Der Therapeut als Vaterfigur

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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candle.
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Beitrag So., 18.09.2022, 19:51

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 19:11 Unser Verwaltungsleiter war auch um einiges älter und ich hätte mir gewünscht, dass er in mir eine Tochter sieht. Das hat auch nicht geklappt, sondern ging nach hinten los. Ich war damals schon mit meinem Mann zusammen, wir waren ein Paar. Und der Verwaltungsleiter hat anscheinend meine Nettigkeit irgendwie fehlinterpretiert und wollte sich mit mir privat treffen und gab auch ehrlich zu, dass er gerne intim mit mir werden wollte. Ich hab ihn abgewiesen und musste danach den Betrieb wechseln, was sehr schwer war, usw.
Ja, aber grundsätzlich kann das doch gehen? Ich meine du hast da eben "Pech" gehabt.
Ich hatte auch meine mütterlichen Vorbilder und das ging gut ohne das jetzt irgendwie zu besprechen oder zu fordern. Das war eben MEIN Gefühl dazu und ich denke, dass das entscheidend ist.

Als ich mal das Angebot bekam mich adoptieren zu lassen, wurde mir das dann doch mulmig, weil jeder eben seine unschönen Seiten hat und ich nicht abschätzen konnte was da für Anforderungen an mich als Tochter gestellt werden.

Ich sage es mal so: Als erwachsene junge Frau war ich frei und konnte mich nicht (wieder) einer Elternschaft "unterwerfen".

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Griselda
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:00

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 19:30
Ne, ich stelle mir das so vor: er unterstützt mich immer und überall, ich teile mit ihm meine Sorgen und auch meine schönen Zeiten. Er freut sich für mich und wird immer für mich da sein, wenn ich ihn brauche und nicht nur manchmal während der Sitzungen, sondern im echten Leben.
Ja, und was machst du für ihn? Dieses Eltern-Kind-Ding ist ja nicht nur eine Einbahnstraße.
Fährst du dann auch mal mit ihm zu seinen und deinen Verwandten, malen deine Kinder Bilder für ihn, besuchst du ihn im Krankenhaus? Was ist mit seiner Frau?


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Natusik
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:02

Huch, erstmal danke für eure Denkanstöße! Mein Ehemann akzeptiert mich schon, aber da er ja vom Beruf her kein Psychotherapeut ist, macht er das nicht so gut, wie der Therapeut.
Was ich jetzt ziemlich komisch finde, ist, dass bisher keiner von euch geschrieben hat, er/sie hätte genau oder ungefähr dasselbe erlebt. Bin ich hier wirklich die Einzige?
Was ich hier im Forum aber bisher so alles gelesen habe, da waren einige Patienten, bei denen der Therapeut mit gegenseitigen Gefühlen reagiert hat. Und das macht mich schon sehr traurig, dass ich es leider nicht geschafft habe.
Ich komme mir so vor, wie eine Versagerin, wie jemand, der eine Absage kassiert hat. Das tut mir unendlich weh!
"Sich selbst zu lieben - ist der Beginn einer lebenslanger Romanze"
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Natusik
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:04

Griselda hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:00
Ja, und was machst du für ihn? Dieses Eltern-Kind-Ding ist ja nicht nur eine Einbahnstraße.
Fährst du dann auch mal mit ihm zu seinen und deinen Verwandten, malen deine Kinder Bilder für ihn, besuchst du ihn im Krankenhaus? Was ist mit seiner Frau?
Ja, ich bin dann auch für ihn da, falls er mich braucht. Seine Frau wäre dann so eine Art Stiefmutter und seine Töchter meine Halbschwestern oder so.
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Philosophia
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:05

Ach nein, ich habe doch auch schon gesagt, dass ich töchterliche Gefühle der Analytikerin gegenüber habe. Und sie hat auch mütterliche. Aber Sie darf trotzdem die Analytikerin und ich die Patientin bleiben.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer


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Natusik
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:14

Philosophia hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:05 dass ich töchterliche Gefühle der Analytikerin gegenüber habe. Und sie hat auch mütterliche.
Siehst du? Sie hat auch mütterliche Gefühle und meiner gar keine. Oh man 😞
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Joa
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:14

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:02 Was ich jetzt ziemlich komisch finde, ist, dass bisher keiner von euch geschrieben hat, er/sie hätte genau oder ungefähr dasselbe erlebt. Bin ich hier wirklich die Einzige?
Nein, Natusik - bestimmt nicht. Ein Teil von mir wünscht sich das genauso und das ist nix Ungewöhnliches, wenn man da diesen großen, schmerzhaften Mangel verspürt. Aber mir ist klar, dass er mein Therapeut ist und nicht mein Ersatzvater, und dass das nie der Fall sein wird. Ich bin da halt ehrlich zu mir und nach meinem Empfinden realistisch.

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Joa
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:16

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:14 Siehst du? Sie hat auch mütterliche Gefühle und meiner gar keine. Oh man 😞
Und genau hier kommt auch wieder der Aspekt Mann/Frau ins Spiel. Bzw. Heteromann/Frau. Das ist einfach nochmal was Anderes imo.


kaja
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:18

Nun, es war nicht meine Absicht dich zu verletzen, aber manchmal tun Fakten einfach weh.

Einen Vater zu haben mit dem man (positiv) emotional verbunden ist, bedeutet nicht "nur" geliebt und unterstützt zu werden. Es bedeutet auch oft das sich im Alter die Rollen umkehren, das Kind die Eltern unterstützen und pflegen muss. Tiefen emotionalen Schmerz beim Verlust und bis dahin Angst vor dem unweigerlichen Abschied. Es ist nicht einseitig.

Wie passt es in deine Vater-Idealisierung vom Beschützer und Unterstützer, wenn er nichts mehr kann und du ihm auf die Toilette hilfst?

Deine utopische Vorstellung einer Vater-Tochter-Beziehung würde bei Kontakt mit der Realität sehr schnell tiefe Risse bekommen. Spätestens dann wenn der Therapeut, oder ein anderer idealisierter Mensch, deine Träume nicht mehr erfüllen kann, nicht mehr der Wunschvorstellung entspricht...und das kann niemand, denn nichts ist so einseitig perfekt wie deine Idee von einer Vater-Tochter-Beziehung.

Wenn dir jemand einen Film zeigen würde, in dem sich eine erwachsene Fremde in das Leben einer Familie drängt, das komplette Umfeld zwingt ihren Vorstellungen entsprechend Rollen einzunehmen um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Was meinst du welchem Genre man einen solchen Film zuordnen würde?

Ich denke viele hier (mich eingeschlossen) empfinden in irgendeiner Form (zeitweise) eine tiefe emotionale Bindung zu ihren Therapeuten. Genießen die Käseglocke einer Therapie unter der sich alles um sich und die eigenen Bedürfnisse dreht. Aber in der realen Welt werden einem nicht alle Bedürfnisse erfüllt, es dreht sich nicht alles um einen selbst.
Die Käseglocke ist das Testfeld um es in der realen Welt zu schaffen, der Schutzraum um Wunden zu versorgen bevor einen das Leben wieder hat. Und das Leben ist keine Käseglocke, es ist weit.
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Scars
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:28

kaja hat geschrieben: So., 18.09.2022, 18:37 Was du jedoch tun kannst ist dir als Frau eine Umgebung zu schaffen die es dir ermöglicht ohne diesen empfundenen Mangel ein Leben zu führen mit dem du zufrieden sein kannst.
Ich finde, deine Aussage könnte man hier im Forum mal irgendwo anpinnen, für alle Übertragungsgeplagten. Letztlich geht es bei aller Therapie ja „nur“ darum, mit allem und trotz allem ein zufriedenstellendes Leben in der unvollkommenen, zuweilen sogar grausamen Realität zu finden. Ich finde, das geht oft irgendwie vergessen.
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münchnerkindl
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:43

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:02 Was ich hier im Forum aber bisher so alles gelesen habe, da waren einige Patienten, bei denen der Therapeut mit gegenseitigen Gefühlen reagiert hat. Und das macht mich schon sehr traurig, dass ich es leider nicht geschafft habe.

Oh ja. Es gibt immer wieder Threads mit dem Inhalt. Und die allermeisten davon berichten über Grenzüberschreitungen, unprofessionellem Vermischen von Therapie und Privatleben und dem grossen Knall am Ende der die Klienten völlig am Boden hinterlässt.

Der Therapeut schützt dich mit seinem Verhalten genau davor. Denn solche Tendenzen zu füttern ohne entsprechende Abgrenzung würde in die Katastrophe führen.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 18.09.2022, 20:47

Natusik hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:04
Ja, ich bin dann auch für ihn da, falls er mich braucht. Seine Frau wäre dann so eine Art Stiefmutter und seine Töchter meine Halbschwestern oder so.

Natusik, das ist eine Fantasie, eine Sehnsucht. Sowas kann man haben, völlig unproblematisch.

Aber bei dir hat sich das ja schon fast zu einer Obsession festgefressen. Du hast im Privatleben dieses Therapeuten nichts, absolut nichts, absolut GARNICHTS verloren. Das war von Anfang an nicht drin, das ist nicht drin, und das wird nicht drin sein.

Du bist da in der Rolle der Klientin, sonst NICHTS. Und schon garnicht ist es dein Job dich um ihn zu kümmern falls er ein Problem hat. In der Therpie geht es um deine Probleme, was im Leben des Therapeuten vor sich geht GEHT DICH NICHTS AN UND IST NICHT DEIN PROBLEM.

Ausserdem, du kennst den Mann nur als Therapeut. Das sagt nichts darüber aus wie der Mann im Privatleben so ist. Er könnte privat ein völlig anderer Mensch sein, und durchaus auch jede Menge schlechte Eigenschaften haben, Fremdgehen, die Kinder nicht gut behandeln, sich mit seiner Frau Rumschreiduelle liefern, trinken etc. Du idealisierst den Mann aufgrund dieser völlig artifiziellen Situation in der Therapie.


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Natusik
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Beitrag So., 18.09.2022, 21:21

kaja hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:18 Nun, es war nicht meine Absicht dich zu verletzen, aber manchmal tun Fakten einfach weh.
Klar, hab auch nicht vermutet, dass du mich verletzen willst, sondern wohl eher in die Realität zurückzuholen.
In meiner Heimat sagt man in solchen Situationen so etwas, wie "Lieber die bittere Wahrheit, als die süße Lüge". Klingt ein wenig komisch übersetzt, aber ich hoffe, du verstehst es)
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Natusik
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Beitrag So., 18.09.2022, 21:30

münchnerkindl hat geschrieben: So., 18.09.2022, 20:47

Ausserdem, du kennst den Mann nur als Therapeut. Das sagt nichts darüber aus wie der Mann im Privatleben so ist. Er könnte privat ein völlig anderer Mensch sein, und durchaus auch jede Menge schlechte Eigenschaften haben, Fremdgehen, die Kinder nicht gut behandeln, sich mit seiner Frau Rumschreiduelle liefern, trinken etc. Du idealisierst den Mann aufgrund dieser völlig artifiziellen Situation in der Therapie.
Siehst du, und genau das könnte auch einer der Punkte sein, wieso ich mir das so sehr wünsche: dadurch, dass ich ihn privat nicht kenne, kann ich ihn unendlich idealisieren in meiner Fantasie.
Der nächste Punkt ist, dass wenn er darauf eingehen würde, hätte ich ausatmen können, dass ich doch noch gut genug bin, um von ihm nicht nur als Patientin wahrgenommen zu werden.
Der übernächste Punkt ist dann, dass er durch seine Arbeit so anders als die Menschen aus dem echten Leben mit mir umgegangen ist. Er half mir aus der Krise mit Angststörung etc. raus und mit Erfolg.
Weiter: die ungeliebte Tochter in mir dachte (fälschlicherweise): "Da ist er, der Vater meiner Träume".
Da braucht ihr euch auch gar nicht wundern, warum ich wie du schreibst, so besessen davon bin...
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Nutriaa
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Beitrag So., 18.09.2022, 22:56

Hallo Natusik,

bisher habe ich nur still mitgelesen, und ich kann verstehen, dass du Sehnsucht nach einer Vaterfigur hast, was du mit vielen anderen Menschen teilst. Jedoch sollte deine Sehnsucht nicht so weit gehen, dass du deinen Thera objektifizierst, ihn austauschbar machst, ihn, genau genommen, für deine Zwecke benutzen willst.
Nehmen wir mal an, er würde sagen, dass er in mir eine Tochter sieht. Dann würde ich sagen: "Nein, danke. Ziel erreicht".
ich suche sogar in anderen älteren Herren einen Ersatzpapa
"A slave is one who waits for someone to come and free him." Ezra Pound

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