Anderen verzeihen

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Beitrag Di., 15.09.2009, 00:28

Eve... hat geschrieben:Macht vielleicht angst, dort hinzusehen -
In eher alltäglichen Dingen würde ich auch mit Bequemlichkeit und Faulheit rechnen. Da nehme ich mich gar nicht aus.

Nicht zu vergessen aber, in gröberen Angelegenheiten gibt es auch Verzeihungsbedürftiges, wo man selbst nun tatsächlich rein gar nichts damit zu tun hat.

Gruß
Anastasius

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Calimero
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Beitrag Di., 15.09.2009, 07:16

Guten Morgen!


Hallo Hungryheart!

Ich darf Dich mal zitieren:
"Dieser Aspekt, also der eigene Anteil am Entstehen "des zu Vergebenden" kommt mir ein bisschen zu kurz.
Wenn man den sieht, ist es vielleicht auch manchmal gar nicht sooo schwer, gelassener zu werden und zu verzeihen.

Oder vielleicht gerade besonders schwer, weil man die eigenen dunklen, dämlichen, unintelligenten, gestörten , whatever, seiten nicht wahrhaben will.....""

Ja, seh ich auch so, allerdings seine "Schattenseiten" zu sehen, ist oft schwer , sie zuzugeben noch viel schwerer.

@Hallo Eve!

hm, ich hab grad festgestellt dass ich damit hier nicht viel anfangen kann, bzw. zum Teil, würdest Du mir das bitte nochmal erläutern?

Ich darf zitieren:
"Ein wackeliges Selbstbewusstsein reicht als Grund nicht aus bzw. sind diese Menschen oft auf anderen Gebieten selbstbewusst genug."


( sorry diese Quotefunktion geht bei mir nicht )


@Hallo Anastasius!

Du hast hier was geschrieben, was ich sehr gut kenne!

Als Beispiel: Der Freitod eines Freundes den wir gefunden haben, ich kann mir nur schwer verzeihen, nicht gesehen zu haben wie es ihm wirklich ging.

Ich danke Euch sehr herzlich für dieses Thema!

Nachdenklich macht es mich immer wieder, da ich anderen sehr leicht verzeihen kann, das mir selbst verzeihen ist schwer für mich. Klar hängt es auch damit zusammen dass, wir alles anders wahrnehmen als unser Gegenüber, oft vielleicht nur unser Selbstbewusstsein angeknackst oder die Kritik an uns nicht gerne hören. Whatever!

Auch hab ich Menschen um mich, die bei Kleinigkeiten sofort in die Luft gehen und mit Kontaktabbruch drohen, oftmal nur
weil sie Kritik nicht vertragen oder sich persönlich angegriffen fühlen.

Schwer dann mit diesen Menschen umzugehen, weil ich doch sehr "direkt" bin und sage was ich denke, ecke ich oft genug mal an, wenn so ein "Kontaktabbruch" dann da ist und der Andere auf "Stur" schaltet, ist es fast unmöglich wieder eine Basis zu finden oder ein Gespräch zu erreichen.

Mich würde interessieren , wie handhabt ihr sowas?

Liebe Grüsse
Calimero

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Eve...
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Beitrag Di., 15.09.2009, 08:40

Hallo Calimera!
Ein wackeliges Selbstbewusstsein reicht als Grund nicht aus bzw. sind diese Menschen oft auf anderen Gebieten selbstbewusst genug.

... würdest Du mir das bitte nochmal erläutern?
Ja, erkläre ich gern noch.

Es wird immer wieder unterstellt, wenn jemand schlecht Kritik verträgt, läge das an seinem mangelnden Selbstbewusstsein. Und das finde ich nicht immer schlüssig.

Ich selbst reagiere auf manche Kritik, wie oben schon formuliert, sicherlich oft überspitzt und von daher nicht günstig; das liegt aber m. E. nicht daran, dass mir Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl grundsätzlich fehlt, eher daran, dass mein Selbstwertgefühl durch negative Kritik ins Wackeln kommt bzw. verloren gehen kann. Ich fühle mich dann schnell GANZ infrage gestellt, während ich normal im Alltag als selbstsicher angesehen werde, keine sozialen Probleme in der Richtung habe und mich auch nicht selbst unsicher fühle. Mein Umgang mit Kritik gehört also sicherlich zu meinen Schwächen, aber nicht aus grundsätzlicher Selbstunsicherheit heraus.

Ist das kritische Gegenüber z. B. in der Lage, meine Seite ernst zu nehmen und mit mir darüber zu reden und womöglich sich zu entschuldigen, komme ich mit der jeweiligen Kritik viel besser klar.

Der Schlüssel dürfte da die Akzeptanz bzw. das Gegenteil davon sein. Fühle ich mich akzeptiert und wahrgenommen, ist das das Gegenteil von Ablehnung und Abweisung, die in meinem Empfinden oft in Kritik liegt.

Ich hoffe, ich konnte mich nun klarer ausdrücken ... ?

LG Eve

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Calimero
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Beitrag Di., 15.09.2009, 08:47

Guten Morgen Eve!

Danke für Deine Erklärung, ja das war verständlich!

Geht mir ähnlich wie Dir, als ich das erste Mal bei einem Therapeuten war, meinte der, WO mein Problem denn liege, er findet dass ich sehr selbstbewusst bin.
Durch meinen Beruf, habe ich gelernt nicht zu zeigen wie es mir wirklich geht, Jahrelanges Antrainieren von einer "selbstbewussten Maske" haben mich nicht wirklich weiter gebracht. _Zwar beruflich aber privat, war es immer sehr schwer.

Jegliche Kritik, privater Art, hat mich schnell mal aus der Bahn geworfen, bis ich erkannte, WIE ich bei meinem Gegenüber ankomme, wenn ich ständig meine "Maske" aufhabe.

Es war schwer diese "Maske" wieder abzulegen, zu zeigen WER und WIE ich wirklich bin, verdanke ich unter anderem auch meinem Therapeuten, meinen Freunden und auch meinen Partnern, die mir schmerzlich bewusst machten, was ich mir selbst damit antat.

Liebe Grüsse und Danke für Deine ehrliche Antwort.

Calimero

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Eve...
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Beitrag Di., 15.09.2009, 08:48

Liebe Calimero,

schön, dass Du mich nun verstehen konntest.

Noch zu Deiner Frage der Kontaktabbrüche, passend zu dem, was ich vorher schrieb; ich wäre vielleicht auch so ein "Kontaktabbrecher":

Ich denke, in solch einem Fall muss man auf denjenigen zugehen in einer Haltung der Akzeptanz, also dessen Gefühle ernst nehmen und als berechtigt ansehen, egal, wie man selbst es "gemeint" hat. "Recht" hat da erst einmal der Betroffene.

Dann demjenigen sagen, dass es einem einfach leid tut, dass man es nicht so gemeint habe - ich meine, dabei sollte niemandem der berüchtigte Zacken aus der Krone fallen. Ich selbst wäre dann IMMER sofort - zumindest ein Stück weit - besänftigt.

Genau das Gegenteil tritt ein, wenn man dicht macht und sich sagt: "Pöh, was gehen mich seine/ihre Gefühle an!" Und das dem Betroffenen signalisiert, das würde wohl bei den meisten die Jalousie ganz runtergehen lassen.

LG Eve

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Calimero
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Beitrag Di., 15.09.2009, 09:13

Hallo Eve!

hm, wenn ein Kontaktabbruch erwünscht wird oder einfach so stattfindet,
dann finde ich es erstmal wichtig dies auch so zu akzeptieren, meist kommt von mir dann ein Sorry bitte, ich hab wohl einen wunden Punkt getroffen, wenn Du reden magst bitte sag mir Bescheid.

Mehr kann ich da doch nicht mehr tun? wenn mein Gegenüber dann sagt NEIN, absolut keinen Kontakt mehr, wie ich auch leider grad bei meiner Tochter erlebt habe, was dann?

Da bleibt nur die Akzeptanz und die Hoffnung auf ein Zeichen?
Traurig nur, dass das ganze auf lauter kleinen Missverständnissen zu stande kam, und keiner eigentlich mehr weiss worum es wirklich geht, und das andere Familienmitglieder wie meine Enkeltochter, die ganze Familie darunter leiden...

Darum meine Frage, nach dem "WIE" nun weiter reagieren?

Klar nehme ich ihre Gefühle wahr und auch sehr ernst, das hatte ich auch in ein paar Annäherungsversuchen auch gesagt....doch ohne grosse Antwort.

Liebe Grüsse
Calimero

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Eve...
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Beitrag Di., 15.09.2009, 11:57

Hallo Calimero!

Dann hast Du ja bereits Dein Möglichstes versucht. - Im Fall Deiner Tochter würde ich wohl noch nicht aufgeben, sondern von Zeit zu Zeit ruhig nochmal einen kleinen Vorstoß wagen. Eventuell in der Form, dass Du ihr offen schreibst, wie Du das alles siehst, dass Deiner Ansicht nach Missverständnisse mitspielen, und vor allem, wie leid es Dir tut ...

Du wirkst hier per Buchstabe zugänglich und alles andere als hart; da sollte doch auch eine nochmalige Annäherung möglich sein. Gut, ich weiß ja nicht, was zwischen Euch vorgefallen ist, dass sie sich dermaßen abwehrend verhält ...

Sicherlich kommt es auf jeden einzelnen an Fall, wie er sich ergeben hat.

Soweit es die eigenen Kinder betrifft, können einem Schuldgefühle schwer zu schaffen machen, mehr als sonst. Da hast Du Recht, wenn Du sagst, es sei sehr wichtig, Dir selbst zu vergeben. Wenn Deine Tochter Dir nicht verzeiht, wird es sehr schwer; ich denke, dann brauchst Du dafür unbedingt therapeutische Hilfe.

LG Eve

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Calimero
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Beitrag Di., 15.09.2009, 15:54

Hallo Eve!

Danke Dir sehr herzlich für Dein Mitgefühl und Deine lieben Worte.
Ja normal bin ich auch nicht sehr hart, eher nah am Wasser gebaut wenn es um meine Familie geht.

Es ist viel vorgefallen und von , auch böse Worte, auch meinerseits bin ich mal so richtig explodiert und hab Worte gesagt die ich zu tiefst bereue.

In der Therapie hab ich vieles aufgearbeitet, mein Thera meinte damals, meine Tochter und ich sollten erstmal den Kontakt ( wir hatten eine Art Mediation ) auf "oberflächliche Kommunikation" halten zuliebe meiner Enkelin.

Funktionierte leider nicht obwohl wir Beide einwilligten, je mehr ich mich dann auf meine Enkelin konzentrierte um so schlimmer wurde es, auch die Eifersucht meiner Tochter auf die Kleine ist spürbar, verständlich ( das hier zu erläutern würde den Rahmen hier sprengen ) aus der Vergangenheit heraus.
Ich sollte dies und jenes nicht sage , zeichnen mit ihr etc...

Sie wünschte dass ich meinen Kontakt sehr einschränke...bis ich beschloss die Situation total zu entspannen und bin weggezogen.

Nun das war das Schlimmste was ich tun konnte, denn nun wirft sie mir vor, ich sei geflüchtet und hätte sowieso kein Interesse an Ihr ..obwohl ich ja ihre "Leibliche Mutter" sei, hätte ich ihr das jetzt bewiesen.

Das gab erneut Streitthema und ich hab heulend aufgelegt.

Dann kam der Anruf ihrerseits ich möge der Kleinen nur noch ein Geburtstagsgeschenk schicken und mich nicht mehr melden

Um zu zeigen dass ich das akzeptieren, habe ich mich auch bis dato nur noch mittels Geburtstagsgeschenk an meine Enkelin gemeldet und beschlossen es erstmal ruhen zu lassen.

Ja, Mütter sind nu mal nicht perfekt , ich schon gar nicht

Liebe herzliche Grüsse
Calimero

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Phönixia
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Beitrag Di., 15.09.2009, 16:25

Hallo Eve,
Ja, aber warum nicht, ist hier die Frage. Ein wackeliges Selbstbewusstsein reicht als Grund nicht aus bzw. sind diese Menschen oft auf anderen Gebieten selbstbewusst genug.

Macht vielleicht angst, dort hinzusehen - könnte ja bedeuten, man sei nicht liebenswert ... Nicht liebenswert zu sein, könnte wiederum die Folge haben, allein und ungeliebt zurückzubleiben ...
Ich greife mal diesen Beitrag von dir wieder auf. Ich habe letztens etwas interressantes gehört. Wir brauchen die "Kritik" anderer Menschen um unser Selbstbild zu korrigieren.

Wenn du also Kritik ausgesetzt bist, kommt möglicherweise nicht dein Selbstbewusstsein ins wackeln, sondern du beginnst an deinem Selbstbild dass du von dir hattest zu zweifeln.

Ein Beispiel: Vielleicht hält sich jemand für eine einfühlsame, verständnisvolle Person, die sehr achtsam mit anderen Menschen umgeht. Jetzt bekommt diese Person die Kritik, sie sei egoistisch und überhaupt gebe sie oft unbedachte verletztende Bemerkungen von sich. Sie wird es entrüstet von sich weisen, und verletzt reagieren (wahrscheinlich), da das bei ihr ja (nach ihrem Selbstbild) nicht zutrifft.

Wenn sie erkennt, dass in der Kritik doch ein wahrer Kern steckt, hat sie die Chance diese "Defizite" zu korrigieren um tatsächlich dann die verständnisvolle Person zu werden, die sie ja eigentlich sein will!

Somit kann Kritik schon sehr nützlich sein, wir brauchen diese "Rückmeldungen" von aussen, damit eine wirkliche Reflektion über einem selber auch gelingen kann. Das heißt mit ihrer Rückmeldung, mit ihren Reaktionen reflektieren sie uns ja auch ein Stück weit uns selbst.

Ich hoffe ich habe mich irgenwie klar ausdrücken können, wie das gemeint war.

liebe Grüße

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Eve...
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Beitrag Di., 15.09.2009, 18:22

Hallo Phönixia!

Ein interessanter Beitrag von Dir - ich kann damit sehr viel anfangen, danke. Ich glaube, dass Du Recht hast: Wenn unser Selbstbild ins Wanken gerät, kann das sehr bedrohlich sein.

Liebe Grüße
Eve

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Eve...
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Beitrag Di., 15.09.2009, 19:36

Hallo Anastasius!
Nicht zu vergessen aber, in gröberen Angelegenheiten gibt es auch Verzeihungsbedürftiges, wo man selbst nun tatsächlich rein gar nichts damit zu tun hat.
Hm - das hab ich nicht verstanden. Was meintest Du damit?

Gruß
Eve

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Beitrag Di., 15.09.2009, 20:16

Hallo Eve...,

es war ja zuvor bei hungryheart von eher "alltäglichen" Konflikten die Rede. Da tragen in aller Regel sicher beide zur Spirale bei. Selbst wenn der eine als der Gute oder "Opfer" erscheint
Anastasius hat geschrieben:. . . gibt es auch Verzeihungsbedürftiges, wo man selbst nun tatsächlich rein gar nichts damit zu tun hat.
Ich dachte an Situationen wie: Ich kenne zwei Trennungsfälle, wo A den B gnadenlos betrügerisch "abgezockt" hat. (Recht haben ist ja nicht immer gleich Recht bekommen, und zumal schwierig, wenn die Beweislage nicht rechtlich lückenlos ist.) Da ist B dann in keiner Weise dran beteiligt und die Frage des Verzeihens stellt sich dann sehr anders. Das, und auch manch andere denkbare Dinge, haben dann nicht`s mit B`s dunkler Seite zu tun.

Gruß
Anastasius

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today
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Beitrag Mi., 16.09.2009, 13:06

Die Phase der auf den anderen gerichteteten Wut und Gekränktheit beinhaltete für mich immer das denken, der andere hätte sich anders - richtiger - verhalten können.
Sozusagen meinen Erwartungen entsprechend.
Und diese Erwartungen sind dann enttäuscht worden.

ICH hatte dann wohl nicht die richtigen Erwartungen.
Schwupps war ich allein mit mir.

Vergeben, verzeihen ..... was denn? Dass der andere sich entsprechend seiner "Programmierung" verhalten hat? Und nicht entsprechend meiner "Programmierung"? Dass er ein anderes Wertesystem als ich hat ?

Ich hab noch keinen gefunden mit dem selben.
Und wird wohl auch nicht passieren.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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(V)
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Beitrag Fr., 09.10.2009, 03:01

Seit ich das letzte Mal in diesem Thread schrieb hat sich bei mir sehr viel getan in Richtung loslassen. Ich frage mich gerade, inwieweit dies mit dem Verzeihen parallel geht. Vieles von meiner WUT und HASS sind verschwunden. Oder besser umgekehrt gesagt: Vieles regt mich nicht mehr auf, ist zwar noch immer ärgerlich, aber lässt mich ansonsten recht kalt. Natürlich nicht alles. Und wenn ich nun Rachegedanken habe, dann ganz ungeniert und entspannt.

Doch genau das ist die Frage: Heißt weniger Wut, Hass, sich aufregen automatisch, dass man mehr verziehen hat?

Eben habe ich wieder ein Buch gelesen, aus ganz anderer Richtung, wo es u.a. um Verzeihen und Affirmationen/Meditationen ging. Ich finde es immer noch widerlich. ABER ich picke mir das davon raus, was ich brauche. Und das sieht wie folgt aus:

Ich befreie MICH. Ich bleibe BEI MIR. "ER" spielt dabei keine Rolle bzw. ich wünsche ich immer noch nicht alles Gute oder ähnliches. Ich vergebe mir. Ich sage mit täglich vor, dass ich FREI(ER) bin, dass ich die WUT loslasse, dass ER bedeutungslos und gleichgültig ist. Wenn ich dann aber solche Sätze lese so alle, man soll denjenigen freilassen, demjenigen vergeben, demjenigen alles Gute wünsche... Da bleibt es eindeutig bei meinem klarem Nein.

Und das finde ich eine spannende definitatorische Frage. Denn offenbar gehört es für die einen dazu, DEM Gegenüber zu verzeihen. Als Person als auch die Tat. Nur so könne man loslassen und dass es einem selbst besser gehe. Ich behaupte jetzt aber mal, dass dies überhaupt gar nicht nötig ist. Es reicht voll und ganz dafür zu sorgen, dass einen das Nicht-Verzeihen nicht mehr belastet und gefangen hält. Und das heißt für mich, dass man dem Gegenüber NICHT verziehen muss, damit man sich selbst wieder besser fühlt. Ganz und gar nicht. Man muss nur aufhören, sich durch negative Gefühle selbst zu belasten. Hübsch auf der eigenen Seite, bei sich selbst, bleiben. Dazu müsste man, rein theoretisch, noch gar nicht mal über den Gegenüber nachdenken. Der spielt dabei überhaupt gar keine Rolle.

Eingangs schrieb ich Rachegedanken. Das ist etwas überspitzt. Sagen wir es so: Ich wünsche mir immer noch "ausgleichende Gerechtigkeit", und es würde mir auch Freude mache, selbst etwas dafür bewirken zu können, sozusagen der Vollstrecker zu sein. Aber ich bin nicht mehr davon abhängig. Ich leide nicht mehr, wenn dem nicht so ist.

Und nur weil mich manche Aspekte nun deutlich unberührter lassen als zuvor, heißt das noch lange nicht, dass ich sie gut finde. Mit verzeihen würde ich assozieren, dass man auch für die Folge-Ärgernisse Verständnis aufbringt. Vielleicht mitleidig denkt: "XY kann nichts dafür, ist selbst ja nur ein Opfer seiner Selbst und Störungen, ist halt krank." Nein, so weit muss man nicht gehen.

Meine Gedanken sind eher in die Richtung: "XY ist immer noch ein A***, wird sich nie ändern, ist und bleibt ein elender Feigling, ein Verräter, widert mich an. ABER ich habe jetzt einfach kein Bock mehr, mich darüber aufzuregen und mir den Tag und meine Psyche versauen zu lassen."

Empfinde das gerade alles als sehr, sehr erholsam.

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Eve...
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Beitrag Fr., 09.10.2009, 07:55

Doch genau das ist die Frage: Heißt weniger Wut, Hass, sich aufregen automatisch, dass man mehr verziehen hat?
Das glaube ich unbedingt. Sobald einiges an Selbstgerechtigkeit, Rachegedanken usw. verschwunden sind, empfindet man ein Freiheitsgefühl und zunehmend Frieden. Das sagt doch etwas aus!

Das Gegenteil: Unbewältigter Hass kann krank machen, weiß man seit langem.

Ich bin ebenfalls ein gutes Stück weitergekommen, was das Verzeihen angeht; sicherlich auch mit Hilfe dieses Threads. Wenn man unmittelbar daran teilnimmt, wie andere mit dem Wunsch und der gleichzeitigen Unfähigkeit, zu verzeihen, kämpfen, hilft dieses durchaus, auch weil man durch die Zeilen hindurch häufig feststellen kann, wo etwas (noch) in Schieflage ist - was im besten Fall ermöglicht, auch bei sich selbst Korrekturen vorzunehmen.

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