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So., 20.06.2021, 08:12
Ich kann mir die gesamte Dynamik der Therapien ganz gut vorstellen, zumindest wenn ich sie vor meine eigenen Erfahrungen stelle.
Als ich zu meiner ersten Therapeutin kam, die wirklich etwas von dem Thema verstand, um das es bei mir ging, brach ich in einer der ersten Stunden zusammen. "Die Klientin dekompensiert", sagte die Thera, während sie telefonisch versuchte, mir einen Klinikplatz zu verschaffen.
Ich verstand die Aufregung nicht, denn schließlich ging es mir mehrmals die Woche so – da sah es halt keiner.
Erst im Rückblick konnte ich erkennen, dass das, was ich als normal begriff, für andere einen krisenhaften Zustand darstellte, der engerer Unterstützung bedurfte.
(Letztlich kam es zu einem tagesklinischen Aufenthalt und die Therapie bei der ambulanten Thera ging danach auch gut weiter. Das nur am Rand.)
Ich weiß aber heute auch, dass ich damals noch nicht sehr gut auf mich selbst draufschauen konnte. Ich war extrem gefangen in mir selbst, sehr schmerzhaft in Not. Und wenn da jemand gekommen wäre, der gesagt hätte: Ich kümmere mich um dich, Ich schicke dich nicht weg (in die Klinik), ich nehme mir ganz viel Zeit und bin für dich erreichbar – und wenn der dann auch noch in vielen Dingen meiner Meinung gewesen wäre – möglicherweise hätte ich dann geglaubt, den Heilsbringer gefunden zu haben, der mich erlösen kann.
Insofern finde ich Phoenaxas Schilderungen absolut nachvollziehbar.
Phoenaxa, in meiner eigenen Not, Bedürftigkeit, Verletzlichkeit habe ich mich auf meinem Weg mit vielem zufrieden gegeben, das im Grunde nicht gut genug war. Ich hab halt nur so dringend jemanden gebraucht, dass ich allem gegenüber die Augen verschlossen habe, was im Grunde zu gut war, um wahr zu sein – und letztlich an meinen Bedürfnissen vorbeiging.
Ich konnte hier niemanden lesen, der dir irgendwas neidet.
Die meisten haben einfach eine längere Therapiegeschichte hinter sich, und von außen fallen einem andere Sachen auf, als wenn man drinsteckt.
Ich würde dir empfehlen, ausgehend von dem Therapeuten dein Netzwerk noch zu erweitern. Vielleicht findest du eine Ärztin, der du vertraust. Vielleicht gibt es noch eine nette Gruppe, der du dich anschließen kannst. Vielleicht findest du eine Beratungsstelle, die du im Notfall anrufen kannst.
Aus meiner Sicht hat es sich bewährt, die Last – und die Hoffnung – nicht auf eine Person zu konzentrieren. Das führt zwangsläufig und immer zu Enttäuschungen.
Einen guten Sonntag wünscht
Kirchenmaus
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.