danke für das "back to topic" - ein paar Einwände habe ich allerdings:
Ja und nein - Briefmarkensammler mit missionarischem Eifer sind mir noch nicht begegnet (allerdings missionarische Fußballfans, die jeden Nichtinteressierten für unterbelichtet hielten ), und Nichtbriefmarkensammler, die Sammler für realitätsferne Fanatiker gehalten hätten, auch noch nicht.- Theismus und Atheismus sind so vergleichbar wie Briefmarken sammeln und nicht Briefmarken sammeln. Atheismus ist keine Religion, keine Briefmarken zu sammeln ist kein Hobby.
Wie gläubig Wulff persönlich ist - keine Ahnung, aber das halte ich für eine rein politische Aussage - Muslime sind m.W. die drittgrößte Glaubensgemeinschaft bei uns, und den Islam als nicht zu Deutschland gehörend zu bezeichnen, wäre ein politischer Fauxpas gewesen.- Wullf ist AFAIK ziemlich religiös. Jedenfalls hat er mal in einer Rede als Bundespräsident erklärt, der Islam gehöre genau wie Judentum und Christentum zu Deutschland. Ich warte seitdem jeden Tag darauf ausgewiesen zu werden nachdem Atheisten ja offenbar nicht zu Deutschland gehören.
Da Atheismus ja (s.o.) keine Religion ist - warum hätte er den in diesem Zusammenhang nennen sollen? Wenn ich sage dass Briefmarkensammler ebenso zu Deutschland gehören wie Fußballfans und Brieftaubenzüchter, dann grenze ich damit die Nichthobbyisten ja nicht aus...
Hm - wenn ich in Atheismusforen 'reinschaue, dann kommen mir daran aber gewisse Zweifel - allein die Aussage dass "Religion nur geglaubt wird, weil sich Leute entgegen der Realität an Fiktionen festklammern" scheint mir doch einigermaßen dogmatisch...- Nein, Punkt 1 und 3 widersprechen sich nicht, auch wenn es so aussieht. Religionen und Atheismus sind "Schubladen" in die man Menschen stecken kann, auch wenn man wenn man es genau nimmt natürlich für jeden Menschen eine eigene Schublade bräuchte. Verallgemeinert gesagt kann man Menschen aber so aufteilen. Atheismus (die Freiheit von einem Glauben an einen Gott) ist aber im Gegensatz zu Religionen frei von Dogmen, es gibt keine Glaubensgrundsätze.
Wie in meinem Eingangsposting schon angesprochen, unterscheide ich zwischen 'Glauben' und 'Religion', die IMHO nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. Ich zitiere hier mal einen Text von Wittgenstein, der mir da sehr zentral ist:
() shouqiciEs kann nicht oft genug wiederholt werden, daß nicht jede Form von Religion notwendigerweise mit religiösen Aussagen verbunden ist. Daß wir kein Kriterium haben, um zwischen wahren und falschen religiösen Aussagen unterscheiden zu können, trifft zu. Wenn eine Aussage sich überprüfen läßt, wissen wir schon, daß sie keine religiöse Aussage ist. Es trifft aber nicht zu, daß religiöse Aussagen völlig willkürlich sind, weil sie auf je vorfindliche, bestimmte religiöse Bedürfnisse antworten müssen. Diese hängen eng zusammen mit der Lebensform und Lebensgeschichte des jeweiligen Menschen und sind darum verschieden von Kultur zu Kultur, von Epoche zu Epoche, ja selbst zwischen Angehörigen ein und derselben Kulturepoche.
Man muß zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von Religion unterscheiden. Man könnte die primäre Form die 'Glaubenslose Religion' nennen. Wer auf die glaubenslose Art religiös ist, ist entweder zu religiösen Aussagen noch gar nicht vorgestoßen, oder er hat sie schon wieder abgeworfen. Die glaubenslose Religion kann als solche nur aufrechterhalten werden, wenn die Vernunft das wie mit Gewalt zum Wort Hindrängende gar nicht zum Wort kommen läßt.
Die Handlungen (alle vorprädikativen Reaktionen) des menschlichen Geistes sind das Material, aus welchem die Sprache gefertigt ist. Wenn aber die vorprädikative zum Wort hindrängende Religion zum Wort gelassen wird, dann konstituieren sich religiöse Aussagen, bildet sich ein religiöser Glaube. Ihres prädikativen Überbaues wegen hat die Glaubensreligion die Eigenschaft, viel zu reden und viel von sich reden zu machen. Die glaubenslose Religion hingegen ist sprachlos und wirkt ganz im Stillen, weswegen sie in der Regel als Religion weder erkannt noch anerkannt wird. Legitimitätsprobleme hat nur die Glaubensreligion, und je weniger sie grammatisch aufgeklärt ist, desto virulenter sind diese Probleme.