isabe hat geschrieben:lisbeth:
Noch eine Frage - grundsätzlicher Art: Ist es dir tatsächlich lieber, wenn man dich erst ansprechen muss, wenn man möchte, dass du etwas tust oder lässt? Kennst du das nicht, dass du vorher erahnen möchtest, was der Andere wollen könnte - und zwar im POSITIVEN?
Ganz ehrlich, isabe: Ja, im Moment ist mir das klare Kommunizieren lieber. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit meinen Antizipationen auch mal gehörig daneben liegen kann (passierte selten, war dafür umso dramatischer). Dass ich es auch dazu genutzt habe, um mein Gegenüber zu manipulieren. Dass ich mir 1001 Gedanken um die Bedürfnisse einer anderen Person machen konnte und der weiß das gar nicht zu schätzen, ist dann sogar noch undankbar - soll vorkommen.
Dass ich mich selbst unnötig einenge und das dann anderen innerlich vorwerfe. Dass ich mich einschränke und erwarte: alle anderen sollen es gefälligst auch tun und dass ich null Verständnis dafür aufbringe, dass andere das nicht so sehen. Und zwar nicht unbedingt aus Boshaftigkeit heraus. Oder um mich zu verletzen. Sondern einfach so. Einfach weil sie da sind.
Von daher erinnert deine Forderung mich sehr stark an mich selbst in früheren Zeiten
Und dass heißt nicht, dass ich seit neuestem taktlos, rücksichtslos oder unhöflich durchs Leben poltere. Gibt es Einschränkungen? Ja, natürlich. Die fangen dort an, wo meine Bedürfnisse die der anderen berühren. Aber du stellst mir mein Bedürfnis mit deiner Argumentation grundsätzlich in Abrede. Du sagst, mein Bedürfnis sei Quatsch, ich solle pünktlicher kommen, spazieren gehen, woanders warten.
Nein, in meinen Augen muss ich nicht (mehr) dem anderen zuvorkommen, bevor er mich ansprechen muss. Das würde bedeuten, dass ich permanent nur von mir ausgehe, was für den anderen ja gar nicht der Realität entspricht. Andere Leute haben andere Grenzen und können daher gar nicht erahnen, wo meine Grenzen liegen. Oder andersherum, du bist beim Erahnen permanent bei den anderen aber nicht bei dir selbst. Auch nicht so gut in meinen Augen.
Das Fenster im Zug - ich würde idR vorher fragen. Hängt von der Situation ab. Aber wenn ich es einfach öffne, würde ich es auch nicht als unhöflich oder blamierend empfinden wenn dann jemand sagt, dass es ihn stört. AUch hier gibt es zwei Bedürfnisse, die beide im Raum stehen. Meins nach frischer Luft, der andere will nicht frieren. Dann müssen wir einen Kompromiss finden. Dass der andere friert heißt doch nicht, dass mein Bedürfnis nach Frischluft etwas Unanständiges ist?
Nur mal am Rande - hat mit dem Thema nicht mehr viel zu tun, denn: Wenn ich dich frage: "Könntest du vielleicht nächstes Mal ein paar Meter weiter warten und mich nicht so fixieren?" - wie würdest du dann wohl reagieren?
Dann sage ich vielleicht, dass du mich an meine Kindergartenfreundin von ganz früher erinnerst, und ich mich frage, ob du zufällig Christiane heißt und früher mal in XY-Stadt gewohnt hast. Oder ich reagiere gar nicht, weil ich komplett in meinem eigenen Film versunken bin und dich überhaupt nicht wahrnehme. Oder ich schrecke auf, weil du mich angesprochen hast und ich eher von der schüchtern-schreckhaften Sorte bin. Oder ich werde pampig und frage zurück: Wieso? Ist doch genug Platz hier für alle?! Oder ich sage ich finde dich anziehend und ob du mir wohl deine Telefonnummer gibst damit wir mal ein Date ausmachen?! Oder ich entschuldige mich tausendmal und sage, ich habe leider einen Augenfehler, deshalb starre ich immer so...
Oder ich gehe dann hoch zur Therapeutin und beschwere mich über die unmögliche Mitpatientin, die mich doof anquatscht und verlangt, dass ich mich unsichtbar mache, wenn sie geht.
Und dann würde die Therapeutin mit mir über *mein* Problem reden, dass ich mit dieser Mitpatientin habe, genauso wie sie mit Dir über *Dein* Problem mit eben dieser Mitpatientin reden würde, solltest du es dort einmal zur Sprache bringen.