Freundschaft mit Therapeutin möglich?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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ExVoto
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Beitrag Mo., 01.04.2013, 12:28

Hallo meine liebe Elana,

oh ja, in deinem Fall wäre das natürlich etwas delikat als Single-Frau, völlig klar. Da bietet das jeweilige Einbezogensein in Familie/Beziehung schon einen gewissen Schutz, ähnlich wie die Abstinenz in der Therapie.

Klar, natürlich könnte es sein, dass dein Thera dann etwas von seinem Glanz verlieren würde, wenn du ihn mit all seinen Fehlern kennenlernen würdest, auf der anderen Seite würde er plötzlich sehr menschlich und greifbar werden, das muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Ich glaube, diese Widersprüche zu vereinen, nämlich einerseits zu wissen, wie man sich vor/in ungesunden Beziehungen schützt, und andererseits anzuerkennen, dass dieses Ideal in der Realität nur schwer umzusetzen ist, wäre ein gutes Ziel. Beides unter einen Hut bringen, Ambiguität aushalten und daran nicht kaputt gehen ... du weißt, was ich meine.
Um aber erst mal zu erkennen, wie man "funktioniert", braucht es sicher diesen objektiven Therapeuten, der die richtige Distanz hat und sich persönlich zurücknimmt. Aber für mich ist das nur die HALBE Wegstrecke. Die Einsicht allein ist ja nur ein erster Schritt. Hach, nicht einfach, das ganze ...

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Beitrag Mo., 01.04.2013, 13:05

Liebe ExVoto

Weißt Du, gerade kürzlich habe ich etwas erlebt, was mich auch über meinen Thera nachdenken ließ:

Ich war als Beiständin an einer größeren Sitzung, wo mein Klient psychologisch begutachet wurde. Ich fand die Beurteilung sehr treffend, aber als es dann darum ging, das alles umzusetzen, war ich es, die wie ein Anwalt sich einsetzte und das psychologische Gutachten verwendete, um die Rechte meines mir anvertrauten Klienten auf eine ordentliche Therapie zu beanspruchen und durchzusetzen. Da dachte ich mir, sie hätte sich mehr einsetzen müssen. Mir wurde richtig bewusst,dass sie wirklich auch nur ein Berufsmensch ist als Psychologin und Gutachterin, sie ihren Job getan hat, indem sie dieses Gutachten schrieb und präsentierte, aber dies nicht reicht, sondern ein Beistand das alles verknüpfen muss zwischen Gutachten und Anwaltschaft, nur dann funktioniert´s. Sie hat ihre Grenzen bei ihrem Gutachten, sie ist aber keine Beiständin und hat keine Ahnung, wie sie ihre Empfehlungen durchsetzen muss. Dafür bin ich da.

Und irgendwo ist es dasselbe bei meinem Thera. Er ist gut in seinem Job, aber ich habe einen anderen Beruf. Darin kennt er sich kein bisschen aus, dort weiß ich viel mehr als er. Er weiß nicht alles, er deckt nicht das ganze Leben ab. Die Psychologin ist wie mein Thera superzart. Solche zarten Menschen sind zwar ideale Therapeuten, aber als Beistand musst Du das Gegenteil sein und den betreffenden Behörden richtig auf die Füße treten, sonst läuft da gar nichts. Verstehst Du? Ich habe meinen Thera zu sehr idealisiert, aber gerade als ich ihm das alles erzählte, merkte ich auf einmal, dass er mich bewunderte, denn ich habe es durchgesetzt, dass der Junge wirklich eine ordentliche Therapie erhält und nicht nur davon geredet wird. Und das war nicht leicht. Ich musste unbequem werden, gegen den Strom schwimmen und die Führung übernehmen. Für solche Jobs ist meine Persönlichkeit geeignet, steht sogar in den Fachbüchern so. Ich muss mich nicht komplett ändern, mich nur optimieren, und zwar dort, wo ich mich selbst einschränke.

Jedenfalls relativiere ich immer mehr. Mein Leben, so wie es ist im Kontext meiner Familie, braucht die Durschlagskraft einer Beiständin. Therapie ist schön und gut, mein angelesenes psychologisches Wissen hilft mir auch sehr als Beiständin, aber ein Therapeut kennt sich nur gerade in seinem Metier aus, er ist kein Anwalt und kein Beistand. Wenn ich mich mit Anwälten berate, dann haben wir dieselbe Denkweise, da ist auf einmal alles richtig an mir.
Lieben Gruß
elana

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ExVoto
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Beitrag Mo., 01.04.2013, 14:24

Liebe Elana,

aber gerade das zeigt doch auch, dass du ihn gar nicht so sehr idealisierst, sondern ihn durchaus auch als Mensch mit Schwächen und Unzulänglichkeiten, sprich: realistisch, siehst. Wie du sagst, es kommt immer auf die Perspektive an. Ich glaube, niemand muss und kann sich komplett ändern, sondern es geht darum, zu erkennen, wo man gegen sich selbst handelt.
Mein Thera hat mir zum Beispiel so oft gesagt, dass ich lernen muss, "Nein" zu sagen, zu meiner Familie, zu meinen Kunden usw. Genau dies ist aber auch seine persönliche Schwachstelle, er schafft das auch nicht so gut und neigt dazu, sich zu überfordern, und wir wissen das beide. Das schafft manchmal komische Situationen in der Therapie, weil wir beide lachen müssen, andererseits sind genau das die authentischsten Momente, wo wir beide zwei Menschen auf Augenhöhe sind und nicht so sehr Lehrmeister und Lehrling. Ich finde es im Gegenteil sogar beruhigend und Vertrauen stärkend, wenn ich diese "Zartheiten" miterleben kann. Er wird für mich glaubwürdiger, ohne dass ich dabei den Respekt vor ihm verliere. Wahrscheinlich sind das Momente der Identifikation in der Therapie, die auch Nähe schaffen.

Und ich kann mir gut vorstellen, dass dich dein Thera auch bewundert, denn offensichtlich liegen deine Stärken ja gerade da, wo er "Defizite" hat. Abgesehen davon ist deine Arbeit ja auch großartig!

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Beitrag Mo., 01.04.2013, 14:52

Liebe ExVoto

Also eigentlich ist das erst seit diesem Erlebnis eine klare Erkenntnis. Vorher war ich sehr verunsichert, auch wenn mein Thera mich immer bestärkte. Aber ich hinterfragte mich dauernd selbst und er war es dann, der mir die Sicherheit zurückgab mit der Bestätigung, dass meine Entscheidungen und Haltungen in Ordnung sind. Das war vor der Therapie nicht so. Bin immer noch durcheinander. Ich muss meine eigene Position neu finden. Einerseits will ich ja wirklich meine Schwächen ausmerzen, aber andererseits eben nicht das Kinde mit dem Bade ausschütten, weil meine Schwächen irgendwo auch meine Stärken sind. Es geht mehr darum, mich dort zurückzunehmen, wo es mir schadet, eben wo ich mich verausgabe, wie Du das selbst auch erlebst. In meinem Verein, wo ich aus dem Vorstand zurücktrat, war ich auch sehr verunsichert, ob ich mir selbst vertrauen darf, aber es hat sich alles bewahrheitet im Laufe der Zeit, d. h. langsam komme ich wieder zu meiner alten Haltung zurück, dass ich mir selbst vertrauen darf, ohne mich jetzt vor neuen Erkenntnissen verschließen zu wollen. Doch habe ich das auch vorher nie getan, ich war immer sehr offen für neue Perspektiven und auch schon vorher sehr belesen.

Durch die Therapie habe ich mich selbst erkannt und weiß, warum ich so ticke, wie ich ticke, ich will immer die Kontrolle behalten über alle Lebensbereiche, aber ich will das gar nicht ändern. Jetzt, wo ich weiß, wer, wie und warum ich so bin, sage ich JA zu mir. Ich möchte das gar nicht ändern, es hat sich in meinem Leben bewährt, um viele Probleme zu lösen. Nur dort, wo es mich in meiner Entwicklung hindert, möchte ich beweglicher werden, d. h. ich war schon immer dafür, die eigene Betriebsblindheit anzugehen. Es gibt immer einen toten Winkel, wo das, was funktioniert, auf einmal kontraproduktiv werden kann, weil es nicht mehr passt. So wie eine Software angepasst werden muss, was aber nicht bedeutet, dass die Software an sich nicht in Ordnung ist.

Mein Plan ist es, meinen Thera möglichst lange als Therapeuten zu behalten. Wenn das nicht mehr geht, würde ich an die Freundschaftsschiene denken, um ihn nicht zu verlieren. Ich sehe ihn schon auch als vollen Menschen mit Stärken und Schwächen. Er muss nicht perfekt sein. Ich bin aber noch zu wenig stabil, um mir so viele Gedanken über ihn in seinem eigenen Leben zu machen. Er drängt sich da auch nicht auf. Letztes Mal fragte ich ihn etwas Berufliches und sogar da fragte er nochmal vorsorglich nach, ob mich das jetzt wirklich interessiert. Mal sehen.

Bei Dir gibt es ja offenbar jetzt nur den baldigen Abbruch ohne Kontakt oder die Freundschaftsschiene, nicht? Da würde ich natürlich auch lieber die Freundschaft haben wollen als nichts. Oder könntest Du die Therapie noch etwas verlängern? Wägst Du das jetzt ab und was hast Du ihm eigentlich jetzt gesagt, wie es weitergehen soll?
Lieben Gruß
elana

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ExVoto
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Beitrag Mo., 01.04.2013, 16:08

Liebe Elana,

was du im ersten Abschnitt schreibst, kommt mir auch sehr bekannt vor. Dieses Zweifeln an sich selbst, daran, was man tut, ob das eigene Handeln richtig ist usw. Das war in meiner Therapie am Anfang ein großer Schwerpunkt. Zu lernen, sich selbst anzunehmen und nicht ständig zu hinterfragen, war ein gewaltiger Schritt. Dafür musste ich stark an meinem Perfektionismus und Leistungsdenken arbeiten, was ein echter Kraftakt war, ich bin ein sehr strukturierter Mensch, wie mein Thera mal sagte. Ich habe irgendwann auch mal komplett die Orientierung verloren und hatte das Gefühl, gar nicht mehr ich selbst zu sein, mir selbst fremd zu sein. Das war eine sehr instabile Phase, die bei mir meist einer depressiven Episode vorausgeht. Ich habe inzwischen gelernt, freundlicher zu mir selbst zu sein, bzw. ich bin noch dabei ...

Dann in einem nächsten Schritt das Erkennen krankmachender Verhaltensmuster, die sich ja laufend wiederholen, du weißt schon ... diese Muster erst einmal zu erkennen, ihre Bedeutung und Funktion zu verstehen, das war mein Aha-Erlebnis und die Voraussetzung für Veränderung. Bei mir sind es auch nur diese Muster, die ich gerne ändern möchte. Wie bei dir auch geht es mir nicht darum, mich komplett zu verändern, sondern Entwicklung zu ermöglichen, was ja ohne vorherige Analyse nicht möglich ist. Ich war ja so blind in manchen Bereichen..

Wie es bei mir weitergehen soll, weiß ich noch gar nicht so genau. Jetzt werden wir wohl erst mal langsam die Abschiedsphase einleiten. Ich denke aber, dass man eine Freundschaft gar nicht planen kann, sondern dass sich das auf natürliche Weise ergeben wird. Wir werden nach Therapieende sicher noch Kontakt haben. Und ich glaube, dass sich schon mehr entwickeln wird, wenn die Substanz dafür gegeben ist, was ich schon glaube.

Ich habe ihm noch gar nichts gesagt, denn das "Angebot" von ihm kam ja erst letzte Stunde und wir haben das dann einfach im Raum stehen gelassen, ich sagte ihm, dass ich darüber nachdenken müsse. Die nächste Stunde ist erst am 11. April, bis dahin habe ich noch etwas Zeit, zum Glück!

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Beitrag Di., 02.04.2013, 06:20

Liebe ExVoto

Warum zum Glück erst am 11. April? Hast Du doch irgendwelche Zweifel?
Lieben Gruß
elana

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ExVoto
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Beitrag Di., 02.04.2013, 08:24

Guten Morgen liebe Elana,

hmm, Zweifel eher nicht, aber ich war so überrascht, weil ich einen Kontakt nach der Therapie aus Gründen der Abstinenz absolut nicht in Erwägung gezogen hatte. Ich dachte eigentlich, dass das ausgeschlossen wäre. Zudem hat mir die Abstinenz immer sehr geholfen, meine eigenen Gefühle in der Therapie zu regulieren, denn es ist ja sehr viel Nähe entstanden. Ich habe das sozusagen über den Kopf kontrolliert.

Mein jetziger "Konflikt" hat wahrscheinlich folgenden Hitnergrund: Ich bin davon ausgegangen, dass die entstandene Nähe primär ein Vehikel für das Funktionieren der Therapie, für den Vertrauensaufbau wäre. Dass dabei Zuneigung und gegenseitiges Wohlwollen entstehen, habe ich für natürlich gehalten bzw. hat mich nicht sonderlich überrascht, v.a. da wir auch einige Übereinstimmungen (Charakter, Interessen usw.) haben. Wenn nun diese Beziehung in die Realität transferiert wird, bricht dieses "Konstrukt" zusammen. Verstehst du, wie ich das meine? Aus dem künstlichen Gebilde wird etwas Echtes. Vielleicht mache ich mir einfach viel zu viel Gedanken, das wäre typisch für mich, ich behalte immer gerne die Kontrolle ... Einerseits ist es schön zu sehen, dass die entstandene Zuneigung nicht nur Vehikel war, sondern authentisch, was sich sehr gut anfühlt, andererseits muss ich mich an diesen Gedanken erst noch gewöhnen.

Außerdem weiß ich auch gar nicht, wie er sich das vorstellt in Zukunft, wie genau ein Kontakt nach der Therapie aussehen soll. Dazu hat er sich ja nicht geäußert. Du siehst, es gibt noch einige Fragezeichen. Daher schrieb ich "zum Glück". Ich muss mich erst mal sortieren.

Ganz liebe Grüße

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Beitrag Di., 02.04.2013, 08:58

ExVoto hat geschrieben: Mein jetziger "Konflikt" hat wahrscheinlich folgenden Hitnergrund: Ich bin davon ausgegangen, dass die entstandene Nähe primär ein Vehikel für das Funktionieren der Therapie, für den Vertrauensaufbau wäre. Dass dabei Zuneigung und gegenseitiges Wohlwollen entstehen, habe ich für natürlich gehalten bzw. hat mich nicht sonderlich überrascht, v.a. da wir auch einige Übereinstimmungen (Charakter, Interessen usw.) haben. Wenn nun diese Beziehung in die Realität transferiert wird, bricht dieses "Konstrukt" zusammen. Verstehst du, wie ich das meine? Aus dem künstlichen Gebilde wird etwas Echtes.
eher nicht, es werden einfach Rahmenbedingungen neu definiert, manche Therapeuten machen das, wieder andere nicht, über die genauen Beweggründe lässt sich nur spekulieren..... aber ich glaube kaum, dass irgendein Therapeut wirklich so arbeitet. Also "künstlich" durch gezieltes und forciertes Verhalten das Vertrauen seiner Patienten erschleicht, und dann künstlich eine Beziehung aufrecht erhält um was damit zu bezwecken? Dem Patienten künstlich Zuneigung vorzuschaukeln? Nur um der Therapie Willen?
Oder im Umkehrschluss: Glaubst du Theras die da nicht mitgehen, hatten nur künstliche Gefühle für ihre Patienten?

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ExVoto
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Beitrag Di., 02.04.2013, 09:59

Liebe Yamaha,

du hast das jetzt sehr zugespitzt formuliert. Ich gehe nicht davon aus, dass das alles nur künstlich ist, sonst hätte ich mich ja auch gar nicht öffnen können in der Therapie. Gegenseitige Sympathie muss schon da sein, und dass der Thera am Anfang erst mal das Vertrauen des Patienten gewinnen (nicht erschleichen) muss, ist ja auch klar, das gehört zum Handwerkszeug. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Mit "künstlichem Gelbilde" meinte ich nicht, dass die Gefühle künstlich sind, die sind sicher authentisch, jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Therapie auf Basis künstlicher Gefühle funktionieren könnte, das wäre auch unwürdig. Künstlich sind eher die, wie du es nennst, Rahmenbedingungen, unter denen sie entstanden sind. Oben habe ich geschrieben, dass daraus Wohlwollen und Zuneigung entstehen können, und damit meinte ich echtes Wohlwollen, nicht künstliches. Künstlich ist nur die Art und Weise, wie die Beziehung entstanden ist. Man kann "künstlich" auch durch "professionell" ersetzen. Das ist eben ein Unterschied zu Freundschaft. Meine Verunsicherung ist wahrscheinlich einfach daraus entstanden, dass ich zwischen professionell und privat sehr stark unterschieden habe, und jetzt einigermaßen überrascht bin ...

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Beitrag Di., 02.04.2013, 12:15

@ExVoto

Ich würde sagen, dass Deine Theorie mit dem Angebot des Theras sich als unwahr erweist, hätte natürlich sein können, aber Dein Thera sieht das offenbar anders bzw. hat es als "echt" verifiziert mit seinem Vorschlag.

Die Rahmenbedingungen haben zwar diese Beziehung ermöglicht, aber das hätten auch andere günstige Rahmenbedingungen sein können, z. B. der gleiche Verein oder beruflich enger Kontakt. Entscheidend ist doch eher, was daraus wird. Für Deinen Thera scheint es offenbar für eine Freundschaft zu reichen und auch Du kannst Dir das ja vorstellen.

Die Frage ist wohl eher, ob diese Beziehung ohne therapeutisch begünstigende Rahmenbedingungen auskommt. Wenn Dein Thera Dich als integer, stabil etc. empfindet, hat er wohl wirklich das Gefühl, für sich aus Gesprächen mit Dir zu profitieren. Irgendeinen Mehrwert scheint er sich von Dir zu versprechen, abgesehen von der therapeutischen Bindung, die er offenbar nicht auflösen kann/mag. Vielleicht sieht er die Therapie auch allgemein eher als freundschaftliche Begleitung und nicht so eng im rein therapeutisch klinischen Rahmen. Er hängt evtl. allgemein an seinen Patienten, hat sich gefühlsmäßig mit ihnen eingerichtet, möchte sie irgendwie beibehalten, wenn sie nicht zu anstrengend sind, sondern eher angenehm und erbaulich. Oder vielleicht hat er sich wirklich innerlich zu sehr mit Dir verbunden.

Mein Thera ist manchmal erstaunlich gefühlvoll, wo ich einfach nur mit dem Verstand funktioniere. Ich habe den Verdacht, dass das bei Dir auch so ist. Vielleicht provoziert das gerade eine solche Gegenübertragung. Hab das schon von anderen verstandesorientierten Patientinnen mitbekommen.
Lieben Gruß
elana

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Beitrag Di., 02.04.2013, 13:52

Liebe Elana,

du triffst die Sache genau. Ich bin schon eher verstandesorientiert und möchte den Dingen immer analytisch auf den Grund gehen, das stimmt schon. Liegt vermutlich an der frühen Übernahme von Verantwortung. Auch an diesem Punkt haben wir oft gearbeitet. Was du über die entsprechende Gegenübertragung sagst, könnte gut sein. Klingt plausibel für mich, und interessant.

Wir haben ja bisher noch gar nicht darüber gesprochen, wie diese Kontakte außerhalb der Therapie denn aussehen könnten. Daher möchte ich den Begriff "Freundschaft" lieber noch vorsichtig verwenden, wenngleich unsere therapeutische Beziehung sicherlich schon jetzt eine deutliche freundschaftliche Tönung hat. Es stimmt auch, dass er sich offenbar nur schwer von Patienten trennen kann, das hat er mir auch schon so gesagt. Er ist sehr verbindlich und baut wohl schnell eine emotionale Bindung zu Patienten auf (wahrscheinlich nicht zu allen Patienten in gleicher Weise, das ist klar). Mein Bauch sagt mir, dass wir eine sehr gute emotionale Beziehung zueinander haben, und dass wir beide diese Bindung nur ungerne aufgeben möchten.
Ich muss dazu sagen, dass mir Trennungen ohnehin nicht leicht fallen, ihm vermutlich auch nicht.

Vielleicht treffen sich hier zwei Menschen mit den gleichen "Schwächen", die aber auf unterschiedliche Weise damit umgehen, ich eher verstandesorientiert, er eher bauchorientiert?

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Beitrag Di., 02.04.2013, 22:19

Liebe ExVoto

Da hast Du ja irgendwo "Glück", dass Dein Thera sich nicht gut von Patienten verabschieden kann. Mein Thera ist zwar sehr empathisch und voll dabei im Gespräch, aber er ist da viel souveräner. Er findet, dass ich meiner Familie gegenüber viel zu anhänglich bin. Darin sind wir nicht gleich. Deshalb wird er es sicher gut hinkriegen, mich loszulassen, wenn er das irgendwie therapeutisch vertreten kann. Er wird die Freundschaft auch nie von sich aus anbieten, so meine Vermutung. Wahrscheinlich würde ich das auch überleben, weil ich von vornherein damit rechne und mich nicht so abhängig mache von ihm. Ich bin sowieso der autarke Typ und möchte von keinem Menschen zu abhängig sein. Mit meiner Familie ist es anders, das ist meine Schwäche, dass ich mich für meine Familie verantwortlich fühle und sie liebe. Aber sonst kann ich mich schon auch gut umorientieren. Wahrscheinlich würde ich aber keine neue Therapie anfangen, weil ich mich sowieso immer mehr zurückziehe nach solchen Verlusten. Ich lerne dabei meine Lektion, die aber irgendwo eher nicht so ausfällt, wie das Theras beabsichtigen. Für mich ist es eher eine Bestätigung, niemandem zu vertrauen und nur auf mir selbst zu bauen. Diese Entwicklung zeichnet sich immer mehr ab bei mir und mein Thera sieht das ja auch.
Lieben Gruß
elana

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Beitrag Mi., 03.04.2013, 09:01

Hi Exvoto, hi Elana,

ich wollte nur mal kurz rückmelden, dass ich euren Austausch zu meiner Frage ganz interessant fand, ich habe nun neuen Stoff für mein nächstes Gespräch mit meiner Thera, ist bei mir ja alles noch im Prozess.....

LG yamaha

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Beitrag Mi., 03.04.2013, 09:22

Liebe Elana,

oh je, wenn ich diese Zeilen lese, schnürt es mir das Herz zusammen. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass du niemandem mehr vertrauen möchtest, deinen Schutzwall immer mehr ausweitest. Das kommt mir sehr bekannt vor. Ich habe das auch lange Zeit so gemacht, d. h. niemanden mehr an mich rangelassen, nur noch nach dem Verstand gehandelt und Gefühle möglichst ausgeblendet. Das hat mich aber zunehmend unglücklich gemacht. Mein Thera hat es, wahrscheinlich gerade durch seine liebevolle Art, dennoch geschafft, mein Herz wieder zu öffnen. Das war ein hartes Stück Arbeit und eine ganz lange Wegstrecke, wie du dir sicher vorstellen kannst. Aber ich weiß genau, dass ich mich so viel besser fühle. Wobei ich sagen muss, dass ich dennoch nur sehr wenige Menschen an mich ranlasse, meine Empfindlichkeit und Verletzlichkeit sind nach wie vor sehr hoch. Und ich bin noch immer zu verstandesorientiert. Aber es wird besser! Ich bin mit einer alkoholkranken und narzisstisch gestörten Mutter aufgewachsen, das hat natürlich Spuren hinterlassen. Der Selbstschutz und die Unabhängigkeit sind da geradezu überlebenswichtig. Ich wünsche mir sehr für dich, dass dein Thera es irgendwann vielleicht doch schafft, dass du wieder etwas mehr Vertrauen aufbauen kannst! Drück dich!

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Beitrag Mi., 03.04.2013, 09:39

Hallo liebe Yamaha,

das freut mich zu hören! So soll es sein! Ich lese hier ja schon sehr lange mit und habe auch schon viele Erkenntnisse gewonnen, wofür ich sehr dankbar bin. Umso mehr freut es mich, dass ich, zusammen mit Elana, nun auch mal etwas beitragen konnte.

Viel Glück für dein nächstes Gespräch.

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