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So., 22.12.2019, 14:31
Tipsy, die Prüfungsverordnungen weichen von Bundesland zu Bundesland etwas ab, ich habe nicht den Überblick über alle Bundesländer, aber zumindest in NRW müssen auch Verhaltenstherapeuten mindestens 50 Stunden der Selbsterfahrung als Einzelselbsterfahrung machen - das entspricht in etwas dem Umfang einer Langzeittherapie. Auch müssen die in der Ausbildung absolvierten Therapien im Verhältnis 1: 4 supervidiert werden, wovon wiederum ein Drittel in Einzelsupervision erfolgen muss. Und da bekommt man von den Selbsterfahrungsleitern und Supervisoren bei weitem nicht nur den Bauch gepinselt. Darüber haben auch noch viele der im Rahmen der Ausbildung absolvierten Seminare einen Selbsterfahrungsanteil.
Supervisionen bei fertigen Therapeuten werden hauptsächlich als Einzelsupervisionen durchgeführt. Daneben gibt es Gruppen gleichgestellter Therapeuten, die sich austauschen, das nennt man dann aber Intervision. Beides wird von Therapeuten in erster Linie dann genutzt, wenn sie einen Patienten oder den Therapieverlauf nicht verstehen oder neue Ideen brauchen. Natürlich kann es blinde Flecken beim Therapeuten geben, die auch in der Supervision nicht aufgedeckt werden, weil der Therapeut schlicht und ergreifend nur bestimmte Sequenzen aus der Therapie erzählt, die ihm selbst bedeutsam erscheinen, aber das Risiko kann trotzdem durch die Supervision gemindert werden. Ein guter Supervisor kann auch zwischen den Zeilen lesen und wenn der Verdacht da ist, da könnten blinde Flecke des Therapeuten sein, wird der Supervisor das auch thematisieren.
Nein, ich war nicht selbst bei einer rein therapeutischen Supervision dabei, wohl aber bei gemischten Gruppensupervisionen verschiedener helfender Berufsgruppen. Durch meine Arbeit habe ich beruflich häufig mit Psychotherapeuten zu tun und habe auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis mehrere Therapeuten, von denen ich schon einiges zu hören bekommen habe. U.a. musste ich auch schon Tränen trösten, nachdem eine Therapeutin von Ihrem Supervisor "hart rangenommen" wurde. Das ist wirklich nicht nur "piep,piep,piep, wir haben uns alle lieb".
Ich habe übrigens nicht behauptet, dass es bei Lehrern und Ärzten (ebenso wenig bei Sozialarbeitern, Pflegern usw.) keine Supervision oder Selbsterfahrung gäbe, sondern nur, dass sie dort nicht verpflichtender Bestandteil der beruflichen Ausbildung sind.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...