Psychosomatik verstehen - das ICH entdecken

Die Psyche spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des körpereigenen Abwehrsystems: immer mehr Krankheiten werden heute als 'psychosomatisch' und damit ggf. psychotherapeutisch relevant betrachtet.

LynnCard
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Beitrag Fr., 29.05.2015, 01:33

Hi Silence, you are safe and sound - Du bist heil und gesund! Denk dran!

In der Schweiz sagen wir zu Kindern, die sich verletzt haben: Heile, heile, Säge, drü Tag Räge, drü Tag Schnee, s Bobo macht nümme weh! (Heile, heile, Segen, drei Tage Regen, drei Tage Schnee, die Wunde macht nicht mehr weh)

Das geht nach einem Kinderlied:. http://www.babycenter.de/p32704/heile-heile-s%C3%A4ge

Das hilft tatsächlich, um Kinder - und vielleicht auch das Innere Kind? - zu trösten!

Ja, zuerst muss man an die Gefühle rankommen. Und wenn sie sich äußern, sie noch verstehen, wofür sie stehen, denn auch die Angst und Wut kann Symptom für feinere Gefühlsnuancen sein, die dahinterliegen. Und diese muss man genauer wahrnehmen lernen.
LG Lynn

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LynnCard
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Beitrag Fr., 29.05.2015, 01:47

Zum Aspekt Ärger/Wut (als Symptom)

Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich nicht viel weiter bin als vor 2 Jahren. Ich hatte mir da so viel vorgenommen, aber kaum etwas davon realisiert. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass mein Ärger vielleicht auch Energie-Potenzial haben könnte mit Schubwirkung, hoffe ich. Es ist jedenfalls gut, endlich diese "verhockten" Gefühle in meinem blockierten Empfinden wahrzunehmen, das muss jetzt irgendwie raus, damit ich mich endlich davon befreien kann. Außerdem stelle ich gerade fest, dass Ärger gegen Angst hilft. Vielleicht kann ich so jetzt die Arbeit besser angehen, weil ich mich einfach ärgere statt ängstige.

Immer wieder empfinde ich diesen starken Ärger, der sich über die Angst legt. Vor 2 Jahren führte dieser Ärger in eine positive Neuausrichtung (Weiterbildung), doch zog ich es nur halbwegs durch, eben weil ich dachte, dass es doch eigentlich auch nur ein vorgeschobenes Sicherheitsprogramm darstellt, eben die Flucht nach vorne.

Aber trotzdem stehe ich jetzt wieder in derselben Grundsituation, wo ich froh wäre, hätte ich das vor 2 Jahren wirklich ernsthaft begonnen und nicht nur nebenbei angestrebt. Es hatte mich zwar schon da sehr viel weiter gebracht, aber der Schub war zu kurz und irgendwann vorbei. Und jetzt ärgere ich mich, weil es mich viel stärker ausgerichtet hätte, wäre ich konsequent dabei geblieben, auch wenn es ein Sicherheitsprogramm darstellt. Das war mir damals allerdings noch nicht so klar wie jetzt. Nur komme ich immer wieder an diesen Punkt, wo ich es bereue, nicht dabei geblieben zu sein. Dieser Moment kommt immer wieder und jedes Mal ärgere ich mich über mich selbst.

Deshalb möchte ich das ändern, zumindest konsequenter anstreben, damit ich mich beim nächsten Rückblick weiter fühle. Es geht immer um dieselbe berufliche Weiterbildung (Rechtswissen für die Selbständigkeit), die ich hätte machen sollen, wo ich einfach spüre, dass ich mich damit besser fühlen würde. Bei keinem Gebiet sonst habe ich mich jemals in dieser Selbstvorwurfssituation gesehen, weil ich dort offenbar nicht dieselbe Notwendigkeit spüre, zumindest nicht in dieser Konsequenz und Hartnäckigkeit. Gleichzeitig fühle ich mich überfordert. Aber ich versuche, da irgendwie einen begehbaren Weg zu finden. Es muss ja nicht schnell gehen, nur wäre konsequentes Dranbleiben wichtig.

Ich fühle mich einfach nicht sicher. Das möchte ich nicht mehr, ich muss irgendwie (Rechts-) Sicherheit für mich schaffen.

Dieser Ärger gibt mir zwar Auftrieb, aber es ist auch unangenehm. Dass da auf einmal so viel Ärger in mir drin ist, fühlt sich merkwürdig an, als würde ein Alien Besitz von mir ergreifen - dabei sind sonst alle Leute so, was ich aber schon immer befremdlich fand. Und genauso befremdlich empfinde ich es nun an mir selbst, wo ich doch sonst eher rational bin.
LG Lynn


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Beitrag Fr., 29.05.2015, 17:18

Es hat sich gelohnt, meinen Ärger nicht wegzudrücken, sondern in mehreren Gesprächen mit Vertrauenspersonen zu besprechen und auch sonst noch länger darüber nachzudenken und es von unterschiedlichen Seiten zu betrachten. Jetzt hab ich endlich Durchblick, der Ärger war Signal, dass ich einem Denkfehler unterlag, was mich blockierte in einem Arbeitsprojekt (literarisch, aber auch mit rechtlichen Aspekten, die wichtig sind). Ich wollte das Pferd von hinten aufzäumen, doch jetzt ist mir die Folgerichtigkeit klar und in welcher Weise ich vorgehen muss und warum gerade so und nicht anders. Es lohnt sich also, auch auf solche unangenehmen Gefühle wie Ärger zu achten und zu versuchen, ihre dahinterliegende Botschaft zu verstehen. Jetzt weiß ich, wo es langgeht. Bin erleichtert. Das war jetzt wirklich ein gewichtiger Brocken, der mir auf den Magen drückte.
LG Lynn

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Beitrag Fr., 29.05.2015, 17:24

Das klingt Spitze!!!
Ich freue mich für Dich, Lynn!! Wie schön, wenn man mal ganz lebensnah erfährt, wie sich etwas negatives in Aktion und dann auch in echtes, positives Weiterkommen wandelt!!!
Das wollte ich doch jetzt mal loswerden!!

Liebe Grüße, Silence
Hello darkness, my old friend...

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LynnCard
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Beitrag Fr., 29.05.2015, 19:00

Danke, Silence!

Ja, ich bin auch überrascht, wie viel das Anhören der Gefühlsbotschaften bringen kann. Bisher ließ ich nur den Verstand und die Intuition gelten, nicht jedoch scheinbar irrationale Gefühle wie Ärger oder Angst. Es zeigt, dass sie gerade dort hilfreich korrigieren können, wo der Verstand falsche Wege einschlägt und sich betriebsblind verhält.
LG Lynn

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SoundOfSilence
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Beitrag Sa., 30.05.2015, 17:10

Hallo zusammen!

Also, ich gehöre, leider, zu den Menschen, die sich durchaus gut über sich selber ärgern können. Gerade auch so (eigentlich ja unnütze) Gedanken, dass man etwas anders hätte machen sollen. Und ich kenne es auch, dass dieser Ärger dann umkippt und von einem ANREIZ wie bei Lynn zu einem deaktivierenden "JETZT ist auch zu spät" wird. Und dass ich weiß, dass das eigentlich Unfug ist und darüber kann ich mich dann auch wieder ärgern
Ich kenne es auch (relativ neu) aus der Therapie, dass das Aufdecken einer Begebenheit aus der Vergangenheit, bei der ich mich "mies" verhalten HABE, mir so weh tut (weil mir mein Verhalten so leid tut!), dass der Schock über den ehemals blinden Fleck das Positive, nämlich dass der blinde Fleck nun SEHBAR ist, zu überwiegen droht.
Und andererseits führt ja Aktionismus, also diese unmittelbar aus Gefühl (in der Regel wohl Angst) geborene "aktiviert-sein", etwas tun wollen, Veränderung um jeden Preis einfordern - diese Aktivität eben, auch oft zu Katastrophen. Und darüber kann ich mich dann wieder ärgern (weil ich so doof war xx zu tun, oder nicht nachgedacht habe und yy passiert ist...) - in der Hauptsache stelle ich also fest, dass egal wie ich es mache, ich es am Ende (Gottseidank mal wieder) falsch mache...

Ich schreibe, in Klammern, Gottseidank, denn so langsam dämmert es mir, dass ich zwei Zustände auf jeden Fall vermeide: NICHT-SELBER-SCHULD-SEIN (also gar hilflos/ohnmächtig sein) und ICH-FÜHLE-MICH-GUT (also gar unschludig...? Oder aus heiterem Himmel überraschbar?)
Und irgendwie ist das ein Schema: bei dem Ärger auf mich selbst, bei der Symptomatik (wann gings mir schonmal gut?), aber auch wenn mein Verhalten/Vermeiden die Dinge verschlimmert...

Und gerade eben im Forum habe ich etwas gelesen, dass mir ganz spontan die Eingebung brachte, dass auch ein "schuldhaftes", sich-selbst-Zerstören einmal etwas Positives haben kann, wenn es einen endlich so kaputt macht, dass man um Hilfe nicht mehr drum herum kommt, auch, weil man nun die Rechtfertigung hat, die man selber (für sich und für Andere) braucht, um endlich Hilfe anzunehmen... Wohl dem, dessen Schwelle sich helfen zu lasse (ja, ich weiß, auch: sich für Wert zu halten Hilfe zu bekommen) so niedrig ist, dass seine Selbstzerstörung sich in Grenzen halten darf...

Ich erkenne gerade jetzt, dass ein Trauma in der Kindheit (oder egal wann vielleicht) eben immer (!!!) auch eingebettet ist, in ein Drama (dass keine wirksame Hilfe kommt) - und beides brennt sich ein und wird wiederholt. Auf jeder Ebene, im Verhalten, in den Gefühlen, in den Gedanken, in Erinnerungen, im Körper, in dem was man in anderen sieht und auslöst. Das ist unendlich grausam, und es bietet unendlich viele Chancen, einmal etwas zu verändern und auch verändern zu lassen...

[der andere Thread der mich heute so aufwühlt, inspiriert, nach vorne bringt, traurig macht ist "liebe und weh in der Psychoanalyse" in "Vertrauliches" - mehr werde ich nicht schrieben um die Vertraulichkeit nicht zu gefährden. Ich denke wer Mitglied ist kann es bei Bedarf nachlesen, und vielleicht kann man auch so nachvollziehen, was ich meine - Lynn kennt es ja...]

Ich gehe jetzt meine Kopfschmerzen pflegen, die sich eingestellt haben, weil ich bei all der Erkenntnis eben meine Gefühle nach wie vor abspalte - woran ich weiter arbeiten will/werde, wofür ich aber auch ein klitzekleines bisschen dankbar bin heute...

LG,
Silence
Hello darkness, my old friend...


LynnCard
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Beitrag So., 31.05.2015, 17:31

Liebe Silence

Ich hab gerade in letzter Zeit auch sehr ambivalente Gefühle, die mir nicht wirklich logisch vorkommen, d. h. manches erkenne ich, freue mich darüber, komme teilweise in einen einseitigen Aktionismus, fühle mich gleichzeitig neben der Spur, obwohl doch alles so gut läuft, eigentlich. Ach, Gefühle sind anstrengend und die Schmerzen dürften ruhig auch wegbleiben ...

Es ist alles schlecht aufeinander abgestimmt.

Vielleicht ist es wie bei jemandem, dessen halbes Gesicht gelähmt war, der spürt auf einmal wieder seine Wange, eine tolle Sache, endlich! Aber dann merkt er, dass er höllisch Zahnschmerzen hat und ihm fast der halbe Kiefer abfällt vor Schmerzen. Mm. Was ist nun besser?
LG Lynn


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Beitrag Mo., 01.06.2015, 07:49

Was mir noch auffällt: Wenn man die Gefühle auf einmal so genau wahrnimmt, wird alles auf einmal noch viel komplizierter, zu viele Eindrücke. Ich ärgere mich über Kleinigkeiten, die ich vorher überhaupt nicht an mich ranließ. Also werde ich mich für eine Weile zurückziehen. Einfach zu viele Gefühlseindrücke. Die muss ich zuerst verarbeiten.
LG Lynn

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SoundOfSilence
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Beitrag Mo., 01.06.2015, 20:46

Hallo (liest eigentlich noch wer??)!

Ich bin immer noch ziemlich mitgenommen, zu viele Gefühlseindrücke, wie Lynn schreibt. Es ist der Austausch in diesem Thread hier, aber auch im Forum gesamt, der mir in kurzer Zeit viele nee Vorstellungen, Ideen, Einblicke gebracht hat darein, wie das mit der (in meinem Fall ja gestörten) Psychosomatik "funktioniert" - oder besser eben NICHT funktioniert
Auf welcher Linie - ICH für MICH - Schmerzen, Symptome des Körpers, das Dissoziieren, aber auch Symptome der Psyche sehe, welche wechselseitige Beeinflussung da stattfindet, wie viel hin und her es gibt zwischen abgespalteten Gefühlen, dem wahrgenommenen Körper, dem "abgespalteten" Körper und dann auch den (vielleicht erst ansatzweise?) wahrgenommenen Gefühlen - all dieses Durcheinander (dieses Wunder, dieser Horror) hat mich dazu bewogen, an meinem "Bild vom Ich" weiter zu arbeiten, und eben auch den Austausch zu suchen (und zu finden)! Und nun habe ich doch tatsächlich nicht nur Zusammenhänge, sondern auch GEFÜHLE gefunden (und wieder verloren und wieder gefunden...) - und zum ersten Mal in meinem Leben ein klein wenig von dem begriffen, was zu meinem inneren Ungleichgewicht geführt hat. Also nicht nur davon "gewusst", so als ob ich ein Fall in einem Pädagogik-Lehrbuch sei (Kinder brauchen Stabilität. Jaja, alles - außer mir. MIR hat die Instabilität nicht geschadet, natürlich nicht), sondern es begriffen. Das tut weh. Jetzt erstmal wenigstens... Aber da ich inzwischen ja weiß, dass auch schmerzhafte Gefühle vergehen, wenn man sie lebt, hoffe ich auf Besserung.
Aber ich kann auch "mein Durcheinander" aus Symptomen, Schmerzen, Dissoziationen besser verstehen, vielleicht zum ersten Mal auch das "Positive" sehen, erkennen, dass jemand wie ich tatsächlich überfordert ist mit dem Fühlen, dass "die Energie" aber trotzdem da ist und irgendwo hin muss. Und dass dann Kopfschmerzen oder Durchfall "besser" sind als ganz zu derealisieren (jedenfalls sehe ich das so)...
Auch auf de Angst habe ich noch mal wieder einen neuen Blick. Ich habe ganz furchtbar viel Angst. Ich habe erinnerte Angst, ich habe Angst vor Triggern, ich habe Angst vor der Angst und schließlich habe ich Angs vor Gefühl(en). Ich habe Angst vor Verletzung durch andere Menschen. Und wisst ihr was? Ich bin trotzdem kein Hasenherz. Ich stelle mich an manchen Tagen mehr Ängsten, als andere Leute in einem Monat zu bewältigen haben. Und manchmal, manchmal reicht meine Kraft dann einfach nicht mehr weiter. Auch wenn ich jetzt weiß, dass gegen die Angst AKTIVITÄT hilft.
Hello darkness, my old friend...

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SoundOfSilence
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Beitrag Mo., 01.06.2015, 20:53

Und auch, dass die Aktivität kippen kann in AKTIONISMUS, und dass das dann mal schief geht. Aber mein Verhalten hat tatsächlich wichtige Auswirkungen auf dieses psychosomatische Ich, dass meinen Körper bewohnt... Wechselwirkungen, klar. Insofern mag sich ja manches meiner Macht entziehen, aber ich bin trotzdem nicht (immer nur) hilflos, nicht nur Opfer meiner selbst, ich bin auch Täter an mir selbst...
Die Geschichte mit der Ohnmacht, als Gegenstück zur Schuld, die macht mir noch arg zu schaffen...

Und auch die soziale Komponente sehe ich nun deutlicher, sehe, wie sehr gerade sie eigentlich wichtig ist, um mein psychosomatisches Ich zu verstehen. Da redet die Welt von Menschen, die sich anstellen, von Menschen die sich nur mal zusammenreißen müssten, die übertreiben oder schlicht sich hinter ihren Defiziten verstecken wollen - aber davon, dass diese Störung ihren Ausgangspunkt doch zumeist (immer ?) in den Defiziten der Welt drumherum nimmt, davon redet keiner. Und es sind wohl keineswegs nur die "Täter" im traumatischen Kontext, oder die Eltern, die versage, es sind auch die Ärzte, die Kliniken, die Schulen - die Welt. Oft genug jedenfalls. Und das doch auch wieder längst nicht nur "bei DEM Träume", sondern eben vorher, nachher - beim Coping ebenso wie bei der Resilienz. Der Mensch ist ein soziales Wesen, und der psychosomatische Mensch ist es eben auch. Nur will er es oft gar nicht mehr sein. Und die Welt kommt eben nicht mehr an ihn heran... Wie viele Menschen mit Somatisierungsstörung/somatoformer Schmerzstörung wohl so stark wirken, dass die anderen Menschen ihr Leid gar nicht sehen? Meinen "Krankheitsgewinn" will jeder gleich erkennen, meinen Leidensdruck übersieht sogar mein (Ex-)mann. Das ist schlimm. Und das werde ich nicht mehr dulden. Ich weiß halt nur noch nicht, wie...

Ich freue mich, wenn weiterhin hier JEDER seine Geschichten, Erlebnisse, inneren Bilder, seine Körpererinnerungen, sein Versagen und vor allem SEINEN ERFOLG dokumentieren und teilen möchte - rund um das Thema "Gefühle fühlen und/oder somatisieren; ein ganzes Ich (oder auch mehrere) sein, oder Teile dissoziieren" - für mich inzwischen DAS zentrale Thema von "Psychosomatik" (und das mögen Andere oder auch Mediziner im Praxis/Klinikalltag anders sehen und definieren - mir doch egal )!

Also, gehabt euch wohl
Silence
Hello darkness, my old friend...


LynnCard
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Beitrag Mi., 03.06.2015, 00:28

@Silence, ist doch schön, dass Deine Gefühle jetzt auch immer mehr durchdrücken! Das nenne ich einen großen Fortschritt!

Mir wurde bewusst, dass dieser Aktionismus auch eine Angstreaktion ist, eben die Flucht nach vorne. Im Grunde geht es also darum, die Angst selbst WIRKLICH abzubauen und nicht einfach in den Aktionismus zu verlagern. Das wurde mir heute bewusst. Vielleicht hilft Dir das auch weiter. Allerdings weiß ich nicht, wie es tatsächlich funktionieren kann. Das ist noch ein längerer Weg für mich, befürchte ich.
LG Lynn

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Beitrag Mi., 03.06.2015, 17:10

Du sagst es Lynn!! Angst abbauen (aktiv!) satt sich lähmen lassen (passiv) oder blindlings irgendwo reinrennen/wegrennen/vorrennen..Allerdings:
Du sagst mir wie das geht wenn Du es weißt, gelle

Nein, ehrlich, ich sehe, dass das der Weg ist. Aber ich fürchte, für das "Wie" gibt es eben auch keine grundsätzliche Antwort, sondern das muss man von Situation zu Situation sehen.
Eins allerdings kann ich ganz grundsätzlich IN DER RÜCKSCHAU feststellen: wenn ich im Aktionismus gefangen bin, dann kann ich nicht mehr schlafen "bis es erledigt" ist, ich kann an nichts anderes denken, es gibt keinen Menschen der mich noch aufhalten wollen würde, ich habe ein permanentes Hektik-Gefühl (sozusagen statt Panik), ich habe keinen Hunger mehr, ich werde beim kleinsten Hindernis sofort quängelig. Für die Zukunft also nehme ich mir vor, wenn ich Hektik und diese ausschließliche Fokussierung bemerke, gezielt Abstand zu nehmen, gar nicht indem ich irgendetwas TUE sondern einfach indem ich NICHTS TUE für einige Minuten als zu fühlen - mal sehen, ob das was nützt. Und noch etwas nehme ich mir vor: Ich muss ausgewählte Menschen in meinem Umfeld finden (also auswählen), die für die Zukunft den Auftrag bekommen, mich zu bremsen (nicht: aufzuhalten)! Ich hoffe, dass ich mich dann auch bremsen lasse... Ein Versuch ist das wert.
Aber: ich möchte auch noch mehr "sein" dürfen mit meiner Angst, sprich ich will mich selber so annehmen, aber auch von meinem Umfeld (besser als bisher) so wahrgenommen werden (können). Ich will nicht mehr GEGEN die Angst aktiv sein, sondern versuchen MIT der Angst aktiv zu sein. Wenn meine Existenzangst (weil ich nicht weiß, wie lange ich meinen Job so noch machen kann...) mich begleitet, dann möchte ich das aktiv nutzen, um mich fortzubilden, auf dem Laufenden zu sein, Jobangebote im Auge zu haben - und manchmal ist es nicht sinnvoll, etwas zu tun, sondern es müsste reichen, mich zu beruhigen (auf Stärken besinnen etc). Weil manchmal wäre es insgesamt "zu viel" - dann schaffe ich doch nichts. Aber: ich möchte nicht mehr zu jedem Chef ja und Amen sagen, jede Aufgabe annehmen, immer 150 % geben um GEGEN die Angst zu arbeiten... Selbst dann noch, wenn ich vor lauter Durchfall gar nicht mehr kann eigentlich.
Mal sehen, ob das gelingt... Die Existenzangst ist, so existentiell sie manchmal IST, letztlich ja auch etwas, wo man relativ gut mit/gegen kann... Jedenfalls im Gegensatz zu der Angst von Erinnerungen gequält zu werden, die einen aus dem Selbst heraus überfallen oder der Angst "vor dem Monster unterm Bett" ...

Liebe Grüße,
Silence
Hello darkness, my old friend...


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Beitrag Mi., 03.06.2015, 21:32

Liebe Silence

Wir scheinen wirklich gerade auf derselben Spur zu sein, denn mir gingen sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf.

Ich hab mir auch überlegt, ob ich durch Weiterbildung meine Angst eingrenzen kann, weil ich dadurch mehr Ausweichmöglichkeiten hätte, wenn alle Seile reißen. Allerdings bin ich im Moment immer noch zu überdreht dafür, angstvoll überdreht und gleichzeitig auch überfordert. Meine Pläne würden sehr viel Kraft erfordern, die ich im Moment einfach nicht habe. Da ärgere ich mich dann auch, warum ich nicht so loslegen kann, wie ich es eigentlich möchte. Ich hasse diese Begrenzungen durch mich selbst, meinen Körper und meine Lebensumstände. Ich würde gern so viel machen, auch gerade um diese Angst einzudämmen und ihr etwas entgegenzusetzen, aber ich schaffe es nicht, was ich wiederum nur schwer akzeptieren mag. Dann kann ich mich manchmal nicht einmal so richtig über Erfolge freuen, die sich auch einstellen bei Bemühungen. Na ja, ein bisschen schon, aber ich würde eben NOCH VIEL MEHR erreichen wollen. An meine eigenen Grenzen zu stoßen, ist nur schwer hinnehmbar für mich. Aber die Psychosomatik zwingt es mir auf, wobei ja auch die Angst diese Psychosomatik auslöst und verstärkt. Ohne diese (Existenz-) Angst wäre es leichter, wobei sie gleichzeitig auch aktiviert in einem progressiven Sinne.

Aber vielleicht wissen wir bald mehr. Wir müssen jetzt wahrscheinlich auch vieles neu sortieren in uns. Unsere gemeinsamen Fortschritte sind doch auch schon erfreulich. Ich finde diesen Thread wirklich großartig, wie wir uns auch gegenseitig inspirieren.
LG Lynn


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Beitrag Do., 04.06.2015, 00:47

SoundOfSilence hat geschrieben:"sie fürchten sich vor ihren Gefühlen"
Liebe Silence

Ich hab gerade Deinen Satz im Therapeutenzitat-Thread gesehen, der bringt mich zum Nachdenken. Könnte es sein, dass Du Angst hast, die Gefühle voll zuzulassen, weil Du Angst hast vor Deiner Reaktion, z. B. dass Du dadurch in einen unguten Aktionismus verfällst, Du evtl. so den Frust hast, dass Du aus Deiner Situation herausrennst oder es einfach nicht mehr aushältst und nicht mehr in der frustrierenden Situation bleiben könntest, wenn Du die Gefühle nicht abspaltest?

Bei mir könnte das zutreffen. Ich habe mir oft gedacht, dass ich da einiges nicht mehr aushalten könnte, wenn ich meine Gefühle dazu wirklich zulassen würde. So ein bisschen fühle ich das nämlich schon, aber sehr gedämpft, d. h. meine VERNUNFT zensiert immer noch sehr stark, denn ich MUSS stark sein, andere bauen auf mich, ich darf keine Gefühle haben, das ist EGOISTISCH. Tja ... Es kommt mir so vor, als könnte ich mich selbst nicht aushalten, als wären meine Gefühle einfach nur ein lästiger Vamp, der Anforderungen stellt, die mein Verstand ihm nicht zugesteht, weil das einfach nicht geht unter den Umständen, die nun mal sind. Und so empfinde ich auch meine Angst - das ist so lästig - ich will sie loswerden!! Ich finde es anstrengend, so viel zu fühlen, das kommt mir doch nur in den Weg, zu viele Eindrücke, zu viele Wenn´s und Aber, warum stell ich mich so an. Warum funktioniere ich nicht einfach so! Diese "blöden" Gefühle! Hau ab, du dämliche Angst! Ich mag meine Angst nicht, nicht meinen Frust, nicht die Überforderung, nicht die Unmutsgefühle, ich dulde das nicht, einfach nicht zu funktionieren, ich treib mich an, ich muss funktionieren, da gibt es kein Pardon. Und so sind die Gefühle bald erstickt und nur noch sichtbar in der Angstsymptomatik, die körperlich als Psychosomatik erlebt wird.

Was meinst Du dazu?
LG Lynn

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SoundOfSilence
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Beitrag Do., 04.06.2015, 09:50

Guten Morgen!

Diesen Satz, dieses "sie fürchten sich vor ihren Gefühlen", der fiel irgendwann mal zwischendurch, in einer schwierigen Sitzung, in der aber die Stimmung dennoch recht fröhlich war. Ich habe ihn nicht aufgegriffen, und er auch nicht. Aber Monate später, da habe ich begriffen, was er da gesagt hat.
Denn ja, ich fürchte mich vor Gefühlen. Ich weiß selber nicht genau warum. Einerseits sicher, weil ich einfach nicht gelernt habe, Gefühle haben zu dürfen/ausleben zu dürfen ohne "Strafe". Und dann habe ich eben nicht gelernt, sie "richtig" einzuordnen. Ich weiß oft selber nicht, was ich fühle. Das ist anstrengend, ich verliere oft die Geduld mit mir selber. Dann habe ich ambivalente Gefühl, und ich bin nicht flexibel genug, das auszuhalten. Dann sind da viele Gefühle, die einfach weh tun - wer fürchtet sich nicht vor Schmerz? Und da ist noch das Problem, dass ich nicht fühle, was ich "gefälligst fühlen soll", also was mein Verstand da gerne hätte (oder mein Über-Ich) - ähnlich wie du das schreibst, Lynn.
LynnCard hat geschrieben: So ein bisschen fühle ich das nämlich schon, aber sehr gedämpft, d. h. meine VERNUNFT zensiert immer noch sehr stark, denn ich MUSS stark sein, andere bauen auf mich, ich darf keine Gefühle haben, das ist EGOISTISCH. ... Warum funktioniere ich nicht einfach so!
Ich möchte funktionieren, meine Ziele erreichen, habe Verantwortung für andere Menschen, will eigenen (perfektionistischen) Ansprüchen genügen, und ich muss immer alles erledigt haben (so als ob etwas wichtiges Bevorstünde, das ich nicht verpassen darf, für das aber alles fertig sein muss - keine Ahnung, vielleicht wartet mein Unterbewusstsein auf den Weltuntergang - UND WEHE dann ist die Treppe nicht geputzt ), ich will mir keine Blöße geben, ich möchte unangreifbar sein - da sind Gefühle wirklich mehr als lästig!
Nur, wo kommt denn dieses Umfeld her, in dem alle anderen Gefühle haben dürfen, aber eigene Gefühle egoistisch sind? Wie kommt es zu einer Lebenssituation, in der Gefühle haben bedeutet, dass man nicht funktioniert, und in der nicht-funktionieren einen Weltuntergang herbeiführt?
Früher war das meine Realität (für ein Kind ist ja so manches tatsächlich ein Weltuntergang...) - und später habe ich das gemacht. Mein Perfektionismus lässt regelmäßig die Welt untergehen. Mein Verantwortungssinn hat dazu geführt, dass die Menschen um mich herum sich so auf mich stützten, dass sie umfielen als ich weggebrochen bin. Mein Umgang mit meinen Gefühlen hat dafür gesorgt, dass die Menschen um mich herum daran gewöhnt sind, dass ihre Gefühle wichtiger sind als meine. Das ist ein Teufelskreis, denn weil ich meine Gefühle fürchte kümmere ich mich auch lieber um die Gefühle der anderen... Und nun ist es tatsächlich EGOISTISCH, wenn ich mich um mich selber kümmere, denn mein Umfeld fühlt sich ja nicht, als ob jetzt endlich etwas richtig laufen würde, nein, die meisten fühlen sich, als hätte ich ihnen etwas weg genommen... Und das geht bitteschön höchstens mal unter ganz vielen Entschuldigungen und nur für kurze Zeit...
Kurz gesagt: ich habe es geschafft, etwas zu verändern, aber meine Ehe ist (aus vielen Gründen) darüber zerbrochen. Mit meinen Eltern habe ich nur schlechten Kontakt derzeit, meine Schwester "rebelliert" sehr gegen mich - aber ein paar Freundschaften sind tiefer geworden und ich habe neue Menschen kennengelernt, mit denen ich eine für mich neue Art des Kontaktes pflege (was mir immer wieder große Angst macht, weil ich unsicher bin) und insgesamt bin ich heute glücklicher und gesünder (aber noch längst nicht am Ziel) als vor 3 Jahren. Nur: freiwillig hätte ich das nicht geschafft, mein Körper musste mich zwingen (also meine Psyche musste mich über den Körper zwingen).
Und beruflich war das nach der Klinik ganz schwer, plötzlich Gefühle zu haben. Und ich bin überzeugt, ich arbeite auch nicht mehr so gut wie früher. Aber anscheinend gut genug... Es gibt Tage, da arbeite ich schlecht, weil ich mich schlecht fühle. Das kann ich auch heute kaum akzeptieren. Aber ich denke auch, dass das wieder besser wird, wenn ich mi meinen Gefühlen besser klarkomme... Ich bin eben noch in der Findungsphase. Und die dauert ganz schön lang. Über ein Jahr. Andererseits: In dieser Hinsicht bin ich wie ein Kind - und die haben JAHRE Zeit, sich zu entwickeln. Also, was ist da schon ein Jahr?

Das, was Du geschrieben hast Lynn, das trifft auf mich zu 100 % zu (vor 1-2 Jahren) - und es spielt heute eine Rolle beim Gefühle-fühlen bzw bei der Furcht davor. Aber ich glaube es ist eher so, dass durch meine Furcht vor Gefühlen, durch mein FUNKTIONIEREN diese zweite Baustelle entstanden ist. Es ist eine Begleiterkrankung geworden, die ihre eigenen Behandlung braucht, aber die eigentliche Ursache liegt wohl tiefer. Denn als ich nicht mehr funktioniert HABE, da waren trotzdem nicht plötzlich Gefühle da...

Warst Du denn früher mal ein Gefühle-Fühler?
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