Körperkontakt in Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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wandermaus123
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 08:37

Anna-Luisa hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 06:35
wandermaus123 hat geschrieben: So., 16.12.2018, 23:50 Meinst du nicht, dass dadurch allein die Beziehung anders ist, als die zwischen Kind und Erzieherin?
Anders schon. Aber nicht so, dass Therapeuten (oder eben auch Erzieherinnen) die Patienten (bzw. Kinder) lieben.

In beiden Fällen wird, wie ich finde, die Liebe seitens der Personals häufig erwartet. Und auch wenn eine Erzieherin für wesentlich mehr Kinder verantwortlich ist, so verbringt sie doch oft 35-37 Stunden pro Woche mehr Zeit mit ihnen.

Dagegen, dass Patienten dem Therapeuten gegenüber oft eine Übertragungsliebe empfinden, habe ich gar nichts geschrieben. Das finde ich okay.

Allerdings würde ich nicht soweit gehen, davon zu schreiben, dass Übertragungsliebe unbedingt förderlich ist. Ich habe Menschen kennengelernt, für die es besser war, die Therapie bei einem anderen Therapeuten fortzusetzen.

Aber manche Therapeuten (ich hoffe nicht viele) fördern diese Verliebtheit, in dem sie dem Patienten signalisieren, dass er etwas Besonderes für sie sei (Stunden überziehen, liebevolle WhatsApp- Meldungen senden, regelmäßig einfach mal anrufen usw.)

Und dann gibt es diejenigen, die das lesen und traurig sind, dass ihre Therapeuten viel kälter sind, da diese sich an die gebotene Abstinenz halten.
Es ist so wie im normalen Leben. Abstinenz in der Beziehung bei der Arbeit zu Kollegen z.B. ist langfristig glaub ich immer von Vorteil. Vor allem in der Relation Chef/Mitarbeiter. Da habe ich auch meine Erfahrung schon gesammelt und will keine enge Beziehungen fördern. Trotzdem bleiben da ein paar Kolleginnen, die ich besonders mag, trotz notwendiger Distanz. Manche Kollegen werden besonders von den Chefs gefördert, die wiederum erwarten gleichzeitig sehr hohe Loyalität, hohe Leistung etc... Es ist immer die Frage wie viel gebe ich, wie viel bekomme ich.
Ich denke, jeder kann selbst für sich entscheiden, wie viel ist gut. Wo die Grenze ist.
Ich empfinde z.B. bei einer E-Mail vom Chef, die folgend anfängt: "Liebe Frau X...." gemischte Gefühle.
Eine Entgleisung ist es aber noch lange nicht.

Ich selbst hatte zwei Erfahrungen mit Therapeutinnen, die ihre Abstinenzregel weit über die Norm überstrapaziert haben. Mit einer bin ich bis heute freundschaftlich im Kontakt.
Geschadet hat es mir damals nicht. Heute sehe ich nur die Vorteile darin. Es musste so sein, damit ich heute dort bin, wo ich bin.

Du hast recht. Es geht in vielen Fällen zu weit... das muss aber nicht immer nur von Nachteil sein für die Patientin. Wenn doch, dann ist es halt Pech. Schade. Das gehört auch zum Leben dazu.

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Philosophia
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 08:46

Ich habe den Eindruck, es geht gar nicht so sehr um das WAS (SMS, Umarmung, direkte Worte diesbezüglich), als vielmehr um das WIE und auch WARUM. Deswegen ist es doch auch von außen so schwer zu sagen, ob das jetzt gut oder schlecht oder beides oder zu viel oder zu wenig oder sonst was war.
Ich glaube sehr wohl, dass Liebe in der Therapie entstehen kann auf beiden Seiten (ich meine jetzt ausdrücklich nicht die erotische) - wohl aber wirklich nur dann, wenn die zwei Parteien sich gegenseitig genau so akzeptieren als das, was sie jeweils sind an diesem Ort. Und auch die Begrenzheit des Ganzen akzeptieren. Und ich glaube auch, dass das eine sehr schöne Erfahrung sein kann, die dann beide machen (was nützt es, wenn nur einer der beiden auf Wolke 7 schwebt, wenn beide am Boden als das, was sie sind glücklich sein können?). Ich denke, diese Erfahrung ist kein Muss und auch kein NoGo - aber sie entsteht oder eben nicht. Und beide mögen sie dann auch annehmen, müssen es aber nicht. Deswegen meine ich ja: Kein Liebesangebot muss angenommen werden, wenn es nicht ganz stimmig ist.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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wandermaus123
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 08:51

In echter Liebe ist man füreinander da. Das fehlt in der Therapie. Deshalb ist diese Form der therapeutischen Liebe so unvollkommen und schmerzhaft. Aber sie ist für mich immer noch eine Form der Liebe. (Schmerzen gehören zur Liebe dazu)

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 08:58

Es gibt sicher unterschiedliche Arten, liebe auszuüben. Aber die Liebe an sich sagt doch immer: Ich wünsche, dass du (unabhängig von mir) bist.
Ich würde eine Liebe nicht als 'echt' bezeichnen, bloß weil jemand was für mich tut und umgekehrt. Dann ist die Liebe an Erwartungen gekoppelt und ab da an ist es für mich keine Liebe. Ich kann auch jemanden lieben, ohne dass es an Handlungen gebunden ist, so wie ich eine Blume am Wegrand stehen lassen kann und nicht ausreißen muss.
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wandermaus123
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 09:03

Sehe ich anders Philo. Zur Liebe gehört eine gesunde Abhängigkeit dazu. Das was du meinst ist die Freiheit. Emotionale Abhängigkeit und Freiheit sind im besten Fall die Basis einer Liebe.
Füreinander da sein, impliziert nicht etwas tun zu müssen. Sondern einfach da sein für den anderen.
In der Therapie ist nur die Therapeutin für die Patientin da. Nicht aber umgekehrt. Das meine ich damit.

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 09:09

Ich sage auch nicht, dass die Liebe immer ohne Abhängigkeit sein muss. Aber ich meine sehr wohl, dass die Liebe den anderen in erster Linie (frei) sein lässt.
In der Therapie ist das eh ein Stück anders durch die Asymmetrie des Ganzen. Aber hätte die Analytikerin mich nicht frei sein lassen, wäre ich eingegangen. Liebe kann bedeuten, etwas für den anderen zu tun - aber in erster Linie bedeutet es für mich, den anderen sein lassen.
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 09:11

Es kann nämlich vorkommen - so habe ich es erlebt - das hinter massenhaften Liebesangeboten nichts anderes steckt als das Brauchen. Da war kein "ich will, dass du bist", sondern nur ein "ich will durch dich sein".
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 09:23

Philosophia hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 09:11 Es kann nämlich vorkommen - so habe ich es erlebt - das hinter massenhaften Liebesangeboten nichts anderes steckt als das Brauchen. Da war kein "ich will, dass du bist", sondern nur ein "ich will durch dich sein".
Ja, . Sehr gut in Worte gefasst.

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 09:31

Deswegen bin ich auch tatsächlich nicht zu kriegen durch ein "ich mag dich" oder durch Stundenüberziehen oder Mailkontakt oder Streicheleinheiten oder "Wie gehts dir?" oder "ich vermisse dich" oder Geschenke oder sonstige Sonderbehandlung. Ich wünsche mir einfach, sein zu können - nur wenn das hinter den eben von mir aufgeführten Dingen steht, kann ich sie auch annehmen. Und deswegen reizt mich das füreinander Dasein nicht: das hat was von Pflicht, von Symbiose, Selbstaufgabe. Ich finde, das FüreinanderDasein kann ein Teil des Ganzen sein, aber nicht der Grundstock. So mein Gefühl dazu.
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 10:03

Philosophia hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 09:31 Deswegen bin ich auch tatsächlich nicht zu kriegen durch ein "ich mag dich" oder durch Stundenüberziehen oder Mailkontakt oder Streicheleinheiten oder "Wie gehts dir?" oder "ich vermisse dich" oder Geschenke oder sonstige Sonderbehandlung. Ich wünsche mir einfach, sein zu können - nur wenn das hinter den eben von mir aufgeführten Dingen steht, kann ich sie auch annehmen. Und deswegen reizt mich das füreinander Dasein nicht: das hat was von Pflicht, von Symbiose, Selbstaufgabe. Ich finde, das FüreinanderDasein kann ein Teil des Ganzen sein, aber nicht der Grundstock. So mein Gefühl dazu.
Das verstehe ich sehr gut. Das mit den Geschenken ist mir z.B. auch suspekt.

Können wir uns also darauf einigen, dass Liebe einfach ein Gefühl ist? Gefühl der Zuneigung, Wertschätzung, tiefer Verbundenheit.
Genau dieses Gefühl trägt mich in der Therapie und ist heilsam.
Wer Probleme hat überhaupt etwas zu fühlen, ist oft eine Berührung erst heilsam. Daher sprach ich in dem Thread von Liebesangebot.

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 11:57

Ja, und es ist sicher auch eine Art Liebesangebot. Nur, ich schrieb das, weil du schriebst: "Nimm das Liebesangebot an". Ich finde, die TE sollte selbst entscheiden, ob dieses Liebesangebot für sie passt.
Mal davon abgesehen, finde ich es auch nicht schlimm, wenn unterschiedliche Vorstellungen von 'Liebe' existieren.
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Anna-Luisa
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 12:54

[/quote]Du stimmst aber schon zu, dass es wichtig ist, als Erzieherin den Kindern liebevoll zu begegnen, oder? Für mich ist das essentiell.
[/quote]

Nein, Uschi. Ich finde es wichtig, dass die Erzieherinnen sich den Kindern gegenüber freundlich und zugewandt verhalten. Ohne von Liebe für die Kinder erfüllt zu sein.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 12:58

Anna-Luisa hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 12:54
Nein, Uschi. Ich finde es wichtig, dass die Erzieherinnen sich den Kindern gegenüber freundlich und zugewandt verhalten. Ohne von Liebe für die Kinder erfüllt zu sein.
Nee, du verstehst es nicht. Schade!
Du kennst nicht all die Seiten der Liebe. Das ist ok.
Jeder sieht und empfindet es anders. So sei es.
Lass immer ein wenig Platz im Herzen für das Unvorstellbare

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Anna-Luisa
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Beitrag Mo., 17.12.2018, 15:06

Wirbel-Uschi hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 12:58
Anna-Luisa hat geschrieben: Mo., 17.12.2018, 12:54
Nein, Uschi. Ich finde es wichtig, dass die Erzieherinnen sich den Kindern gegenüber freundlich und zugewandt verhalten. Ohne von Liebe für die Kinder erfüllt zu sein.
Nee, du verstehst es nicht. Schade!
Du kennst nicht all die Seiten der Liebe. Das ist ok.
Jeder sieht und empfindet es anders. So sei es.
Uschi, findest du es nicht etwas seltsam, mich zu fragen, ob ich dir zustimme, und mir andererseits Unverständnis vorzuwerfen, wenn ich dir nicht zustimme?

Ich bleibe dabei, dass die Erzieherinnen meiner Kinder keine Liebe für sie zu empfinden brauchten. Gar keine.

Mir ist aufgefallen, dass die vermeintlich liebevollen Menschen mit dem Begriff Liebe oft nur so um sich schmeißen:

"Ich LIEBE Hefeteilchen" oder "Ich LIEBE alles mit Glitter - Einhörnern", "Ich liebe alle 27 Kinder aus meiner Gruppe - und die 19 Kinder aus der Musik-AG".

Ich finde es nicht schade, dass du den Begriff Liebe reichlich überstrapazierst. Dass ist deine Sache. Ich finde es nicht schade, dass ich deine persönliche Ansicht nicht teile. So ist es eben.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Beitrag Mo., 17.12.2018, 15:51

Es gibt eben unterschiedliche Vorstellungen von Liebe. Ich denke auch nicht, dass eine Erzieherin ihre Schützlinge lieben muss, eine Therapeutin ihre Patienten auch nicht - und auch eine Mutter ihr Kind nicht - und zwar deswegen nicht, weil sich das nicht erzwingen lässt. Das ändert nichts daran, dass die Schützlinge, Patienten, Kinder das haben wollen (zumeist) - aber es ist kein Muss. Und ich glaube auch, dass Liebe nicht eingeklagt werden kann.
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