Ist Psychotherapie eine Heilmethode? (aus: Emot.Entt.)

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 08.01.2009, 12:47

Jenny Doe hat geschrieben: Das steht aber im Widerspruch zu einer kürzlich durchgeführten Studie zur Online-Psychotherapie:
Schneller zum Kern der Probleme

Schrieken hat mit demselben Therapieplan Traumapatienten sowohl übers Internet als auch im persönlichen Gespräch behandelt und festgestellt: "Bei "Interapy" kommen sie oft schneller auf den Kern ihrer Probleme als im Gespräch." Das Ergebnis beider Therapien sei etwa gleich, aber im Internet stelle sich der Erfolg schneller ein. Die Schwelle, die vor der Therapie überwunden werden muss, sei geringer als bei der Behandlung von Angesicht zu Angesicht. "Das ganze soziale Ritual, um Vertrauen aufzubauen, entfällt."
(...)

Was sich mit dem deckt was man hier im Forum oft sehen kann: Jemand beschreibt ausführlichst irgendein privates Problem und bittet um Hilfe weil er nicht in der Lage ist innerhalb seiner Psychotherapie darüber zu reden...

Ich glaube auch daß die Hemmschwelle online geringer ist weil hier die Gefahr von Verletzungen geringer ist weil es viel weniger verletzender wäre wenn eine verständnislose oder unsesible Reaktion käme als wenn dies von Angesicht zu Angesicht passiert. Und dann sieht das Gegenüber auch meine Reaktion nicht, ich muss mich also nicht schämen weil ich vieleicht zu weinen anfange.
Es ist für Menschen die viel schlechte Erfahrungen mit Mitmenschen gemacht haben einfach vom Gefühl her sicherer.
Zuletzt geändert von münchnerkindl am Do., 08.01.2009, 19:52, insgesamt 1-mal geändert.

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Jenny Doe
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Beitrag Do., 08.01.2009, 13:08

Hallo quovadis,
Das Blöde ist nur, dass sich ausgerechnet meine Therapeutin am Ende meiner Therapie auf einmal wie ein gemeines Biest benommen hat. Da ich sehr lange bei ihr war, sie sich immer verständnisvoll zeigte und ich sie richtig mochte, kann ich das nicht einfach mal so wegstecken.
Ich möchte da gerne anknüpfen, da Du ein Thema ansprichst, das mich seit langem beschäftgt.
Mir geht es da wie Dir: Ausgerechnet die Therapeutin verhielt sich so! Hätte sich ein normal sterblicher Mensch so verhalten, hätte mich das nur halt so stark umgehauen, wie mich das Verhalten der Therapeutin umgehauen hat. Es hinterließ Wunden, die viele Jahre brauchten, um heilen zu können.

Ist es vielleicht das:
immer verständnisvoll zeigte
was es so schwer macht, durch Therapeuten verursachte Enttäuschungen auszuhalten?
Man geht als Klient mit gewissen Vorstellungen und Erwartungen in die Therapie (Therapeut ist für mich da, Therapeut schenkt mir bedingungslose Aufmerksamkeit, ....). Diese Vorstellungen basieren auf dem, wofür Therapeuten selber Werbung machen ("Kommt zu mir, ich heile euch", "Vertrauen, Sicherheit, in der Therapie sind so wichtig, nachdem der Klient von der Welt "da draußen" so enttäuscht und verletzt wurde", ...). Diese Erwartungen werden dann schließlich in der Praxis auch tatsächlich erfüllt: Therapeut ruft zurück, wenn es mir schlecht geht, Therapeut lächelt immmer, Therapeut hört immer zu, ... Es entsteht Vertrauen zum Therapeuten, es entsteht Liebe ihm gegenüber. Es entsteht eine starke (emotionale) Bindung - oft auch durch den häufigen Kontakt,...
...
Doch dann passiert etwas: Der Therapeut verhält sich plötzlich anders: Schreit einen an, macht dem Klient Vorwürfe,....
...

Die Welt bricht zusammen.

Viele Grüße
Jenny
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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quovadis
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Beitrag Do., 08.01.2009, 18:22

Hallo miteinander!
Jenny Doe hat geschrieben: Das steht aber im Widerspruch zu einer kürzlich durchgeführten Studie zur Online-Psychotherapie
Auf dem Gebiet der Psychotherapie Neues zu erforschen und in Gang zu bringen, finde ich schon positiv. Vielleicht bekommt das therapeutische Establishment durch eine solche Sache Konkurrenz und wird zum Denken angeregt. Das wäre schon was. Aber für mich sieht das zunächst nach anonymer therapeutischer Massenabfertigung aus. Die Holländer sind natürlich auch nicht blöd und freuen sich über neue Einnahmequellen.
Jenny Doe hat geschrieben:Zum anderen helfen bei diversen Störungen auch Kurzzeittherapien, also Therapien, bei denen gar keine Zeit für einen Vertrauensaufbau bleibt. Also kann Vertrauen keine notwendige Vorraussetzung für den Erfolg für eine Psychotherapie sein.
Kann sein, dass das auf bestimmte Störungen zutrifft. Ich denke mal die Komplexität und die Ausprägung einer Störung sind dabei auch entscheidend. Man kann ja z.B. keinen, der eine stationäre Behandlung braucht, online therapieren. Ich leide unter anderem an einer Somatisierungsstörung und einer generalisierten Angststörung. Ich konnte nicht einfach sagen, ich hab vor diesem oder jenem konkret Angst und hier können wir ansetzen. Da musste man erst mal genauer hinsehen und das brauchte viel Zeit. Ohne Vertrauen wäre ich dabei nicht über die Erzählerrolle hinausgekommen und hätte von meiner Therapeutin nichts annehmen können.
Jenny Doe hat geschrieben: Mir geht es da wie Dir: Ausgerechnet die Therapeutin verhielt sich so! Hätte sich ein normal sterblicher Mensch so verhalten, hätte mich das nur halt so stark umgehauen, wie mich das Verhalten der Therapeutin umgehauen hat. Es hinterließ Wunden, die viele Jahre brauchten, um heilen zu können. .
Sogar bei einer so banalen Angelegenheit wie einem Autokauf muss ich dem Verkäufer vertrauen und bin sauer, wenn ich hinterher Mängel feststelle und er sich dann auch noch unkooperativ zeigt und so tut, als ginge ihn alles gar nichts an. Allerdings stehen dabei nicht meine Gesundheit und die damit verbundenen Lebensumstände auf dem Spiel. Bei einer Therapie geht es doch um Gefühle und sehr persönliche tiefgreifende schmerzhafte Themen und folglich liegt es nahe, dass die therapeutische Beziehung eine Besondere ist. Je länger ich mit meiner Therapeutin an meinem Innersten beschäftigt war, umso intensiver wurde es. Hier darf sich eine Therapeutin nicht von heute auf morgen wie ein Autohändler benehmen.
münchnerkindl hat geschrieben: Ich glaube auch daß die Hemmschwelle online geringer ist weil hier die Gefahr von Verletzungen geringer ist weil es viel verletzender wäre wenn hier eine verständnislose oder unsesible Reaktion käme als wenn dies von Angesicht zu Angesicht passiert. Und dann sieht das Gegenüber auch meine Reaktion nicht, ich muss mich also nicht schämen weil ich vieleicht zu weinen anfange. Es ist für Menschen die viel schlechte Erfahrungen mit Mitmenschen gemacht haben einfach vom Gefühl her sicherer.
Ich geb’ dir Recht, dass es für Menschen, die Schamgefühle im Kontakt mit leibhaftigen Therapeuten haben, vielleicht von Vorteil sein kann. Auf mich trifft das aber beispielsweise nicht zu, denn ich war in meinen Therapien bisher offensiv und hab’ realtiv schnell alles erzählt, was wissentlich da war. So nach dem Motto: Je mehr Informationen, umso schneller die Heilung. Leider hat das so nicht funktioniert. Dem Internet traue ich wenig und hätte deswegen ein Problem mit Online-Therapie. Ich glaube, vor schlechten Erfahrungen mit Therapeuten schützt auch das Internet nicht, denn der beteiligte Therapeut bleibt im Prinzip derselbe, egal, ob er jetzt online daherkommt.

Grüße
quovadis


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 09.01.2009, 18:31

Hier das Ergebnis einer gerade frisch durchgeführten Studie zur Wirksamkeit der VT bei Panikattacken.
Menschen, die unter Panikattacken und Platzangst leiden, können mit einer speziellen Psychotherapie in relativ kurzer Zeit von ihrem Leiden befreit werden.
Das belegt eine unlängst abgeschlossene deutschlandweite Studie mit insgesamt 360 Teilnehmern, an der unter anderem das Institut für Psychologie der Universität Greifswald beteiligt war. (...)
Quelle: Deutschlandweite Studie mit 360 Teilnehmern
Kompakte Verhaltenstherapie heilt neun von zehn Panikstörungen
09.01.09
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 797941.htm


Interessant fand ist diesen Absatz,
In einer kompakten Verhaltenstherapie wird ein langfristig funktionaler Umgang mit Angst vermittelt. Erst konfrontieren sich die Patienten mit Körpersymptomen und in einem zweiten Schritt mit angstauslösenden Situationen, wobei sie Vermeidung unterlassen und die Angst zulassen, bis sie von alleine schwindet.
denn er entspricht meiner Erfahrung und Einstellung: Sich den Problemen stellen, statt endlos darüber reden und anstatt Unmengen an Stunden in die Ursachensuche zu investieren, führt zu einem schnelleren Therapieerfolg.

Viele Grüße
Jenny
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Gärtnerin
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Beitrag Fr., 09.01.2009, 19:03

Jenny Doe hat geschrieben: Sich den Problemen stellen, statt endlos darüber reden und anstatt Unmengen an Stunden in die Ursachensuche zu investieren, führt zu einem schnelleren Therapieerfolg.
Das ist sicher richtig - vorausgesetzt dass man die konkreten Probleme kennt. Bei einem diffusen Ich-mag-mich-nicht-leiden-Syndrom findet die Verhaltenstherapie leider wenig Ansatzpunkte.
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 07:39

Hallo Gärtnerin,
Das ist sicher richtig - vorausgesetzt dass man die konkreten Probleme kennt. Bei einem diffusen Ich-mag-mich-nicht-leiden-Syndrom findet die Verhaltenstherapie leider wenig Ansatzpunkte.
Worin unterscheidet sich Deiner Meinung nach eine diffuses "Sich nicht leiden Können" von einer Angststörung?

Auch ein Angststörung ist durch diffuse Symtome gekennzeichnet. Z.B. wird einem schwindlig, das Herz rast, die Hände werden feucht, .... Dieselben Symptome findest Du aber auch bei anderen Störungen.
Als ich mich vor ca. drei Jahren bei meiner derzeitigen Therapeutin in Behandlung begab, wusste ich nicht, dass das, worunter ich leide, eine Angststörung ist. Denn jeder erzählte mir etwas anderes: Während meine Therapeutin von einer Angststörung ausging, erklärte mir meine Frauenärztin, das meine Symptome auf die Wechseljahre zurückzuführen sind. Ihre Interpretation konnte stimmen, denn in den Wechseljahren leidet man unter Hitzewallungen, die eine innere Unruhe, und auch Angstzustände, zur folge haben können. Mein Internist stellte Herzprobleme fest und verschrieb mir Beta-Blocker. Auch das konnte stimmen. Ich konnte Herzprobleme haben, mein Herz konnte aber auch infolge von Angstzuständen aus dem Gleichgewicht geraten sein. Mein NHO-Arzt sah die Schilddrüse als Ursache meiner Probleme an, ...
Die Symptome bei einer Angststörung sind nicht minder diffus als bei einem "Sichnicht leiden Können", so diffus, dass sie auf sämtliche Krankheiten und psychische Störungen hindeuten können. (Das meinte ist übrigens mit, es gibt Abstufungen der Ursachensuche (s.o.)). Auch bei mir stand erst mal an, rauszukriegen, was ich nun (wirklich) habe.
Angst ist ja nicht etwas, das kommt und sagt "Hier bin ich, meine Name ist Angst". Angst ist vielmehr eine Interpretation der Symptome. Man kann das Herzrasen, das Schwindelgefühl, ... ja auch ganz anders interpretieren, d.h. man kann diesen Symptomen auch eine andere Bedeutung geben als Angst. Ich kann, wenn ich mich mit einer Brücke nähere, um mir das Silvesterfeuerwerk anzugucken, denken "mein Herz rast, ich habe Angst, da kann ich nicht draufgehen". Ich kann aber auch denken "mein Herz rast, ich bin aufgeregt, gespannt und neugierig auf das Feuerwerk".
Ein und dieselben Symptome können auf so vieles hindeuten und oft ist es auch einfach nur eine Frage dessen, wie man selber die Symptome interpretiert. Sie sind oft viel zu diffus um zweifelsfrei sagen zu können, was es ist. Noch heute kann ich nicht immer zweifelsfrei sagen, ob das nun eine Panikattacke war oder eine Hitzewallung, die von den Wechseljahren herrührt. Aber was ich heute kann ist, es anders zu bewerten als früher. Früher habe ich diese Symptome negativ bewertet, was bei mir ein Angstgefühl hinterlassen hat. Heute bewerte ich diese Symptome anders, nicht mehr negativ. Seitdem habe ich mit diesen Symptomen auch keine Probleme mehr.

Viele Grüße
Jenny
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 07:59

Hallo münchnerkindl,
Ich glaube auch daß die Hemmschwelle online geringer ist weil hier die Gefahr von Verletzungen geringer ist
Na ja, .. wenn ich überlege, wie oft ich im Internet schon verletzt wurde, ... Vor Kurzen wurde eine Studie veröffentlicht über Verletzungen im Internet. Leider habe ich mir diese nicht kopiert. Die Gefahr in der anonymen Internetwelt verletzt zu werden ist weit aus höher, als von einem kassenzugelassenen Therapeuten, den man jederzeit verklagen könnte, verletzt zu werden.

Aber mir ging es nicht so sehr um das Thema "Online-Therapie" an sich, sondern vielmehr darum aufzuzeigen, dass Vertrauen keine notwendige Voraussetzung für einen Therapieerfolg ist. Denn offensichtlich kann man mit den richtigen Methoden auch Therapieerfolge ohne Vertrauensaufbau erzielen, wie diese Onlinestudie zeigt. Diese Studie widerspricht halt der gängigen Auffassung von der Wichtigkeit der therapeutischen Beziehung, der in so machen Therapien größere Bedeutung beigemessen wird, als den Problemen des klienten und als den Methoden, die Therapeuten während ihrer ausbildung lernen. Die Symptme des klienten und die Therapiemethoden gehen oft in dieser ganzen Diskussion über die therapeutische Beziehung unter.

Viele Grüße
Jenny
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quovadis
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 14:58

Jenny Doe hat geschrieben: ...Als ich mich vor ca. drei Jahren bei meiner derzeitigen Therapeutin in Behandlung begab, wusste ich nicht, dass das, worunter ich leide, eine Angststörung ist… ...Angst ist ja nicht etwas, das kommt und sagt "Hier bin ich, meine Name ist Angst". Angst ist vielmehr eine Interpretation der Symptome.
Bei mir war das genauso. Am Anfang meiner Behandlung war Angst überhaupt kein Thema. Ich wusste lange selbst nicht, dass ich in irgendeiner Form Angst habe. Mein Psychiater nennt das, was ich habe, in der Zusammenfassung eine psychische Erkrankung mit „deutlich körperlicher Fokussierung“. Die Angststörung ist sozusagen ein Teil davon.

Ich hab mich eigentlich von mir aus mit allem konfrontiert. Solange man in der Gesellschaft ein „normales“ Leben führt, hat man ja eigentlich gar keine andere Wahl. Das heisst, ich bin angstauslösenden Situationen – soweit sie als solche überhaupt erkennbar waren – nicht aus dem Weg gegangen. Erst als die Symptome am Ende meiner letzten Therapie immer noch ein gewaltiges Problem waren, trat enorme Hoffungslosigkeit ein und ich musste auch beruflich das Handtuch werfen.

Ich frag' mich öfters, ob eine andere Therapie mit einer anderen Therapeutin erfolgreicher gewesen wäre. Im Moment fällt es mir schwer, nach vorne zu schauen.

Grüße
quovadis

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max35
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 15:29

Jenny Doe hat geschrieben:Hier das Ergebnis einer gerade frisch durchgeführten Studie zur Wirksamkeit der VT bei Panikattacken.
Menschen, die unter Panikattacken und Platzangst leiden, können mit einer speziellen Psychotherapie in relativ kurzer Zeit von ihrem Leiden befreit werden.
Das belegt eine unlängst abgeschlossene deutschlandweite Studie mit insgesamt 360 Teilnehmern, an der unter anderem das Institut für Psychologie der Universität Greifswald beteiligt war. (...)
Grundsätzlich begrüße ich gerade bei Angst kurzeittherapeutische Ansätze.

Faktum ist leider auch, daß die reine Konfrontation vielen Klienten gar nicht hilft.

Was mir in dem Artikel gut gefiel, war das Wort "zulassen". Allerdings steht dieses in Verhaltenstherapien oftmals leider im Gegensatz zum Konfrontieren.
Ich bin z.B. davon überzeugt, daß Angst ein Ausdruck von Streß bei manchen Menschen ist - egal, wo die Ursache dafür liegt. Es muß ja gar nicht nur eine Ursache geben, es können hundert kleine Dinge sein, die sich aufeinander türmen, bis es halt zum Supergau kommt.
Deshalb muß man mit Konfrontation sehr vorsichtig umgehen, denn es macht m.M. nach keinen Sinn, einen gestreßten Körper in Form von Konfrontation immer weiter zu streßen.

Über die Qualität der Studie und die Art der Ängste steht leider wenig in dem Bericht. Insbesondere über die Langzeitwirksamkeit.

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max35
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 15:41

quovadis hat geschrieben:
Jenny Doe hat geschrieben:
Ich hab mich eigentlich von mir aus mit allem konfrontiert. Solange man in der Gesellschaft ein „normales“ Leben führt, hat man ja eigentlich gar keine andere Wahl. Das heisst, ich bin angstauslösenden Situationen – soweit sie als solche überhaupt erkennbar waren – nicht aus dem Weg gegangen. Erst als die Symptome am Ende meiner letzten Therapie immer noch ein gewaltiges Problem waren, trat enorme Hoffungslosigkeit ein und ich musste auch beruflich das Handtuch werfen.
quovadis
Mit diesen Zeilen sprichst Du sicher vielen aus der Seele.

Einer der größten Irrtümer der PT ist es, daß Klienten in eine PT kommen, die bis dato mit dem Kopf unter der Decke lebten und nichts unternommen hätten, um ihre Angst loszuwerden.
Bei meinem Erfahrungsaustausch habe ich allerdings festgestellt, daß es praktisch keinen Angstpatienten gibt, der nicht irgendetwas versucht hätte - gerade in Richtung Konfrontation. Sie versuchen sogar soviel, daß die ständige Beschäftigung mit dem Thema die Angst verstärkt.
Und wie ich schon oft sagte - in den meisten Fällen wird das von der PT zum Anlaß genommen, den Patienten in dieser Beschäftigung weiter zu unterstützen - in welcher Form auch immer. Oft Jahre.
Es gab nicht wenige, bei denen es durch Konfrontation immer schlimmer wurde, was auch logisch ist, weil der Körper immer mehr gegenüber Adrenalin sensibilisiert wird.
Der Körper sagt einem mit der Angst ja eigentlich, daß man Streß zurückschrauben sollte, deshalb ist es auch unlogisch, sich auf Teufel komm raus wieder in Streß zu versetzen (= konfrontieren).
Nämlich vor allem dann, wenn einem nicht gesagt wird, wie man mit der Angst IN der Situation umgehen soll. Weil nur aushalten wird nicht viel bringen. Da weiß man dann zwar, daß man Angst aushalten kann, was aber noch lange nicht heißt, daß sie nicht wieder kommt.
Ich denke, der Schlüssel liegt im zulassen und loslassen können und nicht im militanten dagegen kämpfen (was ja schon das Wort Konfrontation suggeriert). Wenn man ersteres lernt, nimmt man der Angst den Nährboden, mit zweiteren wird man sie weiter ernähren.

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MinaM
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 15:42

Hallo quovadis,

es ist bedauerlich zu hören dass du am Ende deinen Job hinschmeißen musstest.
Wenn du einmal zurücküberlegst, ging es dir vor der Konfontationstherapie besser, als nach ihr?
Konfrontationstherapie kann bei bestimmten Ängsten nämlich auch kontraindiziert sein.
Ja, ich weiß hört sich ungeheuerlich an, weil ja Konfrontationstherapie, die Therapie der 1. Wahl ist, wenn es um Ängste geht. Aber tatsächlich kann auch die ständige oder häufige Konfrontation mit der Zeit ganz schön zermürben und gerade zu fertig machen, da der Körper unter Dauerstress steht.
Vor allem wenn es eine Angst-vor-der-Angst ist, macht die Konfrontation überhaupt keinen Sinn.

lg
MinaM
Nichts bereuen ist aller Weisheit Anfang.
- Ludwig Börne

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quovadis
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 17:49

Hallo zusammen,
max35 hat geschrieben: Der Körper sagt einem mit der Angst ja eigentlich, daß man Streß zurückschrauben sollte, deshalb ist es auch unlogisch, sich auf Teufel komm raus wieder in Streß zu versetzen (= konfrontieren)…
Nämlich vor allem dann, wenn einem nicht gesagt wird, wie man mit der Angst IN der Situation umgehen soll.
Das sehe ich genauso. Während meiner Therapie wurde mir klargemacht, wie wichtig es ist, die eigenen Gefühle ernstzunehmen und nichts zu erzwingen. Eigentlich logisch, denn gegen massive und hartnäckige körperliche Symptome kann sich auf Dauer niemand wehren. Allerdings gab es keine konkrete Idee, wie eine tatsächliche Situation in der Praxis zu lösen wäre. Wie denn auch, dazu müsste man ja beispielsweise die Bedingungen und Anforderungen der Berufswelt ändern, solange keine therapeutische Maßnahme zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden führt. Meine letzte Therapeutin meinte dazu, sie sei als Analytikerin nur für meine innere Welt zuständig. Aber der äußere Druck war nun mal da und mit dem Innern hatte ich mich schon jahrelang auseinandergesetzt. Wenn es dann am Ende einer Therapie ungemütlich wird, kommt es schon mal vor, dass TherapeutIn sich beleidigt und empört zurückzieht und von der Verantwortung für die eigene Arbeit nichts wissen will. Da stellt sich die Frage: Wem hilft das?
MinaM hat geschrieben: Wenn du einmal zurücküberlegst, ging es dir vor der Konfontationstherapie besser, als nach ihr?
Also, ich muss vielleicht betonen, dass ich eine Psychoanalyse hinter mir habe und die „Konfrontation“ im Alltag ausserhalb meiner Therapie stattfand. Ich habe die Konfrontation erwähnt, weil ich den Eindruck habe, dass gerne behauptet wird, Angstpatienten würden sich verstecken und seien somit selbst schuld, wenn sich ihr Zustand nicht bessert.

Konfrontationstherapie ist wahrscheinlich angebracht, wenn jemand eine Spinnenphobie oder ähnliches hat. Dann muss ich ihm ja nur eine Spinne vorsetzen und abwarten, bis er sich dran gewöhnt. Ein Traum für Psychotherapeuten.


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 18:51

Hallo Max
Ich bin z.B. davon überzeugt, daß Angst ein Ausdruck von Streß bei manchen Menschen ist - egal, wo die Ursache dafür liegt. Es muß ja gar nicht nur eine Ursache geben, es können hundert kleine Dinge sein, die sich aufeinander türmen, bis es halt zum Supergau kommt.
Deshalb muß man mit Konfrontation sehr vorsichtig umgehen, denn es macht m.M. nach keinen Sinn, einen gestreßten Körper in Form von Konfrontation immer weiter zu streßen.
Damit hast Du absolut Recht.
Die Angst war bei mir die Folge von Extemstress. Ich brauchte erst mal eine sensorische Deprivation. Die Ärzte rieten mir, mich erst mal so wenigen Reizen wie möglich auszusetzen. Es reichte, wenn jemand hustete, und ich zuckte zusammen. Die Angst ist bei mir genau durch solche Situationen entstanden, also durch Situationen, in denen ich unter einer Reizüberflutung litt, worauf ich körperlich reagierte. Die körperlichen Reaktionen bereiteten mir Angst. Ich brach mehrmals zusammen. Das Ergebnis dieser Erfhrungen war eine Angststörung. Ich hatte schließlich Angst, dass mir wieder schwindlig werden würde, wenn ich mich Reizen aussetzen würde, dass ich wieder zusammenbreche, ... Doch dieser Angst konnte ich mich erst stellen, als ich innerlich mehr zur Ruhe kam.

Viele Grüße
Jenny
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Beitrag Sa., 10.01.2009, 19:05

Hallo quovadis
Meine letzte Therapeutin meinte dazu, sie sei als Analytikerin nur für meine innere Welt zuständig.
Das ist auch der Grund, warum ich nichts von der PA halte. Sie bohrt nur unaufhörlich im Inneren den Klienten rum, bringt einen dazu, dass man sich Jahre lang nur mit sich selbst und seinen Probleme beschäftigt, nennt einem aber keine Problembewältigungsstrategien, vermittelt einem keine alternativen Verhaltensweisen als die (falschen) vertrauten und bekannten und sagt einem nicht, wie man mit Problemen da draußen in der Realität umgehen kann.

Viele Grüße
Jenny
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Beitrag So., 11.01.2009, 00:41

MinaM hat geschrieben: Wenn du einmal zurücküberlegst, ging es dir vor der Konfontationstherapie besser, als nach ihr?
Konfrontationstherapie kann bei bestimmten Ängsten nämlich auch kontraindiziert sein.
Meiner Ansicht nach ist Konfrontationstherapie bei Ängsten - so wie sie in der Regel durchgeführt wird - immer kontraindiziert .
Man kann jemand nicht desensibilisieren, wenn er in der angbesetzten Situation jedesmal sensibilisiert wird. Das ist schon rein physisch unmöglich. Ich kenne absolut nichts, was man verlernt, indem man es immer wieder tut - also eigentlich ein völlig absurder Ansatz.

Ich denke, es geht bei Angst um 2 Dinge:
1.) Die Beschäftigung mit ihr möglichst konsequent aufgeben (dafür ist gerade Psychoanalyse völlig kontraproduktiv) - die meisten PTs machen aber genau das Gegenteil.
2.) Die richtige Einstellung gegenüber der Angst zu finden - im Idealfall zulassen

Und dann kann man auch wieder - Schritt für Schritt - in angstbesetzte Situationen gehen. Aber sicherlich nicht so, daß man schon 5 Wochen vorher detailiert plant, wann man was wo macht und am besten darüber Buch führt. Das braucht eine gewisse Gelassenheit. Am besten man tut es ohne groß darüber nachzudenken, wenn es Situation so ergibt. Ohne Druck und ohne Planung.
Bsp.: Wenn jemand Angst hat über eine Brücke zu gehen, dann soll er nicht drüber gehen, um sich zu konfrontieren, sondern dann soll er drüber gehen, weil am Ende der Brücke ein Supermarkt ist, in den er einkaufen gehen will, weil er ein Waschmittel braucht.
Das Waschmittel ist interessant und nicht die Brücke und nicht die Konfrontation.

Um meine Therapien nochmals kurz zusammenzufassen: Bei mir wurde entweder endloser Unsinn in den kuriosesten Ausformungen herumgelabert oder es wurde Konfrontation in einer Endlosschleife angewendet:
Konfrontieren sie sich. Gut - ich habe mich konfrontiert. Wie war es ? Sehr schlecht. Gut kontrontieren sie sich weiter. Wie war es ? Noch schlechter. Gut konfrontieren sie sich weiter.
Oder es wurde endlos über die Beziehung zu meinen Eltern oder allen möglichen anderen Menschen rumgelabert. Effekt natürlich null.
Ich bin unendlich froh, daß ich nie in der PA-Schiene gelandet bin, denn diese Gefahr hat am Anfang bestanden, als ich mich mit PT überhaupt noch nicht ausgekannt habe. Da wäre ich vermutlich schon in einer Nervenklinik und die Angst hätte mich aufgefressen, weil ich an gar nichts anderes mehr denken könnte.
Das sowas als anerkannte Methodik auf Angstklienten losgelassen werden darf, finde ich schon ein starkes Stück. Ich möchte nämlich nicht wissen, wieviele gerade bei Ängsten dabei erheblichen Schaden erlitten haben. Bei mir hat ja in der systemischen Therapie schon das ständige Herumgraben in den Beziehungen gerreicht, damit es mir sauschlecht ging. Weil quasi auch noch das wenige gesicherte Umfeld (das bei Angstpatienten im allgemeinen sowieso schon eingeschränkt ist - also eigentlich auch dieser Ansatz völlig absurd) auch noch hinterfragt wird.

Ich sage ja - irgendwann ist man in einem Zustand, wo das Nervensystem derart übersensibilisiert ist, daß man eine Feder fallen hören würde als wäre es ein Vorschlaghammer.
Und diesen Zustand bekommt weder dadurch weg, indem man einfach endlos darüber plaudert und ihn zum Lebensmittelpunkt macht, noch indem man dafür sorgt, daß das Nervensystem noch weiter strapaziert wird.

Ich gebe quovadis vollkommen recht: Konfrontieren kann man sich von mir aus bei einer Spinnenphobie. Nur ist eine solche niemals so lebenseinschränkend wie eine Angststörung.

Vor allem muß man auch eines bedenken: Angst und Streß hat auch eine körperliche Komponente, nicht nur eine geistige. Viele von uns benutzen aber fast nur den Geist, sodaß sich der Körper halt irgendwann mit Gewalt zu Wort meldet.

Und zum Schluß: Mit einem - quovadis - hast Du auch vollkommen recht. Einiges auf dieser Welt (z.B. bestimmte Rahmenbedingungen im Beruf) kann man selbst gar nicht verändern. Oder man kann sich selbst auch nicht so verändern, daß man mit allem klarkommt.
Ein Zufall ist es ja nicht gerade, daß alle so streßgeplagt sind. So gesehen ist PT in dieser Hinsicht sowieso niemals Ursachenbehandlung, denn würde man die Ursachen angehen, würde der Rahmen einer PT wohl nicht ganz dazu ausreichen.

Ich habe mit "meiner" Methodik jedenfalls für mich auch einen Weg gefunden. Und daß der im Gegensatz zu anerkannten PT-Methoden steht, ist mir dabei herzlich egal. Jedenfalls hätte ich den in der PT nicht gefunden, weil da würde ich mich dort heute noch darüber unterhalten, wieso in China ein Fahrrad umgefallen ist.

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