Suizidgedanken.. macht Therapie in meiner Lage Sinn?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.

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Widow
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Beitrag So., 30.10.2011, 02:23

Eins noch, nein: einer noch:
Er.

Er ist hier so sehr in die dunklen Tiefen des Eismeeres abgetrieben. Hier hat ihn außer mir schon keiner mehr im Blick.

Er.
Er war.
Er war ganz.
Und er wollte.
Er wollte leben.
Ganz.
Bis zum Schluss.

Und dass er das nicht durfte - das, DAS ist das Unaushaltbare. Nicht mehr für ihn, nein, für mich.
Das, für das es kein Wort gibt, keinen Laut, nochnichtmal eine Buchstabenkombination.

Er.
War.
Er hat Eure Luft geatmet.
In Euren Himmel geblickt.
Stand auf Eurem Boden.
Er war lebendig - wie Ihr. Und so jung wie Ihr.
Hat Euch angesehen. Vielleicht kritisch, immer offen.

Er ist tot.
Wir nicht.
Wer hat die Lose vergeben?

(Und wer denkt denn, dass es eine Lotterie sei - alle denken doch, dass man das in der Hand habe: "Das eigene Leben" - und sei es mittels Therapie ...)

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Flowerbomb
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Beitrag So., 30.10.2011, 10:38

Hug back,Bärchen..Ich denke übrigens Suizidgedanken in dieser Lage sind fast normal,das hat nichts mit niedrigem Selbstwertgefühl zu tun.Ich weiß ja nicht wie es ist,mit jemandem zu leben und zu heiraten,aber ich denke es ist auch ganz normal,dass man nach gewisser Zeit abhängig voneinander wird.Can't-live-without-each-other-love,wie Carrie sagen würde.Ich finde das nicht krank,nicht gestört.Ich finde,das ist nur was es ist:nämlich Liebe..

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Emi
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Beitrag So., 30.10.2011, 11:06

schön gesagt Flowerbomb !

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Flowerbomb
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Beitrag So., 30.10.2011, 11:15

Oh danke

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Draußen
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Beitrag So., 30.10.2011, 18:51

Widow hat geschrieben:Ja. Aber vielleicht gibt es Werkstücke, die stellt man nur einmal her.
Ist sie nicht mehr schön? Was ist sie in ihrem zweiten Leben, ohne Farbe und ohne Arme, wie eine Statue aus Schnee?


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Widow
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Beitrag Di., 01.11.2011, 03:54

((((in sich selbst, diesem dummen kleinen verschissenen Selbst verschlungen, erfolgt die "Antwort":
Nein, sie war noch nie "schön" für sich. Sie mag gescheitheitsfunkelnd und gedankenstrahlend gewesen sein, charismatisch vielleicht gar bis heut - aber schön nie. Das waren nur "sie" zusammen: "ein schönes Paar", so sagte man. Zurecht. Doch um Schönheit geht es nicht. Mir. Ging es noch nie (auch ihm nicht). Es geht um Sinn und Wärme und ein Licht - auch und gerade, wenn dessen Strahl manchmal die Augen schmerzt. Ich habe keine Augen mehr, um die Welt zu sehen. Und ich kann die Welt meine Blicke nicht mehr spüren lassen. - Er war meine zweite Linse. - Es gibt keinen Brennpunkt mehr, es ist alles kalt und Frost.
Verdammt.
Jetzt hier zu schreiben --- verschissenes kleines Selbst ... Immer noch austauschbedürftig. Immer noch verlogen, immer noch.
MüKi hat so recht: Ich "durcharbeite" [sic!] hier und nicht auf der Couch (oder nicht nur dort, vermutlich weniger dort) - und wie nicht anders zu erwarten: ohne jeden Effekt, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Mit Mr. Gemini52-Bewohner trau ich mich gar nicht mehr über "das" zu reden. Und nachdem ich heute freudseidank wieder einen Traum mitbrachte, kann ich nur hoffen, dass ich das am Mi auch nochmal kann - und dann absagen, für bis auf weiteres.
Es ist alles komplett verkorkst.
Und ich weiß es.
Und ich "weiß" keinen Ausgang.

Also:
Bin wieder auf Tauchgang. Mit Maske und Schnorchel!))))
[Das ist doch alles nur noch ---
wie da raus??? (Frage an mich! Also keine Antwortnötigung an Euch, Ihr Lieben)]

PS: Liebe Draußen, der blöde Eisbär hockt also immer noch hier. Das hufschnelle Oryx sprintet allenfalls mal hier so durch. Ja. Is so. Im zweiten Falle gut. Im ersten lächerlich. Ja. Is so.

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Ragneda
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Beitrag Di., 01.11.2011, 08:35

Liebe Widow, egal wo Du deinen Kummer "durcharbeitest"-hauptsache, es hilft DIR!
Und ich "weiß" keinen Ausgang
ZEIT.

Sei lieb umarmt von

Ragneda
http://liebesforum.forumieren.de/

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 01.11.2011, 11:20

Widow hat geschrieben: MüKi hat so recht: Ich "durcharbeite" [sic!] hier und nicht auf der Couch (oder nicht nur dort, vermutlich weniger dort) - und wie nicht anders zu erwarten: ohne jeden Effekt, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Hey, ich wollte übrigens damit auf keine Weise sagen, daß es schlecht ist, die Trauer in einem Internetforum durchzuarbeiten. Ist schliesslich mit einer real life Selbsthilfegruppe durchaus zu vergleichen und Selbsthilfegruppen sind durchaus eine wertvolle Sache.

Und wenn es dir mehr hilft als eine Analyse dich deinem Leid zu öffnen (zB daß da keine einzelne Person als Projektionsobjekt fungiert oder mit der Kommunikation aufrechterhalten werden muss) dann finde ich das eine grundlegend sehr gute Sache.

Ich wollte nur darauf hinweisen daß das mit einer Therapieform die darauf ausgelegt ist, daß die Übertragung (auf den Therapeuten) eine grosse Rolle spielt (anders wie zB bei einer Verhaltenstherapie wo das sicher ziemlich unproblematisch, ja vieleicht sogar gewünscht wäre, noch wo anders zusätzlich Hilfe zu haben). Und es kommt halt unweigerlich und auch unkontrollierbar irgendwas zwischenmenschliches in so einer intensiven Konstellation. Und das ist dann genau der Therapieinhalt in Therapieverfahren die auf der Übertragung basieren. Ich vermute mal daß du eigentlich vor hattest eben diese Trauerarbeit bei dem Analytiker zu machen und nicht hier und du bei der Auswahl der Therapie auch einfach etwas falsche Vorstellungen hattest (ich hatte mal 2 Vorgespräche zu einer übertragungsfokussierten Psychotherapie, eine modifizierte Variante der Analyse, die sehr gut waren und wo wir beide genau erarbeitet haben welchen Therapiebedarf ich habe, was ich von einer Therapie erwarte, aber auch was eine übertragungsfokussierte Therapie bietet (und was sie nicht bietet, der Analytiker ist gemeinsam mit mir zu dem Ergebnis gekommen, daß ich mit einem mehr ressourcenorientiertes Verfahren erheblich besser bedient bin), deshalb habe ich mich damit beschäftigt. Und es gab hier vor dir mal eine Userin die ebenfalls über längere Zeit die Inhalte einer nicht so glücklich laufenden Analyse hier "nachbearbeitet" und sich Trost geholt hat, das hatte schon was sehr eigenartiges.)



Falls ich mich in meinem letzten Post, sagen wir mal "zu krass" ausgedrückt habe und das ganze irgendwie anklagend oder unfreundlich rübergekommen ist möchte ich mich dafür entschuldigen. Ich bin häufig nicht so der diplomatische Formulierer fürchte ich.


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Widow
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Beitrag Mi., 02.11.2011, 02:58

Liebe MüKi,

Du musst und hast Dich für nichts hier zu entschuldigen. "Passt schoo" - oder wie Ihr BajuwarInnen so sagt.
Und gerade Dein Gradaus-Sein macht Dich aus - und hier geschätzt. Auch von mir.

Einen lieben Gruß
aus der Tiefsee, W.

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Celice
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Beitrag Mi., 02.11.2011, 23:09

Widow hat geschrieben: Ich "durcharbeite" [sic!] hier und nicht auf der Couch (oder nicht nur dort, vermutlich weniger dort) - und wie nicht anders zu erwarten: ohne jeden Effekt, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Weiß eigentlich irgendwer genau, was dieses "Durcharbeiten" ist? Also wenn du es weißt, dann bin ich sehr dankbar für Aufklärung. Ich weiß es nämlich nicht, kann es allenfalls an meinen eigenen leibhaftigen Erfahrungen mir zu erklären versuchen. Ich meine aber, mich erinnern zu können, schon mal dazu recherchiert zu haben und bin auf einen Text gestoßen (Autor hab ich schon vergessen), der auch nur ein ziemlich unbeholfener Erklärungsversuch war - verbunden mit der Erkenntnis, dass eigentlich niemand das so genau weiß. Vielleicht ist es auch bei jedem etwas anderes?

Freud hat ja behauptet, die psychoanalytische "Kur" (mit dem Begriff Kur hatte ich bisher immer Erholsames assoziiert..) bestünde aus "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten". Ich meine, er hat sich zumindest in der Reihenfolge gehörig geirrt. Aber was wusste Freud schon - er hat sich seiner eigenen Behandlungsmethode ja nie selbst unterzogen. Unvermeidlich ist nach meiner Erfahrung, dass man als erstes wiederholt (zwangsläufig quasi), dann erinnert man sich und dann arbeitet man durch. Vielleicht. Das aber ohnehin nicht so direkt auf der Couch liegend, auch nicht im Austausch mit anderen, sondern das Durcharbeiten ist zumindest für mich das, was ich im stillen Kämmerlein mache. Es ist vielleicht das Annehmen und Verarbeiten des alten Schmerzes. Ich weiß es nicht. Ich kann es mir nur so zusammenreimen.

Insofern glaube ich nicht mal, liebe Widow, dass du hier im Forum etwas durcharbeitest. Das Forum ist, hab ich für mich jetzt zumindest festgestellt, in vieler Hinsicht sogar eher ein Verhindern des Durcharbeitens (wenn es das ist, was ich meine), ein Ausweichen vor mir selbst, eine Abwehr.

Mir geht es so, dass der Austausch hier sicher in vieler Hinsicht hilfreich ist und mich zum Teil meinen Gefühlen auch näher bringt, zum anderen Teil aber auch gerade nicht und ich mir damit auch ausweiche. Da muss man irgendwie für sich ein gutes Maß finden glaub ich.

Das mal so als meine Gedanken zu all dem, einfach in deinen Thread hineingeworfen und das, wo wir doch schon so hinausgeworfen sind, in unser Leben. Und eingesperrt obendrein. Im schlimmsten Falle: lebendig begraben.

Nach allem was du bisher so erzählt hast, könnte ich mir bei dir zweierlei vorstellen, musst aber nichts dazu sagen, wenn du nicht willst und ist jetzt auch rein spekulativ.

Zum einen könnte es sein, dass du dich aufgrund deiner Situation (und damit meine ich nicht mal die Suizidgedanken, sondern diesen für dich unverarbeitbaren Abschied) im Moment einfach nicht einlassen kannst. Du bist mit deiner Lebensliebesbeziehung noch so gebunden, dass noch gar keine richtige Übertragungsbeziehung entstehen konnte. Und diese Übertragung ist es ja dann eigentlich, an der man (sich ab-)arbeitet. Also, dass diese völlig übermächtige ungeweinte Trauer dich auch in der Therapie einfach völlig blockiert und deswegen auch zB in letzter Zeit diese Schweigephase entstanden ist, jetzt der Wunsch, sich eigentlich am liebsten zurückzuziehen, eventuell sogar aufzuhören etc.

Ein anderer Gedanke ist, dass vielleicht schon mehr Übertragungsbeziehung entstanden ist, als dir eigentlich lieb ist. Sie dich schon mehr bindet, als dir lieb ist. Dein Alien von hinter der Couch schon lebhafter in dir lebt, als dir gefällt. Denn irgendwie ist ja irgendwo auch noch eine Todessehnsucht in dir. Unter diesen Umständen wäre die Bindung an den Dreiteilerträger ein echtes Hemmnis. Und unter diesen Gesichtspunkten wären die Schweigemomente und der Rückzugsimpuls auch sehr verstehbar. Denn zu viel Anhaftung ist gar nicht gut, wenn man eigentlich gepflegt und frei ins Jenseits überzusiedeln gedenkt.

Vielleicht ist es auch (wie so oft) beides. In jedem Fall halte ich es angesichts des Zeitpunktes für sehr verständlich, dass du dich ein Stück weit rausziehen willst. In allem was jetzt gerade ansteht, bist du im Endeffekt allein. Aber das bist du sowieso. Und vielleicht musst du dich auch gar nicht entscheiden. Loslassen und Einlassen sind ja auch gar nicht soo unterschiedlich. Und bei mir ist das gerade auch eher synchron - nichts Gegensätzliches. Eher im Gegenteil. Das Loslassen des einen besteht im Einlassen auf das andere.


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Widow
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Beitrag Do., 03.11.2011, 01:22

Liebe Celice,

wir hatten "zuhause", in meiner Kindheit, ein Aquarium, ein ganz kleines (sowas gibt's heute gar nicht mehr, habe ich gerade gelernt beim 12jährigen Knaben einer guten Freundin, der "das kleinste derzeitig käuflich erwerbbare Aquarium" nunmehr frisch bewirtschaftet). Ich habe die Fische in unserem Aquarium sehr geliebt, doch durfte ich dafür nie zuständig sein (vermutlich besser so).
Du bist ein wundervoll gescheites Fischken, weißt Du das eigentlich?! Wenn Du's nur ahnst (und verschämt dies ahnst - wie anders als verschämt?), dann sei es Dir wieder einmal gesagt: Du bist ein wundervolles und wundervoll gescheites Fischken! (Und "Gescheitheit", das ist eben gerade nicht nur intellektuellenkluge Kälte [und nix gegen die an und für sich!] ...)
Deiner von hinter der Couch und Du und mein Gemini52-Bewohner von hinter der Couch und ich - wir gäben derzeit ein hübsches Quartett ab. Da könnten Theorien "gezeugt" und "geboren" werden, gäbe man uns für die sechs Schöpfungstage samt Son(nen)tag eine Hütte am Strand (mit 4 Zimmern - Rückzug muss möglich sein!), und vermutlich lieferten wir wieder mal den Beweis für die alte These von der "weiblichen Fruchtbarkeit" ... und da Witwen wachten, wäre alles rein cerebral.

Du siehst, liebe Celice, ich bin wieder ein bissl aufgetaucht vom Heringsfischen in der Tiefsee und schliddere mal so ein bissl auf meiner Scholle herum. - Weißte, es ist grad eine so seltsame Zeit am Kommen, ich kenn' das ja alles irgendwie schon. Und wünsche (und das ist neu!) einfach deshalb oft, dass es nur aufhört. Einfach aufhört.
Aber ES hört nicht auf. Wenn, dann muss ich - ganz unfreudsch: Widow, me, myself - aufhören. Doch das Jahr ist noch nicht in sich wieder eingetroffen.

- Also zum gescheiten Fischken:
Celice hat geschrieben: Freud hat ja behauptet, die psychoanalytische "Kur" (mit dem Begriff Kur hatte ich bisher immer Erholsames assoziiert..) bestünde aus "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten". Ich meine, er hat sich zumindest in der Reihenfolge gehörig geirrt. Aber was wusste Freud schon - er hat sich seiner eigenen Behandlungsmethode ja nie selbst unterzogen. Unvermeidlich ist nach meiner Erfahrung, dass man als erstes wiederholt (zwangsläufig quasi), dann erinnert man sich und dann arbeitet man durch. Vielleicht. Das aber ohnehin nicht so direkt auf der Couch liegend, auch nicht im Austausch mit anderen, sondern das Durcharbeiten ist zumindest für mich das, was ich im stillen Kämmerlein mache. Es ist vielleicht das Annehmen und Verarbeiten des alten Schmerzes. Ich weiß es nicht. Ich kann es mir nur so zusammenreimen.
Das mit der Kur, das geht wohl auf die staubfüßigen Römer zurück und meint da auch nicht per se Erholung. Und dass so eine "Redekur" à la Freud keine Erholung ist, das wusste der Alte doch selbst - warum sonst hat er sich nie auf eines Kollegen Couch begeben?!
Aber nun im Ernst: "Durcharbeiten". Ich habe keine Idee, was DAS sein soll. Ich teile aber mit Dir die Ahnung, dass es weder auf der Couch noch in Psychotherpieforen noch im Freundesgespräch geschieht (wenn überhaupt es "Durcharbeiten" gibt), sondern "im stillen Kämmerlein". Mir schwant, dass es um "Annehmen" geht, Annehmen all dessen, was ich fortgesteckt, fortgeschafft (bis hin zu verdrängt) habe oder nicht anzunehmen bereit bin. Bis jetzt. Und das sind nur Schmerzen. Das Schöne - darüber müsste man vielleicht nochmal gesondert nachdenken: Wieviel "Abwehrpotential" steckt eigentlich in der reibungslosen Annahme, der Akzeptanz dessen, was uns schön erscheint?!
Äh, zurück zu Deinem posting an mich:
Zwei Leben sind kaputt. Die gehörten in vieler Hinsicht - keineswegs in jeder - zusammen, aber z.B. in der Krankheit.
Träger des einen verfault nun in der Erde.
Trägerin des andern ist nun eingefroren in der Zeit (und ihre Zellen sterben gottseidank völlig unbekümmert von aller Psyche ganz normal vor sich hin).
Was soll da "akzeptiert", angenommen, "verarbeitet" werden?
Ich verstehe das nicht. Kaputt ist kaputt. Ein kaputtes Buch, ein zerlesenes, werfe sogar ich auf den Müll. Ich muss es nicht mehr "akzeptieren" in seiner Seitenzerfleddertheit. Es bietet nur noch krausen Text. Ich muss den nicht mehr akzeptieren, verarbeiten. Und auch wenn ich das Buch auf den Müll werf', bleibt dieser sinnlos gewordene Text in der Welt, in meinem Kopf. Das muss ich nicht "verarbeiten", das - so finde ich - kann einfach stehen bleiben, dieser Text. In all seiner am Ende eingetretenen Sinnlosigkeit: Kann einfach so stehen bleiben. Und dann, da das dann so ist mit diesem (doppelten Menschen-)Textfelsen in der Welt, mag's sein, dass anderes daran zerschellt. Späteres.
Celice hat geschrieben:Das Forum ist, hab ich für mich jetzt zumindest festgestellt, in vieler Hinsicht sogar eher ein Verhindern des Durcharbeitens (wenn es das ist, was ich meine), ein Ausweichen vor mir selbst, eine Abwehr.
Komplette Zustimmung. Is grad jetzt so, bei mir: Ausweichen vor mir. Vor dem, was eigentlich ansteht. Vogelstauß - nicht in den Sand, nein: In den Bildschirm. Basta.

Und gleich geht es noch weiter (... --- sorry, aber DAS ist ABWEHR und gleichzeitig der Wunsch, Dir, liebe Celice, die Du lange und gescheit geschrieben hast, zu antworten)
Zuletzt geändert von Widow am Do., 03.11.2011, 02:28, insgesamt 2-mal geändert.


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Widow
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Beitrag Do., 03.11.2011, 01:31

Fortsetzung:
Celice hat geschrieben:Nach allem was du bisher so erzählt hast, könnte ich mir bei dir zweierlei vorstellen, musst aber nichts dazu sagen, wenn du nicht willst und ist jetzt auch rein spekulativ.

Zum einen könnte es sein, dass du dich aufgrund deiner Situation (und damit meine ich nicht mal die Suizidgedanken, sondern diesen für dich unverarbeitbaren Abschied) im Moment einfach nicht einlassen kannst. Du bist mit deiner Lebensliebesbeziehung noch so gebunden, dass noch gar keine richtige Übertragungsbeziehung entstehen konnte. Und diese Übertragung ist es ja dann eigentlich, an der man (sich ab-)arbeitet. Also, dass diese völlig übermächtige ungeweinte Trauer dich auch in der Therapie einfach völlig blockiert und deswegen auch zB in letzter Zeit diese Schweigephase entstanden ist, jetzt der Wunsch, sich eigentlich am liebsten zurückzuziehen, eventuell sogar aufzuhören etc.

Ein anderer Gedanke ist, dass vielleicht schon mehr Übertragungsbeziehung entstanden ist, als dir eigentlich lieb ist. Sie dich schon mehr bindet, als dir lieb ist. Dein Alien von hinter der Couch schon lebhafter in dir lebt, als dir gefällt. Denn irgendwie ist ja irgendwo auch noch eine Todessehnsucht in dir. Unter diesen Umständen wäre die Bindung an den Dreiteilerträger ein echtes Hemmnis. Und unter diesen Gesichtspunkten wären die Schweigemomente und der Rückzugsimpuls auch sehr verstehbar. Denn zu viel Anhaftung ist gar nicht gut, wenn man eigentlich gepflegt und frei ins Jenseits überzusiedeln gedenkt.

Vielleicht ist es auch (wie so oft) beides.
Ich wiederhole mich, aber vielleicht siehst Du es mir nach. - Du bist ein verdammt gescheites Fischken!
Schuss ins Herz. Hast perfekt getroffen. Und vermutlich ist die Witwe einfach so einfach (zu erjagen).
Im Ernst: Ja. Es ist in diesem Falle beides - wie denn auch nicht! Und da hat ja MüKi schon den Finger reingebohrt - zurecht!
Mir war nicht klar, als ich im letzten Jahr nach all dem merkte, dass ich nicht würde so rasch aussteigen können aus dem Leben (was immer das da und nunmehr für mich eigentlich sei), dass dieses "Hilfegesuch" an eine/n Analytiker oder überhaupt eine/n PsychotherpeutIn "Bindung" bedeuten würde. Und Gefühle - für einen wildfremden Menschen. Ich war damals schockgefrostet. Und habe nicht über die angebrochene Stunde hinaus gedacht. [Mach ich das jetzt? Nein, letztlich nicht. Es gibt keinen "Plan" mehr. Woher auch? - Wenn nicht aus meines Hirnherzens innerstem Kern, aber vielleicht ist der auch einfach ganz leer. Ich bin auf dem Weg zu ihm. Vermutlich wäre ich da niemals hingekommen, wenn alles "normal" weitergelaufen wäre. - Man könnt' ja fast meinen, dass das doch toll sei. Dazu gleich noch am Schluss ein Satz.]
Jetzt sitz' ich da. Oder liege manchmal auch da, auf der Couch. Und merke: Ich mag den. Ja. Dieser Alien will zwar nicht mit ausgestrecktem Zeigefinger "nach hause telephonieren", aber er rührt mich dennoch an. (Libidinöse Restruinenkrümel - ick hör euch trapsen.) --- Und ich bin nur dabei, das, DAS - nachdem ich zu allen FreundInnen, die noch übrig sind (nach unserer Krebsgeschichte), es geschafft habe, mittlerweile zärtlich und witwesk sowie latent suizidal abständig, also in einer gewissen Distanz, zu sein -, das also "auf die Reihe" zu kriegen, handhabbar zu machen. - Das ist das Gegenteil von Übertragung.
Vermutlich hat er mir heute deshalb wieder gesagt, dass er ja irritierenderweise nicht mehr wisse, ob er jene Frage (anlässlich eines recht massiven biographischen Aspektes) nun gestellt habe oder ob nicht. Ich lasse den paddeln; schwimmen; oder auch im Trüben fischen.
Wenn ich Analyse will, geht das auf die Dauer nicht. Ich WEIß.
Celice hat geschrieben: In allem was jetzt gerade ansteht, bist du im Endeffekt allein. Aber das bist du sowieso. Und vielleicht musst du dich auch gar nicht entscheiden. Loslassen und Einlassen sind ja auch gar nicht soo unterschiedlich. Und bei mir ist das gerade auch eher synchron - nichts Gegensätzliches. Eher im Gegenteil. Das Loslassen des einen besteht im Einlassen auf das andere.
Ja, nun bin ich allein. Der Liebste ist tot. Das, was ich studiert habe und worin ich 15 Jahre arbeitete, ist ebenfalls für mich gestorben, da ein Krebs und die Abschaffung meines Faches zeitgleich dazwischen kamen. Mit "Blutsverwandten" muss ich mich nur noch auf ES-Ebene plagen (so hoffe ich jedenfalls, auch das vermutlich vergeblich).
Ich bin frei. Wollte ich immer sein.
Fühlt sich so kalt an wie all die Leere zwischen den Sternen.
Loslassen - Einlassen. ?
Ablassen, auslassen, kaltlassen, fortlassen. Fließenlassen.
Es gibt da so einen Sience-Fiction-Film von ganz früher, da treibt am Ende (wo sonst?) einer im Raumanzug einfach so (naja, nach Reparaturversuchen, ich geb's zu) ab vom Raumschiff - und irgendwoher aus dem Raummüll rutscht ihm eine Scholle, ähhh, nö: ein Surfbrett unter die raumanzugluftnotbestiefelten Füße, auf dem er dann seinen finalen Ritt quer durch die Sterne galoppiert.
Let it flow ...


Liebe Celice, liebe andere LeserInnen,
tut mir leid, das ist jetzt mal wieder ein wenig Kraut und Rüben geworden, und vor allem: VIEL zu LANG.

Gut Nacht und einen erträglichen Donnerstag allen hier, die Ihr ja wahrhaftig Eure eigenen Päckchen zu tragen habt. (Ich trag da so gar nicht mit, im Moment, ich weiß. Ja, weiß ich.)
Widow

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 03.11.2011, 10:42

Celice hat geschrieben:
Zum einen könnte es sein, dass du dich aufgrund deiner Situation (und damit meine ich nicht mal die Suizidgedanken, sondern diesen für dich unverarbeitbaren Abschied) im Moment einfach nicht einlassen kannst. Du bist mit deiner Lebensliebesbeziehung noch so gebunden, dass noch gar keine richtige Übertragungsbeziehung entstehen konnte. Und diese Übertragung ist es ja dann eigentlich, an der man (sich ab-)arbeitet. Also, dass diese völlig übermächtige ungeweinte Trauer dich auch in der Therapie einfach völlig blockiert und deswegen auch zB in letzter Zeit diese Schweigephase entstanden ist, jetzt der Wunsch, sich eigentlich am liebsten zurückzuziehen, eventuell sogar aufzuhören etc. .
Hm, die Idee die mir dabei kommt. Spielt die Tatsache daß der Analytiker ein Mann ist da evtl eine Rolle? Befindet er sich irgendwie in einer subtilen Konkurrenzsituation mit deinem verstorbenen Mann? Oder anders gesagt, wäre es leichter dich auf eine Frau einzulassen als auf einen Mann?

Evtl willst du im Moment einfach keinen "anderen Mann" in deinem Leben, was ich komplett verstehen könnte.


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Widow
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Beitrag Do., 03.11.2011, 13:20

münchnerkindl hat geschrieben: Evtl willst du im Moment einfach keinen "anderen Mann" in deinem Leben, was ich komplett verstehen könnte.
Liebe MüKi,

mit Sicherheit will ich keinen "anderen Mann" mehr in meinem Leben.
Aber: Da ich mir während meiner kurzen, doch heftigen Therapeutensuchphase im letzten Winter auch eine (sehr freundliche) Frau angesehen und sehr schnell gemerkt habe, dass ich da immer an meine Erzeugerin erinnert wäre und mithin nur auf Konfrontationskurs oder beim Abtauchen -, da ich diese Erfahrung also mit einer Frau gemacht habe, war klar, dass ich das noch weniger will.
Bildlich gesprochen: Lieber erotische ES-Blitze ertragen (ein bissl Strom fließt ja blöderweise noch aus Leben Nr. 1) als erneut eine beißende, böse Brust ...

Einen lieben Gruß
Widow

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Draußen
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 18:08

Liebe Celice, liebe Widow,
Celice hat geschrieben:Weiß eigentlich irgendwer genau, was dieses "Durcharbeiten" ist? Also wenn du es weißt, dann bin ich sehr dankbar für Aufklärung. Ich weiß es nämlich nicht, kann es allenfalls an meinen eigenen leibhaftigen Erfahrungen mir zu erklären versuchen.

Das aber ohnehin nicht so direkt auf der Couch liegend, auch nicht im Austausch mit anderen, sondern das Durcharbeiten ist zumindest für mich das, was ich im stillen Kämmerlein mache. Es ist vielleicht das Annehmen und Verarbeiten des alten Schmerzes.
Widow hat geschrieben:Aber nun im Ernst: "Durcharbeiten". Ich habe keine Idee, was DAS sein soll. Ich teile aber mit Dir die Ahnung, dass es weder auf der Couch noch in Psychotherpieforen noch im Freundesgespräch geschieht (wenn überhaupt es "Durcharbeiten" gibt), sondern "im stillen Kämmerlein". Mir schwant, dass es um "Annehmen" geht, Annehmen all dessen, was ich fortgesteckt, fortgeschafft (bis hin zu verdrängt) habe oder nicht anzunehmen bereit bin. Bis jetzt. Und das sind nur Schmerzen. Das Schöne - darüber müsste man vielleicht nochmal gesondert nachdenken: Wieviel "Abwehrpotential" steckt eigentlich in der reibungslosen Annahme, der Akzeptanz dessen,
Ich möchte mit euch meine Gedanken zu "Durcharbeiten" und "Redekur" teilen. Die Aufgabe erschien mir sehr interessant, aber an irgend einem Punkt komme ich mit meinen Gadanken dazu allein nicht mehr weiter. Dein stilles Kämmerlein Celice, da arbeite ich auch (ob durch oder daran ab, wage ich nicht zu beurteilen), oder draußen zu Fuß unterwegs, oder im Auto, oder hier vor dem Rechner. Aber immer allein. Ich weiß nicht, ob es für mich einen großen Unterschied macht, ob ich meine Selbstgespräche auf meine Therapeutin ausrichte, oder auf einen aus dem Forum.

Inhaltlich schon: so sind klar umschriebene Probleme (Worte finden für Unaussprechliches oder der Umgang mit schrecklichen Fantasien) für mich hier im Forum sehr gut "durcharbeitbar" (zumindest gewesen). Hier kann ich erfahren, dass ich mit meinen Empfindungen nicht die Einzige bin (könnte mir meine Therapeutin zwar auch selber sagen, hat sie sogar schon mal(war aber ein echter Rohrkrepierer), bringt mich kein Stück weiter), und vor allem die verschiedenen Modulationen der Empfindungen bei den anderen erfahren und so meinem (viel zu) eingefahrenes Denken Zugang zu anderen Sichtweisen zu ermöglichen.

In der Therapie (obwohl November immer noch nicht Analyse, verdammt!!!) hingegen verknüpfe ich, stelle Zusammenhänge her. Lang und breit erkläre ich meiner Therapeutin/alter ipse/Ersatzmutter bis ich es begriffen habe (manchmal erst mitten in meinem Satz und dann mir vor die Stirn klopfend). Sie dann milde lächelnd, gelegentlich sichbar froh. Alte Familienverquickungen, Fehlprägungen oder die Triangulierungen alles, was mehr Raum und mehr Ecken braucht, versuche ich mit ihr zu klären, als nächste Instanz natürlich.

Letzten Endes habe ich feststellen müssen, dass, egal was ich mir so denke und auf was für Erkenntnisse ich komme, Erleichterung/Annehmen/Akzeptieren/Loslassen erst dann spürbar werden, wenn ich mit meiner Therapeutin über das Thema gesprochen habe. Immer erst hinterher.

Widow hat geschrieben:Jetzt sitz' ich da. Oder liege manchmal auch da, auf der Couch. Und merke: Ich mag den. [...] (Libidinöse Restruinenkrümel - ick hör euch trapsen.) --- Und ich bin nur dabei, das, [...] handhabbar zu machen. - Das ist das Gegenteil von Übertragung.
Wenn ich deinen Satz sinnerhaltend gekürzt habe (wenn nicht, dann ignorier den Folgetext), dann, liebe Widow, ist das aber sowas von einer Übertragung.

Widow hat geschrieben:...eine beißende, böse Brust ...
Ein bisschen Ironie gehört in jede Geschichte: Genau liebende/beißende Brustsache reizt(e) mich mit meiner Therapeutin, die mit meinen üblen Unterstellungen (eigenerfahrungsextrapoliert) und meinem ausdauernden Vernichtungsängsten, Insuffizienzgefühlen, meinem Schweigstammeln, halben und dann auch noch zurückgenommenen Sätzen, Zurückweisungsunterstellungen und vor allem meinem Unterwerfungswünschen richtig Arbeit hat. Und ich hab richtig was zum "Durcharbeiten". Unmengen unkommunizierbarer Gefühle und Wünsche kochen dann in mir und lenken mich sorgfältig von all dem Vorbereiteten ab, klemmen meine schon gedachten Gedanken weg und zwingen mich so Neues zu schaffen.

So bin ich am "Durcharbeiten" in der Therapie und weiterhin Gefühlsflüchtling, affektflach und Ordnung schaffend (für jedes meiner Gefühle Daseinsberechtigung prüfen und es dann vielleicht, in angemessenem Rahmen, äußern (oder besser nicht)).

Das war meine Variante vom Durcharbeiten für euch.
draußen

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