leberblümchen hat geschrieben:Gibt es denn auch User / Patienten, die negative Erfahrungen gemacht haben und denken, dass ein Beipackzettel nichts daran hätte ändern können? Ich sehe das jedenfalls so
Ja, ich auch.
Doch ich muss das Wort "negativ" noch stärker relativieren als Du: Negative Erfahrungen in Gestalt eines totalen Infragegestelltwerdens gehören für mich seit dem Erstgespräch zu jener Analyse von Mr. G. und mir dazu (er sagte bei jener Erstbegegnung irgendwann mit leisem Spott in der Stimme: "Tja, Frau Widow, andere Menschen trauern, Sie bringen sich um und scheitern damit ...").
leberblümchen hat geschrieben: Für mich klingt das ein bisschen naiv, sich vorzustellen, mit einem Infoblatt könnten ganze Dramen verhindert werden. Ich glaub, das ist so ein Wunsch, einen Verantwortlichen 'festzuklopfen'.
Auch das sehe ich ähnlich.
Vielleicht liegt es in meinem Fall aber auch einfach daran, dass durch die Krebskrankheit des Liebsten und all die Erfahrungen, die wir währenddessen mit sogen. evidenzbasierter Medizin gemacht haben, mit Beipackzetteln, mit ärztlichen Aufklärungen samt all den Kreuzchen auf all den Formularen und so weiter, die allesamt negativ, scheizze, fehlerhaft waren, voller Lücken, Falschauskünfte, Widersprüche, - dass ich also aufgrund dessen ohnehin an derartiges Autoritäten-/Experten-Gerassel (oder auch: Papier-Geraschel) nicht mehr glaube.
Dass man keinem Arzt trauen darf, habe ich seit meiner Kindheit gelernt. Dass aber auch Zweitmeinungen nichts helfen und dass irgendwann alle nur noch sagen: "Das versteh ich jetzt auch nicht", das habe ich in jenen 15 Monaten gelernt.
schneerose hat geschrieben:Ich wäre nie davon ausgegangen, dass ich bis zu meinem Ableben, bei (m) einem Therapeuten in Therapie sein würde..
Das ist von meiner Seite eine echte Interessensfrage und keineswegs "ungut" gemeint..
Ich würde gerne, falls jemand was dazu sagen möchte, erfahren, welche Gedanken dazu entstehen..
Ich, der Couchling, der ab und an auf der Couch von Mr. G. liege, schäme mich zutiefst, weil ich Mr. G. und seine Couch und das da auf deren Rückenlehne
BRAUCHE
Dass das so ist, weiß ich seit jenem Erstgespräch (es hat Monate gedauert, bis ich das mir selbst ansatzweise eingestehen konnte, und noch heute veranstalte ich allerhand, um das - und sei es nur vor mir selbst - leugnen zu können.)
Direkt davor hatte ich alles verloren. Auch mich. (Und das Interesse an allem. Auch an mir.)
Mr. G. ist so vollkommen anders als ich: Ich wollte und will den verstehen, will und wollte mich in den ein wenig hineindenken, hineinfühlen, hineinversetzen können.
Und er hat mich mir selbst in meiner eigenen Fremdheit ansichtig werden lassen (und tut das noch). Auch da gilt: Ich möchte mich besser hineinversetzen können.
Noch, und noch lang, - auch wenn ich dafür zerglühe in Scham -, noch
brauch ich ihn
(und mag ihn, sogar dann noch, wenn ich denke, dass er wieder mal einen seiner Knüppel aus dem Sack gelassen hat).
DAS zuzugeben (und ich übe hier ja schon fleißig), das wirklich zuzugeben und vor allem: es zuzuLASSEN, das ist neben einigen anderen noch eine der größeren Aufgaben in dieser Therapie.
Denn für mich gilt: Nur, wer leben kann,
dass der Mensch des anderen Menschen bedürftig ist, ihn braucht, der lebt.
(Der Liebste hat mich das einst leben lassen, doch mit seinem entsetzlichen Sterben starb auch das.
Aber ich weiß: Leben geht nur, wenn man diese Bedürftigkeit, dieses Brauchen nicht nur aushält, sondern als
conditio sine qua non lebt [man muss sie ja vielleicht nicht ausleben ...].
- Sonst ist nur Existieren oder wohl eher nur Vegetieren.)
Ob's uns, Mr. G. und mir, gelingt, dass ich dem mal werde sagen können (so als erster Schritt): "Ich brauch Sie", das weiß ich nicht.
(Dass das freilich so IST, das wissen wir beide, der und ich, schon lang. Aber vielleicht sollte es mal gesagt werden - vielleicht kann ich es irgendwann einmal wieder sagen, die ich mir vorgenommen habe, niemals wieder jemanden zu brauchen, und mich dafür zutiefst schäme -- also dafür, dass ich jetzt doch noch einen Menschen brauche.)
w