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Di., 06.01.2015, 14:26
Je nach persönlicher Präferenz gibt es also verschiedene Möglichkeiten des Kampfes. Wer wirklich was verändern will, das zeigt sich immer wieder, muss damit rechnen, dass er eine Gefängniskarriere oder zumindest ein nettes Verwaltungsstrafenregister in seinen Lebenslauf bekommt, dass er und seine Familie und Freunde Repressalien ausgesetzt werden. Das erleben aktuell weltweit nicht nur Tierschützer, sondern auch Umweltschützer, Menschenrechtler oder andere Kämpfer wider Wirtschaftsinteressen. Nicht jeder hält das psychisch aus. Mancher lässt sich abschrecken, und sei es, um seine Familie zu schützen.
Als das in Österreich mit den Tierschützern so akut wurde, haben mich tatsächlich Freunde(!) gebeten, zu ihnen keinen Kontakt mehr aufzunehmen, weil sie Angst hatten, dann ins Visier der Ermittlungen zu kommen. Keine E-Mails, keine Telefonate. Ja, ich habe Augen gemacht. Obwohl ich selbst nur Peripherie war, hatte das soziale Auswirkungen auf mich. Von mir existiert gewiss eine Akte, auch, weil ich ja nicht nur im Tierschutz unterwegs bin. Sogar der Text hier kann (und wird) sich zu diesen Akten hinzufügen, das wissen wir spätestens seit Snowden.
Als "Tun" gilt (abgesehen für Behörden) auch nicht, bei Demonstrationen mitzumarschieren, Informationsmaterial zu erstellen und Unterschriften zu sammeln. Die Frage bleibt: Was tust du?
Bisher war ich nicht aktiv genug, um im Gefängnis zu landen. Reicht das? Aber aktiv genug, um in Listen aufzuscheinen, die durchaus auch meine Reisefreiheit einschränken. Reicht das?
Nein. Denn aktuell "tu" ich nichts. Ich habe mich zurückgezogen und lebe nur noch "passiven Widerstand", wenn man so sagen darf. Verzicht auf Fleisch, Auto, andere Formen von Materialanhäufung und so weiter.
Meine letzten Kämpfe galten der Meinungsfreiheit und gegen die Abschaffung von Bürgerrechten durch diverse EU-Abkommen. Das war noch vor Snowden. Als ich sah, wie derartig schnurzpipegal den meisten Menschen das ist, kam ich zu dem Entschluss, dass sie die Überwachung verdient haben und alles, was daraus noch erwächst. Offenbar muss also wieder eine Generation erfahren, wie es ist, unfrei zu sein, zu fürchten, abgeholt zu werden, wenn man seinen Mund zu weit aufmacht. Wie auch früher in der Geschichte wird es zu spät sein, wenn die Masse endlich aufwacht.
Wenn ich anspreche, dass die Meere so verseucht sind, dass es nicht nur den Fischen an den Kragen geht, sondern vor allem die Sauerstoffproduktion des Planeten ordentlich in die Knie gezwungen wird, nebenbei die Regenwälder kaum mehr die Luft reinigen können, hören die meisten Leute weg. "Meer", das ist noch viel ferner als "Massentierhaltung", und "Luft" ist kein so aktiver Genuss wie Fleisch.
Was ich dagegen tu? Nichts. Warum ich nichts tu und wie meine Sicht auf die Zukunft der Menschheit und das Feedback auf ihr (Nicht-)handeln ist, habe ich auch schon erklärt. Mir tun nur die Kinder leid, aber wenn ich etwa ihre Eltern anspreche, was sie denn gegen die negativen Entwicklungen tun, werde in der Regel ich angegriffen. Sie haben Kinder, das ist genug "tun". Wenig originell kommt jedes Mal die Frage, was "ich" denn tu. Zähle ich auf, was ich immerhin "nicht tu", finden sie Ausreden, warum das bei ihnen nicht geht.
Irgendwann wurde mir bewusst, dass es ein Kampf gegen Windmühlen ist. Eine Person rennt gegen hundert, tausend oder hunderttausend an. Was eine Person macht, wiegt wenig, weswegen zurecht gesagt wird, "nur" vegan oder vegetarisch leben, "nur" Demonstrationen oder Unterschriftenlisten zu machen, ist kein "tun".
In der Tat könnte ich SUV fahren, kaufen wie besessen, jedes Jahr Flugmeilen sammeln, jeden Tag ein Kalb essen, lautstark gegen die Demonstranten wettern, deretwegen mein Einkaufssamstag ein latent stressiges Erlebnis war, und es käme aufs Selbe raus. Das habe ich erkannt. Nach einem jahrelangen Kampf ist das ernüchternd. Zwar war ich immer schon Aussenseiter und Sozialphobiker, aber der ständige zusätzliche Kampf, die Ablehnung als Spaßverderber, Kostverächter und Gutmensch, das geht irgendwann einfach nicht mehr. Dafür fehlte mir schlichtweg irgendwann die Kraft – und das hält aktuell an.
Aber ich schließe nicht aus, dass der Hass auf das alles irgendwann zu einem Motor wird. Vielleicht, in einem Ich-habe-nichts-mehr-zu-verlieren-Zustand, bringe ich doch noch eine Message an. Vielleicht erhalte ich auch durch eine glückliche Wendung in meinem Berufsleben die Chance, Einfluss auf mehr Menschen zu nehmen.
Was das betrifft, hilft mir die Auseinandersetzung hier. Es sind genau solche Provokationen, denen ich lernen muss, souverän zu begegnen. Zwar dachte ich, das hätte ich schon drauf, aber offenbar nicht. Eine wertvolle Erkenntnis, daran arbeite ich jetzt. Auch damit umzugehen, ständig gezielt missverstanden werden zu wollen. Vielleicht ist meine Miesanthropie nur eine Station auf meinem Weg.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]