Panik vor den letzten Stunden

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Philosophia
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Beitrag Mi., 31.08.2022, 22:10

Nur kurz, weil ich unterwegs bin: Ich wünsche dir eine Stunde, wo alles so sein darf, wie es gerade ist. Das mit dem Geschenk finde ich wunderbar. Hab ich auch gemacht - war auch kein Gebrauchsgegenstand. Du schaffst das! Ich hatte damals auch schlimm Angst, nicht das Richtige sagen zu können - klappte dann aber.
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ArcticFox
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Beitrag Fr., 02.09.2022, 21:14

Tja, nu ises vorbei. Ich glaube, so richtig realisiert habe ich es noch nicht. Meine Hauptemotion gestern nach der Stunde war Erleichterung. Ich habe mir in den letzten Wochen und Monaten so viel Druck gemacht bzw. ich hatte einfach solche Angst vor diesem Termin (die Threadüberschrift heißt nicht umsonst so), dass ich gestern danach einfach nur gemerkt habe, wie eine tonnenschwere Last von mir abfällt. Die Erleichterung spüre ich auch immer noch, aber ich merke, dass sich da heute auch langsam andere Töne einschleichen. Das vertraute Brennen in der Magengegend, wenn ich gerade emotional sehr aufgewühlt bin, sehr traurig, verletzt oder verzweifelt, kommt zwischendurch hoch. Aber noch bleibt es nicht und ich kann auch noch nicht die tatsächliche Emotion dazu spüren. Aber ich weiß, es wird kommen.

Ich weiß auch (noch?) nicht, wie ich die Stunde gestern eigentlich fand. Irgendwie war sie gut und irgendwie war sie aber auch echt komisch. Ich hatte mir jetzt im Endeffekt nichts Konkretes überlegt, was ich in dieser Sitzung machen wollte, außer, dass ich ganz am Anfang noch ein paar Sätze zu seiner Reaktion letztes Mal loswerden wollte. Das lief dann auch tatsächlich sehr gut, habe es geschafft, da nicht in eine Diskussion mit ihm einzusteigen, sondern einfach nur nochmal meiner Enttäuschung und der gefühlten Ablehnung / Abwertung etc. Ausdruck zu verleihen - ohne dass ich eine bestimmte Reaktion von ihm erwartet hätte. Ich fand es dann aber sehr schön, dass er sich dafür entschuldigt hat, diese Gefühle in mir hervorgerufen zu haben und dass es ihm nicht egal sei. Aber er sei eben der Ansicht, dass seine Haltung therapeutisch notwendig ist und er es deshalb in Kauf genommen habe.


Dann haben wir nochmal angeschaut, was eigentlich meine Ziele waren, als ich damals mit der Therapie begonnen habe und was davon und darüber hinaus ich erreicht habe, wie zufrieden ich mit dem Ergebnis bin und haben generell die Jahre und Ereignisse nochmal Revue passieren lassen. Das war sehr spannend und auch schön und dabei hat der Thera mir auch deutlich seine Anteilnahme und Berührung an meinem Weg gezeigt und gesagt.

Irgendwann gegen Ende habe ich es dann tatsächlich noch fertig gebracht, ihm zu sagen, was ich hier vor ein paar Wochen geschrieben habe (ihn nicht mehr zu brauchen, aber dafür zu lieben). Das war für mich wichtig und mir war in dem Moment ehrlich egal, was er damit macht. Er hat dazu u.a. gesagt, dass er sehr stolz darauf ist, dass ich inzwischen beides haben und sogar zeigen kann: die Enttäuschung über ihn und die Zuneigung zu ihm.

Er ist wirklich v.a. sehr stolz auf das Erreichte und freut sich für mich, das ist während der Sitzung immer wieder deutlich geworden. Er war während dieser Stunde auch insgesamt schon sehr zugewandt, aber gleichzeitig auch auf eine bestimmte Weise distanziert. Ich habe sehr deutlich gespürt, dass ich gerade mit einem professionellen Menschen rede und er diese Grenze, die er in der Sitzung davor so deutlich gemacht hat, auch rigoros einhält. Da war zu keinem Zeitpunkt so etwas ähnliches wie Abschiedsschmerz oder Bedauern erkennbar. Nur Stolz und Freude, die er gezeigt hat.


Über mein Geschenk (die erwähnte Postkarte mit Bildmetapher und kurzem Zweizeiler) war er sichtlich gerührt und ganz am Ende hat er mir etwas nervös das Angebot gemacht, ihn zum Abschied zu umarmen. Das hat mich wirklich sehr überrascht, insbesondere in Anbetracht seiner vorher so sorgsam gezogenen Grenzen und auch, weil er während der Therapie da immer sehr deutlich war, dass es vom Handschlag zur Begrüßung abgesehen, keinerlei Körperkontakt mit ihm gibt (und Handschlag hatten wir corona-bedingt jetzt auch seit 2 Jahren nicht mehr...). Darüber bin ich auch im Rückblick immer noch ganz perplex. Ich habe sein Angebot angenommen und es war eine der seltsamsten Erfahrungen, die ich während all der Zeit mit ihm gemacht habe. Ich habe mich ihm während der Therapie oft sehr nah gefühlt und hätte deswegen erwartet, dass das für mich gar nicht komisch ist, ihm auch körperlich so nah zu kommen. Allerdings hab ich in diesem Moment sehr deutlich den Unterschied gemerkt, denn ich hatte das Gefühl, ihn als Person und nicht
den Therapeuten zu umarmen und er selbst ist im Grunde eine fremde Person für mich und so hat es sich nicht besonders vertraut angefühlt. Es war trotzdem sehr schön, v.a. die Geste an sich fand ich einfach sehr bewegend. Auch, wenn ich nicht verstehe, warum er das getan hat.
Zuletzt geändert von ArcticFox am Fr., 02.09.2022, 21:48, insgesamt 1-mal geändert.

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ArcticFox
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Beitrag Fr., 02.09.2022, 21:17

Und es bleibt dabei: Ich habe während 5 Jahren Therapie kein einziges Mal vor ihm geweint. Irgendwie finde ich das etwas schade, denn ich habe heute im Nachgang gemerkt, dass ich während der Sitzung nie so richtig zur Ruhe gekommen bin oder Stille habe aufkommen lassen, weil ich dem Schmerz währenddessen ausweichen wollte. Hab das Gefühl, etwas Gutes verpasst zu haben.

Ich bin sehr ambivalent über diese Sitzung, mein eigenes und sein Verhalten. Ich denke, ich war ihm während der Therapie nicht egal, aber ich glaube auch, dass er mich bzw. seine Patienten nach der Therapie sehr konsequent emotional loslässt und ihm damit dann schon egal werde. Das finde ich einerseits zwar nachvollziehbar und vermutlich auch gesund für ihn, aber anderseits ziemlich schmerzhaft und ich bin nicht überzeugt davon, dass das therapeutisch notwendig ist... Ich kämpfe immer noch damit, dass sich das einfach nach Abwertung und Ablehnung anfühlt.

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Lilien
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Beitrag Fr., 02.09.2022, 23:42

Lieber ArticFox,

vor über einem Jahr war ich in einer ähnlichen Situation. Mein Therapeut ist leider in den letzten Sitzungen nicht auf meine Ängste vor dem Therapieende bzw. meine damit verbundenen gemischten Gefühle eingegangen und verhielt sich bis zum Schluss eher distanziert-professionell, teilweise auch abweisend bzw. gab es halt diese typischen Floskeln von "Ich bin ja nicht aus der Welt" oder "Es gibt auch einen anderen Therapeuten, der meine Rolle einnehmen können wird", was mir einen Stich versetzte und mich auch heute noch ein wenig sauer macht, weil es mir das Gefühl gab, dass meine Gefühle ihm gegenüber irgendwie recyclebar gewesen wären. Auch gab es keine wirklichen Angebote, im Sinne von "Kommen Sie doch dann und dann wieder...".

Ich erwähnte in einer der letzten Sitzungen, dass ich mich dann auf jeden Fall in sechs Monaten wieder melden würde, was von ihm mit Schweigen quittiert wurde und mir deutlich zeigte, dass die Therapie von seiner Seite tatsächlich beendet zu sein schien (bis auf eben eventuelle "Notfallstunden").

Jedoch bot er mir ebenfalls eine Umarmung zum Abschied an, die mich, zugegebenermaßen tatsächlich auch für ein paar Tage über den Abschied ein wenig getragen hat.

In dem Moment habe ich ihn als Menschen/Person und nicht in der Rolle als Therapeut bzw. in meiner "Rolle" als Patientin umarmt und das kann irritieren, insbesondere, wenn der Therapeut, so wie bei uns beiden, sich bis zum bitteren Ende eher als unnahbar und "professionell" zeigte und man sich abgelehnt und mit seinem Herzschmerz dann doch eher allein gelassen oder als "Exot" unter all den anderen vermeintlich ja so "rationalen" Patienten fühlte.

Ich hoffe, ich kann Dir, trotz allem, ein wenig Mut machen, dass der Schmerz eines Tages weichen wird. Bei mir ist es jetzt definitiv noch viel besser als noch vor einem halben Jahr und ich wünsche mir für Dich, dass, wenn Du in einem Jahr hier in Deinen Thread reinschaust, Du an einem ähnlichen Punkt sein wirst, gerade, da Du ja auch viel Positives aus Deiner Therapie hast ziehen können und das ist wunderbar!

Das, was Du hier beschrieben hast, habe ich in meiner Therapie ähnlich empfunden und ich bleibe auch dabei (und jaaa... es klingt ein bisschen kitschig ;) ), das Herz, das liebt und das kann es aus vielfältige Weise, kennt keine "Arbeitsbeziehung".

Deine Gefühle sind echt, sie dürfen sein und es macht einen Therapeuten nach einer so langen Zusammenarbeit nur authentisch, wenn er auch dazu stehen kann, dass ihn der Abschied schmerzt, selbst, wenn er den Patienten in eine rosige Zukunft entlässt.

Ich denke, das Angebot dieser Umarmung an Dich, war dann eben doch eine Form von Zugeständnis an Dich. Du bedeutest ihm etwas und das ist nach einer so lange Zeit, in der man sich regelmäßig gesehen hat, auch "normal" bzw. zu erwarten. Diese von ihm nach außen getragene Konsequenz, bloß nicht zu emotional auf das nahende Therapieende zu reagieren, könnte für ihn ja auch eine Form von Schutzwall gewesen sein, sich selbst zu begrenzen, um vor den Patienten bloß nicht "schwach" zu wirken. Ich bin mir sicher: Du bist und warst ihm nicht egal und Du wirst ihm auch nicht egal werden.

Mit der Zeit wird es besser werden und jetzt gehört dieser Verlust für Dich einfach betrauert! Vielleicht kannst Du ja u.a. auch diesen Thread hier dazu nutzen, wenn es Dir hilft, Dir alles von der Seele zu schreiben und dabei vielleicht auch Dinge zu äußern, die Du Deinem Therapeuten nicht mehr sagen konntest.


Ich wünsche Dir alles Liebe!

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ArcticFox
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Beitrag Sa., 03.09.2022, 14:20

Wenn ich das gerade noch richtig in Erinnerung habe, dann hattest du hier vor ein paar Monaten geschrieben, dass du nach deinem Therapieende nicht mehr zu einzelnen Sitzungen dort warst, weil du froh warst, den Abschiedsschmerz endlich hinter dir gelassen zu haben. Hat sich daran inzwischen etwas geändert oder planst du inzwischen, dich doch nochmal zu melden? Du schreibst hier ja gerade, dass du deinem Thera gesagt hast, dass du dich nach 6 Monaten wolltest und er darauf gar nicht eingegangen ist und er generell sehr distanziert in der Abschiedsphase reagiert hat. Glaubst du, du hättest diesen radikalen Schnitt für dich auch gebraucht, wenn er anders auf dich eingegangen wäre?

Entschuldige, falls du dich ausgefragt fühlst. Ich bin zum einen sehr interessiert an Erfahrungen Anderer mit der Zeit nach ihrer Therapie und wie sich das im Laufe der Zeit vielleicht verändert hat und zum anderen stelle ich mir selbst gerade die Frage, ob ich einen radikalen Abschluss gerade brauche oder ob und unter welchen Umständen es für mich eine Option ist, nochmal in der Zukunft einen Termin bei ihm zu machen.

Ich habe ja auch tatsächlich noch eine offene Stunde meines bewilligten Kontingents, die ich bis Ende nächsten Jahres nehmen kann. Ich hatte mich als Experiment für mich darauf eingelassen und eigentlich wollte in der letzten Sitzung auch schon einen festen Termin in ca. 6 Monaten mit ihm dafür vereinbaren. Aber das wollte er nicht, weil er meinte, so lange im Voraus ist es ja sehr wahrscheinlich, dass der Termin verschoben werden muss (weil es ein fortlaufender Termin eines anderen Patienten ist oder vielleicht im Urlaub etc. ist) und ich soll mich dann einfach bei ihm melden. Für mich hätte es irgendwie einen Anker gesetzt, auch wenn der Termin sehr wahrscheinlich verschoben hätte werden müssen und ich mir noch nicht sicher gewesen wäre, ob ich überhaupt hingehe. So hat es irgendwie meinen Eindruck von "er schneidet mich raus" verstärkt :-( Auf der anderen Seite hat er mich verabschiedet mit "Dann bis spätestens nächstes Frühjahr." Ich denke, es bleibt für mich einfach so, dass ich ihn sehr widersprüchlich finde...

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Winni
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Beitrag Sa., 03.09.2022, 17:36

ArcticFox hat geschrieben: Ich habe während 5 Jahren Therapie kein einziges Mal vor ihm geweint. Irgendwie finde ich das etwas schade, denn ich habe heute im Nachgang gemerkt, dass ich während der Sitzung nie so richtig zur Ruhe gekommen bin oder Stille habe aufkommen lassen, weil ich dem Schmerz währenddessen ausweichen wollte. Hab das Gefühl, etwas Gutes verpasst zu haben.
Hallo ArcticFox,

ich weiß nicht, ob Du durch das "Nicht-Weinen" etwas verpasst hast. Aber Du läufst aus meiner Sicht Gefahr, JETZT etwas Gutes zu verpassen. Nämlich den Abschiedsschmerz Dir anzuschauen, zuzulassen, wertzuschätzen. Ganz für Dich allein. Und daraus dann Stärke entstehen zu lassen.

Du beschreibst in Deinem Beitrag so viele schöne Dinge aus der letzten Sitzung. Und aus Deiner Erzählung merke ich, dass nicht nur Du dir viele Gedanken um diese letzte Sitzung gemacht hast, sondern offenbar auch Dein Therapeut. Du schreibst
ArcticFox hat geschrieben: Ich fand es dann aber sehr schön, dass er sich dafür entschuldigt hat, diese Gefühle in mir hervorgerufen zu haben und dass es ihm nicht egal sei.
und
ArcticFox hat geschrieben:Dann haben wir nochmal angeschaut, was eigentlich meine Ziele waren, als ich damals mit der Therapie begonnen habe und was davon und darüber hinaus ich erreicht habe, wie zufrieden ich mit dem Ergebnis bin und haben generell die Jahre und Ereignisse nochmal Revue passieren lassen. Das war sehr spannend und auch schön und dabei hat der Thera mir auch deutlich seine Anteilnahme und Berührung an meinem Weg gezeigt und gesagt.
und
ArcticFox hat geschrieben: Über mein Geschenk (die erwähnte Postkarte mit Bildmetapher und kurzem Zweizeiler) war er sichtlich gerührt und ganz am Ende hat er mir etwas nervös das Angebot gemacht, ihn zum Abschied zu umarmen.
und unterstellst ihm trotzdem verbissen, dass Du ihm egal bist? Bist Du so sehr auf bestimmte Worte fixiert, dass Du alles andere negierst? Das wäre sehr schade. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, er hätte in dieser Stunde machen und sagen können, was er wollte - es wäre nicht gut genug für Dich gewesen. Irgendein Haar hättest Du gefunden.

Du beschreibst, dass er "... mich bzw. seine Patienten nach der Therapie sehr konsequent emotional loslässt".
Das muss er auch. Ein Therapeut, der sich nicht abgrenzen und seine Patienten nicht loslassen kann, ist ein schlechter Therapeut. Aber Du unterstellst gleichzeitig, dass Du ihm damit dann schon egal bist. Und Du empfindest das sogar als "Abwertung und Ablehnung". Ich bin ganz sicher, dass ein Therapeut das Scheiden eines langjährigen Patienten betrauert. Es ist auch für ihn ein Verlust. Aber er hat viele Patienten. Deshalb wird er für sich einen Weg finden müssen, diesen Verlust angemessen, für sich alleine, zu betrauern.

Es mag Therapeuten geben, die einzelnen Patienten ihre ganz besonders Wertschätzung und Zuneigung vermitteln, vielleicht sogar ein paar (für den Patienten sichtbare) Tränen vergießen. Aber das ist ganz sicher nicht die Regel. Mein Thera hat beim Abschied auch nicht mit mir geweint. Und er hat mir auch nicht gesagt, dass er mich nie vergessen wird, und dass seine Tür jederzeit für mich offen steht... ich weiß es trotzdem.

Du kreidest ihm jetzt auch negativ an, dass er Dir keinen Termin für die aussehende Notfallstunde in 6 Monaten gegeben hat. Warum? Schreibst Du nicht selbst, dass jetzt eine Last von Dir abgefallen ist? Warum ziehst Du jetzt nicht einfach "hinaus in die Welt" und lebst Dein freies Leben? Stell Dir vor, ihr hättet tatsächlich den Termin ausgemacht. Was würde das mit Dir machen? Du könntest jetzt nicht wirklich mit Deinem Abschiedsschmerz arbeiten, sondern würdest wahrscheinlich wieder die Stunde in sechs Monaten zum Mittelelpunkt Deines Denkens machen.

ich wünsche Dir sehr, dass Du Dir Deine Trauer jetzt gönnst, Deinen Schmerz zulässt. Er darf sein, und er wird noch lange da sein. Auch bei mir kommt - trotz der langen Zeit - immer noch manchmal eine tiefe Sehnsucht auf. Nicht nach dem Therapeuten, aber nach dem, was wir erarbeitet haben und was das in mir auslöst. Dem möchte ich aber keinesfalls ausweichen, ich möchte es nicht verdrängen. Es ist immer noch Teil der Therapie, meines Werdens. Und das geht hoffentlich noch lange weiter.

Alles Gute für Dich!
"An Ärger festhalten ist wie wenn Du an einem Stück
Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen -
derjenige, der sich dabei verbrennt, bist Du selbst" (Buddha)


Natusik
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Beitrag Sa., 03.09.2022, 19:20

Hallo,
ich würde mal sehr gerne von denjenigen, die hier immer so tapfer mitgeschrieben haben, eine Antwort bekommen: Es ging hier (fast) die ganze Zeit darum, dass der Psychotherapeut nicht den Abschied veranstaltet, den ArcticFox sich wünschen würde. Meine Fragen: Wieso, findet ihr, sollte der Abschied so ablaufen:
- der Psychotherapeut soll unbedingt traurig sein, dass der Patient geht;
- Er (Therapeut) soll - ob er will oder nicht - dem Patienten klar & deutlich zeigen, dass er es schade findet, dass die Psychotherapie zu Ende ist;
- Falls das eben anders abläuft, wie in diesem Fall deutlich zu sehen ist, dann ist der Therapeut nicht genug mitfühlend/zu distanziert/zu abgegrenzt.
Er war der behandelnde Arzt und nicht mehr, auch wenn er die Seele heilte. Mein Orthopäde, der mich jetzt seit Jahren wegen meinen Nackenverspannubgen behandelt hat, war auch super: Er hat das Nackenproblem nicht nur gelöst, sondern wir verstanden uns supergut (nach so viel Zeit), haben uns auch immer toll miteinander unterhalten. Soll er jetzt auch traurig sein, nachdem mein Nacken wieder gesund ist?
Ich bin zwar keine Therapeutin, finde aber das Verhalten des Psychotherapeuten sehr gut, besser hätte er das nicht machen können.
Ich war selber in Therapie und mein Therapeut hat immer eine gewisse Mischung aus Nähe und Distanz gehalten. Und genau so soll es sein! Wenn ein Therapeut nach Therapieende weint, traurig ist, den Patienten nicht gehen lassen möchte, usw., findet ihr nicht, dass er etwas ZU VIEL NÄHE zugelassen hat? Ich schon.
Damals dachte ich, mein Therapeut macht was falsch (hab deswegen auch zwei Threads hier eröffnet), doch mit der Zeit habe ich eins verstanden, dass er eben alles (in diesem Fall) richtig gemacht hat, er darf diese feine Grenze Therapeut/Klient nie und unter keinen Umständen verlassen.
ArcticFox,
ich wünsche dir, dass du irgendwann mit der Zeit, genau wie ich, das erkennst und dafür sehr dankbar wirst, denn solche Therapeuten, wie deiner und meiner, findet man, so wie es aussieht, eher nicht so oft!
LG
"Sich selbst zu lieben - ist der Beginn einer lebenslanger Romanze"
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ArcticFox
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Beitrag Sa., 03.09.2022, 22:50

Ich glaube, ich muss hier mal einen Eindruck korrigieren: mir geht es mittlerweile gar nicht mehr darum, dass oder ob der Therapeut todtraurig über mein Weggehen ist. Ich sehe aber, warum das hier so rüber kommt. Das war zwar ursprünglich mal mein Punkt und ich habe in den letzten Posts leider genau das formuliert. Allerdings war das in meinem Kopf nur das plakative und prägnante Stichwort, das ich verwendet habe, ohne nachzudenken.

Mir geht es darum: Die Art, wie er in diesen letzten Stunden mit mir umgegangen ist, wirkt wie ein Verbindungsabbruch, sobald ich das letzte Mal seine Praxis verlassen habe. Ich ziehe mittlerweile gar nicht mehr in Zweifel, dass er sein Beziehungsangebot während der Therapie ernst gemeint hat. Und ich möchte wirklich nicht, dass er den Weggang von mir oder einem anderen Patienten ernstlich betrauert. Klar fänd ein Teil von mir es schöner, ich wäre etwas besonderes für ihn und er wäre traurig, mich nicht mehr zu sehen. Aber der größte Teil von mir findet es gut, dass es nicht so ist, weil eine Therapie sonst nicht funktioniert. Was mich aber nachhaltig an seinem Verhalten stört, ist dieser empfundene Verbindungsabbruch. Es liegt eher in der Art, wie mit mir geredet hat, welche Formulierungen er benutzt hat etc. weshalb das auf mich so wirkt. Dass er nicht bedauert, dass ich gehe, das ist eine Sache. Die andere ist, dass ich wirklich das Gefühl von sehr vehementem Rauswurf habe - nicht äußerlich, denn ich habe ja noch die Möglichkeit zu gelegentlichen Sitzungen, sondern aus der therapeutischen Beziehung. Es wirkt, als hätte es diese Beziehung für ihn nie gegeben. Und das finde ich unnötig brutal.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich sagen möchte.

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ArcticFox
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Beitrag Sa., 03.09.2022, 23:03

Und nur, um das auch nochmal zu sagen: ich bin mir bewusst darüber, dass manches, was ich hier geschieben habe, etwas extrem wirkt und ich zucke ehrlich gesagt selbst zwischendurch zusammen, wenn ich es später dann nochmal lese. Ich bin gerade (und war es während der Zeit dieses Threads immer mal wieder) sehr emotional und ich sehe einiges, was ich hier schreibe, ein paar Tage, oder manchmal auch nur ein paar Stunden später, anders. Ich bemühe mich, das dann hier für euch nachvollziehbar zu machen, aber ich merke auch, dass ich gerade wirklich sehr mitgenommen bin und zwischendurch nicht mehr geradeaus denke. Vielleicht ist es gut, nicht alle Gedanken, an denen ich mich gerade festbeiße, hier zu posten und durchzukauen. Das hält mich ja letztlich auch dort fest dann. Vielleicht muss ich endlich mal etwas langsamer machen.


Natusik
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Beitrag So., 04.09.2022, 10:52

ArcticFox,
bin mir sicher, dass jeder Patient dem Therapeuten etwas bedeutet hat, sonst hätte er den Patienten nicht in Behandlung aufgenommen 😉
Dennoch war es richtig und wichtig, sich von dem Patienten gegen Ende der Therapie abzugrenzen und so sich selbst und den Patienten auf den bevorstehenden Abschied vorzubereiten.
LG
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Philosophia
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Beitrag So., 04.09.2022, 11:06

Also, ich muss sagen, ich freue mich, dass sich dieser Therapeut dann zum Schluss doch so offen gezeigt hat und so herzlich (so liest es sich zumindest für mich) zu dir war... das mit der Annahme des Geschenkes und des etwas unbeholfenen Umarmungsangebotes finde ich nach dem, was da zuletzt war, sehr anrührend.
Ich glaube im Übrigen, dass er dich nicht einfach vergessen wird - jeder Patient macht etwas mit dem Therapeuten, jede intensive Begegnung lässt auch immer was entstehen, was bleibt. Die Analytikerin hat mir oft von meinen Mitpatienten erzählt, wenn sie der Meinung war, dass mir das helfen könnte (natürlich ohne Namen) - und da waren welche dabei, die vor Jahrzehnten bei ihr waren. Und sie hat mich wissen lassen, dass ich ihr als Analytikerin viel gegeben und somit auch habe. Ich bin mir sicher, ich habe von meinem Mitpatienten profitiert, die die Analytikerin um Erfahrungen reicher gemacht haben. Hab ich ihr auch so gesagt und sie hat damals genickt. Und auch du, Arctic Fox, wirst etwas bei ihm hinterlassen haben. Es entsteht dadurch eine Bindung, die noch besteht, auch wenn man sich nicht mehr sieht. Er kickt dich nicht einfach raus und du bist für immer fort. Klar, der Therapeut hat andere Erfahrungen mit dir als du mit ihm gemacht - das liegt an der Konstellation. Ich wünsche dir, dass du das mit der Zeit spüren kannst.
Das Weinen geht vielleicht später - nicht alles kann in einer Therapie gelöst werden. Es ist eine Starthilfe.
Ich hoffe, du kannst dir jetzt Zeit und Raum zum Nachspüren geben. Du hast harte emotionale Arbeit geleistet die letzten Monate!
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer


Bilderbuch
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Beitrag So., 04.09.2022, 13:03

Ich musste gerade nachdenken. Ich attestierte meiner Thera die Liebe und versprach sie immer in meinem Herzen zu tragen.

Nach 2 Jahren empfinde ich keine Bindung mehr zu ihr. Ich trage mich allein- werde nicht mehr von ihr getragen. Es ist vom Gefühl her lediglich eine Behandlung gewesen und ich war in Trance. Was wichtiger ist, ich empfinde tiefe Bindung zu Personen, die mir sehr nahe standen oder stehen- zu denen ich krankheitsbedingt nix mehr oder kaum etwas oder negatives empfand.
Ich renne nicht mehr hinter einer Mutterfigur gedanklich oder sonst wie einer reiferen Person, die mich unterstützen würde, hinterher.

Meine Thera war sehr distanziert zum Schluss und es war klar, dass wir uns nicht mehr sehen werden und dass sie nicht mehr für mich da ist. Das war heftig aber vielleicht deshalb heilsam..?

Am Ende ist es egal wie der Abschied war. Wichtig ist, was man daraus macht.
Ich habe mir Unterstützung nach dem Abschied geholt, die ich brauchte- in Gruppe getrauert. Seitdem bin ich befreit von diesem Schmerz, für diesen ich nicht vorbereitet wurde in der Therapie.
Was ich aber gelernt habe bei ihr war, mir selber weiter zu helfen.

An die TE Eröffnerin- ich hätte mir auch gewünscht, dass wir beide traurig sind zum Schluss- was normal menschliches Verlangen ist, wenn man sich nah ist. War dem aber nicht und sehr bitter daher. Dafür sind reale Personen traurig wenn wir uns verabschieden und das nehme ich umso mehr wahr und es macht mich glücklich. Viele gute Erkenntnisse noch! Und Geduld mit sich selbst.

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Philosophia
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anderes/other, 39
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Beitrag So., 04.09.2022, 16:59

Ich denke, es kommt immer darauf an, wie die therapeutische Beziehung war, wie man selbst ist - ich habe sehr wohl nach zwei Jahren noch an die Analytikerin gedacht. Und da wusste ich auch noch nicht, dass ich wieder zu ihr gehen würde. Und als ich dann doch wieder zu ihr musste, wusste die Analytikerin auch noch alles - es schien, als wäre ich nie weg gewesen. Das war m.E. die Bidung, die eben auch nach dem Ende bleiben kann. Nach dem, was ich mit ihr erlebt habe, werde ich sie immer im Herzen tragen - egal, was kommt, bis an mein Lebensende. Egal, ob wir uns wiedersehen oder nicht. Aber ich denke, jede/r lernt und bekommt in der Therapie das, was er/sie braucht - und manchmal wird das erst nach dem Ende sichtbar. Nämlich dann, wenn es ans eigenständige Anwenden geht, wie z.B. bei dir, Bilderbuch.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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caduta
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Beitrag So., 04.09.2022, 17:31

ArcticFox hat geschrieben: Sa., 03.09.2022, 22:50 Mir geht es darum: Die Art, wie er in diesen letzten Stunden mit mir umgegangen ist, wirkt wie ein Verbindungsabbruch, sobald ich das letzte Mal seine Praxis verlassen habe.
ArcticFox hat geschrieben: Sa., 03.09.2022, 22:50 Was mich aber nachhaltig an seinem Verhalten stört, ist dieser empfundene Verbindungsabbruch. Es liegt eher in der Art, wie mit mir geredet hat, welche Formulierungen er benutzt hat etc. weshalb das auf mich so wirkt. Dass er nicht bedauert, dass ich gehe, das ist eine Sache. Die andere ist, dass ich wirklich das Gefühl von sehr vehementem Rauswurf habe - nicht äußerlich, denn ich habe ja noch die Möglichkeit zu gelegentlichen Sitzungen, sondern aus der therapeutischen Beziehung. Es wirkt, als hätte es diese Beziehung für ihn nie gegeben. Und das finde ich unnötig brutal.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich sagen möchte.
Vielleicht ist es für manche Therapeuten gar nicht so leicht in einer konkreten Situation das richtige Maß zwischen (gesunder) Abstinenz und emphatischer Zuwendung zu finden? Und das muss dann auch noch mit den sehr individuellen Erwartungen der Patienten zusammenpassen. Vielleicht ist es einfach so, dass es bei dir nicht so gut geklappt hat. Dass er ungewollt sozusagen über das Ziel hinausgeschossen ist und schon ein Stück zu abstinent war? Ist zwar blöd und hilft dir nicht wirklich. Aber er hat sich ja immerhin am Ende entschuldigt. Vielleicht hilft dir dieser Gedanke ja, trotz des Fehlers die positiven Seiten der Therapie zu bewahren.

Persönlich denke ich, dass es besser so ist, als wenn er Grenzen überschritten hätte. So kannst du zwar verletzt sein, es schade finden, wütend sein, aber du kannst trotzdem heilen. Eine Verstrickung - ein ewiges nicht loskommen, weil man zu viel vom Therapeuten erhofft - ist aus meiner Sicht sehr viel schwieriger aufzulösen.

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chrysokoll
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Beiträge: 3985

Beitrag So., 04.09.2022, 17:38

das sehe ich genauso wie caduta!
Und auch wenn das jetzt total banal klingt: Es gibt nie nur diesen einen Therapeuten

ArcticFox, ich würde jetzt eine Zeit vergehen lassen. Trauern. Die erarbeiteten Dinge wirken lassen, rekapitulieren, ausprobieren.
Und dann schauen ob der Wunsch nach einem Termin nach einem halben Jahr noch genau so da ist. Lass das auf dich zukommen.
In einem halben oder einem Jahr erkennst du auch für dich genauer ob du noch Therapie möchtest und brauchst.
Das würde ich dir dann wirklich bei einem anderen Therapeuten empfehlen. Dieser konnte dir einiges geben und ermöglichen, aber nicht alles. Das ist immer so, bei jedem Therapeuten. Lass ein wenig Zeit vergehen und spüre was du brauchst, was dir helfen würde. Das ist ja vielleicht auch gar keine Therapie mehr. Oder was ganz anderes, Gruppe, nonverbale Methoden.

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