Wer heilt hat Recht

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 16:38

peppermint patty hat geschrieben: Meine Fragen: Warum ist das so? Wieso diese Haltung hier im Forum? Und wieso diese Haltung von einigen Therapeuten, dass Methode wichtiger als Klientin ist?

Ja, warum ist Heilung und Entwicklung nicht wichtiger als Methode oder spezifisches Eingehen auf die Klientin?
Oder wie hier vielleicht leichter verstanden werden kann: Warum hat derjenige Unrecht, der heilt?
Wahrscheinlich weil Menschen ängstliche Wesen sind, die sich lieber auf was "berufen", als mutig neue Wege zu gehen. Ist halt die "sichere Seite". Dürfte was mit "Selbstvertrauen" zu tun haben...was auch die Reaktionen hier teilweise erklärt in meinen Augen. Wenn ich nur "Erprobtes" anwende laufe ich weniger Gefahr auch mal einen Fehler zu machen. Das kann sowohl zum Schutze als auch zum Nachteil des Patienten sein. Da sind wir wieder bei der "Einzelfallentscheidung".

Den "Umkehrschluss" würde ich nicht ziehen, denn wenn jemand heilt, dann kann er ja gar nicht "Unrecht" haben. Womit denn? Der muss dann allenfalls nachweisen, was genau geholfen hat, um andere von seinem Vorgehen überzeugen zu können.

Auch "Methoden" haben sich ja mit der Zeit verändert und es sind neue hinzugekommen, glücklicherweise. Irgendeiner hat dann mutig damit angefangen und wenn es sich als "hilfreich" herausgestellt hat wurde es von der "breiten Masse" übernommen.

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stern
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 16:56

peppermint patty hat geschrieben:Meine Fragen: Warum ist das so? Wieso diese Haltung hier im Forum? Und wieso diese Haltung von einigen Therapeuten, dass Methode wichtiger als Klientin ist?
Widow hatte das schon gefragt: Ist das bei jemanden so... bzw. wenn ja: Bei wie vielen Leuten? Ich kann mit dieser Erfahrung nicht dienen und glaube auch nicht, dass man dieses Gegensatzpaar zeichnen kann.

Denn vielleicht halten sich Therapeuten an bewährte therapeutische Vorgehensweisen, WEIL ihnen der Patient wichtig ist. Weil ihnen Erfahrungen vorliegen (oder sie eigene haben), DASS das Verwässern von Rahmenbedingungen praktisch häufiger zu Komplikationen führen. Und weil sie nicht Roulette spielen wollen, ob Abweichungen von methodischen Empfehlungen trotz anderer Erfahrungswerte im Einzelfall xy nicht doch erfolgversprechend sein können (den Erfolg können sie seriöserweise nicht garantieren). Es geht ja nicht nur um Heilung, sondern auch darum, nicht zu schaden... manche sagen sogar: Primum non nocere (während Heilung hier erst an dritter Stelle steht).

Und wenn eine Methode Kontakte außerhalb der Sitzungen vorsieht bzw. das Angebot von Kuscheltieren unter bestimmten Umständen, so handelt er dann ja auch methodisch. Macht er das nicht, so muss er sich auch gefallen lassen, dass man sagt: Sie arbeiteten nicht nach einer therapeutischen Methode. Und ja, das erscheint mir noch etwas mehr Roulette als ein bewährtes Vorgehen.

Wenn es tatsächlich für eine Problematik keine Empfehlung gibt oder nichts, was sich sonst bewährt, greift, so bleibt nichts anderes übrig als zu schauen, wie man mit dem Patienten umgeht.

Aber was soll ansonsten der Sinn sein, bewährte therapeutische Wege zu verlassen und Experimente einzugehen (also etwas, das keiner methodischen therapeutischen Vorgehensweise entspricht)? Weil es heilen könnte? Das sollte eine methodische Vorgehensweise ja auch.
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stern
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 17:35

Und methodische Konzepte sehen doch i.d.R. vor, dass es Phasen bzw. Umstände geben kann, in denen intensiverer Kontakt sinnvoll ist. Das sehe ich also dann nicht mal als außergewöhnlich an, sondern sogar als üblich.

Ich kenne aber z.B. kein Konzept, in dem es heißt: Wenn für ihren Patienten der Abstand zwischen den Sitzungen zu lange ist, so überziehen sie zunächst die Sitzungen... und wenn das immer noch nicht langt, so bieten sie zusätzlich Telefonkontakte an... bis hin zum Privatkontakt, wenn ihre Patient besonders bedürftig ist. Sondern solche Konstellationen finden sich (soweit ich in Erfahrung bringen konnte) eher unter dem Punkt problematische Therapiekonstellationen. Auch kenne ich keine einzige Empfehlung, die regelmäßige Überziehungen empfiehlt (lasse mich aber eines besseren belehren). Das halte ich, sorry, tatsächlich für Quark, das als besonders heilsam anzupreisen... was nicht ausschließt, dass es ausnahmsweise auch positive Einzelerfahrungen gibt, wenn man unmethodisch vorgeht.

Ich bin ja auch kein Freund von Kliniken. Aber wenn solche Notbehelfe nicht nur ausnahmsweise, am Anfang der Therapie oder in einem besonderen Therapieabschnitt notwendig sind, so ist das doch auch kein Traum (für Patient und Therapeut)... sondern es kann dann doch entlastend sein, wenn man dann schaut, was der Patient braucht - und damit meine ich nicht die Einführung oder Ausweitung von methodenfernen Kreationen.
Zuletzt geändert von stern am Mo., 11.01.2016, 17:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Broken Wing
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 17:38

Das Verlassen von bewährten Pfaden ist nur dann nicht von Nachteil, wenn man vor einem Genie sitzt. Ich würde aber nicht automatisch davon ausgehen. So ein Genie wäre ziemlich bald genervt von schlechten Kindheiten und ebenso schlechter Inszenierung.
Genies betätigen sich selten in der Psychiatrie und Psychotherapie.
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Broken Wing
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 17:55

Ich würde mir allein schon deswegen mehr Kontrolle wünschen, weil es die Allgemeinheit bezahlt. Dass da ein paar Therapeuten ihren Größen- und Rettungswahn ausleben und die Esoterik fröhliche Urständ in den Praxen feiert ist kein Geheimnis.

In Ö kann bedauerlicheweise so gut wie jede Hausfrau Psychotherapeut werden und sich ein Mix aus den Methoden zusammensuchen. Bisschen Rogers mit Frankl, als Beilage gibts keine Ahnung wen, das ganze garniert mit Freud. Und wenn sie alle diese Leute nicht kennt, kein Ding. Dann macht sie halt irgendwas und schreibt in Portalen wie Psyonline was von Verhaltenstherapie.

Kuscheltiere wurden mir bisher keine angeboten. Ist auch besser so wegen der gesundheitsgefährdenden Stoffe. Ich ziehe einen Kuscheligen Mantel an und befolge ein christliches Gebot: Liebe dich selbst wie deinen nächsten, aber lass dich dabei nicht erwischen.
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leberblümchen
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 17:59

Wenn schon, dann aber nix vom Rummel oder für 5,- aus China.

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blade
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:15

und was bedeutet es jetzt eigentlich heil zu sein?
weiß das jemand?
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leberblümchen
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:46

Heil heißt: Therapie ist irgendwann beendet, und Therapeut und Patient reden sich ein, dass man jetzt gesünder sei, was sich darin äußert, von oben herab auf die zu schauen, die noch nicht so weit sind.

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blade
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:50

nein. das würde bedeuten heil zu sein ist ein relativer Zustand. somit hätte jeder therapeut recht sobald er/sie für sich beansprucht recht zu haben.
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leberblümchen
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:51

Das funktioniert aber nur, solange beide daran glauben. Wenn einer aussteigt aus diesem Glauben, dann bricht das schöne Bild zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:52

Meine Therapeut geht sogar so weit, dass er im Notfall Samstags Termine macht. Er ist ein souveräner im Leben stehender Mann, der weiß was er sich zumuten kann und der seine Patienten kennt.
Er weiß, was er kann ohne zu schaden. Das mal so am Rande wenn es immer auch unterschwellig um die Diskussion von gestern geht.

Es gibt Absprachen und Notfallpläne für lebensbedrohende Krisen, aber es gibt auch viel Vertrauen und Respekt. Aber es gibt auch Unterstützung in schwierigen Lagen.

Und ich bin eine Patientin, die locker die Sommerpause von x Wochen aushält, was ich aber im Notfall nicht müsste. Ich mache dann Urlaub von der Therapie. Das kann man trainieren.

Jeder hat seine Geschichte und macht das Beste daraus. Ist doch schön, wenn passt.

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blade
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:56

na das bedeutet dann vielleicht: keine unangenehmen Zustände mehr - aber das ist nicht dasselbe wie heil sein.
heil sein ist natürlich nicht unangenehm, aber der Umkehrschluss ist falsch.
nur weil es grad nicht unangenehm ist, ist man noch nicht heil.

heil bedeutet, daß keine Bilder mehr zusammenbrechen können.
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mio
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 18:57

blade hat geschrieben: heil bedeutet, daß keine Bilder mehr zusammenbrechen können.
Schöne Definition Herr Blade! Gefällt mir.

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stern
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 19:11

Ich würde auch unterscheiden, ob tatsächlich etwas neu entdeckt wird (wie EMDR damals). Oder ob man etwas zum Einsatz bringt, obwohl man bereits Erfahrungen hat, dass die Vorgehensweise bei einer breiten Masse zu Komplikationen führt, man aber hofft, dass Patient xy die rühmliche Ausnahme ist, die davon profitieren wird. Natürlich ist das ein riskanteres Vorgehen...
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Elfchen
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Beitrag Mo., 11.01.2016, 19:21

Ich möchte daran erinnern, dass die TE mehrmals darum gebeten hat,
beim Thema zu bleiben.
Es besteht die Möglichkeit, eigene Threads zu eröffnen, wenn dies gewünscht ist, zb. zum Thema Kuscheltiere oder dem Überziehen der Therapiestunden.

Freundliche Grüsse
Elfchen
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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