Sterbehilfe für psychisch Kranke?

Was Sie in Bezug auf Ihre eigene Zukunft, oder auch die gegenwärtige Entwicklung der Gesellschaft beschäftigt oder nachdenklich macht.

pandas
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:44

ExtraordinaryGirl hat geschrieben:Es ist nur eine Verdachtsdiagnose, bisher.

Könnte sein, dass sie wieder verworfen wird.
Na, eben, Diagnosen sind NIE endgültig

eog, ich wünsch Dir alles Gute und angemessene und gute Therapie

Was man da machen kann stattdessen, allgemein?

Du, das steht hier alles drinnen, in dem langen, langen Thread.
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pandas
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:48

@ carla

Gut, da Du einen Nerv-Kreis machen möchtest, hier die Antwort von zu Beginn des Threads:
biber hat geschrieben:
Carla1 hat geschrieben:..., sondern um Menschen, die sich seit Jahrzehnten mit schlimmsten psychischen Problemen rumschlagen und als "austherapiert" gelten. Und sie müssen natürlich auch klar denken können und dürfen nicht psychotisch sein oder so.
Das ist ein Paradox: Niemand hat gleichzeitig schlimmste psychische Probleme und kann natürlich klar denken.
Carla1 hat geschrieben: Daher hat mich mal interessiert, wie andere "Betroffene" darüber denken.
Ja, nun, bis auf letzteren Post hat sich ja kaum ein Betroffener für sich selbst sprechend positiv geäussert. Und würde auch.
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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:54

biber hat geschrieben:Na, eben, Diagnosen sind NIE endgültig
Und das ist sicher ein starkes Argument gegen die Sterbehilfe bei psychischen Erkrankungen.

Nur: Bis man für manche Störungen (oder vielmehr Menschen) eine wirkungsvolle Therapie entdeckt hat, gibt es viel Leid auf Seiten der Betroffenen und der ihres Umfelds. Aber wer sich dagegen entscheidet, kann ja auch zukünftig bei sich selbst Hand anlegen. Nur eben ohne erleichterte Bedingungen.

Und: Danke, biber. Ich kann da gerade zwar selbst nicht daran glauben, aber es ist trotzdem sehr nett, was du schreibst.
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 00:14

Btw:
Carla1 hat geschrieben:Allerdings dachte ich immer, dass die Betroffenen gerade NICHT darunter leiden!?
Das sagt man Aspergern auch nach, aber im Gegensatz zu der antisozialen PS weiss ich diesbezüglich aus dem persönlichen Austausch mit Betroffenen, dass es auch Asperger-Autisten gibt, die unter ihrer Störung leiden.

Und gemäss meiner unqualifizierten Einschätzung geben selbst die Aussagen von Serienmördern und -vergewaltigern, denen die antisozialen PS diagnostiziert wurde, Hinweise darauf, dass sie sehr wohl selbst irgendwo unter ihrer Erkrankung leiden.

Aber eben ... Diagnosen sind bei psychischen Störungen bekanntlich deutlich unsicherer festlegbar als bei körperlichen Problemen, und damit dürfte die Chance auf Hilfe auch nie endgültig auszuschliessen sein (ahm ... natürlich auch deshalb, weil sich auch etwas verändern kann bzgl. der Therapiemöglichkeiten von Störungen, die gegenwärtig als unheilbar gelten. Man soll die Hoffnung nie aufgeben).

Ich frage mich, welche Regierung Sterbehilfe bei so vielen Unsicherheiten zulassen kann ... Wobei: An sich weiss ich es ja.
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Ratlosigkeit
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 08:02

Wenn "leiden" DAS Kriterium pro Selbstmord ist, wäre die Welt bald entvölkert. Leiden gehört zum Leben, Leiden aushalten und überwinden bedeutet Entwicklung. Und ja, ich weiß, dass das schwer zu akzeptieren ist, besonders für Leute, die glauben, sie hätten ein verbrieftes Recht auf Glück.

Im Übrigen muss ich jetzt mal deutlich sagen, dass ich es langsam echt ärgerlich finde, wenn jedem, der anderer Meinung ist als Carla1, von ihr unterstellt wird, er würde nicht kapieren, was sie meint.
Ich kapiere es sehr gut - ich bin nur nicht Deiner Meinung.
Worauf Du aber gerne pfeiffen darfst.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.


pandas
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 18:04

@ eog

Manche forensische Straftäter leiden schwer, sobald sie erkennen, dass sie ihre Taten (auf die sie dennoch krankhaft stolz sind) als aus ihrer Krankheit entsprungen erkennen und das andere und sie in Gefahr sind, solche Taten wieder zu begehen, dann haben sie in der Tat auch Suizidgedanken. Wären lieber ganz weg etc.
Wobei es auch vielen reicht, dann "halt ihre Medikamente" zu schlucken, oder früher (50er) haben sich manche freiwillig am Gehirn operieren lassen, es konnte wohl aber auch strafrechtlich verhängt werden, diese OP. Wurde aber gestrichen, da menschenfeindlich, OP gegen Willen.
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lebonaut
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 22:08

biber hat geschrieben: 3. Ich kenne keine Menschen, die durch einen misslungenen Suizidversuch schwere körperliche Schäden genommen haben, aber statistisch ist mir klar, dass es auch diese gibt.
Zu 3. würde ich gerne etwas erzählen. In meiner Verwandtschaft gibt es nämlich einen Menschen, auf den genau das zutrifft. SIE, nach außen hin glückliche Mutter von zwei Kindern, lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern im gleichen Haus wie die Eltern des Ehegatten. Der hat in diesem Haus "nichts zu melden", schon gar nicht SIE - denn alle im Haus werden von ihrer dominanten Stiefmutter "erzogen" inkl. psychischen Bestrafungen ect. Die Kinder verstehen dies (noch) nicht.
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Sie hat Hilfe bei einer Institution gesucht, kam hinterher heraus, doch ihr Mann stand zu seiner Mutter. Sie blieb also. Irgendwann verlor sie ihren Job, der ihr einziger "Zweck" war, denn die Erziehung ihrer eigenen Kinder stand unter dem Einfluss der o.g. Stiefmutter. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem Sie nicht mehr konnte.
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Sie steht mitten in der Nacht auf und schleicht sich aus dem Haus. Sie fährt an einen abgelegenen Ort und wirft sich eine Handvoll Medikamente ein. Anscheinend waren es die "falschen" für ihre Absichten, denn sie wird, bewusstlos auf dem Boden liegend, von einem der das Auto entdeckte, gefunden.
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Sie wird gesund gepflegt und kehrt zurück in die alten Verhältnisse. Ein paar Monate später macht in der Verwandtschaft die Nachricht ihres zweiten Suizidversuches die Runde. Sie hätte bei der Therapie nur "mitgespielt" und hat sich, direkt nach einer Gruppensitzung, aus dem Fenster gestürzt.
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Nun sitzt sie, querschnittsgelähmt, in einer geschlossenen Anstalt, im Rollstuhl. Sie kann nichtmal alleine aus dem Bett aufstehen. (geschweige denn sich umbringen) Sie hat komplett "dichtgemacht". Vertraut niemandem mehr. Nichtmal ihre Mutter (meine Tante) kommt an sie ran. Sie will nur noch fernsehen. Ich kenne die Stiefmutter. Dass es solch harte Verhältnisse waren, kam dann hinterher heraus. Für mich und meine Eltern schockierend... für die andere Seite der Familie, die streng konventionell ist, Normalität.
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Sie wird nur noch von ihrer Mutter und dessen Tochter besucht. Ihr Ehemann und ihre Kinder stehen unter dem Einfluss der Stiefmutter (keine Ahnung wie solche Verhältnisse heutzutage noch zustande kommen können!!) und es wurde ihnen "verboten", sie zu besuchen. Das kam nur "heraus", weil ihre Mutter an der Anmeldung der Klinik den Stiefeltern begegnet ist. Diese machten kein Geheimnis daraus, das o.g. Verbot ausgesprochen zu haben, immerhin sei eine Suizidgefährdete kein guter "Umgang für Kinder" - sie waren in der Klinik, um eine Bekannte zu besuchen und fuhren ab, ohne auch nur eine "Blume des Anstands" ihrer Stieftochter zu geben.

Übrigens überlegte ich, wie ich gegen die Stiefeltern gerichtlich vorgehen könnte. Nur bisher will sie das garnicht. :/ Sie ist schwach und mittlerweile ist es ihr sogar egal, ob sie lebt oder stirbt - ihre Medi-Dosis scheint sie voll umzuhauen!

Aber das will ich hier nicht weiter ausführen.

So.. um nun noch einmal das Anliegen der Threaderöffnerin zu wiederholen: Sollten besonders harte Fälle, wie meine Cousine, ein Recht auf Suizid bekommen? Meiner Meinung nach NEIN, sie sollte ein Recht auf ein "normales" Leben bekommen und dann selbst entscheiden dürfen. Ich finde diese SCHEINHEILIGKEIT, die Eiswürfel angesprochen hat, aber auch zum.. kotzen.

Viele haben hier geschrieben, und dem Argument stimme ich zu, dass niemand über das Leben und den Tod eines anderen zu entscheiden hat.

ABER: Es sollen alle "mitgezogen" werden, auch die, die für einen Suizid nicht in der Lage sind, was genaugenommen eine Bevormundung IST! Ein einfaches "Leben ist nunmal Leiden" - ist richtig - aber m.E. zu allgemein gefasst. Es geht halt IMMER um Einzelschicksale. Und ein Suizid ist SELBSTMORD keine BEIHILFE ZUM MORD - genaugenommen. SIE, die Querschnittsgelähmte, müsste die Verantwortung übernehmen, EGAL ob sie nicht klar denken kann, weil sie bis zum Hals auf Drogen ist. Es müsste ihr nur jemand was "hinlegen".

Nochmal zu dem Fall: Natürlich will ICH als Angehöriger nicht, dass sie sich das Leben nimmt. ICH habe aber kein Recht, für sie zu bestimmen. ICH will sie aufbauen und fördern. SIE ist weder in der Lage angemessen zu leben, noch zu sterben!

Bin auf eure Antworten gespannt
lebonaut


pandas
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 22:25

hallo lebonaut,

danke für Deinen Beitrag und Deine offene Schilderung.

Nun, zu Deinem Aber, den letzten Absatz: Auch hier liegt ja nun eine körperliche Behinderung vor, und Du siehst es ja auch so, dass nur diese eventuell ein Grund sein könnte, einer Sterbehilfe jemals zuzustimmen, falls sie das wiederholt äussert etc.

Die Frage, ob sie, als sie psychisch erkrankt war und Suizidabsichten hatte, (aber körperlich gesund), eine Sterbehilfe bekommen hätte sollen können, verneinst Du ja auch deutlich.
Man hätte an der Veränderung ihrer Situation arbeiten sollen, wie ich das verstanden habe, war weder die Misslage noch die Suizidabsicht Deiner Familie bekannt. Wäre die Suizidabsicht bekannt gewesen, so hättet Ihr sie ja zu diesem Zeitpunkt anscheinend da rausgeholt.
Insgesamt würde ich zu dem Fall sagen: Hilfemöglichkeiten weiter verbessern, offeneres gesellschaftliches Klima schaffen, dass es Menschen in diesen Situationen ermöglicht, deutlicher im außen nach Hilfe zu suchen.
Die Angehörigen von Seiten ihres Mannes finde ich da sehr bedenklich; bei einer Strebehilfelegitimität wäre es hier vielleicht auch der Fall, dass diese ihren dominanten Einfluss nutzen, um die Frau dazu zu drängen!

Zusammengefasst: Solche tragischen Fälle gibt es. Aber man muss immer an den Situationen ansetzen. Hier hat es nicht geklappt, durch Verbesserung der Situation die Lage zu entschärfen (was ich sehr bedaure für Euch), woanders gibt es Fälle, wo es geklappt hat.

Was sie selbst jetzt will, ist nicht bekannt?
Vielleicht kommt sie ja auch sogesehen in dem Heim "zur Ruhe", will damit sagen, dass sie nun dort ihre Zeit verbringt, bedeutet nicht, dass ihr Leben keinen Lebenswert mehr hat.

Was mich schon anrührt, ist, dass die Gruppentherapie etc. nicht gegriffen hat. Ob sie generell da nur mitgespielt hat, ist aber die Frage, vielleicht hatte sie etwas in der Sitzung so aufgerührt, dass es zur Spontantat kam.
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lebonaut
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Beitrag Sa., 02.02.2013, 23:04

Ich danke dir für dein Mitgefühl und deine tröstenden Worte. Ihr erster
Suizidversuch kam für alle überraschend. Dass sie sich dann auf eine Therapie
eingelassen hat, schien zumindest meinen Teil der Familie zu beruhigen und wir
taten nix. Das sie jetzt im Rollstuhl sitzt ist, ist natürlich ein zusätzlich harter Schlag.

Was die Selbstmord-Hilfe angeht: Ich hatte gar nicht bedacht, dass sie aufgrund ihrer
körperlichen Behinderung nun welche bekommen könnte. Ich denke, wenn sie es noch
wollen würde, hätte sie es schon getan.

Das Schlimmste, finde ich, ist, dass sie zuwenig Unterstützung kriegt. Über sie wird,
u.a. von ihrem Vater, geredet, als wäre sie der Täter, der die ganze Familie kaputt
gemacht habe. Das ist für mich so schwer zu verkraften. Meinerseits gabs da auch
einen großen Vertrauensverlust zu allen, die so über sie denken. Andererseits weiß
ich auch, dass sie "für sich" nur einen Grund suchen, damit klar zu kommen. Ihr die
"Schuld" zu geben, obwohl sie alles verloren hat, ist aus meiner Sicht aber schon arg
böse.

Naja... ich überlege, ob ich nicht mal >alleine< zu ihr fahre und sie besuche. Vielleicht
möchte sie nur im Beisein derer, die sie "ausgestoßen haben" - nicht reden. Wer kanns
ihr verdenken.

biber hat geschrieben: Was mich schon anrührt, ist, dass die Gruppentherapie etc. nicht gegriffen hat. Ob sie generell
da nur mitgespielt hat, ist aber die Frage, vielleicht hatte sie etwas in der Sitzung so aufgerührt,
dass es zur Spontantat kam.
Das denke ich auch. Das sie nur mitgespielt hätte, war Teil der Rundnachricht und sagt glaube
ich genug darüber aus, was von ihr gehalten wird. Es wäre nicht zu meinem Anliegen geworden,
ihr zu helfen, wenn sich schon jemand anders um sie kümmern würde. Aber mich motiviert es
und ich hoffe, ich komme ein Stück an sie heran. Evtl. stimmt sie mir ja zu, mal mit jemandem
aus der Klinik soetwas wie ein offenes Gepräch mit den "Schlüsselpersonen" zu probieren. Ich
kann, wenn etwas ungerecht ist, nicht tatenlos zuschauen.


Schon komisch, finde ich, um mal wieder zurück zum Thema zu kommen, dass ihre
körperliche Behinderung ihr diese "letzte Option" nun "offiziell" ermöglichen würde, obwohl
sie ihr seelischen Leiden vermutlich als weitaus schlimmer empfindet.

Ich will jetzt nicht das große PRO aussprechen. Im Gegenteil: Körperlich gesunde haben
den "letzten Ausweg" ja immer als Möglichkeit.

lebonaut

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lebonaut
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Beitrag So., 03.02.2013, 00:45

Ich muss nochmal was loswerden, den letzten Satz von mir kann ich so nicht stehenlassen, auch wenn Suizid für manche ja eine "Möglichkeit" zu sein scheint.

"Ich war mal Penner"

Zwar nicht einer auf der Straße, aber einer, der in einem "Heim für wohnungslose Männer" gewohnt hat, und dort mit einigen Hundert deliquenten Menschen zusammengelebt habe. (Knastis, Heroinabhängige, ect.) Man könnte meinen, dort, im "untersten Teil der Gesellschaft", eine hohe Zahl von Selbstmordgefährdeten vorzufinden. Tatsächlich gab es auch einen Selbstmord. Allerdings, und das wird manche vielleicht verwundern, waren die meisten von ihnen aber keineswegs selbstmordgefährdet. Instabil, ja. Depressiv, definitiv. Nur, wenn es tatsächlich ums überleben geht, verändert man zwangsläufig seine Einstellung. Diesen Wandel hatten auch die anderen Jugendlichen, die dort "übergangsweise" wohnten, durchmachen müssen. Zwar waren die Grundbedürfnisse gesichert: es gab Essen, Trinken und eine interessante "Schnorrerwirtschaft", die dann quasi für alle, wie eine selbstlaufende Maschine, die Drogenversorgung sicherstellte. (meine Droge war Hasch

Das essentielle kommt aber erst jetzt: Selbstmordankündigungen... nein nichtmal zu heulen, war in dieser Situation überhaupt eine Option. Es gab soetwas wie eine Grundstimmung, ein Gruppenego, das zwar immer Galgenhumor hervorbrachte, aber "psychiatrische Verhältnisse" waren dort tabu.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass es eine "krasse Situation" ist, wenn von der einen Seite Kriminelle und von der anderen Seite Altruisten und Sensible, wie ich, aufeinandertreffen. Ich "stand dadrüber", auch noch als ich längst eine Wohnung gefunden hatte und noch heute. Zwar habe ich nicht beim "öffenlichen Schnorren" mitgemacht und andere ehrlose Dinge auch strikt abgelehnt, trotzdem habe ich mich an diesen Umstand BLITZSCHNELL gewöhnt. Weil ich es MUSSTE. Dort waren Leute, die hatten ALLES verloren. Nur sie wurden nicht von einer Stiefmutter dominiert, was eigentlich viel schlimmer ist, sie hatten ALLE Stolz, der extrem ausgeprägt war. Meiner Cousine wurde dieser genommen.

Später habe ich mich von diesen Bekanntschaften abgegrenzt, mich isoliert, vereinsamt, hatte eine (durch Cannabis noch verstärkte) schizophrene Psychose mit Audio-Halluzinationen, Paranoia und allem drum und dran und bin schließlich, als letzte Möglichkeit, umgezogen.

Mein Fazit und gleichzeitig mein Rat an euch ist: Euer Unterbewusstsein (auch Gott genannt) tut alles, was nötig ist. Es lässt euch euch Neurosen aneignen, drückt euch wenns sein muss die Sch**sse ist Gesicht aber bedenkt: Es tut es reaktionär und, das ist meine Überzeugung, aus selbstheilerischen Gründen. Ich weiß, das macht alles kein Spaß und manchmal habe ich mir auch gedacht: Was soll das alles? Sinnlos ist es! (scheinbar) Aber man kommt irgendwie noch damit klar, auch wenn manches Symptom "hängen bleibt". Das Wichtigste ist, dass ihr euren Stolz nicht aufgebt! Denkt an die Obdachlosen, die während sie um ihr Bier betteln, von Passanten beschimpft werden usw. Es ist schön und gut, sich seine "Krankheit" einzugestehen aber verdammt ihr seid ein menschliches Wesen, dass liebenswert und wertvoll ist, auch mit diesen Krankheiten.

Ich habe bisher KEINEN, wirklich KEINEN Menschen getroffen, der nicht irgendne Macke hatte!!
lebonaut
Zuletzt geändert von lebonaut am So., 03.02.2013, 00:52, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag So., 03.02.2013, 00:50

biber hat geschrieben:Wurde aber gestrichen, da menschenfeindlich, OP gegen Willen.
Was ich auch voll und ganz unterstütze. Ich muss zwar gestehen, dass mich der Gedanke sehr beunruhigt, dass gewisse Täter jemals wieder rückfällig werden könnten, bzw. ich von Herzen erleichtert bin, weil ich weiss, dass manche von ihnen tot sind.

Aber ich habe mir, wenngleich es schmerzhaft für mich war, gerade in den letzten Jahren bewusst gemacht, dass selbst die Menschen, die in meinen Augen sehr, sehr krank und sehr gefährlich sind, sich ihre Störung nicht selbst ausgesucht haben.

Ich kann den Impuls (Suizid/Medikamente/OP) auch gut nachvollziehen, wenn man begreift, dass man sich selbst und Anderen immer mehr schadet und scheinbar nichts dagegen hilft.

Über die neueren Beiträge will ich für mich nachdenken. Hmm ... Theoretisch war mir zwar bewusst, dass es Suizidversuche gibt, die bleibende körperliche Schäden bei der entsprechenden Person hinterlassen - und auch, wie viele Versuche Kurzschlusshandlungen sind.

Praktisch stellt es sich wohl eher so dar, dass ich immer davon ausgegangen bin, dass jeder, der sich etwas antun will, sich gründlich Gedanken über die Wirkungsweise einzelner Methoden und alle einkalkulierbaren Schwierigkeiten macht. Was auch kein Garant dafür ist, dass man am Ende das hat, was man sich in dem Moment wünscht.
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Beitrag So., 03.02.2013, 08:17

hi lebonaut,
auch ich danke Dir für Deine lebendigen Schilderungen, die die Problematik wohl viel besser verdeutlichen, als jedes theoretische Argument.
Zum Fall Deiner Cousine, der wirklich erschütternd ist, möchte ich ergänzen, dass bei ihr schon viel viel früher eingegriffen hätte werden sollen - im Idealfall hätte sie selbst (eventuell mit therapeutischer Hilfe) es schaffen müssen, gegen die Umstände (terrorisierende Stiefmutter) einzuschreiten, die sie letztendlich zum Suizid getrieben haben. Ich bin sicher, dass sie grundsätzlich durchaus "leben" wollte - aber eben nicht unter diesen Umständen. Da sah sie keinen Ausweg mehr und sie fand auch niemanden, der ihr einen Ausweg gezeigt hätte. Es war ihre Entscheidung, sich selbst aus der Konstellation herauszunehmen statt dagegen anzukämpfen und eine Änderung zu erzwingen, das muss man natürlich respektieren. Aber es hätte ZU JEDEM ZEITPUNKT andere Lösungen geben können (offener Bruch mit der Stiefmutter und/oder der ganzen Familie - sicher belastend, aber ohne Todesopfer oder in dem Fall Schwerverletzte).
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Eiswürfel
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Beitrag Di., 05.02.2013, 16:00

Ich bin wieder so weit, dass ich freiwillig sterben wßrde und sogar gut dafür zahlen würde. Könnte ich es bloß auch meiner Umgebung klarmachen. Ich bin einfach nicht für diese Welt gemacht. Zu mangelhaft, unansehnlich und einfach das fünfte Rad. Ich will einfach ins Krankenhaus und dort auf meinen Exekutionstermin warten, wie andere eben auf ihre OP. Aber ich träume, das alles wird nie gestehen, dass ich einfach Abschied nehmen und gehen darf. Ohne Tränen, ohne verzweifelten Hinterbliebenen. Dann geh ich mal Kaffee trinken.

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Beitrag Di., 05.02.2013, 16:57

Sterben kannst du früh genug. Das läuft dir nicht davon.

Aber dein Leben ist unwiderruflich vorbei, wenn du dich umbringst.

Und niemand, niemand kann wissen, was das Leben für ihn oder sie bereit hält.

Glaub's mir, ich kenne mich mit Suizidgedanken und -versuchen aus. Hatte zwanzig Jahre lang das Gefühl, nicht in diese Welt zu gehören. Habe zwanzig Jahre lang meine private Hölle durchlebt, ohne eine realistische Hoffnung auf Veränderung.

Die Wunden sind noch nicht verschlossen, aber sieh', was mein Leben für eine Wendung genommen hat, weil ich nicht aufgegeben habe - im Wissen, noch nicht alles getan zu haben, noch nicht alle Hilfsangebote ausgeschöpft zu haben, um die Situation zu verändern.

Man kann nie wissen.
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Eiswürfel
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Beitrag Di., 05.02.2013, 17:51

Ich weiß, eog. Aber es ist wieder so schrecklich. Jetzt kommt bald der Frühling, alles blüht und gedeiht, und ich bleibe zurück. Das schlimme Gefühl kann man nicht beschreiben, bei den Schmerzen verzichtet man gern auf Glück in der Zukunft und zieht das Nichts vor. Ich finde übrigens auch die Vorsttellung schön, in einem klinischen Raum zu sein und zu wissen, dass es bald soweit ist.

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