Anderen verzeihen

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.
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Gast
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Beitrag Di., 27.10.2009, 20:46

Ist was dran?

Wenn man jemandem alles verziehen hat, ist man mit ihm fertig.
S. Freud

Gruß
A.

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Eve...
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Beitrag Di., 27.10.2009, 20:52

Ja, kurz und knapp und völlig richtig.

Gruß, Eve

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(V)
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Beitrag Di., 27.10.2009, 21:17

Ich sage: Nein. Oder zumindest: nur bedingt. Hängt vom Fall ab. Wenn ich jemanden völlig verziehen habe, also wirklich alles, dann bin ich wieder am Anfang. StatusQuo wurde wieder hergestellt. Und das muss nicht bedeuten, dass man mit demjenigen "fertig" ist, sondern kann ebenso bedeuten, dass man denjenigen wieder genauso liebt, mag etc.pp wie vorher.

Meine ganz persönliche Hypothese als auch Furcht in meinem Fall: Wenn ich dem Ex alles verziehen habe, dann ist die Wahrscheinlichkeit mich von ganzem Herzen neu zu verlieben sehr hoch. ZU hoch als dass ich da ein Risiko eingehen möchte. *g*

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Eve...
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Beitrag Di., 27.10.2009, 22:09

Ich verstehe dieses "fertig" - obwohl ich durchaus die augenzwinkernde Doppeldeutigkeit herauslese - nicht dermaßen negativ als wenn ich sagen würde: "Der ist für mich erledigt".

Ich bin mit ihm fertig, heißt für mich vielmehr, die alte Sache mit ihm (oder ihr) hat sich erledigt. Ich habe verziehen = er / sie interessiert mich nicht mehr. Ich hätte auch nicht mehr den Ehrgeiz, ihn / sie wieder zu lieben, nicht mal mehr gern zu mögen, lediglich Respekt wäre das, was übrig bleiben könnte.

Freundliche Distanz bezeichnet diesen Zustand, der bei "fertig" eintreten könnte, am ehesten.

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Elfchen
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Beitrag Di., 27.10.2009, 22:27

Wenn man jemandem alles verziehen hat, ist man mit ihm fertig.
S. Freud
Mir geht es so mit meiner Mutter.
Da ist nichts mehr. Keine Wut, kein Bedauern, keine Emotionen.
Nur mit den Folgen ihres Verhaltens muss ich leben. Das, was mit mir - und meinen Geschwistern gemacht wurde. Ist ein schweres Erbe.

Aber ich bin frei.
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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(V)
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Beitrag Di., 27.10.2009, 23:25

Ich bin mit ihm fertig, heißt für mich vielmehr, die alte Sache mit ihm (oder ihr) hat sich erledigt. Ich habe verziehen = er / sie interessiert mich nicht mehr. Ich hätte auch nicht mehr den Ehrgeiz, ihn / sie wieder zu lieben, nicht mal mehr gern zu mögen, lediglich Respekt wäre das, was übrig bleiben könnte.
Eben so sehe ich es nicht: Verzeihen = Kein Interesse, Gleichmut etc.pp.

Verzeihen ist doch nur der Wegfall allem Negativen. Sagt erst mal noch nichts über das Positive aus. Das käme in meiner Interpretation erst in einem zweiten unabhängigen Schritt. Das kann in Hand gehen, muss aber nicht.

Beispielsweise ein Partner geht fremd. Irgendwann hat man es verziehen. Heißt es, dass man dann nicht mehr liebt?

Ich tendiere stark zu einem anderen Ansatz: Wirklich fertig auf die von euch ausgelegte Art und Weise bin ich nur dann, wenn ich von bzw. durch die Erfahrung mit jemanden nichts mehr lernen kann.

Verletzungen und anschließendes Verzeihen ist EIN Weg zum Lernen und Reifen. Aber nicht der Einzige. Deswegen sagt für mich das Verzeihen eben nur etwas über den einen Teil aus, nicht über den anderen. Und daher sehe ich es eher so, dass vollständiges Verzeihen einem erst die Möglichkeit bietet, sich wirklich frei (!) zu entscheiden, ob man mit jemanden noch mal eine wie auch immer geartete Wechselwirkung eingeht.

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Eve...
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Beitrag Mi., 28.10.2009, 09:20

Beispielsweise ein Partner geht fremd. Irgendwann hat man es verziehen. Heißt es, dass man dann nicht mehr liebt?
Hier tendiere ich dazu, die "Sache", den Vorgang und den Partner zu trennen.

Er ging fremd - dann kommt es für mich NUR darauf an, wieder neues Vertrauen finden zu können, es ginge mir dabei gar nicht ums Verzeihen. Hätte ich ihm wieder vertrauen können, schlösse das für mich ein gewisses Verstehen seines Fremdgehens ein - denn Gründe wird er ja gehabt haben, und auch darüber zu reden, würde für mich zum Finden eines neuen Vertrauens gehören.

Und dann könnte ich ihn auch wieder oder noch weiter lieben. (Natürlich würde mir der Gedanke an sein Fremdgehen nicht gefallen und mich auch später wahrscheinlich noch schmerzen; da hat auch meine Toleranz Grenzen. Dennoch: Ich hab im Grunde kein Exclusivrecht auf seinen Körper.)

Finde ich jedoch kein Vertrauen mehr - was bei mir so war, denn mein untreuer Partner blockte stur ab und tat nicht viel dazu, seinerseits neues Vertrauen aufzubauen - muss ich gehen, was ich auch tat.

Danach bestand mein Verzeihen darin, mit ihm bzw. mit dieser Sache fertig zu werden; wie es der obige Satz auch ausdrückt. Ehrlich: Er interessiert mich heute definitiv nicht mehr; ich wünsch ihm aber nichts Schlechtes, im Gegenteil. So bin ich auf meine Art "fertig" mit ihm. Ich habs verarbeitet, trage ihm nichts mehr nach, hab mich entliebt. Fertig.

Interessant, wie man unter "Verzeihen" Unterschiedliches verstehen kann ...

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Lüttsche
sporadischer Gast
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 20:46

Was ist Verzeihen?

Entschuldigung, wenn ich das so frage, aber mir ist das wirklich nicht klar.

Es geht um den Vater, der mir nach Jahren eine Email geschrieben hat. Dieser Vater, der gewalttätig und roh war; lustig und charmant; zweigesichtig und ambivalent.

In dieser Email fragt er nicht, wie es mir geht und wie ich lebe. Er fragt nach einer bestimmten Sache, aber setzt auch seine Telefonnummer drunter, für den Fall, das ich anrufen möchte (wörtlich).
In dieser Email steht aber auch eine Lüge, die mich daran erinnert, wie er auch sein konnte.

Wir haben das in der Thera bereits am Wickel. Wir hatten ihn generell grad am Wickel und die Email kam nun denkbar ungünstig, oder doch nicht?
Ich habe grade rausgefunden, das es Zeiten gab, an denen ich ihn bewunderte und er mein Held war. Es gibt Fotos, die ich wieder gefunden habe, die das beweisen.
Das ist grad eine schwere Zeit, ich hatte mir ein ganz anderes Bild von ihm zurechtbastelt, damit ich ihn abhaken kann. Aber anscheinend ist das nur die halbe Wahrheit und er war nicht 24/7 abgrundtief böse und schlecht.

Ich kann erstmal garnicht weiter darauf eingehen, was und wie es da steht, und was ich davon halte.
Es ist aber so, das ich das Gefühl habe, das ich auf die Email reagieren muß. Wie, weiß ich noch nicht, aber ich denke ich muß. Weniger aus einem Pflichtgefühl als viel mehr aus einem Impuls, der sich - zugegeben - allzu kindlich anfühlt.

Wenn ich diesem Impuls nun nachgebe und trotzdem mit aller gebotener Vorsicht und gesundem Mißtrauen Kontakt mache, wie kann das dann weitergehen?

Das frage ich mich die ganze Zeit, versuche, einen Verlauf zu spinnen, wie es gehen könnte.

Und egal, in welche Richtung ich denke, ich lande immer wieder beim Verzeihen und mir wird klar, das ich nicht weiß, was das ist und "wie das geht". Ich habe nur eine Ahnung davon, aber es dürfte doch der Schlüssel für ein Miteinander trotz schlimmer Geschehenisse sein, oder sehe ich das falsch?

Mich würde auch interessieren - falls es irgendwie nachfühlbar ist - ob Ihr Euch vorstellen könnt, in einer solchen Situation zu sein, bzw vorstellen, was ihr evtl tun oder worüber ihr nachdenken würdet.
So long,
Lüttsche

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Sonja_AC
Helferlein
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Beiträge: 72

Beitrag Mi., 18.11.2009, 22:04

Verzeihen - Vergeben fällt mir dazu ein.
Ver-Zeihen kommt von "ziehen" und das fühlt sich für mich irgendwie nicht richtig an.
Ver-Geben - kommt von geben und das fühlt sich sanfter an. Ich gebe etwas. Aber für mich im Prozess mit meinen Eltern war vor allem wichtig, dass ich mir selbst ver-gebe - nämlich alles was ich nicht bekommen habe und geglaubt habe ich sei schuld dass ich es nicht bekommen habe. Ich musste und muss mir immer wieder zuallererst selbst vergeben dafür, dass ich mich schlecht behandele und immer wieder bei meinen Eltern das suche was sie mir nicht geben konnten und bis heute nicht geben werden.

Wenn ich eine solche Mail bekommen würde und ich wirklich das Gefühl hätte Kontakt haben zu wollen, dann würde ich mir ausmalen welche Art von Kontakt ich a) erwarte b) ob es wahrscheinlich ist, dass ich das bekomme c) da a und b dann auseinanderfallen wenn ich mit kindlichen Ansprüchen dran gehe - würde ich diese Schleife solange durchlaufen bis ich sicher bin, dass ich das "Wunschbild" an meine Eltern der Realität angepasst habe. Erst dann würde ich schreiben, vorausgesetzt man will dann noch, denn dann ist man ja auf einer Beziehungsebene die befreit ist von kindlichen Wünschen und dann sieht man den "realen" Menschen und dann ist die Frage will man mit dem zu tun haben, hat man die Kraft und die Energie dafür usw.
Bei mir kommt nach dieser Schlaufe i.d.R. das ich nicht in Kontakt gehe.

Das sind meine Erfahrung - vielleicht kann es dir ja helfen.

Lieben Gruss
Sonja

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Marja
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 23:11

Hallo!

Vielleicht wirst Du Dir mit dem Begriff "Verzeihen" dann leichter tun, wenn Du erstmal klar für Dich herausgefunden hast, WAS es zu verzeihen gibt!
Derzeit machst Du mir den Eindruck, daß die Vergangenheit noch sehr verschwommen ist, Du ambivalent bist.
Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Sowas löst sich nicht in ein paar Wochen auf. Das dauert Jahre, da man immer wieder einen anderen Blickwinkel erreicht.
Verzeihen ist bestimmt auch eine Frage der Zeit, nicht nur, aber auch.

Lg heart

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Lüttsche
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Beitrag Do., 19.11.2009, 20:25

Danke Euch beiden für Eure Antwort.

Ich habe vorhin beschämt festgestellt, das mein Thread hier reingeschoben wurde. Da hätt ich auch selbst drauf kommen können *hmpf*.

Nunja, ich habe das alles jetzt durchgelesen und ich finde mich nirgends so recht wieder. Das einzige, was mir nachklingt, ist von Gothika folgende Aussage:
Gothika hat geschrieben:In meinen Augen, wie bereits an einer anderen Stelle gepostet, hat das Nicht-Verzeihen WOLLEN etwas mit der Furcht zu tun, dass der Zweck die Mittel heiligen könnte. Vereinfacht gesagt. Die unbewusste Furcht, dass ein Verzeihen die Tat des anderen nachträglich "legitimisieren" könnte.
Diese Sache mit dem Legitimisieren. Geht das bei Gewalt und Mißbrauch überhaupt?

Letztlich bin ich grad irgendwie schon wieder weit vom Thema entfernt. An eine Antwort auf die Email ist noch nicht zu denken, wie sich heut in der Thera wieder rausstellte.

Schäme mich nun, hier eingeklinkt zu haben. So nix halbes und nix ganzes. Werde da wohl erst noch Innenrecherchen betreiben müssen.
So long,
Lüttsche

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Innere_Freiheit
Forums-Gruftie
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Beitrag Do., 19.11.2009, 20:55

Ich glaube, das nicht-verzeihen-wollen hat etwas mit der Angst zu tun,
durch das Verzeihen würde, man das-was-geschehen-ist irgendwie erlauben -
oder gar, man würde dem anderen durch das Verzeihen erlauben, dasselbe wieder zu tun.
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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Thread-EröffnerIn
Eve...
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Beitrag Do., 19.11.2009, 21:02

Schäme mich nun, hier eingeklinkt zu haben.
Warum? Du suchst Antworten auf die Frage, wie andere auch. Ist doch völlig okay.

Du sprichst vielleicht von subjektiv "Unverzeihlichem", das verziehen werden soll - sollte - müsste ... aber Dir eben doch auf eine Art unverzeihlich erscheint. (Ich denke, es gibt Dinge, die nur durch einen Akt der absoluten Selbstüberwindung verziehen werden können, wenn überhaupt. Und das gelingt einfach nicht jedem.) Da hinein drängt sich das Bild Deines Vaters, der mehrere Seiten hat, wie jeder Mensch, und Du wirst unsicher, wie es denn nun geht mit dem Verzeihen, ob es überhaupt "nötig" ist, da er ja ... usw.

Das Wichtige beim Verzeihen ist ja, dass es Dir selbst dadurch besser gehen sollte. Die Frage ist möglicherweise, ob es Dir mit dem Nichtverzeihen bzw. einfach mit dem Status Quo nicht in Wirklichkeit besser geht ...

Einer Verzeihung liegt wohl ein Entschluss zugrunde. WENN dieser Entschluss einmal gefasst ist, müsste es gelingen, die "Altlasten" wirklich in die tiefste Stelle des Flusses zu werfen. Die Amivalenz müsste ein Ende haben. Ob Dir das gelingen könnte?

Eve
Zuletzt geändert von Eve... am Do., 19.11.2009, 21:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Lüttsche
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Beitrag Do., 19.11.2009, 21:14

Eve... hat geschrieben: Das Wichtige beim Verzeihen ist ja, dass es Dir selbst dadurch besser gehen sollte. Die Frage ist, ob es Dir mit dem Nichtverzeihen bzw. einfach mit dem Status Quo nicht in Wirklichkeit besser geht ...
Und ich glaube, soweit bin ich tatsächlich noch garnicht, also zu wissen, womit es mir besser geht, was ich überhaupt generell tun muß, damits mir besser geht. Ich greife mir da selbst grad total vor. Wie frustrierend.

Es ist wohl so, wie heart sagte, das erstmal noch einiges klarkriegen muß.
So long,
Lüttsche

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Eve...
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Beitrag Do., 19.11.2009, 21:16

Ja, ich weiß - es ist ein langer Prozess. Lass Dir oder besser: gib Dir Zeit.

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