Phantasien über die Lebensumstände eures Therapeuten

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 30.12.2009, 15:37

Also da kam es einmal dazu, dass während meiner Stunde offensichtlich die Post einen Brief durch den Schlitz direkt in den Flur geschmissen hatte. Ich sah das, merkte, dass mein Thera hinter mir stand und es auch sah. Der Brief lag halt auf dem Boden im Flur. Ich wollte ja auch nicht unhöflich sein und ging zum Brief, hob ihn auf und ..... [im normalen Leben ja nun alles kein Problem, sollte man meinen] .... da verließ mich plötzlich völlig der Mut ... er war auf mich zugegangen und hielt erwartungsvoll die Hand hin, um mir den Brief abzunehmen ... aber ich konnte plötzlich nicht, war zu keiner normalen Begegnung mehr in der Lage ... schlussendlich legte ich den Brief zu seiner Verblüffung, ohne noch was zu sagen oder ihm in die Augen zu kucken auf einen Stuhl direkt neben ihm, seine Hände gingen leer aus, und ich eilte so schnell wie ich nur konnte aus der Praxis raus. Boah, wie peinlich ist das denn bitte!!!!
Ich kann deine Unsicherheit in dieser Situation gut nachvollziehen. Peinlich finde ich sie nicht, eher aufschlussreich. Ich finde, da steckt sehr sehr viel drin.

Für mich dein Aufheben des Briefes ein spontaner Akt gewesen. Du wolltest ihm damit, ohne lange nachzudenken, einen Gefallen tun, ein Geschenk machen. Warum? Weil du ihn gern hast.
Ich denke, was dich verunsichert hat, war seine Reaktion des Hand-Ausstreckens und nach dem Brief greifen. Was geht ihm dabei durch den Kopf? Will er dein 'Geschenk' dankbar entgegennehmen? Will er dir damit zeigen, nein, her damit, Sie überschreiten Ihre Grenzen...? Ich vermute, einen Gesichtsausdruck von ihm gab es nicht. Er war ein Pokerface. Du konntest nicht wissen, wie er deine Handlung aufnehmen würde.

Diese Verunsicherung veranlasste dich, von der Idee des "Geschenks" vorsichtshalber abzulassen. Stattdessen legst du den Brief auf einen Stuhl. Völlig ungefährlich. So als würde man einem Menschen, dem man einen Kuss auf den Mund geben wollte, nach kurzer Überlegung dann einen Kuss auf die Stirn geben. Ist halt ungefährlicher. Du fühlst dich sicherer damit.

Kann es sein, dass es dein Gefühl der Verunsicherung ist, das bei dir das Gefühl der Peinlichkeit hervorgerufen hat?

Nur so 'n Gedanke... Auf jeden Fall höchstinteressant, die Situation.

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 30.12.2009, 15:55

@Freistil

Schööööööööne Fantasie!!! Dieses beredte Schweigen der beiden Hauptakteure geht mir durch Mark und Bein. Verstehen und Verstanden-WErden ohne groß Worte schwingen zu müssen. Er weiß um deine Gefühle, sonst könnte er dir nicht so selbstsicher auf Schritt und Tritt folgen. (Im Grunde verhält er sich so, wie du es nicht konntest in der Brief-Geschichte oben, oder?

++++++neue Phantasie+++++++neue Phantasie++++++

Es schneit. Mein Thera und ich (wir sind bereits gute Freunde, kennen uns auch privat) fahren zusammen ins nahe gelegene Naturschutzgebiet. Dort kann man wunderbar Ski-Langlaufen. Wir fahren in meinem Auto dorthin. Bei strahlendem Sonnenschein glitzert die Schneelandschaft unter einem blauen Himmel. Die Farben der Bäume und Felder tritt überdeutlich hervor. Und so deutlich, wie wir die Farben wahrnehmen, so nehmen wir auch die Gefühle wahr, die wir füreinander hegen. Wir schnallen die Ski an und dann geht's los. Außer Puste, lassen wir uns an einer Wegeskreuzung in den Schnee fallen. Wir schauen uns an, glücklich lächelnd. Während über unseren Köpfen zwei Vögel aufgeregt zwitschern, kommt er auf mich zugerollt, streicht mir ein paar Schneeflocken aus dem Gesicht, nimmt mich in den Arm und küsst mich dann. Unser erster Kuss....
+++++++++++++++++++++++++++

Hach....

Oh Mann, was für eine kitschige Fantasie....schnell weg hier ....

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Freistil
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Beitrag Mi., 30.12.2009, 20:40

SandyP. hat geschrieben: Es schneit. Mein Thera und ich (wir sind bereits gute Freunde, kennen uns auch privat) fahren zusammen ins nahe gelegene Naturschutzgebiet. ........... Unser erster Kuss....
Das ist NULL kitschig, Sandy. Es ist schööööön.
In mir klingt deine Phantasie einfach nach Sehnsucht nach ganz viel Unbeschwertheit und Vertrautheit und Vertrauen. Es klingt wunderbar frisch verliebt. Und da entlädt sich nicht gleich alles in verschwitztem direkten Sex, sondern ihr nehmt euch gaaanz viel Zeit. Ihr habt Lust, Zeit zu teilen, Zeit miteinander zu verbringen, im Schnee herumzualbern. Oh damn, wie super-schööööööööööön !!!!!
Kurze spontane Gedanken dazu:
- Ihr fahrt nicht weit weg von deinem Zuhause. Es ist kompatibel zu deinem Alltag und keine total unrealistische Phantasie.
- Ski-LANG-Laufen. Es soll LANGE dauern, kein kurzes schnelles Abenteuer, sondern es geht um meeeehr.
- Ihr fahrt mit DEINEM Auto. Du bist gleichberechtigt als Partnerin und nicht mehr in der Patientinnen-Rolle....
- Eine Wegeskreuzung.... Damit wird besiegelt, dass ihr wirklich zueinander findet und euch ganz real kreuzt.

Naja, is jetzt noch nicht soooo phantasievoll von mir. Aber sicher ist, dass mir vor allem die Szene, wenn er durch den Schnee auf dich zurollt, durch Mark und Bein geht.......... Yeah!
Meeeeehr!!!
lg freistil
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~silence~
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Beitrag Mi., 30.12.2009, 21:06

Liebe Freistil
Freistil hat geschrieben:Normalerweise läuft das bei mir so, dass er sagt, dass die Zeit zu Ende ist. Dann raffe ich mich von der Couch auf, er steht nach mir auf, ich gehe auf ihn zu, wir geben uns die Hand und sagen irgendwas zum Abschied. Dann gehe ich zuerst zur Tür des Analysezimmers in den Flur und zur Garderobe, er gleich hinterher, um in einen Nachbarraum zu gehen (Büro?).
Der Ablauf in meinen Sitzungen ist haargenau derselbe! - wobei ich nie verstanden hab, dass er sich tatsächlich erst bewegt, wenn ich fast schon stehe. Allerdings rennt mein Analytiker nicht direkt hinter mir her, sondern öffnet noch das Fenster und solche Dinge.
Freistil hat geschrieben:im normalen Leben ja nun alles kein Problem, sollte man meinen
Das ist ja das Verrückte. Es ist dort nicht das "normale Leben". Es gibt dort keine Höflichkeiten - keinen Smalltalk. Zumindest in den Gesprächen mit meinem Analytiker nicht. Ich hab das komplett aufgegeben. Die Antwort auf irgendwelche dahingesagten Nettigkeiten ist doch entweder Schweigen oder eine Gegenfrage. Wundert es Dich da wirklich, dass Du ihm den Brief nicht geben konntest? ... ich hätte ihn nicht einmal aufheben können.
Freistil hat geschrieben:Aber dafür fange ich an, seeeehr aggressiv und unruhig zu werden und meine in diesen Fällen, echt am Rad zu drehen...
Ich war noch nie aggressiv gegenüber meinem Analytiker. Überhaupt konnte ich bis jetzt meine Gefühlsregungen ihm gegenüber verbergen. Ich weiß, dass das falsch ist - aber ich tat eben bisher alles, um ihn als neutrale Person zu sehen. Inzwischen weiß ich, dass der Zug entgültig abgefahren ist. Ich wollte ihm halt nie zu nahe treten. Ach doch - einmal fiel ich ihm krass ins Wort. Hab mich in Grund und Boden geschämt dafür. *seufz*

Leider kann ich keine neue Phantasie zum Besten geben.
Ich habe zwar welche, aber die sind eher negativ und konfus.
Sie bleiben besser unkommentiert in meinem Kopf, bis ich sie mit meinem Thera besprechen kann.

LG
~silence~
"Mir geht es nicht gut", sagte die Seele ~
"Aber der Mensch hört nicht auf mich".
"Dann lass mich krank werden", sagte der Körper ~
"Dann muss er auf Dich hören".

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Freistil
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Beitrag Mi., 30.12.2009, 21:11

SandyP. hat geschrieben: Kann es sein, dass es dein Gefühl der Verunsicherung ist, das bei dir das Gefühl der Peinlichkeit hervorgerufen hat?
Hey Sandy,
danke dir erstmal für die interessanten Assoziationen zu meiner Brief-Übergabe-Situation!!
Ich glaube, die Verunsicherung kommt bei mir und kam bei mir vor allem daher, dass ich mir im Vergleich zu ihm in diesem Moment so unendlich unzulänglich vorkam. Ich bin Patientin - er der Heiler. Ich bin krank - er gesund. Ich bin durch den Wind - er steht wie ein Fels in der Brandung. Auf der Couch ist das o.k., da bin ich in meiner Rolle geschützt. Aber in den Metern zur Tür und in "die Welt zurück" fällt der Kontrast plötzlich wieder gänzlich auf mich als Person zurück. Und in der Briefübergabe-Szene wurde mir das vielleicht unbewusst deutlich, dass es "mir nicht zusteht", "so zu tun" als sei ich ihm gegenüber in der Rolle like everyone.
Hmmmm, noch etwas ungeordnet und in immer noch ziemlich melancholischer Jahresendzeitsstimmung,
freistil
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Freistil
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Beitrag Fr., 01.01.2010, 10:39

Gestern Abend gegen 0:15 Uhr (Silvesternacht)... alle möglichen Menschen strömten raus auf die Straße, lachende Kinder, Väter mit Feuerwerkszubehör, die ihren Kids vorsichtig erklärten, wie sie eine Rakete abschießen dürfen ... Gruppen von fröhlichen Leuten, die laut alles mögliche durcheinander riefen ... Autos, die hupend durch die Straße heizten ... und ich in meiner Wohnung verschanzt, das Licht aus, starrte etwas emotionslos auf all diese Menschen, die mir so weit weg erschienen.
Da packte mich eine Phantasie, die diesen etwas deprimierenden Moment einfing:

Mein Thera, was machte er wohl in genau diesem Augenblick? Ich stellte mir vor, dass er in seiner wunderschönen, stilvollen Altbauwohnung zusammen mit seiner hübschen Lebensgefährtin und einem alten Studiumsfreund und dessen Frau (in zweiter Ehe) den Abend fröhlich und stilvoll in seiner Traum-Wohnung verbracht hatten. Es gab unglaublich gutes Essen, das alle vier zusammen in der großräumigen Küche zusammen gekocht hatten und dabei schon ein wenig Wein tranken. Beim Essen dann einfach wunderbare tiefsinnige und humorvolle Gespräche, bei denen keiner der vier am Rand steht oder zu kurz kommt. Das weiträumige Wohnzimmer wird von vielen Kerzen erleuchtet. Es steht ein Klavier im Zimmer, und es gibt unzählige Bücher überall....
In dem Moment, in dem ich irgendwie alleine und schambesetzt ob meines Alleinseins trübe durch mein Fenster auf das Feuerwerk schaue, ist er mit den anderen auf seine Terasse (im vierten Stock) gegangen. Man hat sich mit Decken gegen die Kälte gewappnet. Er hält von hinten seine Lebensgefährtin im Arm. Dieser Moment gehört nur ihnen.....

Puuuh.
LG freistil
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Xanny
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Beitrag Fr., 01.01.2010, 11:31

Mensch, Freistil...genauso stelle ich mir das auch vor. Ein gemütlicher Abend im Kreis der Lieben, kein Gedanke an die Patienten, die Arbeit weit von sich geschoben. Mein Thera sagte mir in der letzten Sitzung, er müsste mal raus aus allem und gönnt sich deshalb zu Jahresbeginn einen kleinen Urlaub. Stell mir das auch so vor, wie Du, Frau im Arm, gemeinsam dem Feuerwerk zusehen, später Arm in Arm aufs Sofa gekuschelt....*neid

Aber bei allen Träumereien sind Therapeuten ja auch nur Menschen, die sich auch wegen Kleinigkeiten mal in die Haare kriegen können. So denke ich mir das und dann ists auch schon wieder gut.

Aber generell denke ich viel darüber nach, wie einige meiner Freunde den Jahreswechsel verbracht haben, ähnlich romantisch mit der neuen Liebe, vertraut mit dem langjährigen Partner und keine Ahnung und kein Gedanke an mich...*schnief

Ich glaube, ich werde meinen Therapeuten mal fragen, ob ich mit meinen Deutungen richtig lag..
*Ein Freund ist jemand, der Deine Vergangenheit versteht, an Deine Zukunft glaubt und Dich so akzeptiert, wie Du bist*


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Beitrag Fr., 01.01.2010, 13:47

hungryheart hat geschrieben:
oder finden theras, die dann details wissen wollen, das irgendwie auch ....äh....geil .....sich sowas detailliert mit ihnen in der hauptrolle anzuhören?????

ich rede im detail nur mit meinem mann über meine sexuellen phantasien. mit einem thera fänd ich das, solange ich nicht explizit wegen einer sexualstörung um die es vor allem geht, in therapie bin, für mich unpassend. zu intim an einer stelle, wo für mich diese art der intimität nicht hingehört.
Ich hatte in einer Therapiestunde ziemlich unvermittelt diese Szene geschildert. Ein wenig Exihibitionismus war sicherlich dabei. Meine Thera rieb sich nach dem Ende der 'Sitzung' die Augen, und beim nächsten Mal trug sie einen knallila Pullover, den ich an ihr nie zuvor und auch nie später gesehen hatte (sie trägt meist schwarz). Ich werde sie darauf noch ansprechen, ob das vielleicht ein Signal sein sollte; wofür?

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 02.01.2010, 21:39

Liebe Freistil,

jetzt erst entdecke ich all die neuen Beiträge hier in diesem Thread. Merkwürdigerweise wurde der bei mir unter "neue Beiträge" nie angezeigt.????

Deine Silvester-Phantasie hat mich auch betroffen gemacht. Traurig allemal. Sie erinnerte mich ein wenig an die Schilderungen zu deinem letzten Silvester, mit deinem Ex, als alles schief lief. Jetzt hast du quasi einen positiven Gegen-Traum entworfen. Problem: Du bist halt nicht mit drin in dieser Phantasie, halt nur als Phantasierende. (Dein Thera = Dein Ex?)
Du trauerst sozusagen dem nach, was nicht mehr ist, vielleicht nie war. Schwingt da auch etwas Eifersucht mit? Hat dein Ex schon wieder eine Neue?

Sandy

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Freistil
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Beitrag Sa., 02.01.2010, 22:35

Liebe Sandy,
ja, das ist eine interessante Idee, meine Phantasie über das Silvester meines Theras mit meinem letzten Silvester mit meinem Ex zu vergleichen... Ob ich mir eiiiigentlich vorstellte, was mein Ex macht, ... , ich denke eigentlich nicht. Genau wie du sagst: Ich trauere dem nach, was nie war.... (erinnert mich jetzt gerade an einige Sätze aus deinem Blog und zu der Beziehung zwischen dir und deinem Dad...).
Meine Phantasie projezierte wohl mein inneres Loch irgendwie unstillbarer Einsamkeit (trotz Freunden, trotz Beschäftigungen...) auf meinen Analytiker.
Ob mein Ex eine Neue hat? Ich weiß es nicht. Nachdem er die letzten Sachen aus meiner Wohung geräumt hatte, haben wir uns zeitnah noch einmal getroffen gehabt, um noch "die letzte mögliche Chance für unsere Beziehung" zu erwägen. Danach hat keinder von uns beiden mehr Kontakt gesucht. Inzwischen ist es mir egal, was er macht. Aber mir ist nicht egal, dass ich einfach eine riesige klaffende Lücke in meinem Innern nicht geschlossen bekomme....
Naja, in den melancholischen Phasen komme ich mir einfach wahnsinnig unzulänglich vor. Das mag eine Rolle spielen.
Hast du auch in den Blues-Phasen Phantasien über deinen Thera (oder absorbieren deine Mord-Phantasien über Nachbarinnen und übelriechende Menschen im Supermarkt all deine phantastischen Energien? )
LG und danke!!
freistil
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Beitrag So., 03.01.2010, 13:01

Liebe Freistil,

in deinen Phantasien gibt es ja ein Leitmotif, und zwar das des "wärmenden, eine Decke/Mantel/Weste bereithaltenden Thera". Das passt sehr gut zu deinen Empfindungen von "Lückenhaftigkeit" und "Löchrigkeit", jetzt wo dein Ex nicht mehr da ist. Er, dein Thera, spendet sehr viel Wärme für all diejenigen, die quasi "aus dem letzten Loch pfeifen" (Formulierung bitte nicht übel nehmen... ). Das ist seine herausragende Qualität für dich, er ist pure Wärme und Schutz vor der Kälte. Leider, leider....profitiert im Urlaub natürlich v.a. seine Freundin davon... Aber es ist doch schön zu wissen, dass es Menschen wie ihn gibt, oder? Leute, die soviel schützende Wärme zu verschenken haben. Was wäre die Welt ohne sie?

Vermutlich hat die Abkehr deines Ex bei dir ganz viele alte Kindheitstraumata offengelegt. Jetzt ist es Zeit, sie zu erkennen und zu bearbeiten. Dein Ex war quasi der Mantel, der über diesen schlimmen Gefühlen lag.
Hast du auch in den Blues-Phasen Phantasien über deinen Thera (oder absorbieren deine Mord-Phantasien über Nachbarinnen und übelriechende Menschen im Supermarkt all deine phantastischen Energien?
Ja, habe ich. Die kommen aber nicht so ganz zur Geltung, werden schnell verdrängt. Gestern z.B. dominierten schlaglichtartig Phantasien, wie er mich nach dem Therapieende in die weite Welt hinausschickt, völlig gleichgültig gegenüber meinen Gefühlen. In solchen Phantasien bin ich halt doch nur eine von vielen Patientinnen, die behandelt werden, zahlen, und dann irgendwann gehen. Wenn mich dann schlechte Gefühle überrennen, stehe ich wieder alleine damit da.

Heute, wo es mir sehr viel besser geht, springen mir ganz stark konturierte Phantasien ins Bewusstsein, in denen er bei mir ist, mir sehr viel positive Energie zukommen lässt, mein Sonnenschein halt...

Vorhin beim Joggen war es ganz intensiv. Da hatte ich zeitweilig das Gefühl, er stünde neben mir, ganz nah, anwesend, präsent, gut gelaunt.

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Freistil
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Beitrag So., 03.01.2010, 14:21

Liebe Sandy,

danke dir für die anregende Deutung!

Ja, das war mir im Nachhinein auch aufgefallen, dass mich irgendwie dieses Motiv einer wärmenden Decke (Weste) durch viele Phantasien begleitet. Als du es jetzt auch nochmal herausgestrichen hast, fiel mir zusätzlich noch ein, dass auch der Begriff der "Wärme" in meiner Analyse oft von mir thematisiert wird. Zum Beispiel war es schon ein Paar Mal der Fall, dass ich schon beim Reinkommen das Gefühl hatte, mein Thera sei heute schlecht gelaunt. Das wirkte sich wiederum auf mein Kommunikationsverhalten aus, und als wir das dann jeweils thematisierten, sagte ich schon öfter, er sei heute irgendwie nicht so "warm" wie sonst. Ja, das ist mein stärkstes inneres Bild von meinem Thera: er schützt und wärmt mich gegen die Kälte, die immer wieder versucht, in mich hineinzukriechen.
Die Lücke in mir, mein existenzielles inneres Loch gibt es schon gaaanz lange. Die hat nicht mein Ex verursacht, sondern ich versuchte sie durch meine Beziehungen immer wieder zu stopfen, was mir aber natürlich nicht gelingt. Es ist wie der Schatten, den man nicht loswerden kann: ein ständiger Begleiter: die Einsamkeit. Was meinen Ex angeht, da muss nicht mehr viel betrauert oder bearbeitet werden. Was bearbeitet werden MUSS, ist aber mein Beziehungsverhalten insgesamt. Katastrophe... Ich habe diese blöde Gleichzeitigkeit in mir aus einer Riesen-Angst vor zu viel Nähe (Aufgefressenwerden durch den Anderen) und gleichzeitig dieses Loch von Einsamkeit, das nach Nähe und Wärme schreit. Chaos pur, das ich gerade mit mir selbst noch einigermaßen bändigen kann. Wenn allerdings jemand dazukommt, in den ich mich verliebt habe... Chaos hoch sechs.
SandyP. hat geschrieben: Gestern z.B. dominierten schlaglichtartig Phantasien, wie er mich nach dem Therapieende in die weite Welt hinausschickt, völlig gleichgültig gegenüber meinen Gefühlen. In solchen Phantasien bin ich halt doch nur eine von vielen Patientinnen, die behandelt werden, zahlen, und dann irgendwann gehen. Wenn mich dann schlechte Gefühle überrennen, stehe ich wieder alleine damit da.
Das kenne ich... Bei mir sind das astreine Verlustängste, die ich in solche Phantasien packe.
SandyP. hat geschrieben: Vorhin beim Joggen war es ganz intensiv. Da hatte ich zeitweilig das Gefühl, er stünde neben mir, ganz nah, anwesend, präsent, gut gelaunt.
Das wiederum kann ich leider nicht fühlen. Ich habe da auch mal mit meinem Thera drüber geredet. Er meinte, dass mir ein bisschen die Fähigkeit zur Bildung von stabilen inneren Repräsentanzen abgeht, und dass das Schuld ist an größeren Verlassensängsten, die ich in engeren Beziehungen immer wieder durchmache. Er ermutigt mich immer wieder, mit ihm daran zu üben...

Übrigens war ich vorhin auch joggen. Habe mich hochgerafft, nachdem ich in deinem Thread gelesen habe, dass du gehst. Yeah!

LG freistil
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stehaufmädchen
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Beitrag Di., 05.01.2010, 11:41

heute morgen - acht Uhr - ich liege im Bett - dämmere vor mich hin - und träume (etwas was noch garnicht sein kann, da er noch frei hat, aber wer weiß.....:

>>>>>>>...mein Thera versucht sich langsam wieder an den Therapiealltag heranzunähern, läuft durch die Stadt in die Praxis, öffnet Post, legt sich Akten auf den Tisch, liest Aufgeschriebenes vom letzten Jahr aus meiner Akte, sinniert, macht Notizen, hat ein ernstes Gesicht, versucht aus meinen zum Teil kryptischen Bemerkungen eine Bedeutung herauszulesen, überdenkt die MetaZiele, die ER für mich hat, versucht herauszufinden, welche Ziele ICH eigentlich habe, liest quer, findet keine Antwort, sucht den Sinn meiner Abwehr, findet nichts, ...enttäuscht klappt er meine Akte zu und weiß, daß er noch immer zuwenig über mich weiß...schreibt Fragen auf, die noch im Raum stehen. Er erkennt, daß er mich noch nicht kennt. Und er geht ans Fenster und fragt sich ob es sich lohnt, noch mehr über mich zu erfahren...und denkt: will sie meine Hilfe überhaupt?!...<<<<<<<



lg
Stehaufmädchen (hofft, daß das nicht wahr ist...)

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Freistil
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Beitrag Di., 05.01.2010, 16:06

Hallo liebe Stehaufmädchen,
warum willst du, dass die Phanasie NICHT wahr ist? Ich finde sie total schön. Dein Thera macht sich da total viele ehrliche und lange Gedanken um dich, deine Person, um eure Beziehung. Und das alles außerhalb der "bezahlten Stunden"... Du bist in seinem Kopf, ihr verschmelzt dort in seinen Gedanken...
Die von dir vorgestellte Ehrlichkeit seiner Gedanken ("Will sie meine Hilfe überhaupt?" Will ich überhaupt mehr über sie erfahren?") macht das ganze noch viel Realitäts-naher und wenig kitschig. Eine wirklich schöne Phantasie!!

deine freistil
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situation
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Beitrag Di., 05.01.2010, 17:02

Liebe SandyP,

ich klinke mich hier mal kurz ein. Mir - als viel zu stillem Mitleser - tut dieser Thread sehr gut, drückt er doch soviel an Sehnsucht aber auch Intimität aus.

Vor langer Zeit hatte ich mal einen Thread zu meinem Therapie-Ende eröffnet und da schriebst Du:

"Seit Beginn meiner Therapie habe ich das Gefühl eigentlich zwei Therapeuten zu kennen. Den aus den Gesprächssitzungen (professionell-distanziert zum größten Teil) und den "internalisierten", mit dem ich außerhalb der Therapiestunden die inneren Gespräche weiterführe. Der internalisierte Therapeut ist das, was du als "innig" und "herzlich" beschreiben würdest. Er ist nicht der reale Therapeut."
(viewtopic.php?f=20&t=5477)

Ich habe einfach mal ein paar Fragen: Helfen Dir die Fantasien? Stärken sie den internalisierten Therapeuten? Sprichst Du mit ihm, dem realen, darüber (sorry, das hab ich nicht mehr im Blick)?

Ich kann mir vorstellen, dass das Zulassen dieser Fantasien innerlich sehr heilsam ist, oder? Da kommt bestimmt einiges in Bewegung.

Ich habe mich bisher nicht getraut, solche Gedanken zuzulassen. Aus Angst vor wiederholter Abhängigkeit.

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