Beitrag
Mi., 29.01.2014, 15:27
Es kommt halt darauf an, was man unter Hinterfragen und Kritisieren versteht. Ich verstehe darunter NICHT zu sagen, das System ist schei.ße, die Gesellschaft ist schei.ße. Ich verstehe darunter mal Zusammenhänge anzugucken. Nur wenn man Probleme erkennt, auch gesellschaftliche, institutionelle, systemische, kann man sie verändern. Nun ist mir ziemlich klar, dass ich die gesellschaft nicht verändern werde. Aber ich kann für mich und in meinem nahen Umfeld damit umgehen und Konsequenzen ziehen, es konstruktiv nutzen. Darum geht es mir persönlich.
Ich zumindest setze mich seit Jahren mit institutionellen und systemischen Fragestellungen auseinander und damit mit gesellschaftlichen. Irgendwie kommt es immer wieder, egal was ich arbeite oder studiere. Ich weiß schon, wovon ich spreche. das heißt nicht, ich habe immer Recht. Auch in der Fachwelt, in veröffentlichungen, in Seminaren wirds gerade über solche Themen heftig gerungen, gestritten. Es heißt aber eben doch, ich habe mich auseinandergesetzt, ich weiß was ich sage. Daher missfällt es mir, wenn ich mich dann implizit oder explizit abwertend anmachen lassen muss (@EOG). Wer keine Lust hat, auf diese Diskussion, solls schlicht lassen. Ist ja kein Problem.
Nochmal, inhaltlich ging es mir darum, die kontext- und kulturabhängigkeit von Diagnosen zu benennen. Ja, das ist einach so. Diagnosen existieren nicht eigenständig und inherent. Sie werden konstruiert. Und Konstrukt, Modell, gedankliches Bild sind nunmal nicht das gleiche wie das Phänomen selbst. So wie es eben auch eine unaufhebbare Differenz zwischen Wahrnehmung/Abbild der Realität in den Gedanken eines jeden und der "Realität" an sich gibt.
Wer daraus nun schlussfolgert, das ich die Existenz oder Sinnhaftigkeit von Diagnosen verneine oder das System, dass dies hervorgebracht hat Mist finde, soll das bitte tun und da weiter argumentieren, auch wenns unter die Gürtellinie geht. (Was hat das mit meinen privaten Therapieerfahrungen zu tun? Die gut sind! Ich habe keine gescheiterten Therapien oder Medikationsversuche.)
Einer der vielen Punkte, die ich dennoch an Diagnosen und dem westlichen, schulmedizinsichen System kritisch finde, ist die Fragmentierung des Menschens. Habe versucht das anzudeuten. Ist vllt. nicht zu rübergekommen. Und ich persönlich glaube nicht daran, dass man heil, im Sinne von ganz wird, wenn man einen Menschen fragmentiert und isolierte Fragmente behandelt, wie es letzlich oft gemacht wird, therapeutisch, wie auch medizinisch. Ein Umdenken findet bei einigen sicher statt, aber das ist auch eine institutionentheoretische Frage: Es gibt genug Anreize im System, diese Fragmentierung noch weiter voran zu treiben.
Bsp. Potetielle Reform des Therapiewesens in Deutschland.
Es gibt auch andere Manuale, wie das ICF - Die International Classification of Functioning, Disability and Health, die ressourcenorientiert und ganzheitlich diagnostizieren, statt fragmatentiert und defizitorientiert. Es ist also nicht so, als würden sich einige wenige das Probem aus den Fingern saugen. Das Problem ist shcon lange als solches bekannt und man versucht auch an offizieller Stelle damit konstruktiv umzugehen. Aber wie gesagt, die Anreize im System sind so, dass ich schon verstehe, warum das ICD noch immer nicht auf Eis gelegt wurde, was vor paar Jahren mal die Hoffung war, dass vermehrt auf das ICF umgeschwenkt wird, nur in Randdisziplinen passiert ist.
amor fati