Wirbel-Uschi hat geschrieben: ↑Mo., 24.12.2018, 08:17
Gibt es noch einen Unterschied zwischen analytischer und modifizierter analytischer Therapie?
Wenn ja, steht das dann so auf‘m Antrag drauf? Bei mir stand „nur“ analytische Therapie.
Oder ist die analytische Therapie sowieso immer eine modifizierte analytische Therapie ohne dass modifiziert dabei steht?
Was das offizielle Verfahren angeht gibt es nur die analytische Therapie, die nicht gleichbedeutend mit Psychoanalyse ist, auch wenn eine Analytiker das nicht so gerne wahr haben wollen. Die analytische Therapie ist konkret auf die Behandlung krankheitswertiger psychischer Störungen ausgerichtet, also fokussierter als die Psychoanalyse, die ja der Entwicklung der gesamten Persönlichkeit dienen soll.
Wenn ein Therapeut die Fachkunde in analytischer Therapie hat, kann er sowohl im klassischen Setting als auch modifiziert arbeiten. Die meisten arbeiten so wohl als auch. Geht auch gar nicht anders, weil sie sonst viele Patienten gar nicht behandeln könnten. Wenn der Therapeut z.B. mit persönlichkeitsgestörten Patienten arbeiten will, so wird ein rein klassisch analytisches Setting nicht durchzuhalten sein, wenn es z.B. zu schweren Krisen kommt. Wenn der Analytiker ausschließlich klassisch analytisch arbeitet, dann wird er nur Patienten annehmen, die so stabil sind, dass solche Situationen erst gar nicht vorkommen und gerät daher wahrscheinlich auch erst gar nicht in die Bredoullie, einer Patientin aus einer akuten Krise rausholen zu müssen. Kann man machen, finde ich aber jetzt nicht in irgendeiner Weise besser oder professioneller, es hat ein bisschen was von "kneifen" vor schwierigen Patienten, das wäre dann genau das, was Spahn den Therapeuten (den allermeisten zu Unrecht) vorwirft.
Ich arbeite selbst im sozialen Bereich mit Menschen, von denen einige schwerere psychische Erkrankungen haben. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, manchmal sind diese Menschen in einem Zustand, in dem man nur mit Reden kaum durchdringt, das wird in deren Therapien nicht anders sein. Ich denke, wenn man sich auf die Arbeit mit solchen Menschen einläßt kommt man u.U. nicht darum herum, sie auch mal zu berühren. Ich spreche dabei nicht von Umarmungen, sondern von einer einfachen Berührung von Arm/Hand/Schulter/Rücken, je nach Situation. Ich musste eine junge Frau auch mal an den Schultern festhalten, um sie an einer Selbstverletzung zu hindern. Gerne tue ich das auch nicht, denn auch in meinem Job gehört das in normalen Situationen nicht zu meiner Aufgabe, die Menschen anzufassen und mir ist es wesentlich lieber, wenn das nicht nötig ist. Aber bei manchen Klienten/Patienten gehört das von Zeit zu Zeit auch mal dazu.
Jetzt werden viele sagen, wenn es denen so schlecht geht, dann müssen die halt in eine Klinik, aber das ist ein bisschen naiv, die Kliniken behalten solche Patienten auch nicht ewig da, deshalb werden auch Therapeuten gebraucht, die bereit sind, sich auf eine ambulante Arbeit mit solchen Patienten einzulassen. Es kann ja jeder Analytiker für sich selbst entscheiden, ob er mit solchen Patienten arbeitet oder nicht, aber wenn er es tut, dann wird das nicht gehen ohne den therapeutischen Rahmen entsprechend anzupassen und das hat rein gar nichts damit zu tun, das er deshalb unprofessionell wäre. Es kann gut sein, dass der gleiche Therapeut, der eine Patientin, mit der er modifiziert arbeitet, an der Hand/am Arm anfasst, wenn sie z.B. in der Stunde beginnt, zu dissoziieren und mit einer anderen Patientin, die emotional stabiler ist, streng abstinent im klassischen Setting arbeitet. Menschen sind individuell, deshalb gibt es in der Therapie kein Schema F, was für jeden Patienten passt. Wenn das so einfach wäre, könnte das ja jeder Angelernte nach Manual machen.