Selbstliebe - ist das möglich?

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Affenzahn
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 12:41

Ich schiebe mal eine Definition dazwischen. Mit Selbstliebe könnte folgendes gemeint sein:

Der ganz natürliche Vorgang, dass man es sich im Leben so angenehm wie möglich macht. Jeder liebt sozusagen sich selbst - auch derjenige, der sich selbst nicht "gut findet".

Es ist kein einfacher Vorgang, sondern ein Optimierungsprozess, der ein Teil seines eigenen Ergebnisses ist. Die Suche nach dem Optimum vermindert z.B. die Zeit und Energie, die einem zum Erreichen des Optimums bleibt.

Warum gibt es die Diskussion über Selbstliebe? Weil es verschiedene Gründe gibt, die dazu führen, dass es so aussieht, als ob man diesen Optimierungsvorgang abgebrochen oder sogar umgekehrt hätte.

Wer "sich selbst nicht mag", hat gelernt, dass er sich ändern muss, um von anderen akzeptiert oder geliebt zu werden, aber kann es vielleicht nicht, weil da ein Monster in ihm drin sitzt, das die Optimierung ebenfalls behindert.

Vielleicht hat derjenige sogar gelernt, sich selbst zu bestrafen, weil dies die anderen Menschen milde stimmt.

Es ist besser, mit einem unveränderlichen Monster zu leben, als es zu bekämpfen.

Das Gewissen hilft einem bei der Optimierung, sagt einem, wo es eigentlich lang geht. Auf das Gewissen zu hören, ist ein Fortschritt in der Selbstliebe.

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Irrlicht
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 12:49

Hi Black XistenZ,
also war in deinem fall die selbstliebe die ganze zeit da, du konntest sie nur nicht fühlen? o.O
Gute Frage. Schwierige Frage. Kann ich nicht ad hoc beantworten.
wie soll ich mich denn wertschätzen, wenn eine (objektive) bewertung meiner selbst ein zu niedriges ergebnis liefert? oder wieder anders gefragt: bin ich denn der einzige, der den eindruck hat nicht in der lage zu sein, sich selbst ohne plausiblen, objektiven grund einen hohen "wert" zuzusprechen, mich also wissentlich und willentlich "falsch" zu bewerten?
Ich komme nicht zu einem "zu niedrigen Ergebnis" meines Wertes.
Ich finde den Gedanken sogar irgendwie absurd. Niemals würde ich mein Kind nur auf Grund eines "objektiven Wertes" lieben. Oder meinen Mann. Beide schätze ich wert, liebe ich, weil sie sind. Da steckt, wie ich grade merke, ganz viel irrationale Bedingungslosigkeit und kaum "plausible, objektive Gründe" drin. Oder auch eben "liebevolle Nachsicht" - ich liebe die zwei, auch wenn ich Streit mit meinem Mann hab und mein Kind mich nervt.
Und so ist das auch mir selbst gegenüber: dieses Grundgefühl der Selbstliebe ist nicht von objektiven Maßstäben abhängig. Also auch wenn ich nicht Basketball spielen kann und ich technische Anleitungen schwer verstehe, ich einige Kilos zu viel wiege und manchmal egoistisch oder faul bin - das tut alles meiner Selbstliebe keinen Abbruch!

Kennst Du das Gefühl der "irrationalen" Liebe ggü jemand anderem? Kannst Du Dir vorstellen, dass es ggü einem selbst ebenso irrational sein kann und darf?

Und: Wieso "falsch" bewerten? Wer legt denn den Maßstab für richtig und falsch fest, welche Einheiten gibz überhaupt?

Ich hab mal die These gelesen, dass depressive Menschen sich und das Leben deutlich rationaler und realistischer bewerten, als nicht depressive Menschen.
Wie traurig ist das, sich nicht einfach einlassen zu können, sich von Herzen zu freuen - und zu lieben. Das Leben, sich, andere.

Hm.

Irrlicht

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Black XistenZ
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 15:50

Irrlicht hat geschrieben:Gute Frage. Schwierige Frage. Kann ich nicht ad hoc beantworten.


falls dir mal eine antwort drauf einfällt lass sie mich bitte wissen, ich finde mich nämlich in deiner ganzen vorangegangenen schilderung (vertrauen in viele fähigkeiten, aber trotzdem kein selbstwertgefühl) irgendwie wieder.
Beide schätze ich wert, liebe ich, weil sie sind. Da steckt, wie ich grade merke, ganz viel irrationale Bedingungslosigkeit und kaum "plausible, objektive Gründe" drin. Oder auch eben "liebevolle Nachsicht" - ich liebe die zwei, auch wenn ich Streit mit meinem Mann hab und mein Kind mich nervt.
das ist doch selbstverständlich, ein streit ist eben erfahrungsgemäß etwas zeitlich begrenztes. ok, lassen wir die sache mit der liebe zu deinem kind, damit kann ich nichts anfangen, das ist für mich momentan noch so weit weg dass es meine vorstellungskraft überfordert. aber ich bin mir sicher du liebst deinen mann nicht weil er ist sondern weil er ist wie er ist. wenn er sich jetzt zu einem egoistischen, rücksichtslosen ekel wandeln würde wäre deine liebe ihm gegenüber sicher recht bald erloschen.

Und so ist das auch mir selbst gegenüber: dieses Grundgefühl der Selbstliebe ist nicht von objektiven Maßstäben abhängig. Also auch wenn ich nicht Basketball spielen kann und ich technische Anleitungen schwer verstehe, ich einige Kilos zu viel wiege und manchmal egoistisch oder faul bin - das tut alles meiner Selbstliebe keinen Abbruch!


wie schön für dich war das schon immer so? und falls nein: wie hast du es geschafft dahin zu kommen wo du heute im umgang mit dir selbst stehst?
Kennst Du das Gefühl der "irrationalen" Liebe ggü jemand anderem? Kannst Du Dir vorstellen, dass es ggü einem selbst ebenso irrational sein kann und darf?


nein. es gibt ohnehin nur sehr wenig menschen, die bei mir ernsthafte sympathie "auf augenhöhe" auslösen können.
Ich hab mal die These gelesen, dass depressive Menschen sich und das Leben deutlich rationaler und realistischer bewerten, als nicht depressive Menschen.
Wie traurig ist das, sich nicht einfach einlassen zu können, sich von Herzen zu freuen - und zu lieben. Das Leben, sich, andere.


aha, du findest mich/meine situation traurig. ok, dein mitgefühl (zumindest interpretiere ich es als solches) ist ja ganz nett, bringt mich aber nicht wirklich weiter. *seufz*
übrigens: ist es nicht vielleicht eher so, dass die menschen, die die welt und das leben realistisch sehen, depressiv werden?
(jaja, ich mach meinem namen heute alle ehre^^)

In der Konsequenz heißt das dann: Wenn alle, die mich kennen, liebenswert finden, bin ich objektiv liebenswert. Verringert sich die Zahl, nimmt, nimm mein "Liebens-Wert" stetig ab. Gedankenexperiment: Was ist, wenn alle mich für liebenswert halten, nur ich nicht. Da würde sich für mich die Frage stellen, weshalb ich mich nicht dafür halte, obwohl ich es doch objektiv bin.
nein. ganz so einfach ist es /sehe ich es nicht. dass andere mich für liebenswert halten heisst ja noch lange nicht, dass ich das ebenso tue. aber umgekehrt denke ich einfach, dass es nicht möglich ist sich selbst für liebenswert zu halten, wenn ein kritisches maß an ablehnung von aussen überschritten wird.

bei der geschichte mit der objektiven bewertung muss man natürlich bedenken, dass man selbst es ist der die kriterien festlegt, nach denen man sich die eigene wertigkeit überlegt. und dann schaut man eben, wie einen andere nach diesen kriterien bewerten würden. klar, wenns nicht so ein banales beispiel wie das mit den mädels und dem hotornot-finden ist wird das schwierig und findet teilweise auch nur in den eigenen gedanken statt, ist mithin also extrem anfällig für einen getrübten, voreingenommenen blick. aber rein prinzipiell wäre es so möglich, zumindest wenn man die anderen dazu zwingen könnte einem eine ehrliche antwort zu geben

nicht dass man mich missversteht: ich meine keineswegs, dass ich mich in meinem selbstbild nur am fremdbild anderer orientieren will, aber umgekehrt habe ich nicht genügend "erfahrungsverdrängungskraft", um eine ständige kollision meines selbstbildes mit der reaktion anderer auf meine person ertragen zu können. ich käme nicht drumherum, in diesem fall mein selbstbild als falsch und korrekturbedürftig einzustufen. selbstverständlich bestimmt sich das gewicht, das ich der reaktion anderer beimesse, danach was mir diese person bedeutet.

aber wie gesagt, ich bin nicht in der lage, mein selbstbild von der reaktion anderer oder der von mir vermuteten meinung, die sie über mich haben, loszulösen. auch wenn es immer heisst man sollte sich nicht so sehr von der meinung anderer abhängig machen.
Gib einem Menschen Macht und du wirst sein wahres Wesen erkennen.

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expat
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 16:13

Black XistenZ hat geschrieben: aber wie gesagt, ich bin nicht in der lage, mein selbstbild von der reaktion anderer oder der von mir vermuteten meinung, die sie über mich haben, loszulösen. auch wenn es immer heisst man sollte sich nicht so sehr von der meinung anderer abhängig machen.
Nun ist das hier ein Forum für Psychotherapie. Da sollte man doch die Bereitschaft voraussetzen, für möglich zu halten, das die eigenen verkorksten Grundeinstellungen schädlicher sind als die Meinung anderer Leute, ja dass im Grunde nur scheinbare Urteile vorgeschoben werden, um die eignen Irrtümer als sinnvoll erscheinen zu lassen. Mit anderen Worten: Wir leiden weniger an der Umwelt, als vielmehr daran, was wir der Umwelt an Meinungen unterstellen. Das aber wiederum ist zum großen Teil, das was wir an Ängsten in uns haben. Alle irrealen Ängste sind aus dem Schmerz geboren. Aber nicht dem Schmerz von heute, sondern dem von gestern. Und da wurde auch der Grundstein für unser liebloses Selbstbild gelegt.
Das war's
Wo jeder Widerspruch gelöscht wird, scheint alles klar.

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Elfchen
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 17:36

expat, dafür danke ich Dir. Damit kann ich viel anfangen!

Grüessli
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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kamikatze
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 22:46

liebes irrlicht;
ich gebe dir aus vollem katzenmagen recht! selbstwert muss wirklich nicht vs. selbstliebe sein. ich vermute inzwischen sogar, dass es eigentlich zwei sinngleiche begriffe sind.
lustig: mir ist in deinen zeilen an mir was gegenteiliges aufgefallen: ich wirke oft extremst selbstbewusst; vor allem in den phasen, in denen ich eigentlich seelisch an krücken laufe und wirklich nicht mit einem guten selbstwert gesegnet wäre...ich agier mein defizit irgendwie paradox aus; stoff für viele therapiestunden...

wertschätzen tu' ich in verbindung mit anerkennen, respektieren.
Liebe empfinde ich für mein Kind, phasenweise für einen Mann...
mein verhältnis zu mir: achterbahn zwischen selbstkritisch und wohlwollend und manchmal auch betriebsblind (soll ich das 2501 mal schreiben: ich suche mir ein neues betreibskonzept?)

Liebe grüsse, katzenkaraoke
Ich rotiere höchstens,
wenn ich Opfer des Rotationsprinzips werde...

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sino
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Beitrag Mo., 31.03.2008, 23:51

Alle irrealen Ängste sind aus dem Schmerz geboren. Aber nicht dem Schmerz von heute, sondern dem von gestern.
Außer meinen Zahnschmerzen war mein Schmerz immer zeitlos und meine Ängste waren nicht irreal.
Wir leiden weniger an der Umwelt, als vielmehr daran, was wir der Umwelt an Meinungen unterstellen
expat wenn du solches schreibst, sage ich dir du hast nie gelitten oder konntest Schmerz nicht zulassen oder hast keinen Zugang dazu.
You were born. And so you're free. So happy birthday. Laurie Anderson

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expat
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Beitrag Di., 01.04.2008, 04:31

sino hat geschrieben:
expat hat geschrieben:Alle irrealen Ängste sind aus dem Schmerz geboren. Aber nicht dem Schmerz von heute, sondern dem von gestern.
Außer meinen Zahnschmerzen war mein Schmerz immer zeitlos und meine Ängste waren nicht irreal.
Dann warst du vielleicht gar nicht angesprochen. Warum antwortest du dann? Und dann auch noch so himmelschreiend unlogisch. Wenn ich über irreale Ängste rede, deine Ängste aber nicht irreal sind, was redest du dann hier? Und was soll das mit dem zeitlosen Schmerz. Schmerz fängt immer irgendwann an und hört spätestens mit deinem Tod auf. Was soll daran zeitlos sein?
sino hat geschrieben:
expat hat geschrieben:Wir leiden weniger an der Umwelt, als vielmehr daran, was wir der Umwelt an Meinungen unterstellen
expat wenn du solches schreibst, sage ich dir du hast nie gelitten oder konntest Schmerz nicht zulassen oder hast keinen Zugang dazu.
Jetzt bin ich durchschaut, wenn auch nicht von einem der Logischsten hier.
Das sollte ich mir also nicht reinziehen.
Der Schmerz, zu dem wir Zugang haben, ist der weniger bedrohliche.
Bedrohlich ist aber der Schmerz, zu dem wir keinen Zugang haben.
Das war's
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Black XistenZ
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Beitrag Di., 01.04.2008, 11:38

expat hat geschrieben: Mit anderen Worten: Wir leiden weniger an der Umwelt, als vielmehr daran, was wir der Umwelt an Meinungen unterstellen. Alle irrealen Ängste sind aus dem Schmerz geboren.
nein, so formuliert ist das falsch. wir leiden nach verletzungen durch die umwelt noch im nachhinein an den verletzenden meinungen, die wir der umwelt unterstellen. aber das trifft erst dann zu, wenn die konkrete verletzung durch die umwelt vorbei ist. dass solche verletzungen eine art "seelischen phantomschmerz" auslösen heisst nicht, dass auch die ursache (also die verletzung durch andere) irreal gewesen ist.
statt irreal würde ich übrigens lieber unbegründet sagen. gefühle können nicht irreal sein - entweder man hat angst oder man hat keine, und für das gefühl der angst spielt es keine rolle, ob ein aussenstehender, neutraler beobachter dieser gründe für begründet oder unbegründet einstufen würde.
Gib einem Menschen Macht und du wirst sein wahres Wesen erkennen.

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Irrlicht
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Beitrag Di., 01.04.2008, 12:21

Hallo Black XistenZ,
falls dir mal eine antwort drauf einfällt lass sie mich bitte wissen, ich finde mich nämlich in deiner ganzen vorangegangenen schilderung (vertrauen in viele fähigkeiten, aber trotzdem kein selbstwertgefühl) irgendwie wieder.
Werd ich posten. Allerdings muss ich mich da einfühlen, rein rational kann ich das nicht meiner Wahrheit gemäß beantworten.
das ist doch selbstverständlich, ein streit ist eben erfahrungsgemäß etwas zeitlich begrenztes.
Nein, das ist nicht selbstverständlich!
In einer abhängigen Liebe ist Streit existenziell bedrohlich!

Für mich war das mal existenziell. Mein Vater starb, "obwohl" wir unseren Konflikt nicht geklärt hatten. Psychisch hatte das enorme Folgen für mich und das Vertrauen in das Lieben und geliebt werden bei einem Streit, musste ich erst wiederfinden!
aber ich bin mir sicher du liebst deinen mann nicht weil er ist sondern weil er ist wie er ist. wenn er sich jetzt zu einem egoistischen, rücksichtslosen ekel wandeln würde wäre deine liebe ihm gegenüber sicher recht bald erloschen.
Weiß ich nicht
Ich glaube, ich liebe ihn tatsächlich, weil er ist. Sicher hätte ich nicht irgendwann begonnen ihn zu lieben, weil er ist, wie er ist. Mittlerweile aber glaube ich, dass er sich zum Ekel (Fremdgänger, Egoist etc) entwickeln könnte und ich mich dann auch uU trennen würde - die Liebe zu ihm aber bliebe.
Ganz sicher ist das bei meinem Kind so.
Und so ist das auch mir selbst gegenüber: dieses Grundgefühl der Selbstliebe ist nicht von objektiven Maßstäben abhängig.


wie schön für dich war das schon immer so? und falls nein: wie hast du es geschafft dahin zu kommen wo du heute im umgang mit dir selbst stehst?
Es war schon immer so, aber ich hatte s.o. massive Einbrüche
Ich war ein sehr selbstbewusstes, angstfreies, fröhliches Kind. Die Teeniezeit war heftig - aber ich kämpfte um mein Ich, habe meinen Selbstwert nie angezweifelt. Das kam dann später, so mit Anfang 20 rum.
Meine Identitätssuche gestaltete sich etwas schwierig, als ich begriff, dass ich nicht nur die Opposition resp Assimilation meines Vaters bin
Und wie ich meinen Selbstwert wiederfand, kann ich nicht wirklich gut beschreiben. Im Prinzip so, wie ich ihn verlor: stückchenweise.
Mit 20 rum stellte ich alles und vor allem mich in Frage. Verdrängte, abgespaltene Gefühle rumorten zunehmend im Hintergrund und torpedierten meine grauen Zellen. Ich fühlte keinen Selbstwert, sondern nur Leere oder "negative" Gefühle, Skepsis, Einsamkeit, Sinnlosigkeit.
Mit ca. 27/28 konnte ich die Welt, meine Mitmenschen, mich, wieder kritikfreier annehmen. Mögen, anerkennen, ohne ständig das Haar in der Suppe zu sehen. Entscheidungen treffen, ohne mich wer weiss wie emotional zu verstricken. Ich habe in den Jahren dazwischen 4 Jahre Therapie gemacht, wo ich viele der "alten Gefühle" gesehen hab, meine Bedürftigkeit, meine Ängste, meine Wut.
Es ist nicht alles an Selbstwert durch "harte Therapiearbeit" wieder zu mir gehörig geworden. Manches hat sich durch die Zeit gegeben, manches durch Reifung meiner Persönlichkeit und manch positive Erfahrung tat ihr übriges.
nein. es gibt ohnehin nur sehr wenig menschen, die bei mir ernsthafte sympathie "auf augenhöhe" auslösen können.
Zu Beginn meiner Studienzeit fühlte ich mich so unglaublich allein... Endlich war ich auf der Uni, umgeben von intelligenten Menschen - und alles Dumpfbacken, die sich über Vorlesungspläne oder Mensaessen unterhalten. Keiner, der wusste, was "Abgeschiedenheit" nach Fromm meint, keiner, der mich sah und verstand - kein Augenhöhenkontakt.
DAS lag an mir!
Ich war depressiv und gab niemandem die Chance, einfach zu sein. Mir ja auch nicht! Aber als ich mich einige Semester später mit Vergnügen übers Mensaessen unterhalten konnte, sah ich plötzlich auch Menschen, die über Fromm redeten!
Und das ist heute nicht anders: gerne lese ich in Büchern oder auch hier, was intelligente Denker schreiben, gerne führe ich auch intellektuell fordernde Gespräche - aber ich kann genau so gut (mit dem gleichen Wohlfühlen) mit jemanden über den besten Babybrei oder über Schuhekauf quatschen! Emotional tut mir beides gut - ich darf beides!
aha, du findest mich/meine situation traurig. ok, dein mitgefühl (zumindest interpretiere ich es als solches) ist ja ganz nett, bringt mich aber nicht wirklich weiter. *seufz*
Als ich meinen Satz schrieb, war das ganz unempathisch mir Dir. Mir fiel der Unterschied in mir und meinem Erleben auf.
Und weisst Du was: Ich schätze diese Zeit, dieses Erleben für mich durchaus. Ich bin ja was ich bin, durch das, was ich war. Würde ich mich für Dich, dieses Thema, dieses Forum, "die Menschen" derartig interessieren, wenn ich nicht um die Sonnen- und Schattenseiten meiner selbst wüsste?
Ich bin zudem sehr optimistisch und glaube immer, dass eine Entwicklung, so dass man sich besser fühlt, möglich ist. Manchmal brauchts ein paar Jahre und es gibt eine Menge Rückschläge und im Tief kann man nun wirklich nichts schönes am Morgen sehen - aber ich für mich weiss, dass ichs wieder werde, egal welche Schicksalsschläge oder emotionalen Defizite ich noch erleben werde.
übrigens: ist es nicht vielleicht eher so, dass die menschen, die die welt und das leben realistisch sehen, depressiv werden?
Du schreibst es augenzwinkernd, aber ich will ganz ernst antworten: nein.

Lg,

Irrlicht

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expat
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Beitrag Di., 01.04.2008, 12:56

Black XistenZ hat geschrieben:
expat hat geschrieben: Mit anderen Worten: Wir leiden weniger an der Umwelt, als vielmehr daran, was wir der Umwelt an Meinungen unterstellen. Alle irrealen Ängste sind aus dem Schmerz geboren.
nein, so formuliert ist das falsch. wir leiden nach verletzungen durch die umwelt noch im nachhinein an den verletzenden meinungen, die wir der umwelt unterstellen. aber das trifft erst dann zu, wenn die konkrete verletzung durch die umwelt vorbei ist. dass solche verletzungen eine art "seelischen phantomschmerz" auslösen heisst nicht, dass auch die ursache (also die verletzung durch andere) irreal gewesen ist.
Wer spricht von irrealen Ursachen? Es reicht, dass wir als Kind die Ursachen als bedrohlich angesehen haben. Zum Beispiel kann es durchaus traumatisch wirken, wenn klein Black XistenZ (nur als Beispiel) das elterliche Schlafzimmer betritt und beobachtet, wie Vater gerade die Mutter umbringt, ihr zumindest scheinbar großen Schmerz zufügt. Aber schlimmer sind wohl noch frühere Schmerzerlebnisse, die sprachlich nicht erinnert werden können, sich also einer auf Sprache gegründeten Therapie entziehen. .
Black XistenZ hat geschrieben:statt irreal würde ich übrigens lieber unbegründet sagen. gefühle können nicht irreal sein - entweder man hat angst oder man hat keine, und für das gefühl der angst spielt es keine rolle, ob ein aussenstehender, neutraler beobachter dieser gründe für begründet oder unbegründet einstufen würde.
Diesen Unterschied muss man unbedingt machen, will man den Ursachen auf die Schliche kommen. Angst, Zorn, Wut, Eifersucht, Rachsucht und Beleidigtsein sind nach meinem Dafürhalten z.B. nun mal Gefühle, die ihre Ursachen in der Vergangenheit haben. Sie haben die Aufgabe, Gefühle, wie Freude, Liebe, Furcht (im Gegensatz zur Angst bei realer Bedrohung)oder Trauer zu überdecken. Eine Psychologie des Menschen, die diese Unterschiede negiert, kann nicht sinnvoll sein.
Sicher ist das subjektive Leid dessen, der einer "irrealen Emotion" zum Opfer fällt, nicht geringer als ein "echtes Leid", das mir aktuell geschieht. Nur ist das aktuelle Leid heilbar, das irreale oder auch symbolische eben so einfach im Hier und Heute nicht. Ein Trennungsschmerz wird mit der Zeit durch Trauer überwunden, wird in ihm aber symbolisch die große Frustration und Verletzung der Kindheit erlebt, so ist diesem Schmerz kaum beizukommen.
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Nurse_with_wound
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Beitrag Fr., 04.04.2008, 23:38

Was ist so verwerfliches daran, den Gedanken der Selbstliebe als künstlich zu empfinden, künstliche Spaltung des ichs als künstliche , bildliche (??) Hilfestellung wenn es mal im Leben nicht so läuft.
Im Endeffekt ist es auch. Ein Mensch dem es gut geht fragt sich nicht ob er sich selbst liebt, redet sich solche Dinge nicht ein.
Ich habe bereits mit 3 mein Umfeld nicht immer angenommen, nicht alles und nicht alle gemocht. Habe ich mich da nicht geliebt?
Bitte nur keinen Freud, ich mag einige seiner Theorien nicht wirklich


Ich liebe aber die Band und den Song
Die Musik, überzeugt mich 10000 mal mehr, als hunderte schlaue Worte, schlaue Ratschläge von hunderten von Wissenschaftlern, Philosophen usw usf
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stern
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Beitrag Fr., 04.04.2008, 23:51

Ein Mensch dem es gut geht fragt sich nicht ob er sich selbst liebt, redet sich solche Dinge nicht ein.
Tja... wär halt toll, wenn es jedem Mensch so toll ginge, dass er er keine "Selbstliebe" lernen müsste. Mit einreden hat das mit meinen Augen auch im Endeffekt nicht so viel zu tun... sondern damit das zu spüren (letztlich).
künstliche Spaltung des ichs als künstliche , bildliche (??) Hilfestellung.
Mein Thera erwähnte in diesem Zusammenhang (rein zufällig) auch etwas zur Aufspaltung... genauer gesagt: zur Nicht-Aufspaltung... fand ich gut. Denn eine Aufspaltung war/ist doch i.d.R. auch nicht erwünscht... zumindest bei mir. Denn ein Mensch kann auch in meinen Augen durchaus verschiedene Anteile in sich haben und dennoch eine Identität sein... so spüre ich das zumindest für mich. Und ich erlebe eine bildliche Hilfestellung (verschiedener Anteile in mir) teils schon als sehr hilfreich... bin halt ein visueller Mensch , die ich echt nicht als künstliche Spaltung des Ichs erlebe. Bildliche Visualisierung ist aber für andere wiederum entbehrlich(er) und nicht Voraussetzung für Selbstliebe.

Gilt für mich... andere mögen das anders sehen: Daher:
Was ist so verwerfliches daran, den Gedanken der Selbstliebe als künstlich zu empfinden,...
Iss doch nicht verwerflich... aber es gibt eben verschiedene Sichtweisen/Empfindungen dazu - sonst wäre es ja auch zu einfach . Schön, dass du aus Musik dazu ziehen kannst, was du brauchst. Jedem hilft halt was anders .
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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(alte Weisheit)

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Juliette
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Beitrag Fr., 04.04.2008, 23:58

Hallo,
ohne mich selbst zu lieben, mit mir selbst liebevoll umzugehen, ist mir ein sinnvolles Leben nicht möglich.
Früher wurde ja vor allem Wert auf die Nächstenliebe gelegt: "Man hat sich selbst übersehen, sollte nur für den Anderen da sein. Das hat oft zu Bitterkeit geführt. Heute fangen wir eher bei der Selbstliebe an. Aber wenn wir diesen Pol zu stark betonen, sind wir todunglücklich, weil wir nur um uns selbst kreisen." (Anselm Grün)

Der Beitrag von Irrlicht gibt mir viel, denn so ging/geht es mir auch oft: bin mir meiner Kompetenzen bewusst, aber ich schätze es nicht wert, nehme es nicht ernst und hungere wirklich nach Anerkennung, so dass es mir bald peinlich ist. Und dieses Leere Gefühl ist kaum auszuhalten.

juliette

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Nurse_with_wound
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Beitrag Sa., 05.04.2008, 00:14

@stern Weil jeder am Anfang so erstaunt war, ich glaube nachvollziehen zu können was expat meinte, ich glaube er meinte das Wort.
Ich sehe das so:
Liebe in unserem Sprachgebrauch steht unter Anderem für Dinge wie: Selbstlosigkeit (für eigene Kinder) Leidenschaft(für den Partner), Aufopferung (Für die Familie), aber auch Romantik (für den neuen Partner, verliebt sein).
Bei sich selbst denkt man nicht daran, man kann nicht an sich selbst liebesbriefe schreiben (salop ausgedrückt)
Dieser Wilhelm Schmidt spricht auch eher von Selbstfreundschaft.
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