Termin-Vorlieben

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:20

isabe hat geschrieben:Klingt für mich eher nach: "Wenn du schön artig bist, überlege ich mir vielleicht, ob ich rücksichtsvoll bin" - das IST dann aber keine wirkliche Rücksicht, sondern es soll nur so aussehen. In Wirklichkeit bleibst du damit aber in deinem eigenen Bewertungsmaßstab, anstatt dich in den Anderen hineinzuversetzen.
Es geht doch auch nicht darum, ob man besonders rücksichtsvoll wirken will (dir ist der Takt so wichtig... ich habe doch gar nicht so argumentiert ). Natürlich berücksichtigt man auch die eigenen Bedürfnisse... und wenn jemand sozusagen zur Begrüßung mit einer enormen Forderungshaltung an jemanden und somit die Möglichkeit besteht, dass derjenige auch nicht sonderlich achtsam mit den eigenen Bedürfnissen umgeht, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass jemand denkt oder sagt: Nöö, mache ich nicht. Da schwindet dann manchmal auch tatsächlich der Wille zur Empathie.

Und ich glaube tatsächlich, dass man seine Attitüde sehr wohl auch non-verbal mitteilen kann bzw. über die Tonlage, selbst wenn man eigentlich formal-korrekt fragt. Und auch darauf reagieren andere. In Körpertherapien sagt man sogar manchmal, dass macht den Hauptteil der Kommunikation aus.

Hier treffen schlichtweg unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander. Vielleicht lässt sich ja ein Kompromiss finden. Aber dazu müsste man dann wohl auch Kontakt aufnehmen und nicht stillschweigend Takt erwarten (zumal in Therapien normalerweise gestörte Menschen sind, wo nicht alles so selbstverständlich vorausgesetzt werden kann wie bei Gesunden).
Zuletzt geändert von stern am Di., 16.08.2016, 19:26, insgesamt 2-mal geändert.
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ziegenkind
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:21

Ich glaub, es gibt drei künste, um deren erlernung es in vielen therapien geht oder gehen sollte:

1. selten ist was immer und bei jeder und überall richtig un angemessen.

2. wenn es mir wichtig ist, mich auf eine bestimmte art und weise zu verhalten, dann muss ich das nicht auch von allen anderen erwarten und sie bei nichtbeachtung meiner erwartung der taktlosigkeit zeihen. Das macht der spiesser und die spiesserin, seinen takt im fröhlichen nicht-wissen um dessen zufälligkeit zu generalisieren.

3. die kür, die meisterklasse: den anderen unter voller wahrung seiner und meiner würde um etwas, z.b. die berücksichtigung meiner bedürfnisse zu bitten, in offenheit und ohne arg, schlicht so, dass ich ihn nicht beschäme, weil ich ihm gleichzeitig allein durch die an unsere mütter erinnernden verkniffenen lippen kommuniziere, dass er da auch bitte selbst hätte drauf kommen können.

Ach, was wär das schön, wenn analyse bürgerpflicht wär und diese künste grössere verbreitung fänden
Zuletzt geändert von ziegenkind am Di., 16.08.2016, 19:40, insgesamt 2-mal geändert.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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lisbeth
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:23

isabe hat geschrieben:lisbeth:
Noch eine Frage - grundsätzlicher Art: Ist es dir tatsächlich lieber, wenn man dich erst ansprechen muss, wenn man möchte, dass du etwas tust oder lässt? Kennst du das nicht, dass du vorher erahnen möchtest, was der Andere wollen könnte - und zwar im POSITIVEN?
Ganz ehrlich, isabe: Ja, im Moment ist mir das klare Kommunizieren lieber. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit meinen Antizipationen auch mal gehörig daneben liegen kann (passierte selten, war dafür umso dramatischer). Dass ich es auch dazu genutzt habe, um mein Gegenüber zu manipulieren. Dass ich mir 1001 Gedanken um die Bedürfnisse einer anderen Person machen konnte und der weiß das gar nicht zu schätzen, ist dann sogar noch undankbar - soll vorkommen.
Dass ich mich selbst unnötig einenge und das dann anderen innerlich vorwerfe. Dass ich mich einschränke und erwarte: alle anderen sollen es gefälligst auch tun und dass ich null Verständnis dafür aufbringe, dass andere das nicht so sehen. Und zwar nicht unbedingt aus Boshaftigkeit heraus. Oder um mich zu verletzen. Sondern einfach so. Einfach weil sie da sind.

Von daher erinnert deine Forderung mich sehr stark an mich selbst in früheren Zeiten

Und dass heißt nicht, dass ich seit neuestem taktlos, rücksichtslos oder unhöflich durchs Leben poltere. Gibt es Einschränkungen? Ja, natürlich. Die fangen dort an, wo meine Bedürfnisse die der anderen berühren. Aber du stellst mir mein Bedürfnis mit deiner Argumentation grundsätzlich in Abrede. Du sagst, mein Bedürfnis sei Quatsch, ich solle pünktlicher kommen, spazieren gehen, woanders warten.

Nein, in meinen Augen muss ich nicht (mehr) dem anderen zuvorkommen, bevor er mich ansprechen muss. Das würde bedeuten, dass ich permanent nur von mir ausgehe, was für den anderen ja gar nicht der Realität entspricht. Andere Leute haben andere Grenzen und können daher gar nicht erahnen, wo meine Grenzen liegen. Oder andersherum, du bist beim Erahnen permanent bei den anderen aber nicht bei dir selbst. Auch nicht so gut in meinen Augen.

Das Fenster im Zug - ich würde idR vorher fragen. Hängt von der Situation ab. Aber wenn ich es einfach öffne, würde ich es auch nicht als unhöflich oder blamierend empfinden wenn dann jemand sagt, dass es ihn stört. AUch hier gibt es zwei Bedürfnisse, die beide im Raum stehen. Meins nach frischer Luft, der andere will nicht frieren. Dann müssen wir einen Kompromiss finden. Dass der andere friert heißt doch nicht, dass mein Bedürfnis nach Frischluft etwas Unanständiges ist?
Nur mal am Rande - hat mit dem Thema nicht mehr viel zu tun, denn: Wenn ich dich frage: "Könntest du vielleicht nächstes Mal ein paar Meter weiter warten und mich nicht so fixieren?" - wie würdest du dann wohl reagieren?
Dann sage ich vielleicht, dass du mich an meine Kindergartenfreundin von ganz früher erinnerst, und ich mich frage, ob du zufällig Christiane heißt und früher mal in XY-Stadt gewohnt hast. Oder ich reagiere gar nicht, weil ich komplett in meinem eigenen Film versunken bin und dich überhaupt nicht wahrnehme. Oder ich schrecke auf, weil du mich angesprochen hast und ich eher von der schüchtern-schreckhaften Sorte bin. Oder ich werde pampig und frage zurück: Wieso? Ist doch genug Platz hier für alle?! Oder ich sage ich finde dich anziehend und ob du mir wohl deine Telefonnummer gibst damit wir mal ein Date ausmachen?! Oder ich entschuldige mich tausendmal und sage, ich habe leider einen Augenfehler, deshalb starre ich immer so...
Oder ich gehe dann hoch zur Therapeutin und beschwere mich über die unmögliche Mitpatientin, die mich doof anquatscht und verlangt, dass ich mich unsichtbar mache, wenn sie geht.
Und dann würde die Therapeutin mit mir über *mein* Problem reden, dass ich mit dieser Mitpatientin habe, genauso wie sie mit Dir über *Dein* Problem mit eben dieser Mitpatientin reden würde, solltest du es dort einmal zur Sprache bringen.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


isabe
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:26

Stern:
Ich wüsste nicht, was man unter meinen Vorstellungen als "enorme Forderungen" verstehen kann; eher handelt es sich um die in einer Therapie üblichen Vorkehrungen. Teilweise werden sie vom Therapeuten selbst so eingerichtet (u.U. sogar mit getrennten Eingängen), aber auch mit einem ausreichend großen Zeitfenster sowie "mit ohne " Warteraum, was bereits signalisiert: "Es ist unerwünscht, dass Sie sich länger als nötig hier aufhalten". Den Rest der Vorkehrungen kann der Patient selbst treffen, indem er sich das überlegt, was ich z.B. in meiner "Liste" aufgeführt habe - die selbstverständlich nicht für ALLE Analysanden so gelten muss. Der andere Patient wird seinerseits so zügig und unauffällig wie möglich das Gelände verlassen. Das alles hat nichts mit "enormen Forderungen" zu tun.

Auch sehe ich das Bedürfnis, von dem du sprichst, nicht, wenn du sagst: "Eventuell MÖCHTE der Patient um .50 vor der Tür warten" - das ist für mich kein Bedürnfis, sondern Aufdringlichkeit. Worin das Bedürfnis hier bestehen soll, ist nicht zu erkennen.

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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:35

Eben. Teilweise. Teilweise. Teilweise. Teilweise ist es so, teilweise anders. Die Mindeststandards habe ich verlinkt. Und die liegen bei einer Tür und dass der Name nicht genannt wird. Hier gibt es keine Üblichkeit, wie Therapeuten das handhaben, sondern höchstens zwingende Minimalstandards (auf deren Einhaltung hat man tatsächlich einen Anspruch)... und der Rest ist individuelle Absprache. Wenn man viel höhere Ansprüche hat als die, die Mindestpflichten, so wird es auch zunehmend unwahrscheinlicher, dass andere das bereitwillig akzeptieren.

Wenn unklar ist, was genau gemeint ist, dass man erst um .xx kommen soll, würde ich zunächst den Therapeuten fragen, ich dann z.B. schon ins Gebäude kann (wenn es eh offen ist, z.B.). Und wenn mir das nicht passt, kann ich das zumindest ansprechen... was nicht bedeutet, dass jemand allem nachkommen kann oder will.

Du kennst es eben nur so... ich habe auch schon andere Gepflogenheiten erleben dürfen. Darüber redet man... eigentlich muss man das nicht so kompliziert machen.
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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:47

Von Antizipation halte ich tendenziell auch viel weniger als von direkten Bitten, Fragen nach Wünschen oder Nachfragen. Die Gefahr von Projektion ist dabei tatsächlich recht hoch, solange man nicht nicht aufgeräumt ist (und das wurde ja dargelegt, dass man das insbes. nach Sitzungen nicht voraussetzen kann).

Habe auch mal erlebt, dass jemand etwas als meine Wünsche ausgegeben hat, die es aber nicht wirklich waren... so sind dann am Ende nur beide gefrustet. Derjenige, der falsch antizipiert (bzw doch eher seine eigene Wünsche damit verwirklicht) und der andere auch, weil es an ihm ziemlich vorbei geht.

Und das sieht man auch im Faden, dass Präferenzen unterschiedlich sind.
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isabe
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Beitrag Di., 16.08.2016, 19:48

Interessant finde ich, dass dir der Name sowie das gesprochene Wort so wichtig sind. Also , ich verstehe das schon. Aber für mich gilt in Bezug auf die Diskretion nicht das gesprochene Wort und nicht mein Name, sondern mein Gesicht und mein Körper.

Ein Patient weiß ja, dass in einer therapeutischen Praxis z.B. über Ängste gesprochen wird (such dir ein Thema aus). Wenn er also hören würde, dass jemand sagt: "Ich hab Angst im Dunkeln", dann sieht mich der andere Patient nicht. Das ist mir wichtig, und dann ist es mir auch (fast) egal, ob jemand überhaupt was hört. Das Haus meines Therapeuten ist extremst hellhörig, und mich stört das nur deshalb, weil ICH die Anderen höre; zwar spricht dort niemand (vermutlich ist derjenige in dem Moment alleine in der Wohnung), aber man hört, was derjenige tut. Ich mache mir keine Gedanken darüber, ob gehört wird, wenn der Therapeut sagt: "Frau Isabe, Sie haben also Angst im Dunkeln". Für mich ist das abstrakt - es sei denn, ich konstruiere, dass derjenige extra lauscht und mich womöglich kennt.

Was für mich jedoch nicht abstrakt ist, ist mein Körper und mein Gesicht. Es spielt in dem Falle auch keine Rolle, ob der, der mich sieht, gehört hat, was ich gesagt habe. Ich möchte einfach nicht als Patient gesehen werden - und mir ist nicht klar, wieso du das nicht mal ansatzweise nachempfinden kannst, wo du doch ein ähnliches Thema hast, das sich lediglich bei dir anders zeigt. Ich selbst finde es übertrieben, dass du so darauf achtest, nicht gehört zu werden; ich kann es aber rational nachempfinden. Und daher würde ich nicht, sollten wir uns mal im Flur deiner Therapeutin begegnen, EXTRA LAUT sprechen, um dich diesbezüglich zu irritieren und dir zu zeigen: "Guck mal, man hört ALLES! Und ich DARF dir das demonstrieren!"

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Lockenkopf
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:01

isabe hat geschrieben:
Lockenkopf hat geschrieben:
Aber, es gibt Leute die sich im Foyer zufällig treffen und sich unterhalten. Auch ein Bedürfnis.
Was soll das für ein Bedürfnis sein: sich zufällig zu treffen?

Wenn hinter dem Sich-Treffen ein Bedürfnis und die Suche nach seiner Befriedigung steckt, handelt es sich nicht um Zufall, sondern um etwas, was aussehen solll wie Zufall. Das ist etwas vollkommen anderes. Außerdem weißt du nicht, ob es dem, der sich mit dir unterhält, wirklich ein Bedürfnis ist. Wer das Bedürfnis hat, sich mit einem fremden Menschen zu unterhalten, dem er "zufällig" in einem Wartebereich (so es einen solchen überhaupt gibt) begegnet, der sollte sich fragen, ob er sein eigentliches Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt nicht befriedigender erfüllen kann, als auf den "Zufall" zu hoffen.

Sollte es sich allerdings nicht um ein Bedürfnis handeln, dann hast du dich nicht präzise ausgedrückt. Mit dem Wort "Bedürfnis" würde ich vorsichtiger umgehen; es sei denn, es ist dir im Alltag auch egal, ob man deine wahren Bedürfnisse ernst nimmt oder nicht.

Und wenn jemand sagt: "Ich möchte nach der Stunde ungestört gehen dürfen", dann kannst du davon ausgehen, dass es sich dabei um ein echtes Bedürfnis handelt, das anders zu bewerten ist als ein: "Ach, wenn ich jemanden sehe, quatschen wir ein bisschen" - gleichrangig wären die "Bedürfnisse" höchstens, wenn du sonst niemanden zum Reden hast (aber dann gilt das o.g.).
Wenn sich Menschen an einem Ort treffen, an dem sie sich nicht verabredet haben und sie nicht wussten das der andere dort sein wird, so ist das Treffen Zufall.

Das Menschen sich unterhalten, ist ein Bedürfnis dem an sehr vielen Orten nachgegangen werden kann. Und es ist daran ist rein garnichts merkwürdig oder zu pathologisieren, wenn sich 2 Menschen in einem Bankvorraum unterhalten, über das letzte Wochenende, die Krankheit der Schwiegermutter, den Geburtstag der Tochter, den Arbeitgeber, die Pflaumen im Garten, oder was auch immer.

Und was du daran nicht nachvollziehen kannst, ist mir schleierhaft.

Ich kann mich erinnern, ein einziges Mal bei meinem ersten Therapeuten ca. vier Minuten vor der Stunde geklingelt zu haben. Ich wurde oben kühl begrüßt mit den Worten: "Hier gibt es keinen Warteraum, also müssen Sie woanders warten oder später kommen" - das war relativ am Anfang, und ich hatte übrigens am Morgen die erste Stunde. So ein: "Wenn ich komme, komme ich" wäre da undenkbar gewesen, und ich finde das sehr gut, vorausgesetzt, die Regeln werden klar kommuniziert.
Nah, da haben sich ja zwei getroffen, die bestens zusammen passen.
Diese Therapeutin hätte ich kein zweites mal aufgesucht.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:08

Das sind die Minimalstandards, wie sie der Datenschutz/Schweigepflicht für Ärzte und Psychotherapeuten vorsehen... und die ich mir nicht ausdachte (eine Tür sozusagen als Schallschutz und Nichtnennung des Namens).

Und ja, selbst wenn das beachtet wird, kann mich z.B. auch bei Ärzten stören, wenn ich aus dem Nachbarzimmer wegen Hellhörigkeit doch mitbekomme, was mit anderen Patienten besprochen wird... stört mich also in beide Richtungen: Hören und gehört werden. Und das ist schon häufiger der Fall gewesen, dass die Umsetzung der Schweigepflicht praktisch doch erschwert ist (diese Problematik wurde auch aufgegriffen, ist also nicht unbekannt). Selbst bei Beantragung eines neuen Ausweises fand ich es unangenehm, dass jeder in der Reihe mithörte... obwohl das nicht wirklich heikle Inhalte waren.

Meine Grenze wird beim Mithören von Sitzungsinhalten tangiert, namentlicher Nennung... dass ich gesehen werde stört mich hingegen nicht so sehr (wenn man sich kennt, wäre das evtl. unangenehm), insbes. wenn die Sitzung eh schon zu Ende ist. Und auch von Ärzten kenne ich Wartezimmer. In der Klinik platzte jemand mal in die Sitzung. Aber noch schlimmer fand ich wie die Therapeutin auf diese Kollegin reagierte... DAS brachte mich dann aus dem Konzept. Ich glaube nicht, dass es hierbei um mich ging. Denn selbst das hätte ich das hier nicht so eng gesehen.

Sitzungsinhalte bzw. mein Name ist etwas reales, was auch tatsächlich zutrifft. Was sich hingegen jemand zusammenreimt, der mich nur sieht ist mehr dessen Fantasie (soweit es nicht das sichtbare Äußere angeht)... also das sagt nicht so viel über mich aus. Namen und Problematiken/Inhalte, die man aufschnappt, schon eher.

Ich glaube, der wesentliche Unterschied ist, dass ich innerhalb und außerhalb der Sitzung unterscheide... und es außerhalb für Ermessenssache erachte, wie man sich verhält und man hier nicht gewichten kann, welche Bedürfnisse gewichtiger sind.
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isabe
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:17

Für mich hat das überhaupt nichts mit "innerhalb" und "außerhalb" zu tun. Ich hab auch nichts mit ergoogelten "Minimalstandards" am Hut. Entweder ich fasse Vertrauen, und dann gehe ich davon aus, dass der Therapeut meine Geschichte nicht an RTL verkauft und auch nicht meinen Namen aus dem Fenster brüllt, von wegen: "Und wenn Ihnen das nächste Mal vor Angst dies und jenes passiert, dann tun sie das und das, Frau isabe!!!" - und dann ist mir herzlich schnuppe, ob nebenan jemand hört, wie ich etwas erzähle. Dass niemand in der Praxis ist, während wir sprechen, ist ja ohnehin vorausgesetzt.

Oder ich bin misstrauisch und frage mich, ob auch alles schalldicht ist und gucke, ob alle Standards erfüllt sind - aber ob sich so eine intime Beziehung entfalten kann, weiß ich nicht.

Ich bin aber vor allem nach der Stunde immer noch genauso verletzlich wie IN der Stunde, nur ist da der schützende Therapeut nicht neben mir, sondern mein Körper und mein Gesicht sind "frei zugänglich", was mir unangenehm ist. Worte sind hingegen nur Worte. So sehe ICH das. Und das darf ich auch. Und da muss ich dich nicht erst höflichst bitten, mich nicht anzusehen oder mir aus dem Wege zu gehen.

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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:26

In meiner Realität gibt es sogar Therapieverträge, die manche Inhalte regeln... wie Existenz von Schweigepflichten, etc. Das schließt Vertrauen nicht aus, sondern schafft Klarheit.

Und natürlich würde ich darauf achte, dass die Schweigepflicht beachtet wird. Das ist auch kein unerhebliches Delikt, wenn hier jemand nachlässig ist.

Und trotzdem waren Therapeuten bisher in keinem Fall so rigide... wie Therapeuten, die bei Erstterminen Patienten wegen 4 Min. anpfeifen. Oder es wurde vorher erwähnt, was der Usus ist... ganz nett und freundlich. Aber kein Wunder, wenn du dann davon ausgehst, dass das normal ist.

Und es ist keine Frage, dass du dich verletzt fühlen darfst... sondern eher, ob andere nicht auch auch eigene Befindlichkeiten haben und beachten dürfen. Dürfen sie natürlich genauso.
Zuletzt geändert von stern am Di., 16.08.2016, 20:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:29

Die Schweigepflicht von Psychotherapeuten muss nicht vertraglich geregelt werden, sondern existiert per Gesetz. Ein Verstoß dagegen ist eine Straftat

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stern
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:33

Das stimmt... ist nur deklaratorisch, wenn es mündlich nochmals erwähnt wird, dass es eine Schweigepflicht gibt. Das ist dann eher vertrauensbildend bzw. erhellend für Patienten, die sich nicht viel unter einer PT vorstellen können.

Und wenn mal eine Türe offensteht, während der Therapeut noch telefoniert, so geht das schnell. Hach, auch bei Ärzten... da eigentlich noch viel schlimmer wegen der hohen Fluktuation und im Empfangsbereich.
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:35

Ja stimmt, ich habe auch so komische Verträge da unterschrieben, wo ich mir denke: das ist doch klar, aber gut, dann sind die Patienten wenigstens aufgeklärt


isabe
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Beitrag Di., 16.08.2016, 20:36

stern:
Wie du weißt, habe ich unterschiedliche Therapieerfahrungen gemacht, also bitte nicht vermischen und nicht unterstellen, ich würde von EINER gemachten Erfahrung auf ALLE Therapien schließen.

Mir ist deine "Befindlichkeit" auch nach so vielen Seiten noch immer nicht klar, die so aussieht, dass du annimmst, es sei angemessen und eben irgendwie für manche Leute "nötig", direkt um .50 vor der Türe zu warten. Ich weiß, dass es solche Leute gibt. Aber ich kann dabei keine Motivation erkennen, die ich für ein berechtigtes Bedürfnis halten würde. Nicht nur kann ich es nicht erkennen; es wurde schlicht auch nicht begründet, wohl aber wurde behauptet, man habe ja schließlich ein Recht darauf. Das ist jedoch etwas vollkommen anderes als ein Bedürfnis.

Schutz vor Wind und Wetter hat man auch nicht, wenn man sonstwie unterwegs ist; man kann ja nicht sagen: "Ich konnte nicht zur Arbeit kommen, weil mir kalt war" - nein, man zieht sich einfach entsprechend an. Eine Ausnahme wäre wirklich ein Unwetter, und nun kannst du dir überlegen, wie häufig das vorkommt.

Und wie gesagt: Ich schreibe hier von Praxen ohne Wartezimmer.

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