titus2 hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass es so einfach ist, dass man grundsätzlich sagen kann: "Alles nur Vorurteile - in Wirklichkeit sind alle gleich" oder so ähnlich.
Nun, ich habe das ja auch nicht so einfach damit abgetan. Und es ist doch gerade das Vorurteil, das alles gleichsetzt, wie eben:
"Bei Westeuropäern besteht ein grundsätzlich offenes Verhältnis zu Sexualiät, in arabischen Kulturen nicht, da diese in der Regel nach dem Koran leben."
Deshalb habe ich ja auch umrissen, was ich über die Sichtweise auf Sexualität in muslimischen Kulturen weiss, welches sicher nicht sehr ins Detail geht, aber ich möchte und kann hier keinen ellenlangen Exkurs darüber posten.
Es ist aber nicht so, dass sich dort nicht mit Sexualiät auseinandergesetzt wird und man davon ausgehen müsste, dass es ein Tabuthema ist, so dass das Sprechen zwischen Thera und Patientin gehemmt wäre etc.
titus2 hat geschrieben:Das heißt ja nicht, dass ich empfehlen würde, dass man nur bei Westeuropäern Analysen macht - aber wenn es um eigene Vorurteile, Projektionen und Hoffnungen geht, dann lässt sich das womöglich nicht mit einem "der ist bestimmt gebildet" - natürlich ist er das!!! - abtun, fürchte ich. Es sind einfach Dinge, die die Beziehung beeinflussen, ähnlich wie Geschlecht und Alter.
Also, ich wollte nicht sagen, dass dieser Analytiker bestimmt gebildet ist und das damit ja doch alles klar wäre.
Im Gegenteil, mein Hauptpunkt war die Frage, kann es sein, dass man mit jemand aus einer anderen Kultur nicht über das wichtige Thema Sexualität offen sprechen kann aus dem Grund, dass er aus einer anderen Kultur kommt, hier offenkundig muslimisch eingeordnet. Dafür habe ich Gegenargumente gebracht.
Im letzten Satz habe ich lediglich darauf hingewiesen, dass er ebenso gut auch gar nicht muslimisch sein könnte, sondern eben Exilperser, aus einer entsprechend hochgebildeten Familie kommend. Aber ich habe doch überhaupt nicht gesagt, dass dieser Fakt alles andere sowieso annulliert - dieses doch aus den anderen genannten Gründen!
Und ich selbst bin niemand, der es per se als großes Plus empfindet, wenn der Therapeut aus dem gehobenen Bildungsbürgertum kommt.
Im Gegenteil, Hochbildung kann auch zum Schmuckstück werden und nicht innerlich gefüllt.
Bei mir ist einer der Punkte, die ich mitunter als differierend empfinde, insofern dass sie ein vollkommenes Verstehen manchmal behindern, dass mein Therapeut aus der sehr oberen Mittelschicht zu kommen scheint. Es gab da auch schon das eine oder andere Mißverständnis.
Anderseits gehört das dazu, denke ich.
Man wird keinen Therapeuten finden können, der sehr aus demselben Milieu kommt, wie man selbst; wäre wohl eh auch wieder nicht so gut.
Bei mir ist es ja so, dass er zum Beispiel wiederum in der reinen Kultur viele Dinge kennt wie ich (z.b. Musik), was mich immer wieder positiv überrascht.
Ich denke aber halt nicht, dass man das von vorneherein daran festmachen kann, ob jemand aus einer anderen ethnischen Kultur kommt - man kennt da dann ja auch nie die individuelle Geschichte. Zum beispiel kann er sogar auch bikulturell sein.
Ansonsten, ich empfand den Therapeuten, den miss beschrieben hat, von seiner Fragetechnick etc. nicht so toll; auch die Überbetonung der Krankenhausstory. Aber das hätte ein deutscher Analytiker genauso machen können. Es gibt eben solche und solche Analytiker.