biber hat geschrieben:
3. Ich kenne keine Menschen, die durch einen misslungenen Suizidversuch schwere körperliche Schäden genommen haben, aber statistisch ist mir klar, dass es auch diese gibt.
Zu 3. würde ich gerne etwas erzählen. In meiner Verwandtschaft gibt es nämlich einen Menschen, auf den genau das zutrifft. SIE, nach außen hin glückliche Mutter von zwei Kindern, lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern im gleichen Haus wie die Eltern des Ehegatten. Der hat in diesem Haus "nichts zu melden", schon gar nicht SIE - denn alle im Haus werden von ihrer dominanten Stiefmutter "erzogen" inkl. psychischen Bestrafungen ect. Die Kinder verstehen dies (noch) nicht.
------------------------------------------------------------------------------------------
Sie hat Hilfe bei einer Institution gesucht, kam hinterher heraus, doch ihr Mann stand zu seiner Mutter. Sie blieb also. Irgendwann verlor sie ihren Job, der ihr einziger "Zweck" war, denn die Erziehung ihrer eigenen Kinder stand unter dem Einfluss der o.g. Stiefmutter. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem Sie nicht mehr konnte.
------------------------------------------------------------------------------------------
Sie steht mitten in der Nacht auf und schleicht sich aus dem Haus. Sie fährt an einen abgelegenen Ort und wirft sich eine Handvoll Medikamente ein. Anscheinend waren es die "falschen" für ihre Absichten, denn sie wird, bewusstlos auf dem Boden liegend, von einem der das Auto entdeckte, gefunden.
------------------------------------------------------------------------------------------
Sie wird gesund gepflegt und kehrt zurück in die alten Verhältnisse. Ein paar Monate später macht in der Verwandtschaft die Nachricht ihres zweiten Suizidversuches die Runde. Sie hätte bei der Therapie nur "mitgespielt" und hat sich, direkt nach einer Gruppensitzung, aus dem Fenster gestürzt.
------------------------------------------------------------------------------------------
Nun sitzt sie, querschnittsgelähmt, in einer geschlossenen Anstalt, im Rollstuhl. Sie kann nichtmal alleine aus dem Bett aufstehen. (geschweige denn sich umbringen) Sie hat komplett "dichtgemacht". Vertraut niemandem mehr. Nichtmal ihre Mutter (meine Tante) kommt an sie ran. Sie will nur noch fernsehen. Ich kenne die Stiefmutter. Dass es solch harte Verhältnisse waren, kam dann hinterher heraus. Für mich und meine Eltern schockierend... für die andere Seite der Familie, die streng konventionell ist, Normalität.
------------------------------------------------------------------------------------------
Sie wird nur noch von ihrer Mutter und dessen Tochter besucht. Ihr Ehemann und ihre Kinder stehen unter dem Einfluss der Stiefmutter (keine Ahnung wie solche Verhältnisse heutzutage noch zustande kommen können!!) und es wurde ihnen "verboten", sie zu besuchen. Das kam nur "heraus", weil ihre Mutter an der Anmeldung der Klinik den Stiefeltern begegnet ist. Diese machten kein Geheimnis daraus, das o.g. Verbot ausgesprochen zu haben, immerhin sei eine Suizidgefährdete kein guter "Umgang für Kinder" - sie waren in der Klinik, um eine Bekannte zu besuchen und fuhren ab, ohne auch nur eine "Blume des Anstands" ihrer Stieftochter zu geben.
Übrigens überlegte ich, wie ich gegen die Stiefeltern gerichtlich vorgehen könnte. Nur bisher will sie das garnicht. :/ Sie ist schwach und mittlerweile ist es ihr sogar egal, ob sie lebt oder stirbt - ihre Medi-Dosis scheint sie voll umzuhauen!
Aber das will ich hier nicht weiter ausführen.
So.. um nun noch einmal das Anliegen der Threaderöffnerin zu wiederholen: Sollten besonders harte Fälle, wie meine Cousine, ein Recht auf Suizid bekommen? Meiner Meinung nach NEIN, sie sollte ein Recht auf ein "normales" Leben bekommen und dann selbst entscheiden dürfen. Ich finde diese SCHEINHEILIGKEIT, die Eiswürfel angesprochen hat, aber auch zum.. kotzen.
Viele haben hier geschrieben, und dem Argument stimme ich zu, dass niemand über das Leben und den Tod eines anderen zu entscheiden hat.
ABER: Es sollen alle "mitgezogen" werden, auch die, die für einen Suizid nicht in der Lage sind, was genaugenommen eine Bevormundung IST! Ein einfaches "Leben ist nunmal Leiden" - ist richtig - aber m.E. zu allgemein gefasst. Es geht halt IMMER um Einzelschicksale. Und ein Suizid ist SELBSTMORD keine BEIHILFE ZUM MORD - genaugenommen. SIE, die Querschnittsgelähmte, müsste die Verantwortung übernehmen, EGAL ob sie nicht klar denken kann, weil sie bis zum Hals auf Drogen ist. Es müsste ihr nur jemand was "hinlegen".
Nochmal zu dem Fall: Natürlich will ICH als Angehöriger nicht, dass sie sich das Leben nimmt. ICH habe aber kein Recht, für sie zu bestimmen. ICH will sie aufbauen und fördern. SIE ist weder in der Lage angemessen zu leben, noch zu sterben!
Bin auf eure Antworten gespannt
lebonaut