Ulrich hat geschrieben:
Wenn man sich als Patient alles gefallen lässt, sind Therapeuten manchmal nicht so motiviert. Ich weiß nicht, wie das in einer Übertragungsdeutung zu übersetzen wäre. Es handelt sich dabei ja eigentlich um einen realen Aspekt der Patient-Therapeut-Beziehung.
Woher nimmst Du diese Verallgemeinerung?
In meiner PA spiegelt sich das nicht so. Mein Anayltiker wurde ab ca. der 200 Stdn demotiviert, weil ich aus seiner Sicht, was wir dann in mehreren Stunden besprochen haben,
zu viel kritisiert hätte. Er hatte hier sogar frühere gute Phasen nachträglich in Frage gestellt: Er wollte da symbiotisch auf mich reagieren. (Ich hatte ihn da aber keinesfalls als symbiotisch erlebt, sondern die Impulse als sinnreich und als Erweiterung. Ich sehe es im nachhinein lediglich so, dass er professionell das kann, was ich haben will; ob er als Privatperson dahinter steht, ist mir gleichgültig. Verstehen kann er mich, nur passt es teils nicht in sein Gesellschaftsbild ).
Ulrich hat geschrieben: In der Kindheit ist es ja meistens so, dass die Eltern die Kinder zu Handlungen motivieren (müssen), zu denen sie keine Lust haben, z.B. zur Schule zu gehen. Es ist selten, dass ein Kind versucht die Eltern zu etwas zu ermutigen oder zu motivieren. Die Eltern sehen sich in der Regel als vollkommen an, und das spiegelt sich dann auch in der Eltern-Übertragung auf den Therapeuten wieder. Therapeuten sind in der Gegenübertragung oft mit den unverbesserlichen Eltern identifiziert, und wenn man es schafft, diesen Übertragungs-Teufelskreis zu durchbrechen, und die Beziehung zum Therapeuten auf eine höhere Ebene, nämlich die zwischen erwachsenen Leuten, zu stellen, dann ist das schon ein großer Fortschritt.
Hast Du schon mal Literatur zur Entwicklungspychologie gelesen?
Weder ist es so, dass Kinder grundsätzlich von sich aus keine Lust haben, zur Schule zu gehen. Sie sind nämlich auch soziale und neugierige, wissbegierige Wesen (je nach Persönlichkeit unterschiedlich).
Wenn Kinder per se keine Lust hätten, sich zu bilden, wäre die Welt nicht da, wo sie heute ist, denn auch Eltern waren mal Kinder: Es gebe folglich die meisten Entdeckungen und Entwicklungen nicht.
Noch ist es so, dass Kinder die Motivationen der Eltern nicht hinterfragen und sich ihnen deutlich widersetzen: Beim Kleinkind sieht man das als Trotzphase, später ist die Pubertät allgemein als aktive Auseinandersetzung mit den Eltern konnotiert. Beides gehört zur Entwicklung zu eigenständigen Wesen hinzu, aus psychologischer Sicht kann es aber zu Übermaßen kommen, die dann nicht adäquat verarbeitet werden.
Insgesamt wird es kaum eine Mitte-Dreißigjährige geben, die sich noch nie in der Art mit den Eltern auseinandergesetzt hat und die Unvollkommenheit eines Gegenübers zum ersten Mal in einer PA artikuliert.
Fazit: Ich denke nicht, dass es in der Psychoanalyse darum geht. Weder in der Theorie noch in der Praxis. Das wäre zu simpel gefasst und auch nicht 240 x 80 Euro wert.