grundlage eines nicht gar so absoluten Verständnisses von Übertragung, wie ich's oben zu entfalten versuchte.
Celice hat geschrieben: Also Frage an euch:
In euren stillen Selbstgesprächen: Hört ihr eure Theras??? (Also jetzt nicht unbeding akustisch wahrnehmbar, aber doch innerlich in deren - wiederum hineinprojizierten eigenen - Gedanken vernehmbar..)

Ja, ich höre ihn manchmal, allerdings in mindestens drei verschiedenen - entgegengesetzten - Versionen ... (womit wohl bewiesen wäre, dass ich derzeit noch ausschließlich projiziere?)
Celice hat geschrieben:Also zumindest zwei dieser Bedeutungsgehalte [des Durcharbeitens] meine ich, identifiziert zu haben. Da ist glaube ich eben zum einen dieses innere Gespräch und die Auseinandersetzung mit dem Vor- und Hinterher der Stunde

Thanks für diese griffige Zusammenfassung! Kann ich was mit anfangen, so für den Anfang .

Celice hat geschrieben:Immerhin haben wir ja gemeinsam einen bisher in der Literatur nicht beschriebenen Abwehrmechanismus entdeckt. Die sogenannte: Forumisierung. Wir sollten einen Aufsatz darüber schreiben.
Falls mein witwesk verschrumpeltes Hirn irgendwann mal wieder halbwegs verlässlich funktionieren sollte, würde ich darauf zurück kommen... Das Copyright für die Forumisierung hast Du, liebe Celice!
Celice hat geschrieben:Apropos Knabe wollte ich noch sagen.. zum Thema erotische Blitze vs. beißende Brust:
Ich glaube, dass das Geschlecht des Menschen hinter der Couch über die ganze Zeit einer so langen Therapie relativ schnurz ist. Dass sich da, egal ob Mann oder Frau, alle Anteile abbilden können und im Idealfall auch werden [...] Ich hab im Moment glaube ich auf meinen männlichen Thera eine ziemliche Mutterübertragung am Laufen. Ich hoffe aber inständig, dass wir uns, wenn wir uns aus den Wirren der frühen Störung herausgekämpft haben, noch bis zur ödipalen Verstrickung 'durcharbeiten'. Ein bisschen Spaß muss sein. Auch für ihn.
Ja, ein guter Thera kann auch beißende Brust werden und eine gute Thera das väterliche Gesetz ... (im Ernst: stimme Dir zu!). Und zum Spass für den hinter der Couch: Ja, wünsche ich ihm auch von Herzen! (Und ertappe mich dabei, zufrieden zu sein, wenn er lacht oder diese erfreut-überraschte Wärme in der Stimme hat ..., oioioi. Gottseidank ist das ganz selten der Fall!)

Der Entwicklungsgedanke, den Du, liebe Flowerbomb, hier ansprichst:
flowerbomb2 hat geschrieben:Denke auch,dass Übertragung nur mit einem selbst zu tun haben.Aber nicht nur wer man gerade ist,sondern wer man gern sein würde,was man braucht etc
, den finde ich auch ganz wichtig beim Thema "Übertragung" ... (jedenfalls wenn ich mal mein Fernrohr in die Zukunft richte ...)

Einen herzlichen Gruß,
Widow

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Draußen
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 17:34

Liebe Celice, liebe Widow,
Celice hat geschrieben:Ja, das geht mir im Grunde auch so. Es reicht nicht, ihm das in meinem Kopf zu sagen, es muss auch wahr- und leibhaftig bei ihm ankommen. Sonst bleibe ich darin stecken.
Ja, ja und nochmal ja. Das wollte ich betonen. Dieses allbedeutende "beim-Therapeuten-ankommen", erst da entsteht Heilung.
Celice hat geschrieben: In euren stillen Selbstgesprächen: Hört ihr eure Theras??? (Also jetzt nicht unbeding akustisch wahrnehmbar, aber doch innerlich in deren - wiederum hineinprojizierten eigenen - Gedanken vernehmbar..)
Ich hör sie nicht, aber ich stimme Dir zu: Es sind Monologe, klar gerichtet an ihre Ohren, Formulierungsvarianten, Sichtweisenwechsel und vor allem, und das gibt mir echt zu denken, sind es Therapeutinnenanalysierungen. In meinen inneren Vorträgen analysiere ich gern und viel das Verhalten meiner Therapeutin, lege ihr dar, was ich vermute, warum sie so oder so sprach. Ich versuche immer wieder zu verstehen, warum sie meiner Sicht der Dinge nicht folgt, was mein Verhalten bei ihr auslöst und warum.

Verkopft gesagt: Ich versuche mich in der Gegenübertragungsanalyse um dann mich zu verstehen. Ein Beispiel: Wir reden und ich gewinne plötzlich den Eindruck, sie hätte mein Bemühen abgewertet, ich spüre mich kurz zurückweichen. Dazu fällt mir sofort ein, wie sie in der letzten Stunde vor einer meiner Bemerkungen zu ihrer Arbeit genauso zurückgewichen ist (einer der Vorteile, beieinander zu sitzen, sich sehen zu können) und so kommt mir die Bemerkung dann wie eine Retourkutsche vor und ich fange an, über meine verletzende Bemerkung nachzudenken. Aber erst als ich mir vorstelle, wie sie sich gefühlt hat, kann ich mir erlauben, mich selbst auch verletzt zu fühlen.


ich muss noch mehr schreiben, aber nicht mehr heute

gx draußen (gleich wirklich)


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Widow
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 18:26

Draußen hat geschrieben:
Celice hat geschrieben:Ja, das geht mir im Grunde auch so. Es reicht nicht, ihm das in meinem Kopf zu sagen, es muss auch wahr- und leibhaftig bei ihm ankommen. Sonst bleibe ich darin stecken.
Ja, ja und nochmal ja. Das wollte ich betonen. Dieses allbedeutende "beim-Therapeuten-ankommen", erst da entsteht Heilung.
Mädels, mir dämmert langsam, was mein Gemini52-Bewohner mit diesem gebetsmühlenartig immer wiederholten Satz meint: "Nur das gesprochene Wort in der Stunde zählt" (und weswegen er mir alle meine Mails mittlerweile als "ungelesen" zurückschickt ).
Es dämmert aber leider erst nur ganz verhalten (Witwenhirn im Eisbärschädel - doppelt beschränkt durch cerebralen Schwund und extrem dicke Kalotte). Und vor allen Dingen: Es ist mal wieder erst eine Verstandes-Morgendämmerung. Mir fehlt nach wie vor jede umfassende Vorstellung dessen, wie dieses "leibhaftige beim Therapeuten-Ankommen" wirklich aussehen könnte. Naja, kann ja evtl. noch werden.
Draußen hat geschrieben:und vor allem, und das gibt mir echt zu denken, sind es Therapeutinnenanalysierungen. In meinen inneren Vorträgen analysiere ich gern und viel das Verhalten meiner Therapeutin, lege ihr dar, was ich vermute, warum sie so oder so sprach. Ich versuche immer wieder zu verstehen, warum sie meiner Sicht der Dinge nicht folgt, was mein Verhalten bei ihr auslöst und warum.
Das mag doch vielleicht daran liegen, dass eben auf so vielen Ebenen kommuniziert wird in einer Therapie und wir als Analysandinnen unserem analytischen Gegenüber (oder Hintendran) immer zutrauen (unterstellen?), jetzt etwas zu sagen, aber was anderes oder mitunter auch das Gegenteil zu meinen/wollen, weil z.B. gerade eine paradoxe Intervention durchgeführt wird.
Mir kommt das, diese "Gegenübertragungsanalyse", von der Du, liebe Draußen, sprichst, manchmal fast schon wie ein Belauern vor, ein Umschleichen, in der Hoffnung, irgendwann mal hinter die Maske, die Fassade, den Vorhang, das Visier etc. gucken zu können. Irgendwann mal "Klartext" zu kriegen, der rational verarbeitet werden kann. Es geht aber, wenn ich Euch richtig verstehe, nicht um Klartext und Kognition. Jedenfalls offenbar nicht nur. Es geht auch um all das so Diffuse, Vage, ins Dämmerlicht Getauchte, das, was sich den Begriffen entzieht und allenfalls in Metaphern aufscheinend kommunizierbar wird: Gefühl, sensorische und kognitive Eindrücke, Stimmungen, Atmosphärisches, einen Mensch in seiner Ganzheitlichkeit, Komplexität. Das, wo man sich so leicht irren kann. (Was man bei der Interpretation von Begriffen und Texten übrigens auch kann, aber gern ignoriert.)
Und letztlich geht es ja - um uns. Auch das lässt mich immer wieder in dieser Hab-Acht-Stellung verharren ... Irgendwie kann ich es nicht akzeptieren, dass ich da in meiner Ganzheitlichkeit - sowohl den kristallinen Begriffen als auch den diffusen Gefühlsmetaphern - wahrgenommen werden soll, dass mir einer hinters Visier gucken will. (Obwohl ich selbst das ja veranlasst habe; mal wieder ganz schön bekloppt!)
Draußen hat geschrieben:Ein Beispiel: Wir reden und ich gewinne plötzlich den Eindruck, sie hätte mein Bemühen abgewertet, ich spüre mich kurz zurückweichen. Dazu fällt mir sofort ein, wie sie in der letzten Stunde vor einer meiner Bemerkungen zu ihrer Arbeit genauso zurückgewichen ist (einer der Vorteile, beieinander zu sitzen, sich sehen zu können) und so kommt mir die Bemerkung dann wie eine Retourkutsche vor und ich fange an, über meine verletzende Bemerkung nachzudenken. Aber erst als ich mir vorstelle, wie sie sich gefühlt hat, kann ich mir erlauben, mich selbst auch verletzt zu fühlen.
Einen lieben Dank: Auch diese Veranschaulichung hat mir bei meinem Verständnisproblem ziemlich weitergeholfen!

Einen ganz herzlichen Gruß an alle hier und einen möglichst schönen Abend!
Widow

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Celice
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Beitrag Sa., 05.11.2011, 19:19

Meiner Abwehr auch schon wieder anheim fallend.. (ich weiß glaub ich auch warum.. macht es das besser?? Nur still vor mich hingedacht..):

Liebe Widow,
Widow hat geschrieben:Also eigentlich wärest Du dann nicht 'mit Dir' vollständig allein, sondern mit Dir und ... Deiner 'Mutter'
Bild

Na, da weiß ich ja wirklich nicht, was schlimmer ist! Aber im Ernst...
... Wir sind mit 6 Jahren auch in dieser Hinsicht nicht "fertig"...
Sehr gute Gedanken, die mir wirklich, wirklich Hoffnung machen. Ganz echt jetzt. Und über Leibniz und den Zirkel muss ich nochmal extern nachlesen, das ist mir alles nicht so geläufig. Beim Begriff "Zirkel" dachte ich erst an so etwas, in dem man unentrinnbar eingeschlossen ist, aber die Beschreibung ließ dann ja doch wieder Raum für Hoffnung. Danke!
Ja, ich höre ihn manchmal, allerdings in mindestens drei verschiedenen - entgegengesetzten - Versionen ... (womit wohl bewiesen wäre, dass ich derzeit noch ausschließlich projiziere?)
Boah! Drei Versionen! Neid. Puh, aber ob das Projektion ist, weiß ich nicht genau. Ich meine Projektion ist es, wenn du wirklich der Meinung bist, er ist einer bestimmten Meinung, was er aber gar nicht ist, sondern in Wahrheit du! Aber ... ich habe gerade einen Knoten in meinem Kopf.

Liebe Draußen,
...und das gibt mir echt zu denken, sind es Therapeutinnenanalysierungen. In meinen inneren Vorträgen analysiere ich gern und viel das Verhalten meiner Therapeutin, lege ihr dar, was ich vermute, warum sie so oder so sprach. Ich versuche immer wieder zu verstehen, warum sie meiner Sicht der Dinge nicht folgt, was mein Verhalten bei ihr auslöst und warum.

Verkopft gesagt: Ich versuche mich in der Gegenübertragungsanalyse um dann mich zu verstehen.
Jaa. Das kenn ich. Bild Genau so isses! Ganz schön gaga eigentlich. Und ich fürchte - alles Projektion. Aber... Hauptsache es hilft.
Widow hat geschrieben:"leibhaftige beim Therapeuten-Ankommen" wirklich aussehen könnte
Also ich weiß jetzt nicht, ob du dich selbst meinst, oder die Ergebnisse deiner inneren Trialoge.. letzteres ist glaub ich noch einfacher zu bewerkstelligen, und darum ging es ja, glaub ich.. oder? Also darum, dass das, was einen innerlich quält oder allgemein beschäftigt, leibhaftig bei ihm ankommt und nicht nur im Innenleben seine Kreise zieht.
(und weswegen er mir alle meine Mails mittlerweile als "ungelesen" zurückschickt)
Du schreibst ihm Mails?? Ich bin entsetzt.

Dass er sie ungelesen zurückschickt find ich auch krass (wie geht das denn??), aber dass du ihm überhaupt welche schreibst.. tststs.

Euch allen, dass auch ihr, leibhaftig und wahrhaftig: ankommt. Wo auch immer. Auf der Couch. Und wenn es die eigene ist.

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Draußen
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Beiträge: 243

Beitrag So., 06.11.2011, 19:46

Liebe Widow,

einmal trete ich noch nach:
Widow hat geschrieben: Mir fehlt nach wie vor jede mfassende Vorstellung dessen, wie dieses "leibhaftige beim Therapeuten-Ankommen" wirklich aussehen könnte. Naja, kann ja evtl. noch werden.
Dein gedachter Gedanke muss, nach der Wandlung in das gesprochene Wort, als gedachter Gedanke bei deinem Therapeuten ankommen und dann von dem als gesprochenes Wort an dich zurück, dass du die Überzeugung gewinnst, er habe dich verstanden. Erst dann ist es beim Gemini52-Bewohner angekommen und damit dann auch du.

Wenn ich dich bisher richtig verstanden habe, wird auf Gemini52 aber eine andere Sprache gesprochen, sodass ich deine Kommunikationsprobleme durchaus nachvollziehen kann.
Widow hat geschrieben: Das mag doch vielleicht daran liegen, dass eben auf so vielen Ebenen kommuniziert wird in einer Therapie und wir als Analysandinnen unserem analytischen Gegenüber (oder Hintendran) immer zutrauen (unterstellen?), jetzt etwas zu sagen, aber was anderes oder mitunter auch das Gegenteil zu meinen/wollen, weil z.B. gerade eine paradoxe Intervention durchgeführt wird.
So oft ich ihr auch Kalkül unterstelle, und ich gehe bei jeder Erwiederung davon aus, dass sie vorher "denkt", so heftig bestreitet die gegenüber sitzende Analytikerin selbiges. Das beginnt sich für mich nun als ernst zu nehmendes Problem darzustellen, da sie sich inzwischen schon weigert, den "Therapieraum" selbst als Artefakt anzuerkennen. Auch die Frage nach der Qualität der analytischen Beziehung steht da unmittelbar zur Debatte. Ist sie ein Kunstprodunkt, genau wie der Rahmen, oder ist so eine Sichtweise -mal wieder- Abwehr meinerseits?

gx draußen (verfrustet, aber zuversichtlich)

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