Autonomie fördern (bei Langzeittherapien)?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:06

MariJane hat geschrieben:Na sicher muss er da gegen steuern, aber nicht indem er dem Patienten ein schlechtes Gefühl vermittelt, sondern eben verbalisiert und versucht zu vermitteln. Alles andere- finde ich- sind Spielchen, die in einer Therapie doch wirklich nichts zu suchen haben.
Wie gesagt, das Gefühl kann auch nur aus dem Patienten heraus kommen. Ich war nicht dabei, kann es also nicht sagen. Aber für meine Begriffe wurde schon klar angesprochen, wo die Therapeutin Bedenken hat. Das spricht für mich gegen ein unprofessionelles Verhalten. Und "Provokationen" (wie zB. zu kurze Stunden) können durchaus die Absicht haben, den Patienten sozusagen aus der "Reserve" zu locken. Das kann man finden wie man will (ich mag es wie gesagt nicht), aber ich halte es für durchaus üblich. Denn irgendwas muss der Thera ja tun, um das "schädliche" Verhalten aufzubrechen.

Wenn das Verhältnis an sich stabil ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient es "wagt" sich auch mal zu "beschweren" ja doch recht hoch und genau das soll für meine Begriffe damit erreicht werden. Dass der Patient in Kontakt zu seiner Wut kommt und damit raus aus der Passivität.

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Sunna
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:09

Kann ein Therapeut immer eine Abhängigkeit erkennen und richtig einschätzen? Ist das für ihn, insbesondere wenn der Patient nicht aufrichtig ist, nicht auch sehr schwierig? Teilweise, sicher nicht nur, versteht er den Patienten auch nur soweit sich der Patient selbst versteht und mitteilt.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:12

Sunna hat geschrieben:Kann ein Therapeut immer eine Abhängigkeit erkennen und richtig einschätzen? Ist das für ihn, insbesondere wenn der Patient nicht aufrichtig ist, nicht auch sehr schwierig? Teilweise, sicher nicht nur, versteht er den Patienten auch nur soweit sich der Patient selbst versteht und mitteilt.
Kommt wahrscheinlich auf den Therapeuten, dessen eigene Persönlichkeit und auch Erfahrung an. Hellsehen kann sicher kein Therapeut, allenfalls Hinweise aufmerksam registrieren.


MariJane
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:30

mio hat geschrieben:
MariJane hat geschrieben:Na sicher muss er da gegen steuern, aber nicht indem er dem Patienten ein schlechtes Gefühl vermittelt, sondern eben verbalisiert und versucht zu vermitteln. Alles andere- finde ich- sind Spielchen, die in einer Therapie doch wirklich nichts zu suchen haben.
Wie gesagt, das Gefühl kann auch nur aus dem Patienten heraus kommen. Ich war nicht dabei, kann es also nicht sagen. Aber für meine Begriffe wurde schon klar angesprochen, wo die Therapeutin Bedenken hat. Das spricht für mich gegen ein unprofessionelles Verhalten. Und "Provokationen" (wie zB. zu kurze Stunden) können durchaus die Absicht haben, den Patienten sozusagen aus der "Reserve" zu locken. Das kann man finden wie man will (ich mag es wie gesagt nicht), aber ich halte es für durchaus üblich. Denn irgendwas muss der Thera ja tun, um das "schädliche" Verhalten aufzubrechen.

Wenn das Verhältnis an sich stabil ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient es "wagt" sich auch mal zu "beschweren" ja doch recht hoch und genau das soll für meine Begriffe damit erreicht werden. Dass der Patient in Kontakt zu seiner Wut kommt und damit raus aus der Passivität.
Dabei ist keiner gewesen, deshalb ist es auch schwer da ne "richtige" Einschätzung zu geben. Aber für mich wäre das ein Spiel. Ich kenne provokative Therapie und die orientiert sich daran, den Patienten so sehr in seinen Überzeugungen zu bestärken, dass der Patient irgendwann denkt: Der Therapeut hat doch ne Macke, ich bin doch nicht fett- bei Essstörungen zum Beispiel. Aber es läuft wirklich nur verbal. Ich halte sehr viel von diesem Ansatz, weil ich wirklich Leute erlebt habe, denen das geholfen hat, die sich am Ende gegen den Therapeuten und damit gegen ihre Überzeugungen stellen konnten. Diese Form der Provokation, die du annimmst, ist aber tatsächlich eher ein Spiel und keine Art der provokativen Therapie. Soweit ich das verstanden habe, wird in einer Therapie eben kommuniziert und das vorrangig verbal. Ganz sicher soll sie einen Patienten aber nicht verunsichern und genau das passiert, wenn der Therapeut anfängt, so zu agieren.

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mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:36

MariJane hat geschrieben:Ich glaube daran, dass Therapeuten auch nur Menschen sind und so etwas mal passieren kann. Wenn es einen stört, sollte man das ansprechen. Das sehe ich genauso, aber etwas therapeutisch wertvolles dahinter zu vermuten, geht mir zu weit.
Klar, das kann auch sein. Und letztlich ist es für die "Auswirkungen" ja egal, so es zu einer Beschwerde kommt.

Ich halte Therapeuten für so "schlau". Aber mag auch sein, dass ich da falsch liege. Meine bestreitet sowas auch immer, wenn ich es anspreche und redet sich raus. Allerdings hat sie auch schon mal zugegeben, dass mich mein Gefühl nicht täuscht und auch, dass Therapie Manipulation ist. Ich bin ja nicht blöd und sehe ja was geschieht.

Wenn also zB. eine mail mit einer klaren Bitte um zügige Rückmeldung (weil ich sonst einen anderen Weg finden muss ihr was mitzuteilen was für mich wichtig ist (Thema der kommenden Stunde) und ich dafür eigentlich etwas Zeit brauche) die direkt nach der Stunde (in der das Thema schon wichtig war und der Inhalt der vorherigen mail angeblich nicht "ankam" - ein Bildanhang den ich nur digital hatte und auch mangels eines eigenen Druckers zu dem Zeitpunkt nicht ausdrucken konnte) geschrieben wurde erst einen Tag vor der nächsten Stunde beantwortet wird, dann sehe ich da klar Absicht. Vor allem wenn mails sonst schneller beantwortet werden, wenn es um was "organisatorisches" geht und klar darum gebeten wird.

Schon die Aussage: "Da war kein Anhang dran..." dürfte eine Lüge gewesen sein (mein Anhang war mit rausgegangen, ich hab ihn also nicht vergessen), aber die konnte ich mir noch mit "Kompatibilitätsproblemen" erklären (da Mac-PC) und auch da meinte sie schon (ganz süffisant): "Wo überall so Kompatibilitätsprobleme liegen können...."

Ich sehe in sowas klar Absicht und es hat auch sehr viel bewegt...was ja letztlich wichtig ist für mich. Von daher ist es auch egal, ob es Absicht oder Versehen ist im Grunde, denn das was zählt ist das (positive) Ergebnis. Wir haben uns da echt öfter mal "behakelt" und es war am Ende immer konstruktiv. Mittlerweile kommt es nicht mehr vor, auch weil sie weiss, dass sie mit sowas unserer Verhältnis jedesmal ein Stück weit aufs Spiel setzt und es von daher nicht übertreiben sollte damit. Aber das ist was "individuelles" denke ich.

(MariJane, ich antworte Dir hier, da es hier für meine Begriffe eher hingehört als in den anderen Thread.)


Speechless
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:38

Mit sowas könnte ich z.B. gar nichts anfangen. Spielchen und Manipulationen und gar Lügen sind das Letzte, was ich für eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Therapeuten gebrauchen könnte.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:42

MariJane hat geschrieben:Soweit ich das verstanden habe, wird in einer Therapie eben kommuniziert und das vorrangig verbal.
Das halte ich für eine Illusion. Da findet viel "nonverbales" statt. Meine Thera packt meine Akte zB. nach jeder Stunde ganz "auffällig" in ihren Aktenschrank zurück (der direkt neben der Tür zum Sprechzimmer steht) bevor sie mich verabschiedet. Und ich denke das macht sie sehr wohl mit einem Hintergedanken und nicht nur bei mir. Es ist ein "Signal" das subtil verdeutlicht: Sie sind hier Patientin.


Sunna
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:47

Ich würde das Nonverbale dem Verbalen sogar überordnen, es fällt nur weniger auf. Es gibt extrem viele nonverbale Arbeitsmethoden, die bewusst eingesetzt werden können. Mich begeistert das Thema "Spiegelneuronen" z.B. sehr. Das entmystifiziert zwar ein wenig die therapeutische Arbeitsweise als "spezielle Gabe", aber es ist auch toll, wenn man sich bewusst darauf einlassen kann.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:48

Speechless hat geschrieben:Mit sowas könnte ich z.B. gar nichts anfangen. Spielchen und Manipulationen und gar Lügen sind das Letzte, was ich für eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Therapeuten gebrauchen könnte.
Das Problem ist, dass Du es ja nicht beweisen kannst. Es kann genauso gut "Versehen" gewesen sein oder eben die Wahrheit. Mir hat das wohl vor allem eine "Erkenntnis" gebracht, nämlich die, dass ich ihr vertraue was ihre "guten Absichten" angeht, selbst wenn mich ihr "Vorgehen" (oder das was ich eben vermute) ärgert. Sie hat es darüber geschafft Teile mit in den Raum zu holen, die sich anders nie gezeigt hätten. Auch mir nicht. Von daher war es sehr gut und wichtig.

Wir nannten das mal "Märchenschach" in einer mail - Du willst spielen, Frau Thera? Ok, lass uns spielen...


MariJane
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:49

Ok, ich halte die auch für schlau. Aber das gehört für mich(!) nicht zu einer gelungen Therapie.

In meiner Therapie kommt so ein Verhalten nicht vor und ich würde wohl nicht mit meinem Therapeuten arbeiten, wenn er nicht transparent wäre. Mir hat er zum Beispiel meinen regulären, festen Termin genommen, weil andere Patienten einfach nötiger als ich ne Struktur brauchen. Und hat mir erläutert, dass das aus therapeutischer Sicht für mich auch gar nicht so eine schlechte Intervention ist. Hätte er mir alles nicht erläutern brauchen, weil ich davon ausgehe, dass er seine Gründe hat. Aber ich erlebe Therapie so, dass ich meinen Therapeuten darauf ansprechen kann, ob er mich zum Beispiel provozieren will und er dann sein Vorgehen begründen kann und nichts abstreitet. Deshalb traue ich ihm doch überhaupt erst.

Natürlich passiert viel nonverbales. Aber in der Therapie kann genau das auch verbalisiert werden.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 15:58

MariJane hat geschrieben:Natürlich passiert viel nonverbales. Aber in der Therapie kann genau das auch verbalisiert werden.
Muss aber nicht zwingend, finde ich. Denn letztlich streite ich mich währenddessen nur "über die Beziehung" und das ist echt nicht mein Weg. Da wäre ich mehr bei ihr, als bei mir, wenn ich das täte. Von daher bleibe ich lieber bei mir, außer es geht mir echt zu sehr auf den Keks und hat schädliche Auswirkungen auf mich. Dann verbalisiere ich sowas.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 16:02

MariJane hat geschrieben:Mir hat er zum Beispiel meinen regulären, festen Termin genommen, weil andere Patienten einfach nötiger als ich ne Struktur brauchen. Und hat mir erläutert, dass das aus therapeutischer Sicht für mich auch gar nicht so eine schlechte Intervention ist. Hätte er mir alles nicht erläutern brauchen, weil ich davon ausgehe, dass er seine Gründe hat.
Da würde ich zB. klar eine Erklärung erwarten, denn sowas geht für mich nicht ohne Absprache. Es ist MEIN Termin, wenn ich den abgeben/tauschen soll, dann möchte ich gefragt werden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Das würde für mich echt gar nicht gehen.


Sunna
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Beitrag Di., 10.01.2017, 16:05

Die Therapie als solche zu thematisieren, wird oft genug abgelehnt, weil es bereits ein Herausgehen aus der Therapie ist. In Einzelfällen mag das sicherlich sinnvoll sein, aber in der Regel findet die Therapie doch in der Beziehung statt, die als solche passiert. Sie passiert nicht, wenn sie angesprochen wird.


mio
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Beitrag Di., 10.01.2017, 16:09

Sunna hat geschrieben:Es gibt extrem viele nonverbale Arbeitsmethoden, die bewusst eingesetzt werden können.
Das sehe ich auch so. Mir fiel das mal in Bezug auf "Thera schweigt" auf. Es gibt zwei Formen von "Schweigen" bei ihr, bzw. drei. Die erste ist so ein "Ich denke nach und fühle in mich rein" Schweigen. Damit habe ich gar kein Problem und warte geduldig bis sie zu Ende "in sich rein gedacht/gefühlt" hat. Dann gibt es so ein "provokantes" "Ich tue mal so, als würde ich Dich nicht wahrnehmen" Schweigen, das finde ich super unangenehm. Und dann gibt es noch ein Schweigen, für das ich "verantwortlich" bin, weil ich in mich rein denke/fühle, das ist ein abwartendes Schweigen mit dem ich auch gar kein Problem habe. Alles nonverbal aber vollkommen unterschiedlich in Absicht und Wirkung.


MariJane
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Beitrag Di., 10.01.2017, 16:15

Ich schrieb ja auch: Kann beprochen werden... das unterscheidet den Therapeuten ja letztlich von irgendjemandem, mit dem man seine Probleme bespricht. Es soll in einem therapeutischen Setting aber möglich sein, ohne Blessuren davon zu tragen. Und wenn ich an meiner Wahrnehmung zweifeln müsste, wäre das für mich schon schwierig.

Das heißt ja nicht, dass ich die ganze 'Zeit mit meinem Therapeuten die Beziehung anschaue. Aber er hat mir mal so nen abstrusen Vorschlag gemacht und das immer wieder, dass ich irgndwann eben fragen musste, ob er mich provozieren will und ich bekam eine Erläuterung. Sein Vorgehen ist therapeutisch begründet und dementsprechend kann er zu allem, was in der Therapie passiert auch Stellung nehmen und das bei Unsicherheiten meinerseits auch erklären.

Das viel nonverbal passiert, da ne therapeutische Beziehung entsteht, klar- und das die förderlich sein sollte, auch klar. Trotzdem erwarte ich von meinem Therapeuten, dass wir bei Bedarf über diese Beziehung oder Interventionen, die mich irritierren, sprechen können. Das ist mir persönlich wichtig. Ohne das ich stets und ständig die Beziehung oder seine Interventionen besprechen muss. Ich finde aber wichtig, dass das getan werden kann und das dies aufrichtig geschieht.

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