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Mo., 11.09.2023, 11:14
Ein Boot, ein Auffangnetz, eine Schulter an der ich mich ausweinen konnte, gab es auch für mich nicht. Ich lebte als Kind in einer Welt, in der es nur Demütigung, Gewalt und Angst gab. Da war niemand, mit dem ich hätte sprechen können. Ich habe mich so sehr für diese Familie geschämt, dass ich alles tat, damit niemand etwas merkt. Wenn in der Schule oder bei Freunden etwas an meinem Verhalten auffiel, habe ich mit Ausreden bagatellisiert. Das Gefühl, alleine zu sein, dass niemand sonst auf der Welt mit mir fühlt, mich auch nur verstehen könnte, hat mich bis heute nicht verlassen.
Noch heute fühle ich mich stigmatisiert und ertrage es nicht, wenn mich jemand länger ansieht, dann meine ich, man sieht mir alles an. Dann fühle ich mich durchsichtig und möchte in den Boden versinken, so erdrücken mich Schuld- und Schamgefühle. Die Schuld, die das Opfer stellvertretend für die Täter übernimmt.
Es ist mir erst jetzt in meiner 3. Therapie möglich, diese Traumata näher zu benennen. Das kostet mich unendlich viel Kraft und Überwindung. Manchmal, wenn ich meinen Gefühlen nachspüre, frage ich mich, ist das wirklich Trauer, die ich fühle, Schmerz, Enttäuschung, Wut, Hoffnung - oder ist das meine Vorstellung davon? Ich weiß es nicht wirklich. Nur das Gefühl des Alleinseins, dass mein Erleben von niemandem wirklich nachempfunden werden kann, ist sehr real.