Zumutung oder zu sensibel?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 13:54

Waldschratin hat geschrieben: Mo., 07.05.2018, 13:25 weg vom "Kopf" zu kommen, und damit vom "Gedankentanzen". ;-)
Ich glaube dass "Gedanken" auch "retten" können. Dieses "ewige Kreiseln" statt "tun" bringt natürlich nichts, da stimme ich Dir zu, aber "Denken" kann auch "abmildern". Die Anwesenheit von Gedanken bedeutet ja nicht zwingend die Abwesenheit von Gefühl (also zumindest bei mir funktioniert das nicht so "schwarz-weiss").

Eine Freundin von mir hat mal zu einer anderen Freundin gesagt: "Ja, aber das machst Du doch nur mit dem Kopf. Das denkst Du doch nicht wirklich...". Ich finde diesen Satz bis heute legendär. Zum einen weil er so "absurd" erscheint auf den ersten Blick, zum anderen weil sie damit etwas auf "den Punkt" gebracht hat was man nicht besser auf den Punkt hätte bringen können.

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Waldschratin
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 14:06

mio hat geschrieben: Eine Freundin von mir hat mal zu einer anderen Freundin gesagt: "Ja, aber das machst Du doch nur mit dem Kopf. Das denkst Du doch nicht wirklich...". Ich finde diesen Satz bis heute legendär. Zum einen weil er so "absurd" erscheint auf den ersten Blick, zum anderen weil sie damit etwas auf "den Punkt" gebracht hat was man nicht besser auf den Punkt hätte bringen können.
Ich hab hier im Faden ein paar Seiten weiter vorne wegen nem ähnlichen Gedanken letzthin erst "Prügel" bezogen. :-> :-D

Bei mir funktioniert das auch nicht schwarz-weiß. Das muss immer individuell angepasst werden, geschaut werden, was ist grade da, was ist "eigentlich" und dann noch, wer erlebt das grade und wie ist derjenige "gestrickt", was braucht er etc.pp.

Das find ich das Schwierige bei so "Techniken". An und für sich sind sie sehr hilfreich, aber die Gefahr ist groß, dass sie "verallgemeinert" gesehen und auch angewendet werden. So "roboterhaft" 1:1 mechanisch. Kanns grad nicht besser beschreiben.

Ist wie bei Traumdeutung. Das find ich auch fatal, wenn man da drangeht in der Form "Von nem Haus zu träumen bedeutet dies und das", anstatt zu betrachten, was denn die "Hintergrundstimmung" des Traumes eigentlich war, wie man sich gefühlt hat etc.


mio
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 14:43

Waldschratin hat geschrieben: Mo., 07.05.2018, 14:06 Ist wie bei Traumdeutung. Das find ich auch fatal, wenn man da drangeht in der Form "Von nem Haus zu träumen bedeutet dies und das", anstatt zu betrachten, was denn die "Hintergrundstimmung" des Traumes eigentlich war, wie man sich gefühlt hat etc.
Die "Deutungsmöglichkeiten" können aber auch zu mehr eigener "Klarheit" bezüglich des eigenen "Hintergrundgefühls" führen. Denn "annehmen" werde ich - so ich in Verbindung mit mir selbst bin - immer nur das, was sich für mich "stimmig" anfühlt.

Zu dem "Roboterhaften" kommt es doch nur, wenn ich das Gefühl habe nicht auch "ablehnen" zu dürfen was an mich herangetragen wird, wenn es sich für mich nicht stimmig anfühlt.

Und das ist es auch, was ich an dem Vorgehen der Therapeutin "grenzwertig" finde. Anstatt Sicherheit zu vermitteln durch "Du darfst auch NEIN sagen." versucht sie Sicherheit durch "Du kannst/musst mir blind vertrauen." zu vermitteln.

Das mag bei bestimmten Menschen so funktionieren, bei mir würde es definitiv nicht funktionieren. Nicht, wenn ich "entschieden" würde statt "entscheiden zu dürfen".

Meine Thera hat mich auch mal gefragt wie ich den "Kontakt zwischen uns" so finde und ich stand auch erst mal total auf dem Schlauch was sie jetzt genau meint. Hab ich ihr auch spontan so gesagt. Und dann hab ich versucht zu "vergleichen" um für mich zu einer Antwort zu kommen. Viele Vergleichsmöglichkeiten hatte ich nicht, da es die erste "echte" Therapie war die ich gemacht habe, aber ich war vorher bei jemandem zur "Beratung" und so habe ich eben das verglichen.

Und dabei ist mir aufgefallen, dass ich bei diesen Gesprächen immer das Gefühl hatte schreien zu müssen um gehört zu werden. Das war nur so ein Gefühl, unscharf, und hätte sie mich nicht gefragt wäre mir das wahrscheinlich auch nie aufgefallen, da sie mich aber fragte, fragte ich mich dann: Woran zum Teufel liegt das denn?

Da war zum einen das "Setting". Das "Setting" bei meiner Thera hat was von einem "Wohnzimmer" und so fällt die Distanz zwischen uns nicht "unangenehm" auf, weil sie eben einer normalen "Wohnzimmerdistanz" entspricht. Bei dem Berater hingegen war es so, dass wir uns auf zwei normalen Stühlen gegenübersassen. Aber zwischen uns war weder ein Tisch noch war die Distanz so wie man sie aus solchen Situationen kennt sondern sie war deutlich größer und damit auch "unnatürlich". Die faktische (räumliche) Distanz an sich war in beiden Fällen gleich, sei fühlte sich nur völlig unterschiedlich an. Hinzu kam, dass der Berater sehr "zurückhaltend" war. Meine Thera hingegen ist sehr "offen" und "zugewandt" und damit für mich deutlich leichter "einzuschätzen" und damit weniger "bedrohlich". Denn wenn ich weiss, was jemand möchte, dann kann ich mich dagegen "abgrenzen". Weiss ich das hingegen nicht, dann "schwimme" ich gefühlt.

Nun ist die "Aufgabe" des Analysanden ja das "freie Assoziieren", möglichst "unbeeinflusst" vom Analytiker. Wenn nun aber der Analysand statt "frei zu assoziieren" so "frei" assoziieren "muss" dass er gefühlt nur noch "schwimmt" dann stimmt für mich was mit der "Aufklärung" nicht. Denn dann wurde niemals mitgeteilt wie "Analyse" eigentlich geht.

Ich hab meine Thera auch mal mit einer Lehrerin verglichen und sie gefragt wie das geht: "Therapie." und sie meinte dann zu mir: Bringen Sie einfach immer das Thema mit was für sie gerade am Bedeutsamsten ist. Das war eine klare Ansage.

Die "Ansagen" die Gedankentanz hingegen erhält lauten: Sie müssen 4x die Woche kommen. Sie müssen sich hinlegen.

Aha....

Da würde ich mich dann schon auch fragen: Und was soll das? Vor allem wenn es mir durch die Therapie eher schlechter als besser gehen würde. Und da hätte ich dann schon auch gerne mal "Antworten" um mich überhaupt "einlassen" zu können.

Und dass diese "Antworten" so gar nicht zu kommen scheinen finde ich gelinde gesagt befremdlich.


Waldschratin
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 14:56

mio hat geschrieben: Die "Ansagen" die Gedankentanz hingegen erhält lauten: Sie müssen 4x die Woche kommen. Sie müssen sich hinlegen.

Aha....

Da würde ich mich dann schon auch fragen: Und was soll das? Vor allem wenn es mir durch die Therapie eher schlechter als besser gehen würde. Und da hätte ich dann schon auch gerne mal "Antworten" um mich überhaupt "einlassen" zu können.

Und dass diese "Antworten" so gar nicht zu kommen scheinen finde ich gelinde gesagt befremdlich.
Für mich wäre das auch nix, das ganze Setting an sich nicht.
Aber da drum geht's hier glaub ich gar nicht so sehr.
Einerseits kriegen wir hier nur die eine Seite eines Miteinanders mit, andererseits sagt Gedankentanz ja eh deutlich, dass sie nicht weg kann von der Analytikerin, jedenfalls zur Zeit nicht. Und das respektiere ich. Solange da bei Gedankentanz selbst keine "Sicht" möglich ist in diese Richtung und es sich erschöpft in "Zweifel" und Hin und Her, seh ichs einfach nicht im Fokus derzeit. Warum auch immer das jetzt grade so ist bei Gedankentanz.
Ich geh da einfach mit dem mit, was Gedankentanz grade so bewegt. Angesprochen ist das "Weggeh"-Thema ja mehrfach, immer mal wieder kommts aufs Tablett - mir fehlt die entsprechende Reaktion von Gedankentanz drauf, um da mehr drauf anzusprechen.
Wie gesagt : Wir kriegen hier nur nen winzigen Ausschnitt des Ganzen mit, alles andere ist Interpretation auf dem eigenen Hintergrund.

Ich klink mich jetzt mal aus, muss zur Arbeit. :hallo:

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lisbeth
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 15:13

mio hat geschrieben: Mo., 07.05.2018, 14:43 Die "Deutungsmöglichkeiten" können aber auch zu mehr eigener "Klarheit" bezüglich des eigenen "Hintergrundgefühls" führen. Denn "annehmen" werde ich - so ich in Verbindung mit mir selbst bin - immer nur das, was sich für mich "stimmig" anfühlt.

Zu dem "Roboterhaften" kommt es doch nur, wenn ich das Gefühl habe nicht auch "ablehnen" zu dürfen was an mich herangetragen wird, wenn es sich für mich nicht stimmig anfühlt.
Es gibt aber auch Menschen (und ich zähle mich dazu), die 'wissen' gar nicht, wie sich sowas 'stimmig' anfühlt. Da geht es nicht darum, dass man ihnen vermitteln muss: 'du darfst auch ablehnen'. Sondern darum, dass sie erstmal ein Gefühl dafür entwickeln können, wann etwas *für sie* stimmig ist und wann sie *aus sich selbst heraus* lieber ablehnen würden. Also nochmal 10 Schritte früher sozusagen.

Und: Das ist keine Entscheidung des Wollens oder Nicht-Wollens. Sondern diese Fähigkeit hat sich - aus welchen Gründen auch immer (meistens liegen die Ursachen in der Biografie) - gar nicht erst so richtig entwickeln können. Es ist auch nicht so, dass man sich selbst etwas "aktiv" verbietet, weil man das eben so macht oder nicht macht. Da geht es nicht um Regeln oder Konventionen. Der eigene Impuls ist einfach 'nicht da', bzw. so flüchtig, dass er schon wieder fort ist, wenn man anfängt, genauer hinzusehen. Und allein das Hinsehen ist schon schwierig, da die automatisierten Ausblendungen nahezu perfektioniert wurden (werden mussten) und man sich selbst auch jede Menge interne Abwehrmechanismen drüber gelegt hat, zum Selbstschutz sozusagen. Denn das ganze Konstrukt hatte ja auch mal eine wichtige Funktion: Überleben sichern.

Es braucht viel Mut (braucht es wohl immer...), viel Übung der eigenen Wahrnehmung, um diese hauchfeinen Impulse zu spüren und ein einfühlsames Gegenüber, das mir hilft, diese Wahrnehmungen (da reden wir noch nichtmal von Gefühlen) zu halten und auszuhalten. Eine Person, die mir beim Sortieren hilft, ohne mir dabei ihre Agenda aufzudrücken. Die mich im Ausdruck bestärkt, auch wenn das erstmal sehr unbeholfen und tapsig ist.

So wie ich die Analytikerin von Gedankentanz (durch ihre Erzählungen) wahrnehme, arbeitet sie komplett anders. Setzt etwas voraus, was bei mir zB so gar nicht vorhanden wäre, noch nicht - würde ich hinzufügen. Aber damit würde sich für mich die ganze Interaktion tatsächlich immer wieder im Kreise drehen bzw. immer wieder ins Leere laufen...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


mio
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 15:56

lisbeth hat geschrieben: Mo., 07.05.2018, 15:13 'du darfst auch ablehnen'. Sondern darum, dass sie erstmal ein Gefühl dafür entwickeln können, wann etwas *für sie* stimmig ist und wann sie *aus sich selbst heraus* lieber ablehnen würden. Also nochmal 10 Schritte früher sozusagen.
Ja, das kann ich schon nachvollziehen. Zumindest theoretisch. Ich würde es allerdings durchaus als ein "das Gefühl des anderen von sich weisen" können und dürfen sehen. Diese "Unfähigkeit" kommt ja daher, dass die Eltern dem Kind das "eigene Gefühl" "verboten" haben im weitesten Sinne indem sie dem Kind ihre Gefühle "übergestülpt" haben.

Und so etwas ähnliches tut die Therapeutin wenn sie Gedankentanz "ihre Wut" zuweist. Gedankentanz sagt: Nein, mich macht das nicht wütend, mich macht das traurig... Sie kann IHR Gefühl also durchaus benennen. Aber anstatt darauf einzugehen und mit Gedankentanz gemeinsam herauszufinden WESHALB es Gedankentanz traurig macht, dass sie sich nicht in der Lage sieht sich hinzulegen bleibt die Therapeutin erst mal bei ihrer Deutung und "sagt" damit letztlich: Ich weiss besser als Du selbst was Du fühlst!

Nun wäre Wut zwar die "natürlichere" Reaktion aber wenn Gedankentanz mit Traurigkeit statt Wut reagiert dann ist das so und dann gibt es dafür Gründe. Das hat was von:

Ich würde es ja gerne mögen, einfach weil ich Dich mag, aber ich mag es nunmal nicht. Und nun magst Du mich nicht mehr, weil ich nicht mag, was Du magst. Anstatt mich "mit meinem" anzunehmen versuchst Du mir "Deins" schmackhaft zu machen...

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Sehr
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 16:02

Vielleicht gehört die Traurigkeit zur Wut oder umgekehrt? Wie unterscheidet man das?
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mio
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 16:08

Ich nehme auch an, dass das zusammenhängt.

Normalerweise macht "Nicht wahrgenommen werden" erst mal wütend. Wenn ich jetzt aber "gelernt" habe dass "mein Gefühl" dem "anderen dienlich" sein MUSS dann macht es mich unter Umständen traurig wenn ich merke: Ich kann Dir nicht so "dienlich" sein, wie Du es gerne möchtest und brauchst. Dann wird das "Bedürfnis" des anderen höher gewertet als das eigene und man selbst empfindet Trauer darüber, dass man es nicht "befriedigen" kann. Anstatt wütend auf den zu werden, der etwas von einem verlangt wozu man sich nicht in der Lage sieht.

Ungefähr so würde ich das verstehen. Dh. die "gelernte Trauer" legt sich über die "orginäre Wut".

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Solage
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Beitrag Mo., 07.05.2018, 19:58

Es gibt in der Fachsprache auch den verfolgenden Analytiker: Da fühlt sich der Analysand unter Druck. Kann man als Übertragung einfach wegdeuten, oder von Analytikerseite schauen, was sein Beitrag dazu ist.
Sie wünschen eigentlich mehr Nähe, Sie lassen mich nicht an sich ran, Sie vertrauen mir nicht genug und deshalb legen Sie sich nicht auf die Couch.
Druck erzeugt Gegendruck.
Die natürliche Entwicklung braucht seine Zeit und das gegenseitige Vertrauen wird nicht geschenkt.

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Philosophia
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Beitrag Di., 08.05.2018, 04:57

Noch mal in Worten: Danke Solage!
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Gedankentanz
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Beitrag Di., 08.05.2018, 08:30

So viele spannende und interessante Gedanken!

In einigem finde ich mich wieder, wenn nicht sogar verstanden.

Ich glaube ein großes Problem stellt bei mir die Zeit da.
Sehr lange meinte meine Therapeutin, dass das alles Zeit braucht und wir genügend haben.
Jetzt aber sprach sie davon dass wir nicht mehr ganz so viel haben, sie aber merkt, das ich wirklich viel brauche.
Da kommen bei mir dann auch Gedanken hoch, zum einen, Mist, ich bin viel zu langsam, ich muss besser mitmachen und zum anderen Stelle ich mir die Frage ob andere auch so viel Zeit brauchen oder ob ich da nicht gut genug bin. Dinge die mich zusätzlich unter Druck setzen. Zudem kommt dann, dieses, für mich gefühlte, drängeln ihrerseits dazu.
Ob sie wirklich drängelt oder ob es zur Analyse dazu gehört, sei jetzt einfach mal dahin gestellt. Subjektiv fühle ich mich dadurch noch mehr unter Zugzwang.

Bei mir herrscht keine innere Leere, sondern ein wahnsinniger Gefühlstumult. Ein riesen Wirwar, der mich vor allem in der Analyse versucht mit sich zu reißen.
Gefühlt, als würde die T. oben am Berg stehen und die Lawine lostreten und ich stehe unten, sehe sie auf mich zukommen. Sie überrollt mich und im überrollen ist die Sitzung vorbei und ich verlasse den Raum. Doch die Lawine rast innerlich weiter. Ich fühle mich hilflos und alleine unter der Schneedecke, muss mich aber gleichzeitig zusammenreißen, denn zuhause warten meine Lieben auf mich.

Bisher hat mir meine Therapeutin nicht erklärt, wie ich der Schockstarre, Angst oder die Überflutung entgegen wirken kann.
Sie nimmt es zur Kenntnis und ärgert sich eher darüber, das ich versuche in der Sitzung mich zusammen zu reißen. Aber mein Gefühl sagt mir, oder ist es mein Selbstschutzmechanismus? Das ich es nicht zulassen kann und darf, denn es würde mich wegschwämmen. Hinzu kommt, das ich mich grundsätzlich unwohl fühle meine traurigen Gefühle anderen zu zeigen.

Zur Wut, in meinem Alltag gibt es für mich wenig Anlass wütend zu sein. Klar, schimpfe ich schon mal mit den Kids, aber so richtig wütend, nein.
Wut war für mich sehr beängstigend in der Kindheit. Ich weiß wie sie sich anfühlt.
Bei der T. bin ich nicht wütend sondern wirklich traurig. Weil ich nicht die gewünschte Leistung bringe. Aber wenn ich in einer Situation sage, in der Wut angebracht wäre, zumindest scheint es so, von Traurigkeit spreche, wird meine Therapeutin energisch und sagt das ich nicht traurig bin sondern wütend. Das verwirrt mich, denn ich bin dann wirklich traurig, sage aber dann, das ich wütend bin. Irgendwie weil ich mich sonst "falsch" fühle.
Ist alles nicht so einfach....

Ich glaube sie meint es wirklich
gut mit mir. Gleichzeitig glaube ich, dass wir beide oft an unsere Grenzen kommen.
Sie in dem sie nicht so an mich rankommt, mir nicht die Hilfe zukommen lassen kann, wie sie es gerne würde.
Und ich, die, die mir gebotene Hilfe nicht schafft anzunehmen. Mich von jeglicher Nähe, sofort zurück ziehe. Denn frühere Nähe war immer trügerisch.

Ich hätte selbst nie gedacht, wie viel Baustellen ich in mir drinne habe. Und alle sind irgendwie angerissen.

Kennt ihr das Gefühl, euch wund zu fühlen? Im übertragenen Sinne? Und das jeder noch so kleine Reiz unangenehm, fast schon schmerzlich ist?
Man sich einfach nur in Watte packen will?
Zuletzt geändert von Gedankentanz am Di., 08.05.2018, 09:03, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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candle.
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Beitrag Di., 08.05.2018, 09:00

Gedankentanz hat geschrieben: Di., 08.05.2018, 08:30 Ich glaube ein großes Problem stellt bei mir die Zeit da.
Sehr lange meinte meine Therapeutin, dass das alles Zeit braucht und wir genügend haben.
Jetzt aber sprach sie davon dass wir nicht mehr ganz so viel haben, sie aber merkt, das ich wirklich viel brauche.
Ja, aber ganz real gedacht ist es doch völlig logisch, dass die Zeit irgendwann rum ist? Ist dir das nicht klar? Oder verläßt du dich da zu sehr auf deine Therapeutin? Ich habe das so erlebt, dass ich den Druck nicht mehr gespürt habe, weil einfach klar war, dass irgendwann der Punkt erreicht ist wo ich nicht mehr dieses "Endlosgefühl" hatte, ja sogar begrüßte.

Das fällt mir ganz oft auf, dass was ein Thera sagt hier als absolutes Gesetz genommen wird und somit die Enttäuschungen groß werden. Aber warum ist das so?

Klar wird es Zeit für dich in die Gänge zu kommen. Wie du die Kurve bekommst, weiß ich jetzt nicht. Vielleicht nimmst du deine Kraft zusammen und springst über deine Schatten?

LG candle
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Gedankentanz
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Beitrag Di., 08.05.2018, 10:15

candle. hat geschrieben: Di., 08.05.2018, 09:00 Das fällt mir ganz oft auf, dass was ein Thera sagt hier als absolutes Gesetz genommen wird und somit die Enttäuschungen groß werden. Aber warum ist das so?

Klar wird es Zeit für dich in die Gänge zu kommen. Wie du die Kurve bekommst, weiß ich jetzt nicht. Vielleicht nimmst du deine Kraft zusammen und springst über deine Schatten?

LG candle
Dass die Zeit irgendwann rum ist, ist klar. Nur wenn einer einem mit der Nase drauf zeigt und sagt, eigentlich bräuchte ich viel mehr, sprich wir werden wahrscheinlich nicht genug schaffen, dann werde ich doch irgendwie kribbelig.

Absolutes Gesetz, würde ich so nicht unterstreichen. Eher darauf verlassen, denn man hat es ja mit einem Profi zu tun. Dann vertraut man, wenn möglich darauf, dass das was er sagt und tut auch richtig ist.

Über meinen Schatten springen, uff, Zuhause in Gedanken geht das, aber sobald ich da bin, bin ich wie festgefroren...
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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candle.
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Beitrag Di., 08.05.2018, 10:49

Gedankentanz hat geschrieben: Di., 08.05.2018, 10:15 Eher darauf verlassen, denn man hat es ja mit einem Profi zu tun. Dann vertraut man, wenn möglich darauf, dass das was er sagt und tut auch richtig ist.
Als Vertrauen sehe ich das nicht, sondern als einen Strohhalm an dem du dich festkrallst, der aber bald unter der Last umknicken wird.
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Waldschratin
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Beitrag Di., 08.05.2018, 12:29

Gedankentanz hat geschrieben:Kennt ihr das Gefühl, euch wund zu fühlen? Im übertragenen Sinne? Und das jeder noch so kleine Reiz unangenehm, fast schon schmerzlich ist?
Man sich einfach nur in Watte packen will?
Oh ja, nur zu gut! :ja:
Grade im Moment geht's mir genaus so. Ich komm grade von der Therapie und könnt die ganze Welt ankotzen, weils alles nicht so läuft, wie ich es gern hätte in mir drin.
Ähnlich wie bei dir : Nicht "schnell" genug, werde nicht "gesehen" etc. pp. Und möchte am liebsten aufgeben und hinwerfen, nicht nur die Therapie, gleich mal "alles".

Das ist dieses Empfinden, "keine Haut" zu haben, "wund" zu sein, ohne "Grenze" und Schutz der Welt ausgeliefert. Durchlässig bis zum abwinken, und jedes kleine Bisserl haut einen nicht nur aus den Latschen, sondern lässt einen gleich mal verzweifeln.

Das ist die eine Seite.

Die andere Seite weiß sehr wohl : Ich bin an einem wichtigen Punkt, es ist absolut "stimmig", dass ich das jetzt grade so und nicht anders (endlich mal!) fühlen kann.
Dass ich Verbindung dazu habe, mich v.a. darum kümmern kann, weil ichs endlich mal bewusst mitkriege, WIE "killbar" ich da im Innersten noch bin.

Wie lange meine Therapie noch dauert, ist mir dabei aber nicht so wichtig.
Therapie ist immer nur ein "Anstoß" zum Heilwerden, bestenfalls lernt man in dieser Zeit, wie man mit sich selber besser klarkommt und sich selber "versorgt" bekommt.

Und wenns dann mal wieder so weit ist, dass man alleine nicht mehr weiterkommt, kann man ja wieder beantragen. Oder "Krisenstunden" nehmen oder oder oder.

Ich denk, es ist eher deine Angst, deine Therapeutin loslassen zu müssen - denn dann kannst du nicht mehr um sie kreisen und dich damit "auslagern" an sie und bist wieder auf dich selber geworfen - mit all dem, was inzwischen in der Therapie hochkam.

Ich persönlich halte es so, dass ich JEDE Stunde versuche "auszukaufen", also das Möglichste für mich rauszuholen.
So wie heute. Und wenn das dann nicht in meinem Sinne klappt - so wie heute - dann ist es ein guter Anlass für mich, umso genauer hinzugucken, was denn eigentlich los ist.
Denn es geht nicht - nie!! - um "Leistung" in ner Therapie. Sondern um Beziehung, in erster Linie der zu sich selbst.

"Mehr" Zeit/Therapie wird dich da auch nicht aus der Kreiselei derzeit rausbringen.

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